Auszug
Die verwaltungsbehördliche Öffentlichkeitsarbeit hat in Österreich bisher kaum juristisches Interesse geweckt. Im Rahmen der Allgemeinen Staatslehre wird sie als Mittel der „Staatspflege“ behandelt: Sie soll das Vertrauen und die Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger im Staat bewirken, Akzeptanz für staatliche Maßnahmen verschaffen und letztlich die staatliche Gemeinschaft insgesamt integrieren.1 Soweit ersichtlich, wurde die grundsätzliche Legitimation der Einflussnahme auf die Öffentlichkeit mit informationellen Mitteln nie grundsätzlich in Frage gestellt. Hingewiesen wurde freilich regelmäßig auf die Gefahr des Umkippens in eine für totalitäre oder autoritäre Regime charakteristische Propagandatätigkeit.2 Umfassendere aktuelle staatsrechtliche Untersuchungen fehlen.3 Erklären lässt sich das fehlende Interesse für die mit der Öffentlichkeitsarbeit verbundenen Rechtsfragen möglicherweise mit der rechtsformalen Qualifikation dieser Staatsakte: Verwaltungsbehördliche „allgemeine“ Informationstätigkeit ist keine mit Befehls- und Zwangsgewalt ausgestattete Tätigkeit. Nach der im Anschluss an Kelsen4 und Merkl5 aufrecht erhaltenen strikten Zweiteilung Hoheitsakt — Nichthoheitsakt wurden Informationshandlungen der Privatwirtschaftsverwaltung zugerechnet.6 Und weil das österreichische öffentlich-rechtliche Rechtsschutzsystem lange Zeit ausschließlich an die hoheitlichen Erscheinungsformen Bescheid bzw „Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt“ anknüpfte, gab es kaum Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts.
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Literatur
Vgl Pernthaler, Staatslehre, 137 ff. Vgl weiters Oberndorfer, Verwaltung im Umfeld, 56 ff.
Vgl etwa Öhlinger, ÖJZ 1969, 543: „schmaler Grad zwischen Information und Propaganda“; Adamovich/Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht, 308: „Abgrenzung zwischen erlaubter Information und unerlaubter Propaganda“.
Die einzige thematisch einschlägige Arbeit liegt schon 35 Jahre zurück: Öhlinger, ÖJZ 1969, 543. Kurz zuvor erschien das für Deutschland grundlegende Werk von Leisner, Öffentlichkeitsarbeit. Vgl jüngst Berka, Diskussionsbeitrag, 52: „Ich glaube, es ist ein Versäumnis von uns Juristen, dass wir uns mit der Öffentlichkeitsarbeit der Regierung noch viel zu wenig beschäftigt haben.“
Kelsen, Allgemeine Staatslehre, 238 ff.
Merkl, Allgemeines Verwaltungsrecht, 301.
Vgl etwa Öhlinger, ÖJZ 1969, 545; Berka, Recht der Massenmedien, 112.
Oberndorfer, Verwaltung im Umfeld, 56. Voitl, Warnkompetenzen, 43 mwN: „generelle Heranbildung eines geistigen Standards durch den Staat“.
Berka, Recht der Massenmedien, 93 f. Die von ihm in diesem Zusammenhang erwähnte Fahndung ist nach der in dieser Arbeit vorgenommenen Unterteilung allerdings nicht Teil der Öffentlichkeitsarbeit, sondern eine Form der Warnung.
Raschauer, Großverfahren, 87.
Vgl dazu etwa die Übersicht bei Oberndorfer, Verwaltung im Umfeld, 57: Internet-Informationsdienste, Themen-zentrierte Broschüren, Merkblätter, Behördenführer, Bürgerbriefe, etc. Zu den Erscheinungsformen regierungsamtlicher Informationsmaßnahmen vgl insb auch Schürmann, Öffentlichkeitsarbeit, 103 ff. Zu Recht hält allerdings Lübbe-Wolff, NJW 1987, 2707, fest, dass die Vielfalt nicht mit Beliebigkeit bei Handlungsformen und Inhalten gleichzusetzen ist: Als abstrakt-generelle Informationstätigkeit durch die öffentliche Verwaltung unterliegt die behördliche Öffentlichkeitsarbeit als Staatsaufgabe grundsätzlich dem öffentlich-rechtlichen Regelungsregime.
Heintzen, VerwArchiv 1990, 552.
Lübbe-Wolff, NJW 1987, 2707.
Vgl auch Brandt, Umweltaufklärung, 40: Informationsverbreitung als Mittel zur Aufgabenerfüllung.
Brandt, Umweltaufklärung, 41.
So Gramm, Der Staat 1991, 64 mwN. Ähnlich Kloepfer, Lenkungsmittel, 13: „Information zum Zweck der Akzeptanzsicherung“. Ein wesentlich weiteres Begriffsverständnis hat Vierhaus, Umweltbewusstsein, 202 f, dem zufolge Öffentlichkeitsarbeit über die bloße Berichterstattung hinausgehend werbenden, appellativen Charakter hat; im Anschluss an Gröschner, DVBl 1990, 620: „Die Werbung kann sich dabei entweder auf die werbende Institution selbst und ihre Umweltpolitik beziehen (selbstdarstellerische Öffentlichkeitsarbeit) oder auf ein davon losgelöstes, konkretes umweltpolitisches Sachziel (edukatorische Öffentlichkeitsarbeit). Selbstdarstellerische Öffentlichkeitsarbeit ist institutionen-oder personenbezogene Sympathiewerbung; in der Sache meint dies ua die Veröffentlichung von Leistungs-, Erfolgs-und Arbeitsbilanzen, bei denen von Aufmachung und Inhalt her der werbende Charakter im Vordergrund steht.“
Kloepfer, Lenkungsmittel, 13.
So Gramm, Der Staat 1991, 65.
Kloepfer, Lenkungsmittel, 13; Czerwick, DÖV 1997, 980; Kempen, Grundgesetz, 18. Vgl auch Berka, Diskussionsbeitrag, 52: „Aber stellen wir uns eine Öffentlichkeitsarbeit der Regierung vor, die nicht wirbt. Wäre das nicht so, als würde man von Casanova einen Keuschheitseid verlangen? Ist das nicht etwas Unvorstellbares?“
So Kloepfer, Lenkungsmittel, 14, unter Hinweis auf G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 250 f.
Gramm, Der Staat 1991, 66 mwN.
Gramm, Der Staat 1991, 66. Wenn beispielsweise BM Gehrer den österreichischen Maturantinnen und Maturanten mitteilt, dass es viel zu viele Medizin-und Lehramtsstudierenden gebe und statt derer Informatikerinnen/Informatiker oder Technikerinnen/Techniker gebraucht würden, versucht sie, die Studienentscheidung zu beeinflussen. Vgl etwa die Presseaussendung vom 5.4.2004 („Maturantenbrief“); http://www.bmbwk.gv.at/ministerium/pm/20040405.xml. BM Gehrer verweist darin auf gute Berufschancen im Pflege-und Tourismusbereich sowie bei technisch-naturwissenschaftlichen Studien. Absolventinnen und Absolventen von Lehramtsstudium mit Fächerkombinationen wie zB Deutsch und Geschichte müssten mehrere Jahre auf eine Anstellung warten, bessere Chancen bestünden bei naturwissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Unterrichtsfächern. Volks-und Hauptschullehrerinnen und-lehrer würden in Zukunft weniger benötigt als bisher. Kritisch zur staatlichen Studienberatung bereits Oberndorfer, Bürger und Verwaltung, 23 f: „Können wir es wirklich verantworten, von Lehramtsstudien oder Medizin abzuraten und zu Rechtswissenschaften zuzuraten? Reichen unsere Prognoseüberlegungen, die vielleicht auch von gewissen berufs-und standespolitischen Interessen beeinflusst werden, aus, durch entsprechend gezielte Informationen die Verantwortung für die berufliche Zukunft unserer akademischen Jugend zu übernehmen?“
So Brandt, Umweltaufklärung, 124 f.
Öhlinger, ÖJZ 1969, 545.
So jedoch Schürmann, Öffentlichkeitsarbeit, 153 f. Vgl auch Jarren, Medien-und Gesellschaftswandel, 30, dem zufolge Regierungsakteure auf den Meinungsmarkt einwirken dürften, dies aber in einer offenen, nachvollziehbaren Art und Weise geschehen müsse; auf diese Mitteilungen müssen andere Akteure wie aber auch Einzelne reagieren können. Jarren, aaO, weist auch darauf hin, dass die Informations-und Kommunikationstätigkeit der Verwaltung begrenzter ist als jene der Regierung.
Vgl bereits Häberle, JZ 1977, 364, demzufolge die Staats-/Verfassungsorgane Regierung und Parlament — obwohl von Parteien getragen — etwas anderes als diese Parteien seien, nämlich institutionell-repräsentativer Teil der res publica, der Sache aller Bürgerinnen und Bürger.
So etwa Kloepfer, Informationsrecht, § 10, Rz 81.
Kloepfer, Informationsrecht, § 10, Rz 81 mwN. Vgl auch bereits Weinberger, JRP 1995, 6, dem zufolge „alle manipulativen Methoden der politischen Propaganda undemokratisch sind, weil sie den autonomen und mündigen Bürger verhöhnen. Sie belegen auch, dass es dem Politiker, der zu diesen Methoden greift, an demokratischem Bewusstsein mangelt. Er beweist damit, dass er nicht für eine offene Gesellschaft eintritt, sondern es nur darauf angelegt hat, seine Macht aufzubauen.“
Murswiek, in FS Quaritsch, 325, fasst die immanente Zweckbegrenzung staatlicher Selbstdarstellung treffend folgendermaßen zusammen: Es geht um die Darstellung des Staates, seiner Organe und ihres Selbstverständnisses, seiner Verfassung und seiner Verfassungsfunktionen. Es geht nicht um die Darstellung partikularer Gruppen, politischer Parteien oder Individuen. Es geht um Werbung für das verfasste Gemeinwesen, nicht um Parteiwerbung.
Vgl statt aller etwa bereits Öhlinger, ÖJZ 1969, 545: „Wie immer man ‚Demokratie ‘versteht, dass eine informierte Öffentlichkeit sie überhaupt erst ermöglicht, darf auf jeden Fall vorausgesetzt werden.“
Kloepfer, Informationsrecht, § 3, Rz 111 unter Hinweis auf BVerfGE 44, 125 und 63, 230: „funktional ausgerichtete und gleichzeitig begrenzte Verpflichtung (und das korrespondierende Recht), die Öffentlichkeit über ihre Tätigkeit so zu informieren, dass diese die Möglichkeit der Beurteilung hat“. Ähnlich bereits Öhlinger, ÖJZ 1969, 545: „Eine demokratische Staatsform berechtigt daher nicht nur, sondern verpflichtet die staatlichen Organe zur Offenlegung ihrer Ziele und Handlungen.“
Vgl Frowein/Peukert, Art 10 EMRK, Rz 3 und 4: Das Gebot der Sachlichkeit entspringt dem in Art 9 und 10 EMRK enthaltenen Indoktrinationsverbot sowie der objektiven Wirkung des Konventionsrechts, sich frei eine Meinung zu bilden, was als Verbot extrem einseitiger Meinungsbeeinflussung durch den Staat interpretiert werden muss.
Vgl auch VfSlg 13.839/1994; näher dazu unten IX.B.4.a. Die Forderung „unehrlichen“ und manipulativen Umgang mit Informationen im politischen Diskurs zu unterlassen, ist demokratietheoretisch von entscheidender Bedeutung: Derartige Täuschungen schüren — werden sie als solche entlarvt — den Zynismus der Wählerinnen und Wähler und wirken delegitimierend auf das politische System; bleiben sie jedoch unentdeckt, verhindern sie eine informierte und intelligente Wahlentscheidung, basiert diese doch auf falschen Prämissen. So Lutter/Hickersberger, Wahlkampagnen, 85. Für den EU-Wahlkampf 1996 kamen sie zu folgendem Ergebnis (aaO, 245): Die FPÖ hat mit Abstand am schlechtesten abgeschnitten. Die ÖVP hat in einer ansonsten sehr korrekten Kampagne ein Werbemittel aufgelegt, dessen „Information“ die Wählerinnen und Wähler grob irregeführt hat. Auch die SPÖ war mit einigen „Fakten“ ein etwas ungenau umgegangen. Am besten schnitten die Grünen und die Liberalen ab, deren nachprüfbaren Aussagen durchwegs richtig und nicht irreführend waren. Neben diesem demokratietheoretischen Problem ist aber auch auf den Umstand hinzuweisen, dass das Objektivitäts-und Sachlichkeitsgebot durch zivil-, straf-und medienrechtliche Bestimmungen abgesichert ist.
Vgl bereits Berka, Kriminalberichterstattung, 27: „Die Verpflichtung zur objektiven Information umfasst auch die Bereitschaft, über Schwächen und Fehler der eigenen Tätigkeit zu informieren — darin liegt natürlich das politische Dilemma jeder amtlichen Öffentlichkeitsarbeit, deren Sinn und Rechtfertigung nicht zuletzt die Ermöglichung von Kontrolle ist, wozu sie aber auch lernen muss, über ihren Schatten zu springen.“
In letzterem Fall bedarf es eines gewissen Gefahrenverdachts und dem Hinweis auf die noch bestehenden Ungewissheiten; freilich kann er es auch bei allgemeinen Hinweisen ohne Bezug zu konkreten Personen, Unternehmen, Organisationen oder Produkten bewenden lassen. Zum Informationshandeln bei ungewissen Sachverhalten vgl insb Heintzen, NuR 1991, 301.
Vgl statt aller Schürmann, Öffentlichkeitsarbeit, 312 f mwN.
Vgl etwa Adamovich/Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht, 300; Rill, Art 18 B-VG, Rz 41.
Vgl etwa Öhlinger, ÖJZ 1969, 545: „Privatwirtschaftsverwaltung“; Berka, Recht der Massenmedien, 112: „keine der Hoheitsverwaltung zurechenbare Aufgabe, auch wenn sie über hoheitliche Tätigkeiten informiert“.
Robbers, AfP 1990, 85.
Hinsichtlich der Geltung des Legalitätsprinzips ebenso noch Öhlinger, ÖJZ 1969, 544, vor dem Hintergrund der damaligen hA, der zufolge auch die „Privatwirtschaftsverwaltung“ dem Legalitätsprinzip unterliege. Später hat er freilich mit der zwischenzeitlich geänderten hA vertreten, dass derartige Informationsakte auch ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung gesetzt werden dürfen; vgl Öhlinger, ZVR 1995, 285.
Vgl statt aller Berka, Handbuch Grundrechte, Rz 171 ff; Öhlinger, Verfassungsrecht, Rz 705. Vgl auch BVerfGE 21, 362 (379) und 61, 82 (108): Grundrechte sind Anspruchsnormen der Bürgerinnen und Bürger gegen den Staat, nicht umgekehrt Handlungsermächtigungen des Staates gegenüber seinen Bürgerinnen und Bürgern.
Nach VfSlg 13.978/1994 setzen die Amtsverschwiegenheit und die beamtendienstrechtliche Treuepflicht gewisse Grenzen, verbieten aber nicht die private Stellungnahme zu Angelegenheiten des dienstlichen Aufgabenbereichs. Zum „kritischen Rechnungshofbeamten“ vgl VfSlg 13.978/1994 (hinsichtlich der dienstrechtlichen Aspekte) sowie VwGH 28.7.2000, 97/09/0106 (hinsichtlich der Amtsverschwiegenheit); vgl dazu jüngst wieder Berka, Whistleblower, 76 f, sowie Jabloner, Diskussionsbeitrag, 103.
So auch Morlok/Voss, BayVBl 1995, 516; Voitl, Warnkompetenzen, 20.
So etwa Hofmann, Informationsfluss, 13 f.
Walter/ Mayer, Bundesverfassungsrecht, Rz 310 mwN. Vgl auch VfSlg 2037/1950, 3000/1956, 4527/1963, 7387/1974, 7821/1976, 8694/1979, 13.839/1994. Vgl bereits Wiederin, Landesbericht, 232 f mwN: „Bei allgemeinen Wahlen ist der Staat folglich zu strikter Neutralität verpflichtet. Er muss allen wahlwerbenden Gruppierungen gleiche Rahmenbedingungen bieten und darf weder die Wahlwerbung einzelner Parteien und Personen stören noch bestimmte Gruppen benachteiligen.“
Vgl dazu Öhlinger, Verfassungsrecht, Rz 381 mwN.
Der Grundsatz der Chancengleichheit hat eminente demokratiepolitische Bedeutung: Er sichert, wenn er ernst genommen wird, neuen politischen Gruppierungen die realen Möglichkeiten, zu den etablierten Parteien in Konkurrenz zu treten; so Berka, Bürgerverantwortung, 75. Vgl auch Jarren, Medien-und Gesellschaftswandel, 31.
Vgl jüngst VfGH 14.12.2004, W I-2/04.
Vgl bereits Häberle, JZ 1977, 365: „Mit diesen Spannungen, mit diesen ‚zwei Seelen ‘in der Brust der parteigebundenen Regierungsmitglieder kann und muss der Parlamentarismus leben, mit ihrer Doppelrolle müssen und können die Verantwortlichen leben. Die ‚Reinheit ‘einer Theorie darf nicht so rigoros gesucht und zum Selbstwert stilisiert werden, dass sie den Weg für dem Bürger und seiner Freiheit dienliche praktische Lösungen verfassungsrechtlicher Streitfragen versperrt.“
Ähnlich bereits Merli, Art 41/2 B-VG, Rz 46, dem zufolge es den staatlichen Funktionsträgern selbstverständlich unbenommen bleibe, „außerhalb ihres Amtes — als Private oder Parteienvertreter — wie alle anderen Bürger von ihren verfassungsrechtlichen Freiheiten Gebrauch zu machen, für oder gegen Volksbegehren einzutreten und für entsprechende Kampagnen Geld auszugeben.“
Vgl BVerfGE 63, 230 oder 66, 369 sowie BVerwGE 104, 323. Vgl ferner Weinberger, JRP 1994, 158: „Ein Politiker, der Staatsfunktionen übernimmt, bleibt natürlich seinen Ansichten treu, und er wird versuchen, die gesellschaftlichen Ideen seiner Partei zu realisieren, er muss aber für den Staat und die gesamte Gesellschaft da sein, er darf zB nicht den Staat zur besonderen Förderung seiner Partei benützen.“ Merkl, Demokratie und Verwaltung, 74, hat bereits 1923 auf diesen Konflikt hingewiesen: „Die Parteidisziplin ist häufig noch so stark und das Rechtsgefühl, der Staatssinn sind so schwach entwickelt, dass der in die Verwaltung hinein gestellte Parteimann sich viel eher im Dienste seiner Partei als der die Allgemeinheit repräsentierenden Staats-und Rechtsordnung stehen sieht. Es fehlt dem Politiker häufig einfach das Schamgefühl, die Gelegenheit, die ihm der Anteil an der Verwaltung gibt, nicht zu Gunsten der eigenen Partei nach Kräften zu fruktifizieren.... Vorderhand wirken vielfach noch ein — durchaus nicht einer einzelnen Partei eigentümlicher — Parteiegoismus, der zwar klassenmäßige Gesetzgebung, Justiz und Verwaltung in gegnerischer Richtung anprangert, zu eigenem Nutzen aber anpreist, und eine politische Intoleranz, die die religiöse Intoleranz von ehedem beerbt zu haben scheint, in gegenteiliger Richtung; der einzelne Parteimann ist vom Parteiinteresse oft so befangen, dass er optima fide nichts darüber Hinausliegendes wahrnimmt.“
BVerfGE 44, 125 (150). Zutreffend weist etwa Schürmann, Öffentlichkeitsarbeit, 337, darauf hin, dass es bisher keiner Seite — Regierung, Parteien, Judikative, Rechtswissenschaft — gelungen sei, diesem scheinbar leicht definierbaren Leitsatz ebenso praktikable wie verfassungsrechtlich angemessene Abgrenzungen zu geben. Abgrenzungsschwierigkeiten in der Praxis bzw die Verfassungsrealität, nach der sich Staatsorgane mit ihrer Amtsautorität in Wahlkämpfe einbringen, dürfen allerdings nicht das demokratieprinzipiell und verfassungsrechtlich Gebotene irrelevant sein lassen.
Die staatliche Neutralitätspflicht verbietet nach BVerwG 17.7.1998, 5 C 14/97, NVwZ 1999, 424, im Übrigen auch, dass ein Beamter und Kandidat seine dienstliche Telefonnummer auf Wahlwerbematerial anbringt.
Vgl bereits Mayer, B-VG, 196, dem zufolge Volksabstimmungen so durchzuführen sind, dass die freie Äußerung der Meinung des Volkes gewährleistet ist; es gelte der Grundsatz der „Freiheit der politischen Willensbildung und Betätigung“.
Vgl allerdings Merli, Art 41/2 B-VG, Rz 44, der staatlichen Stellen zugesteht, ihre ablehnende Haltung zu einem Volksbegehren in sachlicher Weise darzulegen, ihnen aber gleichzeitig engere Grenzen zieht als bei einer Volksabstimmung, weil hier kein legitimes Interesse an der Billigung einer von Regierung und Parlament selbst getroffenen Maßnahme bestehe, sondern ein staatlicherseits offenbar nicht sonderlich beachtetes Interesse verfolg werde: „Echte Werbung gegen ein Volksbegehren oder gar die Verwendung von öffentlichen Mitteln zu diesem Zweck lassen sich mit der Befugnis der Regierung und anderer staatlicher Stellen zur Öffentlichkeitsarbeit nicht mehr rechtfertigen. Staatliche (oder staatlich finanzierte) Gegenpropaganda würde die primäre verfassungsrechtliche Funktion des Volksbegehrens beeinträchtigen und die Freiheit der Initiatoren zur Gewinnung von Unterstützung sowie uU jene der Stimmberechtigten zur Entscheidung für eine Unterstützung verletzen.“ Unklar Hofmann, Informationsfluss, 14, dem zufolge „bei Abstimmungen und anderen direkt-demokratischen Entscheidungen“ vertretbar sei, das Neutralitätsgebot nur in eingeschränktem Umfang gelten zu lassen.
Morlok/ Voss, BayVBl 1995, 514.
Morlok/ Voss, BayVBl 1995, 517. Vgl auch Merli, Art 41/2 B-VG, Rz 45: „Staatliche Propaganda jenseits sachlicher Stellungnahmen verträgt sich nicht mit der Freiheit der politischen Betätigung, und sie kann den wahren Willen der Wählerschaft verfälschen.“
So Merli, Art 45, 46 B-VG, Rz 22. Vorbildlich insofern Art 15 Abs 3 des Liechtensteinischen InformationsG (Liechtensteinisches LGBl 1999/159), dem zufolge in der von der Regierung herauszugebenden Abstimmungsbroschüre Befürwortern und Gegnern der Vorlage angemessener Platz für eine Stellungnahme einzuräumen ist und diese Stellungnahmen von der Regierung nach Rücksprache mit den Verfassern zusammengefasst werden kann, wenn sie unverhältnismäßig ausführlich sind.
Hofmann, Informationsfluss, 14.
Für Volksabstimmungen besteht nach Auffassung des VfGH offenbar kein striktes Neutralitätsgebot; vgl VfSlg 13.839/1994: „Den Mitgliedern der Bundesregierung steht es wie etwa auch den sonstigen obersten Organen der Vollziehung und den Abgeordneten zu den gesetzgebenden Körperschaften jedenfalls frei, in Unterstützung und Verfolgung der Regierungspolitik Empfehlungen zur Volksabstimmung über einen — auf Grund einer Regierungsvorlage — verabschiedeten Gesetzesbeschluss abzugeben und dafür auch öffentlich einzutreten.“ Grundsätzlich zustimmend Merli, Art 45, 46 B-VG, Rz 21, weil es anders als bei Wahlen und Volksbegehren in der Volksabstimmung um die Annahme oder Ablehnung eines idR von der Regierung initiierten und von der Parlamentsmehrheit beschlossenen Gesetzes gehe und man zu eigenen Vorhaben keine neutrale Haltung erwarten könne. Die spezifische Konstruktion der Volksabstimmung rechtfertige Einschränkungen des Neutralitätsgebots, sodass dafür auch in amtlicher Funktion geworben werden könne. Die Rolle des ORF und eine allfällige Verletzung von Objektivitätspflichten wurden in dieser Entscheidung nicht geprüft. Zutreffend verweist Merli, Art 41/2 B-VG, Rz 49, darauf, dass eine massive Desinformations-oder Beeinflussungskampagne durch ein Medium, das für wesentliche Gruppen der Stimmberechtigten die einziger Quelle der innenpolitischen Information darstellt, ebenso zur Rechtswidrigkeit des Verfahrens führen muss wie potentiell ergebniswirksame staatliche Propaganda oder private Einschüchterung.
So spricht etwa Wiederin, Landesbericht, 233, von einer „vermittelnden Lösung... vor dem Hintergrund des auf dem Verfahren lastenden politischen Drucks“. Die EKMR hat eine Beschwerde gegen die EU-Volksabstimmung für unzulässig erklärt; vgl EKMR 15.5.1996, 26.633/95, ÖJZ 1996, 836.
So Berka, Bürgerverantwortung, 75 f, zu VfSlg 13.839/1994.
Die erkenntnisgegenständliche Ungleichbehandlung — unentgeltliche Bereitstellung von Plakatflächen — war nach Ansicht des VfGH aber ohne Einfluss auf das Wahlergebnis und außerdem sei die entgeltliche Plakatwerbung durchaus möglich gewesen. Damit ignoriert der VfGH, dass der Grundsatz der politischen Chancengleichheit über ein bloßes Willkürverbot oder allgemeines Sachlichkeitsgebot hinausgeht; vgl Berka, Bürgerverantwortung, 75 mwN.
So betrachtet, wäre die Freiheit der Wahl auf die freie Wahlbetätigung, dh auch die unmittelbare Entscheidung im Wahllokal, beschränkt. So eng versteht die hA das freie Wahlrecht aber nicht. Vielmehr wäre dies ein Aspekt des geheimen Wahlrechts. Vgl statt aller Holzinger, Art 26 B-VG, Rz 46 ff und 58 ff.
Zu den empirisch feststellbaren Auswirkungen der EU-Kampagne vgl etwa Schaller, Ja oder Nein, passim, sowie Ogris, Diskussionsprozess, passim. Zur konkreten Durchführung der Kampagne vgl insb Rosam, ÖJP 1994, 355.
Durch die Intensität der staatlichen Informationsmaßnahmen kann es zu einem Informations-und Meinungsmonopol kommen. Geldmittel dürfen nicht an einzelnen Informationspunkten derart massiert eingesetzt werden, dass dort die Diskussion beseitigt wird. Wiederin, Landesbericht, 232 f, verweist zutreffend darauf, dass es schwierig, wenn nicht gar unmöglich sein dürfte, zwischen „maßhaltender und maßloser Manipulation“ eine nachvollziehbare Grenze zu ziehen. Ähnlich Merli, Art 45, 46 B-VG, Rz 21, dem zufolge „die Regierung die demokratische Entscheidungsfreiheit der Bürger nicht unter einer Propagandalawine begraben“ darf und es „nicht einfach“ sei, hier die richtige Grenze zu finden.
Vgl auch Morlok/Voss, BayVBl 1995, 517, denen zufolge die Staatsorgane bei Akten der unmittelbaren Volkswillensbildung keine Freiheit zu werbewirksamen Formulierungen hätten, sondern sie zu Sachlichkeit im Inhalt und in der Form verpflichtet seien.
Berka, Bürgerverantwortung, 75.
Vgl BVerfGE 44, 125 (150).
Vgl für die Schweiz etwa Besson, Behördliche Information, passim; Breitenmoser/Uebersax, Landesbericht, 322 ff. Vgl weiters das in VfSlg 13.839/1994 angeführte Beispiel der EU-Volksabstimmung in Schweden. Dort wurden vom Parlament ca 6,6 Mio € bereit gestellt: 1,4 Mio € an die im Reichstag vertretenen Parteien, 2,3 Mio € an die Befürworter und-innen und 2,8 Mio € an die Gegnerinnen und Gegner (weil diese benachteiligt wären, weil die Pro-Gruppe Gelder von der Wirtschaft bekäme). Vgl in dem Zusammenhang auch Merli, Art 45, 46 B-VG, Rz 23: „Bedenkt man die Schwierigkeiten, die ein Ausgleich durch finanzielle Zuwendungen an die Gegner des Gesetzesbeschlusses bereiten würde, und die mit der Erlaubnis zur Verwendung öffentlicher Gelder verbundene Einladung zu ‚bonapartistischem ‘Missbrauch von Gesetzesreferenden, spricht alles für die verfassungsrechtliche Unzulässigkeit der Steuerfinanzierung von staatlichen Volksabstimmungskampagnen.“
So Merli, Art 45, 46 B-VG, Rz 23, der darauf hinweist, dass der systemimmanente Regierungsbonus und die die Regierungsmehrheit begünstigende Parteienfinanzierung die einseitige Verwendung von Steuermitteln zur Interessenwahrnehmung nicht notwendig und verfassungsrechtlich äußerst fragwürdig mache.
BVerfGE 20, 56 (100) und 44, 125 (147).
Zutreffend verweist Schürmann, Öffentlichkeitsarbeit, 302 ff mwN, auf die unscharfe Grenze zwischen Öffentlichkeitsarbeit und parteipolitischer Neutralität, welche daher rühre, dass sich einerseits die Regierungspolitik notwendigerweise in vielen Segmenten mit dem Standpunkt der Parlamentsmehrheit decke und andererseits Öffentlichkeitsarbeit auch auf einzelne Gruppen bezogen sein könne, solange dies durch Gemeinwohlinteressen motiviert und gedeckt sei. Entscheidend ist die Gefahr der Gleichsetzung von Regierung und Partei. Als Grundsatz wird man mE aber festhalten können, dass sich regierungsamtliche Öffentlichkeitsarbeit während des Wahlkampfes neutral zu verhalten hat.
Zum Problem der Abgrenzung des Wahlkampfzeitraumes vgl etwa Schürmann, Öffentlichkeitsarbeit, 347 ff mwN. Das Kriterium der zeitlichen Nähe zu Wahlen ist mE nur bedingt tauglich. Denn auch eine kontinuierliche Bearbeitung des politischen Meinungsklimas kann die Wahlchancen der Oppositionsparteien verschlechtern. Verstärkt sich jedoch die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung vor Wahlen, so ist ein Zusammenhang mit dem Urnengang nahe liegend. Nach BVerfGE 63, 230 (244), tritt im Wahlkampf die Befugnis, zu informieren, zunehmend hinter das Gebot zurück, die Willensbildung des Volkes vor den Wahlen nach Möglichkeit von staatlicher Einflussnahme freizuhalten.
Für die Abgrenzung entscheidend ist nicht die Phantasie der Marketingstrategen, sondern der Unterschied zwischen objektivem Informationsgehalt und bloßer Reklame. Zwar hat der Staat nicht nur Informationsarbeit iS von Tatsachenbekanntmachung zu leisten, sondern auch Überzeugungsarbeit, um den ihn tragenden gesellschaftlichen Grundkonsens sicherzustellen. Nach Schürmann, Öffentlichkeitsarbeit, 309 mwN, sind Informationsmaßnahmen mit einem Optimum an Gehalt, aber einem Minimum an werblicher Aufmachung nur selten geeignet, die gebotene Beachtung zu finden: Die Informationsverarbeitung müsse durch kognitive Reizwirkungen (zB Kontrastierung, Pointierung) angeregt werden und weil Semantik und Ästhetik bei jeder Kommunikation mehrdimensional verbunden seine, hänge die Wirkung einer Information vor allem auch von ihrer Präsentation ab. Dieser Hinweis eines Referenten im Presse-und Informationsamt der deutschen Bundesregierung muss aber wohl dahingehend eingeschränkt werden, dass der Staat nicht das darf, was privaten Wirtschaftsunternehmen erlaubt ist. Zu Beispielen für „Primitivreklame mit geringem Informationswert“ vgl auch Vierhaus, Umweltbewusstsein, 489 ff mwN. Ders, aaO, 495 ff, hält die optische Angleichung von staatlichen Broschüren an die kommerzielle Werbung für ein „ureigenstes Merkmal einer meinungslenkenden Propaganda“; er fordert daher ein völliges Verbot von Lichtbildern und die Beschränkung graphischer Darstellungen auf ein Viertel des Gesamtumfangs der Regierungspublikation.
In retrospektiven Darstellungen tritt der Zweck einer langfristig angelegten Sympathiewerbung für die amtierende Regierung besonders deutlich hervor. Pointiert dazu Vierhaus, Umweltbewusstsein, 498: „Für eine staatsfinanzierte, schönfärberische Regierungsgeschichtsschreibung fehlt es an einer verfassungsrechtlichen Legitimation.“
Die Verwendung von Lichtbildern ist eines von mehreren Kriterien, die auf wahlwerbenden Charakter hinweisen. Der deutlich auf personenbezogene Sympathiewerbung für parteipolitisch zuordenbare Politikerinnen und Politiker zielende Abdruck mehrerer, zum Teil großflächiger Fotos in einer Publikation, ist von der Öffentlichkeitsarbeit idR nicht erfasst. Zutreffend Vierhaus, Umweltbewusstsein, 494 f: „Das Aussehen des jeweiligen Amtsinhabers stellt weder eine Sachinformation dar noch erhöht es die Transparenz oder Publizität des Staatshandelns, zumal die Spitzenpolitiker der Bevölkerung über die Medien bekannt sind.“ Zu weitgehend wohl ders, aaO, 495, wenn er aus dem haushaltsrechtlichen Wirtschaftlichkeitsgebot letztlich ein Fotoverbot ableitet, weil beim Ausscheiden der/des Abgebildeten (zB Rücktritt, Ressortwechsel) die gesamten Materialien eingestampft und neu aufgelegt werden müssten.
So BVerfGE 44, 125 (155). Ausführlich dazu Murswiek, DÖV 1982, 535 ff.
Vgl Schürmann, Öffentlichkeitsarbeit, 360 mwN.
So Schürmann, Öffentlichkeitsarbeit, 143, der daraus schließt, dass bei einem ausgeprägten Dissens in der Bevölkerung eine politisch relevante Thematik mit größerer Überzeugungskraft, Reichweite und Eindringlichkeit kommuniziert werden müsse, um sich im Meinungskonzert Gehör zu verschaffen. Dabei ist mE jedoch im Hinterkopf zu behalten, dass auch offensive Öffentlichkeitsarbeit sachlich und neutral bleiben muss. Dass die Regierung zur Akzeptanzschaffung bei „heiklen“ Themen mehr Mittel einsetzt bzw einsetzen kann als bei unstrittigen, steht nicht in Diskussion. Fraglich könnte es allerdings sein, ob es quantitative oder qualitative Grenzen dafür gibt (Stichwort: Informations-bzw Meinungsmonopol, Effizienzgrundsatz).
Vgl dazu etwa Schürmann, Öffentlichkeitsarbeit, 360 f sowie 369 ff mwN.
Damit ist die Größenordnung des Mitteleinsatzes sowie die Auflagenhöhe einer Druckschrift oder die Größe und Frequenz eines Inserates gemeint; vgl Schürmann, Öffentlichkeitsarbeit, 361 mwN.
Zach, Manipulierte Öffentlichkeit, 64.
Für das „Bohren dicker Bretter“, das der Sozialwissenschaftler Max Weber als eine der Hauptaufgaben des Politikers bezeichnet hat, braucht man wenige, aber qualifizierte Leute; viel aufwändiger ist es schon, die Bürgerinnen und Bürger davon in Kenntnis zu setzen, dass man dicke Bretter bohrt und noch mehr Zeit und Personal erfordert der Versuch, einer breiten Öffentlichkeit das Bohren dicker Bretter vorzutäuschen. So Zach, Manipulierte Öffentlichkeit, 18. AaO, 17, weist er darauf hin, dass mehr Zeit zur Lösung politischer Sachfragen zur Verfügung stünde, wenn die politischen Akteure nicht ständig versuchten, durch clever inszenierte Events einen Auftritt an der medialen Bühnenrampe zu bekommen.
Als Beispiele für die Manipulation der Medien nennt Zach, Manipulierte Öffentlichkeit, 110 f, etwa Mitteilungen, die durch Weglassen oder Hinzufügen so geschönt sind, dass der Eindruck, den sie erzeugen, die Realität weit übertrifft. Er verweist dabei auf die medienpolitisch nach wie vor aktuelle Lebensregel des britischen Premierministers (1916–1922) David Lloyd George: „What you can’t square, you squash; what you can’t squash, you square“ (etwa: „Unterdrücke, was du nicht hintrimmen kannst; trimm hin, was du nicht unterdrücken kannst“).
So beschreibt etwa Rosan, ÖJP 1994, 360, die Rolle der „Kronenzeitung“ vor der EU-Volksabstimmung folgendermaßen: „Blieb als der wichtigste ‚Joker ‘in der EU-Öffentlichkeitsarbeit die Kronenzeitung.... Die Frage, ‚Wie wird sich die Krone in der Endphase, dh knapp vor dem Plebiszit, verhalten‘, war die wichtigste in der PR-Schlussstrategie. Die Krone reagierte nicht, sie agierte! Mit 2,5 Mio Lesern täglich wusste sie, welchen Einfluss sie auf die Entscheidung der Bevölkerung letztlich nehmen kann.... Die Krone ‚half ‘ihren Lesern, die richtige Antwort zu finden, in einer Art und Weise, wie sie die beste und teuerste Werbekampagne nicht hätte tun können. Die Berichterstattung der Krone in den letzten zwei Wochen vor dem Plebiszit war zumindest für die Pro-Zwei-Drittel-Mehrheit verantwortlich.“ Vgl auch Berka, Freiheit und Verantwortung, 13, der die Massenmedien als „Schalt-und Schlüsselstellen einer unsere ganze soziale Wirklichkeit umfassende ‚Bewusstseinsindustrie ‘“ bezeichnete.
Immer wieder wird betont, dass Auskünfte nur von einer einzigen Dienststelle erteilt werden sollen, weil dies widersprüchliche Aussagen verhindert bzw den Journalistinnen und Journalisten eine konkrete Ansprechpartnerin bzw einen Ansprechpartner vermittelt. So etwa Chvatal, ÖGZ 8/2003, 20; Denk, ÖGZ 8/2003, 22.
Vgl etwa EGMR 26.4.1979, Sunday Times I, EuGRZ 1979, 386; EGMR 26.11. 1991, Sunday Times II, Serie A, Nr 217; EGMR 25.3.1985, Barthold, EuGRZ 1985, 170; EGMR 20.11.1989, markt intern Verlag GmbH, EuGRZ 1996, 302; EGMR 25.6. 1992, Thorgeirson, ÖJZ 1992, 810; EGMR 26.11.1991, Observer und Guardian, ÖJZ 1992, 378; EGMR 27.3.1996, Goodwin, ÖJZ 1996, 795; EGMR 24.2.1997, De Haes und Gijsels, ÖJZ 1997, 912; EGMR 21.1.1999, Fressoz und Roire, ÖJZ 1999, 774; EGMR 20.5.1999, Bladet Tromsø, ÖJZ 2000, 232; EGMR 28.9.1999, Dalban, ÖIMRNewsletter 1999, 159; EGMR 2.5.2000, Bergens Tidende, MR 2001, 84; EGMR 28.6. 2001, Verein gegen Tierfabriken, ÖJZ 2002, 855; EGMR 26.2.2002, Krone Verlag GmbH&CoKG, ÖJZ 2002, 466; EGMR 26.2.2002, Unabhängige Initiative Informationsvielfalt, ÖJZ 2002, 468; EGMR 27.5.2004, 65.545/01, Rizos und Daskas; EGMR 20.7.2004, Hrico, ÖIMR-Newsletter 2004, 188; EGMR 28.9.2004, Sabou und Pircalab, ÖIMR-Newsletter 2004, 228; EGMR 21.12.2004, 61.513/00, Busuioc. Vgl etwa EGMR 18.7.2000, Sener, ÖJZ 2001, 696, wonach es „die innerstaatlichen Behörden im vorliegenden Fall verabsäumt haben, das Recht der Öffentlichkeit, auch aus einer unterschiedlichen Perspektive über die Situation in der südöstlichen Türkei informiert zu werden, genügend Gewicht beizumessen, ungeachtet dessen, wie zuwider ihr der Gesichtspunkt gewesen sein mag“. Der EGMR 16.3.2000, Özgür Gündem, ÖIMR-Newsletter 2000, 53, entschied auch dass der Staat geeignete Vorkehrungen zum Schutz der Meinungsäußerungsfreiheit einer Zeitung zu treffen hat.
Vgl etwa EGMR 26.11.1991, Observer und Guardian, ÖJZ 1992, 378.
EGMR 23.4.1992, Castells, ÖJZ 1992, 803.
Vgl etwa EGMR 4.12.1976, Handyside, EuGRZ 1977, 38; EGMR 23.9.1994, Jerslid, ÖJZ 1995, 227; EGMR 26.4.1995, Prager und Oberschlick, ÖJZ 1995, 675; EGMR 21.1.1999, Fressoz und Roire, ÖJZ 1999, 774; EGMR 20.5.1999, Bladet Tromsø, ÖJZ 2000, 232; EGMR 13.5.2004, Krone Verlag GmbH und Gerhard Walter, ÖJZ 2005, 155; EGMR 18.5.2004, 58.148/00, Plon; EGMR 29.6.2004, 64.915/01, Chauvy; EGMR 21.12.2004, 61.513/00, Busuioc. Zur medienrechtlichen Nachforschungspflicht vgl jüngst OGH 17.2.2005, 6 Ob 357/04, MR 2005, 305.
Vgl etwa EGMR 12.7.2001, Feldek, ÖJZ 2002, 814; EGMR 26.2.2002, Dichand, ÖJZ 2002, 464; EGMR 13.11.2003, Scharsach und News Verlagsgesellschaft, ÖJZ 2004, 512; EGMR 13.5.2004, Öllinger, ÖJZ 2005, 117. Dies gilt allerdings — wie die EGMR-Rspr zu mehreren türkischen Fällen zeigt — nicht, wenn die Presse in Krisensituationen unvorsichtig agiert oder Aufrufe zu Hass und Gewalt verbreitet, die geeignet sind, Emotionen zu schüren oder bestehende Vorurteile zu verstärken. Vgl dazu etwa Damjanovic/Oberkofler, MR 2000, 72 mwN; Holoubek, AfP 2003, 199 f mwN. Zur Pressefreiheit in der Türkei vgl jüngst etwa EGMR 29.7.2004, 43.995/98, Okutan; EGMR 23.9.2004, 42.713/98, Yazar; EGMR 10.11.2004, 45.585/99, Ayhan I; EGMR 10.11.2004, 49.059/ 99, Ayhan II; EGMR 26.4.2005, 77.365/01, Falakaoglu.
So etwa EGMR 27.2.2001, Jerusalem, ÖJZ 2001, 693.
Vgl etwa EGMR 8.7.1986, Lingens, EuGRZ 1986, 424; EGMR 23.5.1991, Oberschlick I, ÖJZ 1991, 641; EGMR 23.4.1992, Castels, ÖJZ 1992, 803; EGMR 28.8.1992, Schwabe, ÖJZ 1993, 67; EGMR 1.7.1997, Oberschlick II, ÖJZ 1997, 956; EGMR 29.8. 1997, Worm, ÖJZ 1998, 35; EGMR 21.3.2000, Wabl, ÖJZ 2001, 108; EGMR 21.1. 1999, Fressoz und Roire, ÖJZ 1999, 774; EGMR 25.11.1999, Nilsen und Johnsen, ÖIMR-Newsletter 1999, 197; EGMR 18.7.2000, Sener, ÖJZ 2001, 696; EGMR 27.2. 2001, Jerusalem, ÖJZ 2001, 693; EGMR 12.7.2001, Feldek, ÖJZ 2002, 814; EGMR 26.2.2002, Dichand, MR 2002, 86; EGMR 26.2.2002, Krone Verlag GmbH&CoKG, ÖJZ 2002, 466; EGMR 14.11.2002, Wirtschafts-Trend-Zeitschriften-VerlagsGmbH II, ÖJZ 2003, 155; EGMR 20.3.2003, Krone Verlag GmbH&CoKG und Mediaprint Zeitungs-und ZeitschriftenverlagGmbH&CoKG, ÖJZ 2003, 812; EGMR 13.11.2003, Scharsach und News Verlagsgesellschaft, ÖJZ 2004, 512; EGMR 27.5.2004, Vides Aizsardzibas Klubs, ÖIMR-Newsletter 2004, 171; EGMR 20.7.2004, Hrico, ÖIMR-Newsletter 2004, 188; EGMR 16.11.2004, Karhuvaara und Iltalethi, ÖIMR-Newsletter 2004, 289; EGMR 17.12.2004, 33.348/96, Cumpana und Mazare; EGMR 17.12.2004, Pedersen und Baadsgaard, ÖIMR-Newsletter 2005, 10; EGMR 21.12.2004, 61.513/00, Busuioc; EGMR 29.3.2005, 75.955/01, Solokowski. Zum „public figure“-Standard vgl insb Berka, in FS Schäffer, passim; ders, JRP 1996, 242; ders, Medienfreiheit, 263 ff; ders, Recht der Massenmedien, 221 ff; Holoubek, ecolex 1990, 785; Grabenwarter, EMRK, § 23, Rz 27 ff und 41 ff; Kammerlander, Öffentliche Personen, 93 ff.
Vgl dazu etwa EGMR 8.7.1986, Lingens, EuGRZ 1986, 424; EGMR 23.5.1991, Oberschlick I, ÖJZ 1991, 641; EGMR 23.4.1992, Castells, ÖJZ 1992, 803; EGMR 24.2.1997, De Haes und Gijsels, ÖJZ 1997, 912; EGMR 26.2.2002, Dichand, MR 2002, 86; EGMR 26.2.2002, Unabhängige Initiative Informationsvielfalt, ÖJZ 2002, 468; EGMR 20.3.2003, Krone Verlag GmbH&CoKG und Mediaprint Zeitschriften Verlag GmbH&CoKG, ÖJZ 2003, 812; EGMR 13.11.2003, Scharsach und News Verlagsgesellschaft, ÖJZ 2004, 512; EGMR 13.5.2004, Krone Verlag GmbH und Gerhard Walter, ÖJZ 2005, 155; EGMR 13.5.2005, Öllinger, ÖJZ 2005, 117. Kritisch zur österreichischen Praxis bereits Frowein/Peukert, Art 10 EMRK, Rz 26; sowie jüngst etwa Ennöckl/Windhager, MR 2003, 369. Zur ukrainischen Praxis vgl EGMR 29.3.2005, Ukrainische Mediengruppe, ÖIMR-Newsletter 2005, 77.
Berka, Freiheit und Verantwortung, 3, ortet einen „Zwiespalt zwischen dem hohen Anspruch und der wahrgenommenen Wirklichkeit der Massenmedien“, der auf den Konflikt zwischen publizistischem Auftrag und wirtschaftlicher Ordnung zurückzuführen ist.
So Floimair, Replik, 109, der daraus ableitet: „Für uns heißt das in der Informationspolitik, ich will aktiv, offensiv informieren.“ Ähnlich Denk, ÖGZ 8/2003, 22: „mehrmals täglich über die aktuelle Situation offen und ehrlich informieren“. Floimair, Krisen-PR, 97, verweist auf die in journalistischen Kreisen verbreitete Regel: „Wer sich einer Auskunft verweigert, wird einen Grund dazu haben! Der Journalist wird doppelt wachsam, misstrauisch; er bohrt und recherchiert umso mehr, er gerät in den Kreis von Vermutungen und Gerüchten.“ Daraus folgert Floimair, Krisen-PR, 98, dass es in der heutigen Mediengesellschaft keine Alternative zur Informationsoffenheit gibt.
So jüngst Berka, Whistleblower, 82. Vgl weiters die wohl unverändert gültige Diagnose der Faktizität bei Berka, Massenmedien. 94: „Informelle Informationsbeziehungen — Kontakte zu den im Allgemeinen medienfreundlich agierenden politischen Spitzen der Verwaltung, die Verwendung von Indiskretionen, etc — spielen eine sehr viel größere Rolle als Auskunftsansprüche.“ Vgl aber auch die kritischen Worte von EU-Ombudsman Söderman, Rede 21.3.2001: „... it is rare that you get something for nothing in this world.... Leaks are the privilege of those people with good friends in high places. may will promote a certain partial openness. But it can also lead to corrupt behaviour.... Leaks always have a purpose. Otherwise they wouldn’t exist.... There is one further reason why I do not like transparency based on leaking and that is that leaking only takes place in the higher circles, in the political and lobbying business class. Ordinary citizens have to ask for documents according to the rules. For them, the rules are applied in a strict and formal way. That is the way of the economy class.“
Zach, Manipulierte Öffentlichkeit, 7. Zusammenfassend ders, aaO, 162 f: „Die Bürgerinnen und Bürger erteilen Mandate, mit denen sie bestimmte sachliche Erwartungen verbinden und erhalten medienorientierte Schönfärbereien. Sie wählen Programme und haben es anschließend mit Profilierungskünstlern zu tun, die selbstverliebt in den Pressespiegel schauen. Sie glauben, beim Blick in die Zeitung objektiv informiert zu werden und stehen doch nur am Ende einer Kommunikationskette, in deren Verlauf aus schwarz weiß werden kann.“
Zach, Manipulierte Öffentlichkeit, 13; vgl ders, aaO, 154, dem zufolge Politik früher als ergebnisorientiertes Sachprodukt galt, heute hingegen ein prozessbestimmtes Kommunikationsprodukt sei und daher die Zahl substantieller politischer Entscheidungen zurückgehe und der Anteil bloßer symbolischer Handlungen, folgenloser Meinungsäußerungen und inszenierter Pseudo-Ereignisse zunehme. Vgl etwa Sarcinelli, Politikvermittlung, 24: „Und wenn es keine Ereignisse gibt — eigentlich die schlimmste Situation für politische Akteure-, dann müssen welche inszeniert werden.“ In der kommunikationswissenschaftlichen Literatur überwiegt heute die Auffassung von einer komplexen Interaktion und gegenseitigen Durchdringung von Medien und Politik; dieses Verhältnis ist geprägt von wechselseitiger Abhängigkeit und gegenseitiger Anpassung, bei der „Information gegen Publizität“ und „Publizität gegen Information“ eingetauscht werden. Vgl statt aller etwa Jarren/Donges, Politische Kommunikation, 26 f („Interdependenz und Symbiose Paradigma“).
Zu medienökonomischen Zwängen vgl etwa Zach, Manipulierte Öffentlichkeit, 39 f, der Henri Nannen, ehemals Herausgeber des Nachrichtenmagazins „Stern“, mit folgendem Ausspruch zitiert: „Die Redaktion sei diejenige Abteilung des Hauses, welche die von der Anzeigenabteilung freigelassenen Seiten zu den von der Herstellung bestimmten Terminen mit einem Stoff füllen muss, den der Vertrieb verkaufen kann.“ Wie die online-Dienste der Print-und Rundfunkmedien nahe legen, ist auch die schnellstmögliche Informationsweitergabe wirtschaftlich relevant. Dabei besteht allerdings die Gefahr von „Verlautbarungsjournalismus“, dh das Publizieren von „vorgefertigten und nur noch zu redigierenden Versatzstücken aus der Amts-und Agenturrequisite“; so Zach, Manipulierte Öffentlichkeit, 52; vgl dazu auch Baerns, Macht, 147 ff.
Vgl Scherzberg, Öffentlichkeit 184 mwN. Zum medialen Selektionsprozess vgl etwa Zach, Manipulierte Öffentlichkeit, 28 f; Schulz, Politikvermittlung, 130 ff.
So Berka, Bürgerverantwortung, 71.
So statt aller Hoffmann-Riem, Der Staat 2003, 204 mwN; Vesting, in FS 50 Jahre BVerfG, 239.
So Hoffmann-Riem, Der Staat 2003, 206, unter Hinweis auf BVerfG-Rspr. Vgl auch Weinberger, JRP 1994, 157: „Der Journalismus als demokratische Einrichtung hat wichtige Funktionen, die niemand missen möchte. Er hat aber auch Eigenschaften, die weniger erfreulich sind.... Die Massenmedien als Sprachrohr der Information und Gestalter der Gefühlseinstellungen sind weit davon entfernt, eine Plattform des Argumentationsgleichgewichtes zu bieten.“ Vgl schließlich noch Zach, Manipulierte Öffentlichkeit, 39, dem zufolge das idealtypische Bild der Journalistinnen und Journalisten als „fleißige Paketverteiler am kommunikativen Transportband“ mit der Wirklichkeit wenig gemein habe.
So etwa Habermas, Strukturwandel, 245.
Vgl etwa Schulz, Politikvermittlung, 139, dem zufolge symbolische Politik ein Produkt der Mediengesellschaft sei, die nur durch die Selektionsmechanismen der Massenmedien funktioniere. Sarcinelli, Politikvermittlung, 24 mwN, spricht von „Pseudo-Events“ und „Schauturnen“ zu Zwecken der Medienpräsenz. Umfassend ders, Symbolische Politik, passim; Meyer/Ontrup/Schicha, Inszenierung, passim.
Pointiert attestiert Zach, Manipulierte Öffentlichkeit, 86 f: „Politisches Misstrauen und journalistischer Biorhythmus bestimmen die Beschlusslage unserer Regierenden: Die Karenz zwischen einer Regierungssitzung und der darauffolgenden Pressekonferenz dauert selten länger als einen halben Tag; weiter reicht das politische Vertrauen in die Verschwiegenheit der eigenen Mannschaft offenbar nicht. Und weil Journalisten den späten Vormittag oder die Mittagszeit als ‚Aufnahmetermin ‘für politische Neuigkeiten bevorzugen (vorher sind sie selten ganz wach, danach müssen sie in den Redaktionen schreiben und recherchieren), ergibt sich der Termin für eine Regierungspressekonferenz fast zwangsläufig.“ „Politische Kommunikation“, dh das Verhältnis zwischen Medien und Politik, ist mittlerweile eine eigenständige Disziplin innerhalb der Kommunikationswissenschaften geworden; vgl statt aller Jarren/Donges, Politische Kommunikation, passim; Sacrinelli (Hrsg), Politikvermittlung, passim; Jarren/Sarcinelli/Saxer (Hrsg), Politische Kommunikation, passim.
Zach, Manipulierte Öffentlichkeit, 12. Vgl auch die Feststellung von Di Fabio, JuS 1997, 6: „Mitunter wirken staatliche Akteure ganz und gar nicht wie Abgesandte eines Informations-Leviathans, sondern wie Getriebene im Laufrad einer vielfältig vernetzten und nach eigenen Gesetzen funktionierenden Medienlandschaft.“
Zach, Manipulierte Öffentlichkeit, 16. Ders, aao, 24: „Politische Informationen werden nur noch in homöopathischer Dosierung oder als zappeliges Infotainment auf dem Laufsteg schnelllebiger Tagesprominenz dargeboten; das locker-flockige Wer und Wie verdrängt das forschende Was und Warum.“
Scherzberg, Öffentlichkeit, 183 mwN.
So Zach, Manipulierte Öffentlichkeit, 13, der diese Medienumwelt für nicht realer hält als das Pappszenario, das der russische Fürst Grigorij Potemkin im 18. Jhdt auf der Krim errichten ließ, um seiner Zarin Katharina II. den Wohlstand blühender Dörfer vorzugaukeln.
Scherzberg, Öffentlichkeit 184 mwN. Vgl bereits Gurlit, Verwaltungsöffentlichkeit, 9 mwN: Mit der medialen Herstellung von Öffentlichkeit ist öffentlich nicht mehr das, was alle betrifft, sondern das, was öffentlich gemacht wird; Öffentlichkeit wird „hergestellt“. Die Medien folgen ökonomischen Handlungsrationalitäten und behandeln und präsentieren Politik primär unter dem Aspekt der Zuschauermaximierung. Vgl Gellner/Glatzmeier, Macht und Gegenmacht, 347 mwN. Die parlamentarische Anfrageserie 1443/J–1454/J 22. GP NR zu den seit 1998 für Informationskampagnen und Werbemaßnahmen ausgegebenen Ressortmitteln verdeutlicht, welch eine Bedeutung die amtliche Öffentlichkeitsarbeit für (verdeckte) Parteienfinanzierung und zusätzliche Presseförderung hat. Das Bundeskanzleramt gab über 31 Mio € aus, davon betrafen über 20 Mio € EU-Fragen (Erweiterung, Euro, etc), fast 4 Mio € die „Budgetkonsolidierung“ und über 2 Mio € die „Pensionsreform“ (parlamentarische Anfragebeantwortung 1443/AB 22. GP NR). Das BMaA setze „keine eigentlichen Werbemaßnahmen“, gab für Informationskampagnen zum Thema Entwicklungszusammenarbeit aber ca 541.000 € aus (parlamentarische Anfragebeantwortung 1426/AB 22. GP NR). Das BMBWK zahlte für „die Uni-Reform bringt’s“ ca 190.000 €, „klasse:zukunft — Schule neu denken“-Werbung kostete ca 82.000 € (parlamentarische Anfragebeantwortung 1461/AB 22. GP NR). Das BMF hat zwischen 1998 und 2003 ca 11,8 Mio € für Öffentlichkeitsarbeit ausgegeben (parlamentarische Anfragebeantwortung 1457/AB 22. GP NR). Das BMGF, das erst mit 1.5.2003 eingerichtet worden ist, hatte innerhalb eines Jahres ca 880.000 € ausgegeben (parlamentarische Anfragebeantwortung 1439/AB 22. GP NR). Das BMI warb um ca 1,5 Mio € (parlamentarische Anfragebeantwortung 1435/AB 22. GP NR). Das BMJ habe keine Aufträge zu „Informationskampagnen und Werbemaßnahmen“ erteilt, sondern lediglich Öffentlichkeitsarbeit zur Wissensvermittlung und Bewusstseinsbildung geleistet; für 2004 sei mit einer Zeitung ein Vertrag über 8.200 € geschlossen worden (parlamentarische Anfragebeantwortung 1403/AB 22. GP NR). Das BMLV hat zwischen April und November 2002 und ab Jänner 2004 um ca 380.000 € informiert (parlamentarische Anfragebeantwortung 1416/AB 22. GP NR). Für das BMLFUW betrugen die Informationsbudgets für 2002 und 2003 zusammen ca 2,2 Mio € (parlamentarische Anfragebeantwortung 1421/AB 22. GP NR). Im BMSGK wurden zusätzlich zur Kindergeld-, Unfallrentenbesteuerungs-und Kinderbetreuungsgeld-Kampagne über 2 Mio € für Informationsmaßnahmen aufgewandt (parlamentarische Anfragebeantwortung 1449/AB 22. GP NR). Das BMVIT verwies auf frühere Anfragebeantwortungen (parlamentarische Anfragebeantwortung 1408/AB 22. GP NR 2004). Das BMWA hatte nur zwei Informationskampagnen im Gesamtwert von ca 1,8 Mio € in Auftrag gegeben (parlamentarische Anfragebeantwortung 1411/AB 22. GP NR). Nach der parlamentarischen Anfrage 3783/J 22. GP NR wurden im Jahr 2004 von der Bundesregierung ca 17,7 Millionen € für Öffentlichkeitsarbeit, Werbung und Information ausgegeben.
Dabei handelt es sich um eine Form politischer Willensbildung und Entscheidungsfindung in der Demokratie, die nachhaltig durch Eigengesetzlichkeiten medialer Kommunikation geprägt ist; vgl etwa Hoffmann-Riem, Der Staat 2003, 194. Vgl ferner etwa Sarcinelli/Schatz (Hrsg), Mediendemokratie im Medienland, passim; Donsbach/Jandura (Hrsg), Mediendemokratie, passim.
Vgl etwa Scherer, Nachrichtenfaktoren, 690 f; Schulz, Politikvermittlung, 133 f; Jarren, Medien-und Gesellschaftswandel, 32; Wimmer, Verwaltungslehre, 119 f.
So Raschauer, Großverfahren, 87. Bereits G. Jellinek, Verwaltungsrecht, 23 mwN, wies darauf hin, dass die geschickte Verwendung der Presse eines der wichtigsten Mittel der Verwaltung für die Durchführung ihrer Pläne: Eine unangenehme Maßnahme, etwa Einführung des Maulkorbzwangs für Hunde, wird kaum mehr auf Widerstand stoßen, wenn sie durch belehrende Zeitungsaufsätze vorbereitet wurde. Von Raschauer, Großprojekte, 87, in die Gegenwart gewendet: In Bezug auf Großvorhaben ist die Öffentlichkeitsarbeit die Summe jener Tätigkeiten der Verwaltung, mit denen Medienberichte verhindert werden sollen, welche die Rationalität eines Projekts in Zweifel ziehen. Er merkt dazu an, dass Journalisten durchaus kritisch berichten könnten und dies dem Projektablauf sogar die Aura öffentlicher Kontrolle verleihe, die Kritik aber nicht die Sinnhaftigkeit des Projekts in Abrede stellen dürfe. Raschauers „Journalisten-Test“: Wenn es gelingt, bei der Mehrzahl der Journalisten ein Verständnis dafür zu wecken, dass ein Vorhaben rational ist, dann kann ein Vorhaben auch gegen eine militante Bürgerinitiative durchgesetzt werden.
Vgl BVerfGE 44, 125 (155).
Vgl Zach, Manipulierte Öffentlichkeit, 65: „Die Verquickung von Partei-und Regierungsinteressen zählt zu den heikelsten Themen staatlich subventionierter Öffentlichkeitspflege; sie ist auch der tiefere Grund, warum in kaum einem anderen Finanzbereich so viel verschleiert wird wie bei den Ausgaben für Druckerzeugnisse, Fotografenhonorare, Agenturkosten, Meinungsumfragen, PR-Aktionen und Journalistenreisen.“
Hingewiesen sei darauf, dass politische Parteien für Zwecke der Öffentlichkeitsarbeit Förderungsmittel des Bundes beantragen können (vgl § 2 ParteienG, BGBl 1975/404 idgF) und die im Nationalrat oder im Europäischen Parlament vertretenen Parteien darüber hinaus die Wahlwerbungskosten teilweise rückerstattet bekommen (vgl §§ 2a und 2b ParteienG). Die Parteien haben über die Verwendung der Zuwendungen Aufzeichnungen zu führen, welche von Wirtschaftsprüfern geprüft werden müssen (vgl § 4 ParteienG).
Die FPÖ als damalige Oppositionspartei startete mehrere einschlägige Anfrageserien: vgl etwa 5971/J–5983/J, 5653/J–5665/J, 5395/J–5407/J oder 3731/J–3743/J, jeweils 20. GP NR, sowie 126/J–138/J 21. GP NR. Dass parlamentarische Anfragen gelegentlich auch für Zwecke der Parteiarbeit „missbraucht“ werden, zeigt sich insb in jenen Fällen, in denen Abgeordnete an das der gleichen Partei angehörende Regierungsmitglied eine Anfrage stellt. So zB die FPÖ-Anfrage 4190/21. GP NR an den FPÖ-BMVIT, in der zuerst auf einen säumigen seinerzeit zuständigen sozialistischen Wissenschaftsminister und eine verantwortungslose sozialistische Ankündigungspolitik hingewiesen wurde, die ÖVP-FPÖ-Bundesregierung nunmehr aber „die Konsequenzen gezogen und endlich den jahrelangen Ankündigungen Taten und Maßnahmen im Bereich Forschung und Technologie folgen lassen hat“ und bereits eine „Erfolgsbilanz der Bundesregierung“ sichtbar ist; die „wesentlichen Versäumnisse der sozialistischen Forschungspolitik erfordern es, die im Jahr 2000 von dieser Bundesregierung eingeleiteten Maßnahmen mit Nachdruck weiterzuverfolgen...“ In der FPÖ-Anfrage 3453/J 21. GP NR an BM Haupt betreffend Ambulanzgebühren wurde etwa gefragt, welche Selbstbehalte zwischen 1970 und 1995 „eingerührt“ [gemeint wohl: „eingeführt“] oder erhöht wurden und wie der BM die Wirkungen der Ambulanzgebühren zusammenfassend einschätze. In der ÖVP-Anfrage 910/J 22. GP NR wurde BM Grasser gefragt: „Wären die Budgets der Jahre 2002 bis 2004 Österreichs ohne die Maßnahmen der Bundesregierung ähnlich katastrophal wie die Deutschlands oder Frankreichs?“
Vgl parlamentarische Anfragebeantwortung 1695/AB 22.GP NR, wobei BM Rauch-Kallat betonte, dass die Anzeigenschaltung ohne ihr Wissen erfolgt sei.
Vgl parlamentarische Anfragebeantwortung 1337/AB 22.GP NR. In der parlamentarischen Anfragebeantwortung 2030/AB 22. GP NR durch BK Schüssel vom 9.9.2004 wurden die Kosten für die Jahreswechselplakate mit ca 498.000 € beziffert.
So BM Haupt in der parlamentarische Anfragebeantwortung 1275/AB 22.GP NR. Überspitzt gefragt: Wenn die Zugpatronanzen bzw die Zugbegleitbroschüren tatsächlich eine derart geeignetes Informationsmöglichkeit sind, warum gibt es dann nicht auch einen „IC Herzinfarkt“, einen „IC Lungenkarzinom“, einen „IC Trinkerleber“, einen „IC Schlaganfall“ oder einen „IC Autoraserei“?
Über eine ähnliche „Jubelbroschüre“ berichteten die Medien im März 2003: Eine Woche vor den Kärntner Gemeinderatswahlen wurde an alle Haushalte die 114-seitige „Nachlese Kärnten 2002“ versandt; LH Haider ist darin 143 Mal abgebildet. Vgl Der Standard online 4.3.2003.
So treffend Jarren, Medien-und Gesellschaftswandel, 34.
Vgl bereits Murswiek, DÖV 1982, 529, mit der treffenden Feststellung, dass das BVerfG-Urteil „zur Richtschnur für die regierungsamtliche Öffentlichkeitsarbeit geworden (ist) — was freilich nicht heißt, dass sich die Regierungen immer tatsächlich an die Richtlinien halten.“
Vgl auch die parlamentarische Anfragebeantwortung 5606/AB 20. GP NR durch BM Gehrer: „Für die Informationstätigkeit hat das Prinzip der umfassenden Information und des einfachen Zugangs zu dieser für den interessierten Bürger zu gelten.... letztlich ist im jeweiligen Einzelfall das Informationsbedürfnis der österreichischen Bevölkerung entscheidend für Art und Umfang der Öffentlichkeitsarbeit.“ Man ist angesichts der Plakate versucht anzunehmen, dass kein großes Informationsbedürfnis bestand. In den parlamentarischen Anfragebeantwortungen 4226/AB 21. GP NR und 1846/AB-BR/2002 ist jedoch davon die Rede, dass sich die österreichische Bevölkerung über die Reformvorhaben an den Universitäten unzureichend informiert fühle. „Moderne Uni — Beste Zukunftsaussichten“ ist wohl keine diesbezüglich weiterhelfende Botschaft. Zur Kampagne „Unternehmen Arbeitsplatz“, welche mit Inseraten, die zu fünf Sechstel aus einem Foto des BK bzw des VK bestanden, für die Lehrlingsausbildung in Gewerbebetrieben warb, vgl parlamentarische Anfrage 3803/J 22. GP NR.
Vgl auch Zach, Manipulierte Öffentlichkeit, 64: „bebilderte Hochglanzbroschüre, die ein ganzes Land als paradiesische Insel im Strom der Mittelmäßigkeit preist“.
Zutreffend BM Gehrer in der parlamentarischen Anfragebeantwortung 5606/AB 20. GP NR: „Die Höhe der Kosten richten sich nach den jeweils aktuellen Ereignissen, die Anlass für eine Information der Öffentlichkeit sind; letztlich ist im jeweiligen Einzelfall das Informationsbedürfnis der österreichischen Bevölkerung entscheidend für Art und Umfang der Öffentlichkeitsarbeit. Bei der Gestaltung wird jedenfalls auf die Grundsätze von Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit, Effizienz und Sparsamkeit besonders geachtet.“ Ähnlich BK Schüssel in der parlamentarischen Anfragebeantwortung 2257/AB 21. GP NR.
Regierungsamtliche Kommunikation muss als solche erkennbar sein; vgl etwa Gramm, Der Staat 1991, 53; Schürmann, Öffentlichkeitsarbeit, 311 („Kennzeichnungspflicht“).
Vgl Lutter/Hickersberger, Wahlkampagnen, 237, denen zufolge irreführender oder bewusst manipulativer Umgang mit Information in der Verbreitung von Unwahrheiten ebenso bestehen könne wie im Verschweigen wichtiger Auskünfte; auch negative Themenselektion sei als manipulativer Umgang mit Information zu betrachten.
Vgl etwa Mantl, Replik, 53: „Staatskommunikation selbst erfüllt mich gerade in Kenntnis der politischen Prozesse und der Politiker mit Skepsis.“ Vgl aber auch bereits Merkl, Demokratie und Verwaltung, 46: „Man wirtschaftet idR sparsamer mit eigenen als mit fremden Mitteln“ und „Das Wirtschaften mit fremden Geldern bedeutet nicht einen Freibrief für finanzielle Skrupellosigkeit, aber auch keine psychische Nötigung zu radikaler Sparsamkeit“ (aaO, 47).
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(2007). Die Öffentlichkeitsarbeit. In: Öffentliche Verwaltungskommunikation. Forschungen aus Staat und Recht, vol 148. Springer, Vienna. https://doi.org/10.1007/978-3-211-69387-2_9
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