Zusammenfassung
„Die reine Dichtung, die reine Musik, der reine Roman widern mich an, nur das Unreine berührt mich“1, verkündete der französische Schriftsteller Alexandre Arnoux Mitte der 1920er Jahre, als sich in der Pariser Avantgarde alle Diskussionen um die ‚Reinhaltung ‘der Künste zu drehen schienen. Angefacht hatte diese Debatte der Literaturkritiker und Theologe Abbé Bremond: Bei seiner Antrittsrede in der Académie Française 1925 und in einem Artikel der Zeitschrift Nouvelles Littéraires plädierte er für eine neue Form von Dichtung, eine „poésie pure“, die er mit einer bestimmten Art zu beten verglich.2 In ihr sollten die nicht-narrativen Aspekte der Sprache in den Vordergrund rücken, ihre musikalisch-klanglichen Qualitäten, die Bremond von allen semantischen Lasten befreit wissen wollte. Ziel der „poésie pure“ war es freilich nicht, das Signifikantenmaterial als solches offenzulegen (wie es etwa die Futuristen mit ihrer Lautmusik oder die ‚Werke ‘der Dadaisten vorführten), sondern über die sinnliche Erfahrung von Sprache zur „réalité mystérieuse“ des Bezeichneten vorzudringen.3
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Literatur
Zitiert nach Clair, Cin’ema d’hier, cin’ema d’aujourd’hui [1922–1935], 1970, 148 [Übers, d. Verf.].
Wiederabdruck in Bremond, La po’esie pure, 1926.
Vgl. de Haas, „Vers un cin’ema pur”, 1985.
Chomette, „Le cin’ema ne se limite pas au mode repr’esentatif” [1925], 2001, 73; vgl. auch Clair, Cinema d’hier, cinema d’aujourd’hui, 1970, 146f. (Henri Chomette war der Bruder von Rene Clair.)
Zur Problematik der Datierung vgl. Wilmesmeier, Deutsche Avantgarde und Film, 1994. Zu Opus I und Symphonie Diagonale vgl. auch N. Brinckmann,...Abstraktion’ und ‚Einfühlung’ im deutschen Avantgarde-Film der 20er Jahre”, 1997.
„Essential cinema“ ist die Bezeichnung für die Filmsammlung der Anthology Film Archives in New York, die dem ‚Eigentlichen ‘des Films verpflichtet ist (vgl. Sitney, Hg., The Essential Cinema, 1975).
Film als Film hieß eine von Birgit Hein und Wulf Herzogenrath 1978 für den Kölnischen Kunstverein konzipierte Ausstellung, die den „nicht-narrativen, absoluten, strukturellen Film” von seinen Anfängen bis zur Gegenwart zum Thema hatte (vgl. Hein/ Herzogenrath, Hg., Film als Film, 1978). Unter dem Titel Film as Film: Formal Experiment in Film 1910–1975 wurde die Schau im folgenden Jahr in der Londoner Hayward Gallery gezeigt.
Die Konzentration auf die Erkundung des Eigenen schließt jedoch Werke von sinnlichem Reiz nicht aus, wie N. Brinckmann am Beispiel von Jenny Okuns Still Life eindrücklich gezeigt hat („Struktureller Film, strukturierende Farbe”, 1997).
Tscherkassky, „Die Analogien der Avantgarde”, 1992, 34.
Brenez/ Lebrat (Hg.), Jeune, Dure et Pure!, 2001.
„[...] es gibt genauso wenig eine Kunst von Geisteskranken wie eine Kunst von Magen-oder Kniekranken” (Dubuffet, „L’Art Brut” [1949], 1967, 202).
Haas, Jean Dubuffet, 1997, 32.
Der Begriff „direct film” geht auf Len Lye zurück und charakterisiert sein Verfahren der Direktanimation, das er erstmals 1935 in A Colour Box anwandte (vgl. Horrocks, Len Lye, 2001, 134).
Dubois, Der fotografische Akt [1983], 1998, 112.
Vgl. Hausheer/ Settele (Hg.), Found Footage Film, 1992, 4.
Vgl. Cook, „The Point of Expression”, 1978.
Krauss, „Anmerkungen zum Index: Teil I„ [1976], 2000, 257 und 259.
Vincent van Gogh an Emile Bernard, zitiert nach Schneede, Geschichte der Kunst im 20. Jahrhundert, 2001, 14.
Vgl. Bryson, Das Sehen und die Malerei [1983], 2001, 117–122; vgl. auch Eiblmayr, Die Frau als Bild, 1993, 67f.
Vgl. Metz, „A propos de l’impression de r’ealit’e au cinema”, 1968; Baudry, „Le dispositif”, 1975.
Weiss, „Some Notes on Conjuring Away Art”, 1998, 89f.
Vgl. Scheugl/ Schmidt jr., Eine Subgeschichte des Films, 1974, 584–586.
Vgl. Rodowick, The Crisis of Political Modernism, 1994.
Vgl. Wollen, „Godard and Counter Cinema”, 1976.
Vgl. Austin, How to Do Things with Words, 1962. Austin hat mit den so genannten „Performativa” eine bis dato unbeachtete Klasse sprachlicher Äußerungen abgegrenzt und damit gezeigt, dass Worte nicht nur etwas konstatieren, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch etwas bewirken können.
Vgl. Bataille, Le Dictionnaire Critique [1929–1931], 1993, 33f.
De Bruyn, „Das erweiterte Feld des Kinos”, 2003, 162.
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Jutz, G. (2010). Einleitung. In: Cinéma brut. Edition Angewandte. Springer, Vienna. https://doi.org/10.1007/978-3-211-99150-3_1
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