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Cinéma brut

Erkundungen im Umfeld eines Begriffs

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Cinéma brut

Part of the book series: Edition Angewandte ((EDITION))

  • 245 Accesses

Zusammenfassung

Dass der Diskurs des Purismus ungeeignet ist, die Vielfalt avantgardistischer Techniken zu bezeichnen, soll nicht heißen, dass der stattdessen vorgeschlagene Terminus des cinéma brut auf eine Praxis verweist, die in einem ‚Jenseits der Zeichen’ angesiedelt ist. In der Filmsemiotik ist zur Bezeichnung des Problems, dass Zeichen und damit Bedeutungen sozial und kulturell gebunden sind (was wissenschaftliche Interpretationen natürlich miteinschließt), der Begriff des „Codes“ üblich geworden. Sowohl das Konzept als auch der Begriff eines cinéma brut stellen in diesem Zusammenhang eine Herausforderung dar: Denn beide scheinen auf den ersten Blick auf eine künstlerische Praxis zu verweisen, die frei von jeglicher Codierung ist und ohne Vermittlung (eines Diskurses, eines Mediums oder eines Codes) auf das ‚Wahre’ und ‚Eigentliche’ — das unbearbeitete ‚Rohe’ -zugreifen kann. Akzeptiert man jedoch, dass auch ein cinéma brut codiert ist, so muss es sich um einen Codebegriff handeln, der sich von jenem des herkömmlichen Films unterscheidet.72 Da jeder Film aus einer Vielzahl von kinematographischen Codes besteht, vermittels dieser kulturelle Traditionen und gesellschaftliche Konventionen wirksam werden, stellt sich mit Recht die Frage, wie sich das Kinernatographische mit dem Brutistischen, dem Rohen, Wilden und Primitiven auf einen Nenner bringen lässt.73

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Jutz, G. (2010). Cinéma brut. In: Cinéma brut. Edition Angewandte. Springer, Vienna. https://doi.org/10.1007/978-3-211-99150-3_3

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