Auszug
Das Gelingen einer Revolution hängt ab von der Handlungsfähigkeit der Revolutionäre. Diese müssen folglich über eine Basis verfügen, die ihnen Gewissheit über die Richtigkeit ihrer Kritik am Status quo gibt, und eine solche Basis ist die Geschichtsphilosophie. Dies zeigt Reinhart Koselleck in seiner Studie Kritik und Krise, wo er den ursprünglichen Zusammenhang zwischen der Entstehung des geschichtsphilosophischen Bewusstseins im Bürgertum und dem Beginn der politischen Krise um 1789 herausarbeitet:01 Aus dem Bewusstsein der Krise, welche die Frage nach der geschichtlichen Zukunft provoziert, ergab sich eine Reihe von Prognosen, »die das kommende Ende der bisherigen politischen Ordnung«02 vorwegnahmen. Diese Prognosen — so weist Koselleck nach — ermöglichten den Geheimorden, die Souveränität des (absolutistischen) Staates aufzuweichen, weil ihnen die Macht ihrer Geschichtsphilosophie jene >Rückendeckung< gab, die den Erfolg ihrer Pläne in der Zukunft garantierte: »Die Beseitigung des Staates wird geplant und indirekt erstrebt, aber die Revolution erübrigt sich, denn der Staat fällt sowieso.«03 Die Identifikation der indirekt politischen Planung mit dem Ablauf der Geschichte führte also dazu, dass die Möglichkeit der Revolution verdeckt, die Revolution zu-gleich aber heraufbeschworen wurde: »Verdeckung und Verschärfung sind ein und derselbe Vorgang.«04 Da diese Strategic einer »Revolution in Potenz«05, die sich »indirekte[r] Arbeitsmethode[n]«06 bedient und verdeckt operiert, somit schon einmal zum Erfolg einer Revolution beigetragen hat, stellt sich die Frage, ob und inwiefern diese heute wiederholbar wäre.
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Literatur
—Vgl. Reinhart Koselleck, Kritik und Krise: Eine Studie zur Pathogenese der bürgerlichen Welt (1959), Frankfurt am Main 1973, S. 2 f.
—Ebd., S. 105.
—Ebd., S. 111 f.
—Ebd., S. 105.
—Ebd., S. 113.
—Ebd., S. 114.
—Zum Begriff der praktischen Ästhetik vgl. Gesa Ziemer, »Verletzbare Orte: Entwurf einer praktischen Ästhetik«, Dissertation, Zürich 2006 (nbn-resolving.de/urn:nbn:de:kobv:517-opus-7374 [September 2006]), bes. S. 147–232.
—Walter Benjamin, »Über den Begriff der Geschichte« (1940), in: ders., Illuminationen: Ausgewählte Schriften I, Frankfurt am Main 1977, S. 251–261, hier: S. 255.
—Vgl. Gershom Scholem, »Walter Benjamin und sein Engel« (1972), in: ders., Walter Benjamin und sein Engel: Vierzehn Aufsätze und kleine Beiträge (1983), Frankfurt am Main 1992, S. 35–72, hier: S. 67. Für einen Forschungsüberblick zu diesem Thema aus kunsthistorischer Perspektive vgl. Johann Konrad Eberlein, »Angelus Novus«: Paul Klees Bild und Walter Benjamins Deutung, Freiburg im Breisgau 2006 (= Rombach Wissenschaften: Reihe Quellen zur Kunst 16).
—Scholem (wie Anm. 09), S. 67.
—Vgl. ebd., S. 66. Ausführlicher zu den drei Stadien des lurianischen Mythos vgl. Gershom Scholem, Zur Kabbala und ihrer Symbolik (1960), Frankfurt am Main 1973, S. 146–158.
—Vgl. Benjamin (wie Anm. 08), S. 261 (Anhang B) bzw. Scholem (wie Anm. 09), S. 66 f.
—Engel sind in erster Linie immer Boten (angeloi) und dabei primär »Vermittler sprachlicher Botschaften«; vgl. Monika Schmitz-Emans, »Engel — ein Steckbrief«, in: dies. / Kurt Röttgers (Hgg.), Engel in der Literatur-, Philosophie-und Kulturgeschichte, Essen 2004 (= Philosophisch-literarische Reflexionen 6), S. 10–28, hier: S. 17.
—Es gilt, sich über die Bedeutung von >profaniert< im Klaren zu sein: Anders als die Säkularisierung — wie es etwa in den Geschichtsphilosophien der Geheimorden der Fall ist, welche die christliche Eschatologie zum säkularen Fortschritt umdeuteten (vgl. Koselleck [wie Anm. 01], S. 108) — löscht die Profanierung das Heilige nicht aus, sondern lässt es verrätselt, aber auch mit neuer Leichtigkeit fortleben (vgl. Giorgio Agamben, Profanierungen, Frankfurt am Main 2005, S. 74 f.). Eine solche Profanierung hat auch die Schelle, die etymologisch von >Schall< abstammt, durchgemacht: Lange bevor sie zum Symbol der Narren wurde, trugen sie die jüdischen Hohenpriester am Gewand (vgl. Jacob Grimm / Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, Leipzig 1854–1960, Band 14 [1893], Spalte 2492 f.).
—Durchaus analog vermutet Scholem die Mitteilung des Angelus Novus auf dessen Kopf: »[N]icht ganz umsonst ist auf Klees Bild das Haupt des Engels, da, wo Locken zu erwarten wären, von Schriftrollen umgeben, auf denen seine Botschaft eingezeichnet sein mag« (Scholem [wie Anm. 09], S. 58).
—Auf die kurze und bündige Formel »Komik — Symbol der Krise?« bringt dies die Preisfrage des VII. Internationalen Kongresses der Gesellschaft für Theaterwissenschaft vom 4. bis 7. November 2004 an der Universität Wien zum Thema »komik — Ästhetik, Theorien, Vermittlungsstrategien«; vgl. www.theater-wissenschaft.de/go (September 2006). Komik ist — beantwortet man die Frage affirmativ — demgemäß das >Zusammenwerfen< (symballein) zweier Momente, die aufgrund ihrer Inkongruenz eine Krise bewirken und ausmachen. Inkongruenztheoretisch argumentieren u.a. auch Henri Bergson (Le rire: Essai sur la signification du comique [1900]) und Sigmund Freud (Der Witz und seine Beziehungen zum Unbewußten [1905]). Für einen kurzen Überblick dazu vgl. Klaus Schwind, »Komisch«, in: Karlheinz Barck (Hg.), Ästhetische Grundbegriffe: Historisches Wörterbuch in sieben Bänden, Stuttgart / Weimar 2000–2005, Band 3 (2001), S. 332–384, bes. S. 333, S. 347–353 und S. 377–383.
—Diese Krisenhaftigkeit zeichnet Klees Engel generell aus (vgl. Friedmar Apel, »Engel in der Krise, Klee«, in: ders., Himmelssehnsucht: Die Sichtbarkeit der Engel in der romantischen Literatur und Kunst sowie bei Klee, Rilke und Benjamin, Paderborn 1994, S. 149–156, und Ingrid Riedel, »Engel der Krise«, in: dies., Engel der Wandlung: Die Engelbilder Paul Klees [2000], Freiburg im Breisgau 2004, S. 95–129, die aber den Schellen-Engel — keineswegs zu Unrecht, denn das ist er durchaus auch — den »Engel[n] des Anfangs« zuordnet [vgl. S. 78–81]) — am offensichtlichsten natürlich das Bild Krise eines Engels (1939). Zu den in die Krise geratenen Engeln vgl. zudem Monika Schmitz-Emans, »Engel in der Krise: Zum Engelsmotiv in der romantischen Ästhetik und in Jean Pauls Roman Der Komet«, in: Jahrbuch der Jean-Paul-Gesellschaft 38 (2003), S. 111–138.
—Kierkegaard favorisiert in Die Wiederholung (1843) nicht zufällig die Posse, sondern sieht, wenn er daraus das lateinische Verb posse herausliest und es dem esse entgegensetzt, in ihr gerade die Möglichkeit als Möglichkeit angesiedelt (vgl. Samuel Weber, »Kierkegaard’s Posse«, in: ders., Theatricality as Medium, New York 2004, S. 200–228, hier: S. 218). Zum Zusammenhang von Komik und Wiederholung vgl. Ingo Uhlig, »Wiederholung«, in: Eva Erdmann (Hg.), Der komische Körper: Szenen — Figuren — Formen, Bielefeld 2003, S. 247–251.
—Der allgemeinen Grundbedeutung von >Schelle< »zunächst steht die Verwendung im sinne von schallender schlag ins gesicht, ohrfeige« (Grimm / Grimm [wie Anm. 14], Band 14, Spalte 2492).
—Das Bild scheint schief: Der schützende Cherub (Covering Cherub) ist eigentlich eine Wächterfigur: Er bewacht nach dem Sündenfall das Paradies (vgl. 1. Mose 3, 24). Versteht man aber die Cherubim mit Michel Serres als Chiffre für die Kommunikation schlechthin (vgl. Michel Serres, »Cherubim«, in: ders., Die Legende der Engel [1993], Frankfurt am Main 1995, S. 161–173, hier: S. 166, 169), verliert das Bild seine Schiefheit.
—Vgl. Alexander Kluge, »Kritik als verdeckte Ermittlung«, in: ders., Verdeckte Ermittlung: Ein Gespräch mit Christian Schulte und Rainer Stollmann, Berlin 2001 (= Internationaler Merve-Diskurs 235), S. 43–49, hier: S. 49.
—Vgl. Friedrich Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, Berlin 191963, S. 172 (Kursivierung — d. Vf.). Aus diesem Grund müsste der Zwischentitel korrekterweise eigentlich eher »Latenz der Komischen Partei« als »Manifest der Komischen Partei« lauten...
—Alexander Kluge, »Auch Quatschgeschichten meine ich ernst«, in: ders. (wie Anm. 21), S. 48, 77–97, hier: S. 82. Kluge weist in diesem Kapitel auf das kritisch-subversive Potential der Komik hin: produziert durch die »beharrliche Verfolgung eines Irrtums« (S. 84), sei sie »die Würze des Realismus« (S. 89). Vgl. dazu auch Christian Schulte, »Cross-Mapping: Aspekte des Komischen«, in: ders. / Rainer Stollmann (Hgg.), Der Maulwurf kennt kein System: Beiträge zur gemeinsamen Philosophie von Oskar Negt und Alexander Kluge, Bielefeld 2005, S. 219–232.
—Auch Adorno erinnert übrigens daran, dass Klee »in die Diskussion über engagierte und autonome Kunst hineingehört«, und führt dessen Angelus Novus als Paradebeispiel auf (vgl. Theodor W. Adorno, »Engagement« [1962], in: ders., Noten zur Literatur, Frankfurt am Main 1974, S. 409–430, hier: S. 430). Was aber auf den Angelus Novus zutrifft, gilt — wie gezeigt — mutatis mutandis auch für den Schellen-Engel.
—Vgl. Frank Apunkt Schneider, »Helge Schneider für Kinder. Protokoll einer Besichtigungsfahrt an die Nahtstelle des siamesischen Zwillings >Sinn/Unsinn<«, in: testcard: Beiträge zur Popgeschichte 11 (2002), S. 40–55, hier: S. 42–46. Vgl. auch ders., »The Jazz of Consciousness: Prolegomena zu einer jeden Helge-Schneider-Betrachtung, die als nicht-feuilletonistisch wird auftreten können«, in: Monochrom 11–14 1/2 (2000), o.S., und Eckhard Schumacher, »Das Stolpern der Banalität: Über Helge Schneider«, in: Merkur 52 (1998), S. 995–998.
—Das ist ganz im Sinne von Kluge (wie Anm. 23), S. 83: »[M]ir gefallen zunehmend die Perspektiven, die man zur Komik zählt. Aber Zynismen würde ich fast immer, wenn ich sie entdecke, beseitigen. Ich bin grundsätzlich gegen Zynik, obwohl ich verstehe, was das heißt.«
—Max Goldt, Quitten für die Menschen zwischen Emden und Zittau, Zürich 1993, S. 116. Dass Helge Schneiders Komik inkongruenz-und nicht superioritätstheoretisch (vgl. Schwind [wie Anm. 16], S. 342 f.) funktioniert, hebt nicht nur Frank Apunkt Schneider hervor (vgl. Schneider 2002 [wie Anm. 26], S. 47), sondern betont der Künstler im ersten Teil seiner Autobiographie höchstselbst: »Es ist ein Buch über das Leben von einer Person, deren Aufgabe es ist, zum Lachen anzuregen und ernste Sachen zu sagen« (Helge Schneider, Guten Tach — Auf Wiedersehen: Autobiographie, Teil I, Köln 1992, S. 7 [Kursivierung — d. Vf.]). Und wer hierfür ein Beispiel will, lese das Kapitel »Müll« in Helge Schneider, Globus Dei: Vom Nordpol bis Patagonien-Ein Expeditionsroman, Köln 2005, S. 41–45.
—Jörg Seidel, >Guten Tach!< Helge Schneider und die Philosophie, Giessen 2002, S. 51. Auf eine einfache Formel gebracht, wäre Rechtshelgeianismus die Ansicht, dass die (komische) Geschichte ihr Ziel schon erreicht hat. Linkshelgeianismus hingegen ginge davon aus, dass dieselbe noch nicht an ihr Ende gelangt ist. Ausführlicher zur Differenz von Hegelianismus und Helgeianismus vgl. ders., Ondologie, Fanomenologie, Kynethik: Philosophieren nach Helge Schneider, Essen 1999 (= Philosophie in der Blauen Eule 38), S. 153–160.
—Ingrid Riedel liest den Schellen-Engel aus der Perspektive der Betrachterin, weshalb er für sie »nach rechts marschiert [...] — nach links aber, über seine Schulter zurück[blickt]« (Riedel [wie Anm. 17], S. 79). Es gilt aber — wie bei Benjamin —, aus der Perspektive des Engels zu denken, d.h., er geht nach links und schaut nach rechts.
— Saalschutz, Saalschutz macht’s möglich, CD, ZickZack 2006.
— Saalschutz, Das ist nicht mein Problem, CD, ZickZack 2004.
— Saalschutz, Die 2. Saalschutz ith-Compilation. Diese compilation beinhaltet mit »Beschwerdefrist abgelaufen« und »Everybody Chili Out!« zwei Auskopplungen aus Saalschutz macht’s möglich sowie mit »Die Welt wär schöner« einen Song, der ausnahmsweise von DJ Flumroc gesungen wird und »nirgendwo sonst zu haben!!!« ist.
—Saalschutz featuring Knarf Rellöm, »Le Scandale du corps dansant: Ein E-Mail-Gespräch mit Simon Zumsteg über Strategien der >Ent-Schöpfung<«, in: Ästhetische Entwürfe, Zürich 2004 (= »31«: Das Magazin des Instituts für Theorie der Gestaltung und Kunst Zürich [ith], Nr. 4), S. 21–36, hier: S. 32.
—Vgl. Michel Foucault, Was ist Kritik? (1978/1990), Berlin 1992 (= Internationaler Merve-Diskurs 167), S. 15: »In dem Spiel, das man die Politik der Wahrheit nennen könnte, hätte die Kritik die Funktion der Entunterwerfung.«
—Saalschutz featuring Knarf Rellöm (wie Anm. 34), S. 34.
—Ebd., S. 35. Ein Beispiel für den Umstand, dass jede revolutionäre Bewegung sukzessive vom Mainstream geschluckt und zur Mode wird, liefert (auch) »Helge Schneider about Punks«, www.youtube.com/watch?v=OXicRdThoE4 (September 2006). Schneider schildert, wie schon kurz nach dem Auftauchen der Punk-Ideologie sogar sein »stellvertretende[r] Bankzweigstellenleiter« zum Punk mutiert ist: »Ja, so verbreitet sich auch der Punk auf der ganzen Welt, und es gibt überall Punks jetzt, in der Politik, in der Bäckerei, in der Eisenbahn, überall gibt’s Punks.« Und daraus leitet er dann schmunzelnd die komische Folgerung ab: »Wird mal Zeit, dass mal wieder — ein — richtiger — Führer kommt.«
—Vgl. Saalschutz featuring Knarf Rellöm (wie Anm. 34), S. 32.
—Ebd., S. 34.
—Vgl. Saalschutz, »Defendin’ Disco Dancin’«, auf: Saalschutz (wie Anm. 31).
—Vgl. Saalschutz featuring Knarf Rellöm (wie Anm. 34), S. 34.
—Ebd., S. 36.
—Joachim Ritter, »Über das Lachen« (1940), in: ders., Subjektivität: Sechs Aufsätze, Frankfurt am Main 1989, S. 62–92, hier: S. 87.
—Dietmar Kamper / Christoph Wulf, »Der unerschöpfliche Ausdruck«, in: dies. (Hgg.), Lachen — Gelächter — Lächeln: Reflexionen in drei Spiegeln, Frankfurt am Main 1986, S. 7–14, hier: S. 8. Zur zersetzenden Wirkung des Lachens vgl. auch: Kornelia Imesch, »Verstehen und Nichtverstehen, Wahrheit, Kunst und Lachen in Umberto Ecos >Der Name der Rose<«, in: Juerg Albrecht / dies. / u. a. (Hgg.), Kultur Nicht Verstehen: Produktives Nichtverstehen und Verstehen als Gestaltung, Zürich /Wien / New York 2005 (= T:G/04), S. 65-74, bes. S. 71–73.
—Saalschutz featuring Knarf Rellöm (wie Anm. 34), S. 36.
—Ebd. Wie Knarf Rellöm in diesem Interview überhaupt die >Musikbühne als eine moralische Anstalt betrachtet<. Zur jazzartigen Kritikweise Helge Schneiders vgl. Schneider 2002 (wie Anm. 26), S. 47.
—In der Tat beschreiben sich Saalschutz — um die Erläuterung ihres Namens gebeten und als hätten sie Derrida gelesen (vgl. Jacques Derrida, Préjugés: Vor dem Gesetz [1985], Wien 21999 [= Edition Passagen 34], S. 58–64) — selbst als Cherubim in der Krise: »Wir sehen uns [...] in der langen Tradition der Wächter [...]: Wir bewachen etwas, von dem wir selbst nicht wirklich wissen, was es ist, weil es sich — wie bei jedem Wächter — in unserem Rücken befindet. Vielleicht bringen wir dieses >Hinter-uns< sogar selbst erst durch unsere Performance hervor... Insofern sind wir für unser Publikum Unterbrecher und Boten zugleich« (Saalschutz featuring Knarf Rellöm [wie Anm. 34], S. 30).
—Vgl. Nirvana, »Heart-Shaped Box«, auf: dies., In Utero, CD, DGC Records (Sub Pop) 1993. Ironisch deshalb, weil sich Saalschutz im Gegensatz zu den Grunge-lkonen Nirvana nicht mehr darüber beklagen, dass ihnen die restitutio in integrum, d.h. die Rückkehr in den Uterus, verwehrt bleibt. Sie monieren — anders als (der verkappte Freudianer) Kurt Cobain — vielmehr, dass alles, was der Fall ist (also: die Welt), nicht so ist, wie es sein sollte. Ironisch auch deshalb, weil die Gesangsmelodie dieses Refrains an jenen von »God Is in the Radio« von Queens of the Stone Age (auf: Queens of the Stone Age, Songs for the Deaf, CD, Interscope Records 2002) gemahnt und damit die Kritik an der Kulturindustrie, wie sie Horkheimer und Adorno formuliert haben (vgl. Max Horkheimer/Theodor W.Adorno, »Kulturindustrie, Aufklärung als Massenbetrug«, in: dies., Dialektik der Aufklärung: Philosophische Fragmente [1947], Frankfurt am Main 1969, S. 128–176), ins Komische verzerrt.
—Tocotronic, »Pure Vernunft darf niemals siegen«, auf: dies., Pure Vernunft darf niemals siegen, CD, Lado Musik (SPV) 2005. Für weiterführende Informationen zur seit 1993 bestehenden Hamburger (Diskurs-)Rockband vgl. www.tocotronic.de (September 2006).
—Der (soziolinguistischen) Defizit-Hypothese von Basil Bernstein — sie besagt, dass der elaborierte Sprachcode der Oberschicht dem restringierten Sprachcode der Unterschicht überlegen ist (vgl. Basil Bernstein, Studien zur sprachlichen Sozialisation [1971], Düsseldorf 1972) — begegnete William Labov mit der Differenz-Hypothese, welche den genannten Unterschied nicht als Mangel, sondern als Andersartigkeit interpretiert (vgl. William Labov, Language in the Inner City, Philadelphia 1972).
—Georg Kreisler, »Beobachtung«, auf: ders., Kreislers Purzelbäume (1975), CD, Preiser Records 1990.
—Vgl. Hanns Eisler, »Über die Dummheit in der Musik: Gespräch auf einer Probe« (1958), in: ders., Materialien zu einer Dialektik der Musik, Leipzig 21976, S. 251–264, hier: S. 263 f.: »Was ist die Heisenbergsche Unschärfe-Relation? [...] Durch die Beobachtung selbst verändert sich das zu Beobachtende, so daß man es nicht mehr genau erkennen kann. [...] Sieht man einen Bankier [und möge er auch ein Punk sein — d. Vf.] privat, so kann er durch die Qualität der Beobachtung verändert werden? Gewiß. Man sieht nicht mehr seine Funktion, sondern einen charmanten Herrn, nicht ohne Gutmütigkeit; [...] seine Verbrechen werden zu menschlichen Schwächen. Kurzum — es herrscht die Unschärfe-Relation.«
—Vgl. Niklas Luhmann, »Die Beobachtung erster und die Beobachtung zweiter Ordnung«, in: ders., Die Kunst der Gesellschaft (1995), Frankfurt am Main 21998, S. 92–164, hier: S. 95 f. Was immanent bleibt, ist also einzig die Beobachtung zweiter Ordnung. Diese allerdings »verändert alles. [...] Sie modalisiert alles, was gegeben zu sein scheint, und verleiht ihm die Form der Kontingenz [Kursivierung — d. Vf.], des Auch-anders-möglich-Seins« (S. 112). Dass es the view from nowhere nicht gibt, betonen Saalschutz auch in ihrem »HipHop-Intro«: »[B]ut everybody’s problem is to have a point of view« (vgl. Saalschutz featuring Knarf Rellöm [wie Anm. 34], S. 34).
—Vgl. Kluge (wie Anm. 21), S. 49. Zu dieser »Kritik aus nächster Nähe« vgl. auch das (gleichnamige) Gespräch von Joseph Vogl mit Alexander Kluge in diesem Band (S. 191–201).
—Vgl. dazu den Beitrag von Christoph Menke in diesem Band (S. 141–147, hier: S. 144 f.).
—Kreisler (wie Anm. 54).
—Vgl. Adornos Kritik an Sartres Konzept der littérature engagée: »Im anheimelnden existentiellen Klima verschwimmt der Unterschied von Henkern und Opfern, weil beide doch gleichermaßen in die Möglichkeit des Nichts hinausgehalten seien, die freilich im allgemeinen den Henkern bekömmlicher ist« (Adorno [wie Anm. 24], S. 424).
—Performative Widersprüche, die zu double bind-Situationen führen, sind für Saalschutz typisch: Sei es der paradoxe Befehl »Everybody chill out auf mein Kommando!«, oder sei es die Refrainzeile von »1! 2! yeah! yeah! yeah!« (auf: Saalschutz [wie Anm. 31]): »Das ist keine hookline«, die — >hookline< ist der englische Begriff für >Refrain< — Rene Magrittes Ceci n’est pas une pipe variiert. Vgl. dazu auch Saalschutz featuring Knarf Rellöm (wie Anm. 34), S. 31.
—Das Stolpern (trébucher) ist in Bergsons Komiktheorie das Paradebeispiel für ein Ereignis, das Lachen evoziert (vgl. Henri Bergson, Le rire: Essai sur la signification du comique [1900], Paris 2002, S. 7 f.).
—Vgl. »Christoph Schlingensief interviewt Helge Schneider«, www.youtube.com/watch?v=UJVrWaRlPu4 (September 2006). Dieser Beitrag indessen — »[e]s heißt, Kafka hätte bei öffentlichen Lesungen seine Werke lachend vorgetragen« (Gerard Genette, Paratexte: Das Buch vom Beiwerk des Buches [1987], Frankfurt am Main 2001, S. 353) — war nur für dich bestimmt. Ich schließe ihn jetzt und gehe...
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Zumsteg, S. (2007). Undercovering Cherubim. In: Huber, J., Stoellger, P., Ziemer, G., Zumsteg, S. (eds) Ästhetik der Kritik oder Verdeckte Ermittlung. Springer, Vienna. https://doi.org/10.1007/978-3-211-70899-6_4
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