Zusammenfassung
Das B-VG beruhte in der Stammfassung auf der Annahme, dass staatliche Organe Hoheitsakte bloß innerhalb des Bundesgebiets vornehmen würden und enthielt keine eigene Vorschrift zum Handeln österreichischer Organe auf fremdem Staatsgebiet. Die Erlaubnis zur Vornahme extraterritorialer Hoheitsakte wurde jedoch im Laufe der Jahrzehnte — auf völkerrechtlich zulässige Weise — in zahlreichen Staatsverträgen vereinbart, ohne dass dies verfassungsrechtlich als problematisch bewertet wurde. Eine Abkehr von dieser Auffassung infolge einer Neuinterpretation von Art 3 B-VG führte zur Schaffung eines speziellen BVGs zur Entsendung österreichischer Einheiten zur Hilfeleistung in das Ausland sowie von Art 9 Abs 2 B-VG. Für die Setzung extraterritorialer Hoheitsakte im Rahmen der EU gibt es mit dem EU-BeitrittsBVG und Art 23f B-VG eigene Rechtsgrundlagen. Im Folgenden sollen zuerst die verfassungsrechtlichen Grundlagen des räumlichen Geltungsbereichs von Rechtsnormen dargestellt werden; danach soll, basierend auf einer Unterscheidung zwischen extraterritorialen Hoheitsakten mit Rechtsgrundlage inner- oder außerhalb des EU-Rechts, die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Ausübung von Hoheitsgewalt auf fremdem Staatsgebiet an Hand der einschlägigen Bestimmungen untersucht werden.
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Literatur
BVG vom 30. Juni 1965 über die Entsendung österreichischer Einheiten zur Hilfeleistung in das Ausland auf Ersuchen internationaler Organisationen, BGBl 1965/173; heute; BVG über Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland (KSE-BVG), BGB1 I 1997/38; siehe unten III.B.2.
BGB1 1981/350.
Bundesverfassungsgesetz über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union, BGB1 1994/744.
BGB1 1994/1013 idF BGB1 I 1998/83.
Vgl Walter , FS Merkl, 456ff; Walter/Mayer, Bundesverfassungsrecht, Rz 172; Rein, JB1 1988, 157. Für den Bereich der Vollziehung vgl Berchtold, ZfV 1994, 402; Walter, ZfV 1995, 1.
Vgl etwa Breuer , wahlrecht, 137 mwN.
Öhlinger , Verfassungsrecht, Rz 448.
Walter / Mayer , Bundesverfassungsrecht, Rz 176.
So aber Thienel , Art 48, 49 B-VG, Rz 73.
Dazu gleich unten. Selbst Walter , FS Merkl, 458, räumt ein, dass eine Begrenzung des Gebotsbereichs von Rechtsnormen durch das Staatsgebiet umstritten ist. Der Auffassung Thienels (Art 48, 49, Rz 73), dass der Begriff des Bundesgebietes in Art 3 B-VG die völkerrechtlichen Regeln über das Staatgebiet rezipiert und sich nach diesen Regeln die Gebote österreichischer Normen im Sinne des Territorialitätsprinzips nur an Personen richten dürfen, die sich in Österreich aufhalten, kann hier aus zwei Gründen nicht gefolgt werden: Zunächst ist festzuhalten, dass Art 9 Abs 1 und nicht Art 3 B-VG „die allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts“ zu Bestandteilen des Bundesrechts erklärt. Darüber hinaus sind die Völkergewohnheitsrechtsregeln über die Regelungs-und Durchsetzungshoheit staatlicher Jurisdiktionen, wie oben im 1. Kap I.B.2. aufgezeigt wurde, umstritten. Während klar ist, dass staatliche Organe Hoheitsakte auf fremdem Staatsgebiet grundsätzlich nur mit (vertraglicher) Zustimmung des betroffenen Staates vollziehen dürfen, bestehen im Hinblick auf die Regelungshoheit der Staaten allerdings keine Zweifel (mehr) daran, dass das Territorialitätsprinzip — bei Vorliegen eines entsprechenden Anknüpfungspunkts — durchbrochen werden und sich der Gebotsbereich von Rechtsnormen auch auf Sachverhalte außerhalb des eigenen Staatsgebiets erstrecken kann.
Weit weniger Bedeutung erlangt hat der nicht immer einheitlich verwendete Begriff des Internationalen Verwaltungsrechts. Als Gegenstück zum Internationalen Privatrecht wurde dieser in besonderem Maße von Neumeyer, Internationales Verwaltungsrecht, V und 193ff (Die Bestimmung des anwendbaren Rechts) geprägt. Vgl auch Vogel , Anwendungsbereich, 176ff.
Vgl dazu Weber , Art 3 B-VG sowie jüngst Twaroch, ZfV 2006, 9ff.
StGBl 1920/303.
BGBl 1921/138.
BGBl 1955/152.
Vgl den Überblick bei Weber , Art 3 B-VG, Rz 16; Twaroch, ZfV 2006, 14ff.
Statt vieler Kelsen / Froehlich / Merkl , Bundesverfassung, 69; Rill, FS Hellbling, 343 (FN 2) mwN.
ZB Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Erleichterungen der Grenzabfertigung im Eisenbahn-, Straßen-und Schiffsverkehr, BGBl 1957/240; Abkommen zwischen der republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Errichtung nebeneinanderliegender Grenzabfertigungsstellen und die Grenzabfertigung in Verkehrsmitteln während der Fahrt, BGBl 1965/10. Das Völkerrecht bezeichnet solche vertraglichen Ermächtigungen von Organen fremder Staaten, auf eigenem Staatsgebiet Hoheitsakte zu setzen, als Staatsservituten, vgl dazu Verdroos/Simma, Völkerrecht, Rz 1024ff.
ErläutRV 394 BlgNR 10. GP, 10f. Bereits zuvor hatte Pfeifer, ZÖR 1962/63, 20, die Ansicht vertreten, dass die ausschließliche Zuständigkeit und Herrschaft der österreichischen Organe von der Verfassung stillschweigend angenommen wird. In den ErläutRV 713 BlgNR 7. GP, 6 (zum Abkommen mit der BRD) war hingegen noch von der bloß gesetzändernden Natur des Staatsvertrags die Rede.
BGBl 1965/173.
ErläutRV 633 BlgNR 10.GP, 4. Vgl Okresek, ZÖR 1985, 326ff.
BGBl 1968/275, 1968/276; Vgl AB 953 BlgNR 11. GP, 1 und AB 954 BlgNR 11. GP, 1.
Walter , FS Merkl, 460; Laurer, ZÖr 1970, 357. So später zB VwGH, 27.10. 1997, Zl 96/17/0348 und Walter/Mayer, Bundesverfassungsrecht, Rz 175, welche unter Berufung auf Matscher, ZÖR 1977, 131 einschränken, dass die via Art 9 Abs 1 B-VG ins Verfassungsrecht transformierten Regeln des Völkerrechts in Sonderfällen zur Setzung von Sanktionen auf fremdem Staatsgebiet ermächtigen. Erlaubt das Völkergewohnheitsrecht die Tätigkeit auf fremdem Staatsgebiet, sei diese auch verfassungsrechtlich unproblematisch.
Rill , FS Hellbling, 346ff; Griller, Übertragung, 88ff.
Rill , FS Hellbling, 346ff unterscheidet den dargelegten Fall der Erstreckung von Rechtsetzungsbefugnissen österreichischer Organe über das Bundesgebiet hinaus vom (spiegelbildlichen) Fall der Ermächtigung nichtösterreichischer Organe, Hoheitsakte auf österreichischem Staatsgebiet zu setzen. Letzteren sieht er nur in Zusammenhang mit den übrigen Bestimmungen der Bundesverfassung für zulässig an und verweist aE seiner Ausführungen auf die Lehre von der Geschlossenheit des bundesverfassungsrechtlichen Rechtsquellensystems.
Öhlinger , Vertrag, 208f gesteht zwar ein, dass die Theorie Walters und Laurers, wonach die hier interessierenden Bestimmungen in Staatsverträgen verfassungsändernden Charakter hätten, widerlegbar sein könnte, führt aber weiter aus: “Diese Theorie hat jedoch Eingang in das positive Recht gefunden und ist damit aus dem bloß theoretischen Bereich in jenen des Normativen transformiert worden. Hier aber ist sie nicht mehr ‘wahr’ oder allenfalls auch ‘falsch’, sondern ‘gültig’. „; vgl Öhlinger, JBl 1971, 290; aA Rill, FS Hellbling, 350ff. Ungeachtet dessen sieht aber grundsätzlich auch Öhlinger, Verfassungsrecht, Rz 225 die Theorie vom Staatsgebiet gemäß Art 3 Abs 1 B-VG als „exklusiven räumlichen Sanktionsbereich“ dezidiert für verfehlt an.
Vgl Walter , Einfluß, 135; Weber, Art 3 B-VG, Rz 6.
Griller , Übertragung, 93.
Eingefügt durch das BVG vom 1. 7. 1981, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 geändert wird, BGBl 1981/350, geändert durch BGBl I 2008/2; vgl ErläutRV 427 BlgNR 15.GP, 9f, die als Vorbild der Bestimmung vergleichbare Normen anderer europäischer Verfassungen nennen, nämlich § 20 Abs 1 der Dänischen Verfassung, Art 24 Abs 1 GG und Art 49 bis der Luxemburgischen Verfassung; vgl Council of Europe, Constitutions of Europe, Band I, 571 (Dänemark), 771 (Deutschland) bzw Band II, 1101 (Luxemburg).
Siehe Griller , Übertragung, 83ff und Öhlinger, Art 9 Abs 2 B-VG, Rz 1f. Zur Ausgangslage vor der Schaffung des Art 9 Abs 2 B-VG siehe insb Öhlinger, Integrationspolitik, 142ff.
B. Raschauer, Verwaltungsrecht, Rz 468.
ZB Weltpostverein, Internationale Meter-Convention, ILO, vgl Griller , Übertragung, 137ff.
Griller , Übertragung, 132.
Folglich verneint Griller, Übertragung, 133f auch, dass die vor der B-VGN 1981 bloß gesetz-und nicht verfassungsändernd in Geltung gesetzten Beschlussbefugnisse, die ihrem Inhalt nach unter Art 9 Abs 2 B-VG fallen, mit Inkrafttreten des Art 9 Abs 2 B-VG konvalidiert sind; aA Öhlinger, Art 9 Abs 2 B-VG, Rz 12; zweifelnd Schreuer, ZaöRV 1982, 95f.
Die Einfügung des neuen Tatbestands 4 soll insb ermöglichen, dass Österreich andere Mitgliedstaaten der EU bei der Erteilung von Visa zur Durchreise und zum kurzfristigen Aufenthalt vertreten kann (Erläut 314 BlgNR 23. GP, 6); vgl zur Reform von Art 9 Abs 2 B-VG Eberhard / Lachmayer , ICL Journal 2008, 119.
Siehe Griller , Übertragung, 344ff; Öhlinger, Art 9 Abs 2 B-VG, Rz 13ff.
Schreuer , ZaöRV 1982 95 und ihm folgend Antoniolli/Koja, Verwaltungsrecht, 179 sehen auch Überwachungsbefugnisse oder Akte der internationalen Gerichtsbarkeit und Schiedsgerichtsbarkeit erfasst und damit die Flexibilität gegenüber neuartigen Formen der Tätigkeit internationaler Organisationen gewährleistet.
Öhlinger , Art 9 Abs 2 B-VG, Rz 6; Griller, Übertragung, 149ff.
Öhlinger , Integrationspolitik, 150; Schreuer, ZaöRV 1982, 94f. Österreichs Beitritt zur EU 1995 konnte schon deshalb, und nicht nur weil er als Gesamtänderung der Bundesverfassung gemäß Art 44 Abs 3 B-VG zu qualifizieren war, nicht auf Art 9 Abs 2 B-VG gestützt werden. Die übertragung zahlreicher (Rechtsetzungs) Befugnisse auf die EU erfolgte vielmehr auf Basis des EU-BeitrittsBVG.
Dafür spricht auch bereits der Wortlaut der Bestimmung, der von zwischen-staatlichen Einrichtungen spricht vgl Griller , Übertragung, 289f; aA Öhlinger, Art 9 Abs 2 B-VG, Rz 5.
Siehe näher ErläutRV 633 BlgNR 10. GP 3 und Bernhardt , Hum VR 1992, 174f; Pernthaler/Esterbauer, JIR 1973, 84.
BVG v 25. 2. 1965 über die Entsendung österreichischer Einheiten zur Hilfeleistung in das Ausland auf Ersuchen internationaler Organisationen, BGBI 1965/ 173; vgl dazu Pernthaler/Esterbauer, JIR 1973, 81ff.
ErläutRV 633 BlgNR 10. GP, 3f; Pernthaler/Esterbauer JIR 1973, 86; Winkler, in: Sicherheit und Terrorismus, 329ff.
ErläutRV 633 BlgNR 10. GP, 5f; Bernhardt, Hum VR 1992, 178ff.
BG v 30. 6. 1965 über die Entsendung von Angehörigen des Bundesheeres zur Hilfeleistung in das Ausland, BGB1 1965/233.
Eingefügt durch BGB1 1981/350.
BGB1 I 1997/38.
ErläutRV 503 BlgNR 20. GP, 5; vgl Winkler, in: Sicherheit und Terrorismus, 331f.
Primosch / Siess-Scherz , KSE-BVG, 11f. Daneben können, nun auch Einzelpersonen entsandt werden, vgl auch Weingartmann Soldaten im Auslandseinsatz, 9f.
Öhlinger , Art 23f B-VG, Rz 17 bedauert die Verwendung solch technischer Terminologie im Verfassungsrecht.
ErläutRV 503 20. GP, 7; Primosch/Siess-Scherz KSE-BVG, 13.
VfGH v 16. 3. 2005, B 1450/03, B 1451/03. Rechtspolitisch ist fragliich, ob bei einer verstärkten Teilnahme Österreichs an EUFOR-Einsätzen mit dem Prinzip der Freiwilligkeit in Zukunft personell noch das Auslangen gefunden werden kann, vgl Rehrl , ZÖR 2005, 50f.
Ibid.
BVG v 26. 10. 1955 über die Neutralität Österreichs, BGBl 1955/211; vgl Öhlinger, BVG Neutralität, Rz 1ff.
ErläutRV 503 BlgNR 20.GP, 8; Primosch/Siess-Scherz, KSE-BVG, 15.
Öhlinger , BVG Neutralität, Rz 2; Griller, FS 75 Jahre B-VG, 730.
BGB1 1994/1013.
Öhlinger , BVG Neutralität, Rz 13; Griller, FS 75 Jahre B-VG, 748ff. Die Derogation erfolgte aber nach der hM nur im Hinblick auf die Möglichkeit der Beteiligung Österreichs an EU-Wirtschaftssanktionen. Dazu und zu Art 23f B-VG siehe unten IV.B.
Bundesgesetz über Aufgaben und Befugnisse im Rahmen der militärischen Landesverteidigung (Militärbefugnisgesetz—MBG), BGB1 I 2000/86 idF BGB1 I 2004/ 133; vgl N. Raschauer, Militärische Wachen.
ErläutRV 76 BlgNR 21. GP, 39; N. Raschauer/Wessely, Militärbefugnisgesetz, 20, 31. Eine Nichtanwendung des MBG auf Auslandseinsätze ergibt sich auch aus rechtssystematischen Gründen aus der Kompetenzgrundlage des MBG gemäß Art 10 Abs 1 Z 15 B-VG — „militärische Angelegenheiten“, welche dem VfGH zufolge weder Assistenz-noch Auslandseinsätze umfassen (VfSlg 13.708/1994). Aus Art 3 Abs 1 B-VG kann dies aber nicht gefolgt werden (so jedoch die ErläutRV); denn, wie oben bei II.B. erläutert, kann Art 3 Abs 1 B-VG kein Inhalt unterstellt werden, der die Geltung von Rechtsnormen auf das österreichische Staatsgebiet beschränkt.
Zur Regelung insb disziplinarrechtlicher Angelegenheiten betreffend Soldaten, welche gemäß § 1 Z 1 lit a) bis c) KSE-BVG ins Ausland entsendet werden, vgl das BG über die Entsendung von Soldaten zur Hilfeleistung in das Ausland (Auslandseinsatzgesetz 2001 — AuslEG 2001), BGB1 I 2001/55 idF BGB1 I 2003/137.
ZB durch sog „Statusabkommen“ wie dem sog „NATO-PfP-SOFA“, BGB1 1998/136; zur rezenten Praxis bei EU-Missionen Sari, EJIL 2008, 67ff.
ErläutRV 746 BlgNR 20. GP, 10.
BVG über den Abschluß des Vertrags von Amsterdam, BGB1 I 1998/76.
BVG über den Abschluss des Vertrages von Amsterdam, BGB1 I 2001/120.
Um keine Ermächtigungsnormen sondern verfassungsrechtliche Spielregeln betreffend die Mitwirkung österreichischer Organe und Gebietskörperschaften an der EU-Rechtsetzung handelt es sich bei Art 23a bis 23e B-VG; vgl Öhlinger / Potacs , Gemeinschaftsrecht, 26ff; Grabenwarter, ZaöRV 1995, 166ff. Dies trifft zT auch auf Art 23f BVG zu (siehe unten IV.B.).
Griller , EuR Beiheft 1/1999, 64 geht von einfachem Verfassungsrang aus. Nach Öhlinger/Potacs, Gemeinschaftsrecht, 14 ist das primäre Unionsrecht ein völkerrechtlicher Vertrag, iSd B-VG ein Staatsvertrag.
Vgl nur Öhlinger / Potacs , Gemeinschaftsrecht, 15.
Vgl Öhlinger , Übernahme, 192ff; Öhlinger/Potacs, 14f.
Vgl Griller , Übertragung, 356ff und Öhlinger, Übernahme, 195ff. Um Rechtsschutzlücken zu vermeiden und die Anfechtbarkeit von Beschlüssen zu sichern, hat Öhlinger, Integrationspolitik, 129f Beschlüsse einer ZE als „Staatsverträge“ iSd Art 140a B-VG eingestuft; aA unter Verweis auf den Wortlaut Griller, Übertragung, 477ff.
BGB1 1994/1013 idF BGB1 I 2003/100.
Siehe zu den Petersberg-Aufgaben Primosch / Siess-Scherz , KSE-BVG, 26f; Pagani, EJIL 1998, 737ff und unten 5. Kap V.A.2.
Siehe dazu Öhlinger , Art 23e B-VG, Rz 1ff; Grabenwarter, ZaöRV 1995, 177ff.
Die Zusage „immerwährend eine Neutralität zu üben, wie sie von der Schweiz gehandhabt wird“ war der Preis, den Österreich für die Zustimmung der Sowjetunion zum Abschluss des Staatsvertrags 1955 (BGB1 1955/152) zur Wiedererlangung seiner Souveränität zu bezahlen hatte. Auf Basis dieser Zusage, welche am 15. April 1955 eine österreichische Regierungsdelegation, angeführt von Bundeskanzler Raab, Vizekanzler Schärf und Außenminister Figl gegenüber einer sowjetischen Delegation im Moskauer Memorandum abgegeben hatte, wurde das BVG vom 26. Oktober 1955 über die Neutralität Österreichs, BGB1 1955/211, erlassen; vgl Öhlinger , BVG Neutralität, Rz 1 ff mwN; Griller, FS 75 Jahre B-VG, 727ff; daneben existiert die völkerrechtliche Pflicht zur Neutralität aus der Notifikation der Neutralitätserklärung an die Staatengemeinschaft, vgl Neuhold, FS Öhlinger, 70 und Stadlmeier, Dynamische Interpretation, 19ff.
AB 1600 BlgNR 18.GP, 13; Grabenwarter, ZaöRV 1995, 181f.
Öhlinger , Art 23f B-VG, Rz 4; aA Primosch, JRP 1995, 74.
Grabenwarter , ZaöRV 1995, 182; Öhlinger, Art 23 B-VG, Rz 4; ders Öhlinger, BVG Neutralität, Rz 13 hält fest, dass dem BVG Neutralität durch Art 23f Abs 1 B-VG partiell derogiert wurde. Wenngleich der Umfang der verfassungsrechtlichen Verpflichtung zur Übung der Neutraliät strittig ist, bleibt aus völkerrechtlicher Sicht die Verpflichtung zur immerwährenden Neutralität weiterhin aufrecht. Eine Abkehr von der (völkerrechtlichen) Neutralität bedürfte, wie Griller, ZfRV 1995, 113ff gezeigt hat, entweder eines contrarius actus, also einer Notifikation der Beendigung des Status der immerwährenden Neutralität an jene Staaten, welche 1955 die Neutralitätserklärung ausdrücklich oder stillschweigend zur Kenntnis genommen haben (ausgenommen den EU-Mitgliedstaaten, die ihre Zustimmung bereits im Beitrittsvertrag mit Österreich implizit ausgedrückt haben), verbunden mit einer neuerlichen Anerkennung oder Abänderung, oder der analogen Inanspruchnahme der clausula rebus sic stantibus gemäß Art 62 WVRK (BGBI 1980/40), welche ein Notifikationsverfahren samt Widerspruchsmöglichkeit vorsieht.
Eingefügt durch BGB1 I 1998/83 (BlgNR 20.GP IA 791/A, AB 1255).
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Thallinger, G. (2008). Verfassungsrechtliche Zulässigkeit. In: Grundrechte und extraterritoriale Hoheitsakte. Europainstitut Wirtschaftsuniversität Wien Schriftenreihe / Europainstitut Wirtschaftsuniversität Wien Publication Series, vol 29. Springer, Vienna. https://doi.org/10.1007/978-3-211-70871-2_3
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