Zusammenfassung
Der Begriff des Milieus (M.) als soziologische Analysekategorie hat eine lange Tradition und diente zunächst dazu, die Gesamtheit der durch die soziale und räumliche Umwelt gegebenen Einflüsse auf das Individuum zu erfassen. Der erste soziologische Klassiker, bei dem der Begriff des M. explizit als zentraler theoretischer Bestandteil auftaucht, ist Durkheim (1980), der zwischen einem äußeren sozialen M. unterschied, das sich auf die Gesellschaft im nationalstaatlichen Rahmen bezog und einem inneren M., das den Einfluß der lokalen und personalen Umwelt konzeptualisierte. In den 20er Jahren des letzten Jhdts. nahm Scheler den M.-Begriff wieder auf und gab ihm, in Abgrenzung zur objektivistischen Begrifflichkeit der Naturwissenschaften, eine Wendung, welche die Symbolisierungsleistungen des Subjekts und die vorbewußte, routinisierte Ordnungsfunktion m.-typischer Wissensbestände in den Vordergrund stellte. Sein Schüler Gurwitsch faßte unter diesem Begriff alle Formen des Zusammensein mit anderen, wobei er sich insbesondere auf die Partnerschaft, die Zugehörigkeit und die Verschmelzung als typische Dimensionen der M.-Bildung bezog. Während des Faschismus und der durch eine Dominanz modernisierungstheoretischer Ansätze charakterisierten Nachkriegsperiode wurde auf den M.-Begriff nur in geringem Umfang bezuggenommen, ein Tatbestand, der sich erst zu Beginn der 70er Jahre änderte. Mit der Konjunktur qualitativ-sinnrekonstruierender Ansätze gewannen kleinräumige M.-Analysen, etwa auf der Ebene der Beschreibung von Jugendkulturen, eine zunehmende Bedeutung.
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Literatur
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Georg, W. (2002). Milieus/Lebensstile. In: Greiffenhagen, M., Greiffenhagen, S., Neller, K. (eds) Handwörterbuch zur politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80358-0_47
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