Zusammenfassung
Erscheint es ein wenig unpassend, daß ich mir vorgenommen habe, über Wandlungen der Machtbalance zwischen Männern und Frauen zu sprechen? Zweifellos ist es üblicher, den Ausdruck „Machtbalance“auf die Beziehungen zwischen Staaten anzuwenden. Sie, mächtige Staaten, stehen einander oft bis an die Zähne bewaffnet gegenüber. Wenn einer von ihnen seine tödliche Ausrüstung verstärkt, verändert sich die Machtbalance zu seinen Gunsten. Eine rivalisierende Macht mag sich dann bedroht fühlen und ihrerseits die eigene Rüstung verstärken, wodurch die Machtbalance wieder ausgeglichen wird. Aber Frauen und Männer, ob durch die Ehe gebunden oder nicht, treten einander selten bis an die Zähne bewaffnet gegenüber. Hat es einen Sinn, auch in ihrem Fall von einer Machtbalance und deren Wandel zu reden? Ich meine, ja. Einige Beispiele mögen verdeutlichen, warum.
Vortrag am 14. September 1985 in Bologna („Lettura“del Molino 1985). Übersetzung aus dem Englischen und Redaktion: Michael Schröter. Die hier abgedruckte deutsche Fassung wurde vom Autor überarbeitet.
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Anmerkungen
Siehe Bram van Stolk und Cas Wouters, Vrouwen in tweestrijd, 2. Aufl., Deventer 1985, bes. Kap. 5; vgl. auch den Aufsatz von Wouters in diesem Heft.
Ganz ähnlich lagen die Verhältnisse etwa in der Gesellschaft des mittelalterlichen Deutschland bis zum 13. Jahrhundert und teilweise noch später. Vgl. hierzu und zu dem dann einsetzenden Wandel die Arbeit von Michael Schröter, „Wo zwei zusammenkommen in rechter Ehe...“. Sozio- und psychogenetische Studien über Eheschließungsvorgänge vom 12. bis 15. Jahrhundert, Frankfurt a. M. 1985.
Val. Max. I. 9, 2. Zit. bei Heinrich Geffcken, Zur Geschichte der Ehescheidung vor Gratian, Leipzig 1894, S. 11.
Hermannus Dessau (Hrsg.), Inscriptiones Latinae selectae, 2. Aufl., Berlin 1954 ff., Nr. 8403.
Vgl. Moses I. Finley, Aspects of Antiquity, London 1968, S. 130.
Finley, a. a. O., Kap. 10: „The silent women of Rome“.
Vgl. Norbert Elias, Über den Prozeß der Zivilisation, Frankfurt a.M. 1976, Bd. II, S. 88 ff.: „Zur Soziogenese des Minnesangs und der courteoisen Umgangsformen“.
Appianus Alexandrinus, Historia Romana. Bella Civilia IV, 32–34 (Übersetzung unter Verwendung der deutschen Fassung von Ferdinand L.J. Dillenius).
Die Annahme, daß Frauen keine Steuern zu entrichten hatten, wäre natürlich, wenn sie sich bestätigen ließe, von hohem Interesse. Aber ich habe bisher keine weiteren Belege dafür gefunden. Man fragt sich auch, ob vielleicht die Abgabenfreiheit von Frauen in der Zeit Appians bedroht wurde.
Heute wird, um ein Beispiel anzuführen, von Politikerfrauen in aller Regel erwartet, daß sie die Partei und damit die Ideologie unterstützen, die ihre Ehemänner in ein hohes Amt zu bringen verspricht; umgekehrt gilt das gleiche auch für Männer, wenn ihre Frauen eine politische Laufbahn einschlagen. Und mehr noch, in den Vielparteienstaaten unserer Zeit müssen Politiker in hohen Ämtern den Eindruck erwecken, als ob sie in ihrer Ehe das verwirklichten, was in den Augen der breiteren Gesellschaft eine ideale Gattenbeziehung darstellt. Andernfalls laufen sie Gefahr, Wählerstimmen zu verlieren und ihre Karrierechancen ernsthaft zu beeinträchtigen. Während in der Praxis eine relativ egalitäre Gattenbeziehung oft eine ständige Stabilisierungsarbeit verlangt, müssen die Politiker unserer Tage der Außenwelt ein Bild fast müheloser ehelicher Stabilität und Identifizierung vorführen. Im alten Rom kannte man keine derartigen Anforderungen an politisch aktive Männer oder selbst an ihre Frauen. Catulls Clodia war eine aktive Parteigängerin Cäsars und der populistischen Fraktion ihres Bruders, während ihr Mann mit den damaligen Konservativen sympathisierte. Freilich war die römische Gesellschaft zur Zeit der Republik alles andere als eine demokratische Gesellschaft. Sie war eine aristokratische Oligarchie.
Dion. Hal. IX, 28. Zit. bei Otto Kiefer, Sexual Life in Ancient Rome, London 1953, S. 10.
Nov. 117, c. 10. Zit. bei Geffcken, a. a. O., S. 25.
Zit. bei Dieter Giesen, Grundlagen und Entwicklung des englischen Eherechts in der Neuzeit bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts, Bielefeld 1973, S. 27, Anm. 43.
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Elias, N. (1997). Wandlungen der Machtbalance Zwischen den Geschlechtern. In: Friedrichs, J., Mayer, K.U., Schluchter, W. (eds) Soziologische Theorie und Empirie. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80354-2_6
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