Auszug
Im März 1961 reiste Yves Klein nach New York, um seinen Platz in der selbsternannten Hauptstadt der modernen Kunst zu behaupten. In der kurzen Zeit von nur sechs Jahren hatte er Frankreich, Deutschland und Italien erobert, und so war es an der Zeit, in die amerikanische Szene einzudringen, um dort die längst überfällige Anerkennung zu erhalten. Sein guter Freund Jean Tinguely hatte New York nur ein Jahr zuvor mit seiner Performance Hommage à New York („Hommage an New York“) im Garten des Museum of Modern Art erstürmt, und Klein konnte einfach nicht Zweitbester sein. Nach seinem Triumph in Europa sollte nun Yves Le Monochrome in Amerika als einer der wichtigsten französischen Künstler der Nachkriegszeit bekannt werden. Wie schon vor ihm Marcel Duchamp reiste er auf einem Dampfschiff nach New York, seine Gefährtin Rotraut Uecker an der Seite. Beide waren sie gespannt, was sie wohl auf der anderen Seite des Atlantiks entdecken würden, und dokumentierten ihre geschichtsträchtige Überfahrt begeistert mit einer Fotoserie, die sie tatendurstig und verliebt zeigt.
Aufgrund einer Art von Protektionismus des amerikanischen Kunstmarkts oder auch wegen der idiotischen Vorstellung, die einzigen interessanten oder bedeutenden Künstler unsrer Zeit wären die amerikanischen, wurde Yves als europäischer Emporkömmling abgetan, dessen Arbeit irgendwie von der amerikanischen Kunst abstammte oder, schlimmer noch, auf unmöglich ehrgeizige Art epigonal war. Sicher haben sich deswegen alle besser gefühlt, persönlich und auch was die amerikanische Kunst betrifft, aber selbst das konnte die possenreißerhafte Originalität dessen, was Yves im Namen der Kunst zusammengebracht hatte, nur einen Augenblick lang vergessen machen. Larry Rivers
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Literature
Die Erinnerungen von Larry Rivers, einem der engsten Freunde von Klein in New York, finden sich in „Blues for Klein“, in: Art News, Februar 1967, S. 33–34 sowie S. 75–76
Interview mit Rotraut Klein-Moquay von Daniel Moquay, August 2005, veröffentlicht in Yves Klein: A Career Survey, New York 2005, S. 86–88
Klein erwähnt die „Castelli-Sabotage“ in einem Brief an Georges Marci vom Mai 1961, Yves Klein Archives, Paris.
Persönliches Gespräch mit Rotraut Klein-Moquay, New York, 25.10.2005
Interview mit Ivan C. Karp von Paul Cummings in der Galerie Leo Castelli am 12.03. 1969, Archives of American Art, Smithsonian Institution, Washington, D.C.
Pierre Restany wird von Luisa F. Flynnin ihrem Artikel „Yves Klein’s blue Carpet“ zitiert, in: Art World, 7/3, Dezember 1982
Castellis Erinnerungen wurden veröffentlicht in: Luisa F. Flynn, ihrem Artikel „Yves Klein’s Blue Carpet“ zitiert, in: Art World, 7/3, Dezember 1982 zit. Anm. 6, S. 2; sowie in Sidra Stich, „Interview mit Leo Castelli, 12. September 1991“, in: Yves Klein, Stuttgart 1994, S. 275, Anmerkung 20
François Mathey, Leiter des Musée des arts décoratifs und bei der Vernissage anwesend, erinnert sich an wenig Publikum. Er bemerkt überdies, dass anstatt des üblichen Abendessens nach der Eröffnung nur eine kleine Gruppe, bestehend aus Klein, Rotraut Uecker, Larry Rivers und noch einem Freund, in ein chinesisches Restaurant ging. Vgl. Sidra Stich, Interview mit Leo Castelli, 12. September 1991“, in: Yves Klein, Stuttgart 1994 zit. Anm. 7, S. 275, Anmerkung 26
Interview mit Leo Castelli, 12. September 1991“, in: Yves Klein, Stuttgart 1994 Ebd., S. 235. Während Stich anmerkt, dass keine Arbeiten verkauft wurden, erinnert sich Ivan C. Karp an den Verkauf von einigen wenigen monochromen Bildern zu bescheidenem Preis. Karp, Interview von Paul Cummings, zit. Anm. 5, S. 33
Brief, zitiert in Sidra Stich, Interview mit Leo Castelli, 12. September 1991“, in: Yves Klein, Stuttgart 1994 zit. Anm. 7, S. 275, Anmerkung 19. Stich bemerkt dazu, dass Rothko Klein nicht sehen oder sprechen wollte, obwohl ihn Klein zu seinen Unterstützern zählte.
In einer Erinnerung, die Billy Kluver seiner Assistentin diktierte, meint er, Jean Tinguely gesagt zu haben, dass er bis ein Uhr nachts auf gewesen sei, weil es „zu diesem riesigen intellektuellen Streit mit Yves gekommen ist“. Tinguely soll geantwortet haben: „Wenn du Yves treffen willst, musst du verstehen, wie er ist und dass du immer in so einen Streit oder eine Diskussion gezogen werden wirst.“ Stelle zur Verfügung gestellt von Julie Martin, New York, 27.10.2005
Persönliches Gespräch mit Barbara Rose, New York, 16.10.2005
Rivers in „Blues for Klein“, zit. Anm. 1, S. 75–76
Kathleen Moran schreibt in einem Artikel im Burlington Magazine, Dezember. 1960: „⋯die nicht Bekehrten neigten dazu, das Ganze als einen jener profitablen Schwindel abzutun, die moderne Künstler anscheinend immer mit einem leichtgläubigen Publikum zu spielen bereit sind“.
Interview mit Larry Rivers, zitiert bei Stich, „Interview mit Leo Castelli, 12. September 1991“, Interview mit Leo Castelli, 12. September 1991“, in: Yves Klein, Stuttgart 1994 zit. Anm. 7, S. 275, Anmerkung 24
Karp, Interview von Paul Cummings, Galerie Leo Castelli am 12.03.1969. Archives of American Art, Smithsonian Institution, Washington zit. Anm. 5, S. 32
In einem Artikel in der New York Herald Tribune, zitiert in Iris Time (L'Artventure), Paris 1978, bestätigt Clert, dass „er [Klein] ganz einfach nicht malen kann“.
New York Herald Tribune europäische Ausgabe vom 22.05.1957
Kathleen Moran, zit. Anm. 14
Persönliches Gespräch mit Frank Stella, New York, 21.11.2005
Persönliches Gespräch mit Ellsworth Kelly, New York, 02.12.2005
Jack Kroll in Art News, 60/3, Mai 1961, S. 14–15
Persönliches Gespräch mit Rotraut Klein-Moquay, zit. Anm. 4
Die Debatte um die erste Manifestation eines monochromen Bilds bei Klein ist noch nicht abgeschlossen. Arman erinnert sich, dass Klein ein solches 1947 oder 1948 auf sein Notizbuch gemalt und behauptet hätte, dies sei „der zukünftige Status cuo der Malerei“, vgl. Yves Klein, Paris 1983, S. 262. Ein anderer Kindheitsfreund, Claude Pascal, behauptet hingegen, dass Klein während seines Aufenthalts in London von 1949 bis 1950 monochrome Bilder mit Pastellfarben gemalt hätte. Er erinnert sich, dass „er eines Abends aus dem Bad gekommen [ist] und sagte: ‚Ich hab’s gefunden. ‘Er hat mir seine monochrome Malerei gezeigt.“ Diese Erinnerung teilt er Virginie de Caumont in einem unveröffentlichten Interview vom 26.03.1981 mit (S. 5). James Shorrocks, Kleins Freund aus Londoner Tagen, bestätigt dies in einem unveröffentlichten Interview mit Nan Rosenthal am 11.07.1974 (S. 14). Er sagt: „⋯ er nahm einfach ein Stück Karton, Papper und malte blau darüber ⋯ dann heftete er es mit Reißzwecken an die Wand und sagte: ‚Ich mag das. Ich bin sicher, dass da was dran ist.‘“ Beide Abschriften finden sich in der Menil Collection, Houston, Texas, unter der Rubrik „Exhibition History 10.120“.
Gemäß Sidra Stich berichtete Klein diesen Meinungsaustausch in einem Brief an Georges Marci vom 29.03.1961. Er schreibt, Rauschenberg war „ein bisschen zu aggressiv, doch letzten Endes ein netter Bursche [⋯] Wie so viele andere Künstler, die ich getroffen habe, erzählte er [Rauschenberg] mir sofort, dass er vor langer Zeit auch schon ein monochromes Experiment gemacht hätte, in ‚Weiß„ 1953.“ Dieser Meinungsaustausch wurde Stich in einem Brief vom 11.08.1992 mitgeteilt, „Interview mit Leo Castelli, 12. September 1991“, zit. Anm. 7, S. 275, Anmerkung 29
Clement Greenberg, „Avantgarde und Kitch“ (1939), in: Karlheinz Lüdeking (Hg.), Die Essenz der Moderne, aus dem Amerikanischen von Christoph Hollender, Dresden 1997, S. 40
Yves Klein, „Le vrai devient réalité“, in: Marie-Anne Sichère, Didier Semin (Hg.), Yves Klein. Le dépassement de la problématique de l’art et autres écrits, Paris 2003, S. 287 (künftig zitiert als_Écrits)
Yves Klein, „Manifeste de l’hôtel Chelsea“, in: Écrits, S. 294
Diese Anekdote über Rauschenberg wird von Lawrence Weiner in einem Gespräch mit dem Autor am 07.12.2005 in New York erwähnt.
Milan Kundera hat Kitsch mit Totalitarismus in Zusammenhang gebracht, weil dieser „die absolute Leugnung von Scheiße“ sei. Er argumentiert, dass Kitsch alle Lebensaspekte ausklammere, mit denen die Leute nur schwer zurechtkommen, und stattdessen eine keimfreie Lebensform anbiete, bei der „alle Antworten schon im Vorhinein existieren und jede Frage obsolet machen“. Vgl. Milan Kundera, Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins, Frankfurt am Main 1987
Art News, 61/4, Sommer 1962, S. 9
Donald Judd in Arts Magazine, 37/4, Januar 1963, S. 48–49
Kynaston McShine, Yves Klein, New York 1967, S. 7.
Pierre Restany, ebd., S. 11
Pierre Descargues, ebd., S. 26
„Klein Retrospective“, in: The Morning Sun, 12.02. 1967
John Canaday, „I Got the Yves Klein Blues“, in: The New York Times, 05.02.1967
Ebd.
Eine Besprechung von Rauschenbergs „White Paintings“ findet sich bei Branden W. Joseph, „White on White“, in: Critical Inquiry, 27/1, Herbst 2000, S. 90–121
Persönliches Gespräch mit Frank Stella, zit. Anm. 20
Yves Klein, Manifeste de l’hôtel Chelsea“, in: Écrits zit. Anm. 28, S. 292
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BanaÏ, N. (2007). Gefährliche Abstraktion: Yves Klein in New York, 1961–1967. In: Yves Klein. Springer, Vienna. https://doi.org/10.1007/978-3-211-71391-4_10
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