Zusammenfassung
Dürrenmatts Stücke sind in alle wichtigen Weltsprachen übersetzt worden.1 Für die mit der Übertragung Betrauten war, und bleibt, die Aufgabe nicht leicht. Das bewusst mit Helvetismen durchsetzte Vokabular; die kühne, oft grammatikalische Regeln verachtende Syntax; die zuweilen weitausholende Bildlichkeit; die Spanne im Sprachton von stiller Lyrik zum verbalen Kraftakt; die spielerische Ironisierung von Sprachklischees; eine an Luther gemahnende Macht des Wortes in Sinn und Tonfall: kurz, all die Charakteristika der Dürrenmattschen Diktion stellen eine gewaltige Herausforderung für den Übersetzer dar, gleichgültig in welche Sprache er überträgt.2 Es darf deshalb nicht verwundern, dass die Ergebnisse oft sehr weit hinter dem Original zurückblieben. Zu viele scheiterten an der schwierigen Aufgabe, wählten den einfacheren Weg der einebnenden Paraphrase, und nur ganz wenigen gelang eine lebendige Übertragung, die strenge Werktreue mit künstlerischem Eigengewicht verband.3
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Anmerkungen
Über diese breite Streuung orientiert die umfassende Zusammenstellung in Johannes Hansel, Friedrich Dürrenmatt Bibliographie, Bad Homburg 1968. Siehe aber auch die am Ende der Arbeit angeführten Bibliographien von Peter Gontrum und Elly Wilbert-Collins.
Vgl. hierzu das Vorwort von Patrick Bowles, dem zweiten Übersetzer der Alten Dame, in Friedrich Dürrenmatt, The Visit, New York 1962.
Als Musterbeispiel einer gelungenen Übertragung des eigentümlichen Dürrenmattschen Idioms sei hier noch einmal auf die amerikanische Fassung von Der Richter und sein Henker hingewiesen: Friedrich Dürrenmatt, The Judge and his Hangman, übersetzt von Therese Pol, New York 1955.
Aus der langen Reihe von Maurice Valencys Publikationen zur Dramenforschung seien hier nur seine zwei wichtigsten Arbeiten genannt: The Flower and the Castle: An Introduction to Modern Drama, New York 1963, und The Breaking String: The Plays of Anton Chekhov, New York 1966.
Siehe hierzu etwa die selbstsichere Art, mit der er in Randolph Goodman, op.cit., p.389ff., seine Fassung der Alten Dame verteidigt.
Siehe hierzu die in der Bibliographie zusammengestellten programmatischen Äusserungen Maurice Valencys, die als Teil der gezielten Publizitätskampagne zur Premiere von The Visit erschienen waren.
Ironischerweise wurde gerade dieser neue Zusatz Valencys zu einem der theatralischen Glanzlichter in Peter Brooks Inszenierung. Siehe dazu die Ausführungen im Kapitel «Die Regie».
Zur Konzeption des Heroischen in bezug auf Ill siehe besonders Dürrenmatts Anmerkung zum Stück in Der Besuch der alten Dame, Zürich 1956, p. 102 f.
Zur gleichen Begründung kommt auch Randolph Goodman in op.cit., p.392.
Die verschärfte Isolierung Ills, so eindrücklich sie für den Zuschauer war, barg doch die Gefahr der Sentimentalisierung. Siehe dazu Ian C. Loram, Der Besuch der alten Dame and The Visit, Monatshefte, Januar 1961, p. 17f.
Der Regisseur Dürrenmatt hat sich durch diesen dramaturgischen Einwand nicht berühren lassen. Sowohl seine Basler (1956) als auch seine Berner (1959) Inszenierung der Alten Dame behielt die Reporterszenen voll bei.
Zu diesem interessanten Wechselspiel von Bild und Wort siehe Elisabeth Brock-Sulzer, Friedrich Dürrenmatt. Stationen seines Werkes, Zürich 1964, p.256ff.
Wie stark diese Szene selbst nach Jahren in der Erinnerung haften kann, bezeugt Chris Chase in seinem Artikel für Playbill, Bd. 11, Juni 1974, unter dem Titel «Eternity was in that moment».
Siehe hierzu Dürrenmatts Anmerkung zum Stück, op. cit., p. 101.
Dass Valency bei dieser Streichung nicht ganz wohl war, bezeugt Randolph Goodman, op.cit., p.392.
Besonders hart in seiner Abrechnung verfährt hier der Germanist Ian Loram in op.cit., p. 18ff.
Dürrenmatt selber hat sowohl in seiner Basler als auch in seiner Berner Inszenierung der Gestaltung des Schlusschores seine besondere Aufmerksamkeit geschenkt.
Siehe hierzu etwa Robert Coleman in «Daily Mirror», New York, 6. Mai 1958, der Dürrenmatt des «surface showmanship» anklagt.
Zur Dramaturgie des Aktschlusses bei Dürrenmatt siehe Ulrich Profitlich, Friedrich Dürrenmatt: Komödienbegriff und Komödienstruktur, Stuttgart 1973, besonders p.96ff.
Vgl. hierzu Hans-Jürgen Syberberg, Zum Drama Friedrich Dürrenmatts, München 1963.
Valency ist der Vorwurf nicht erspart geblieben, das Stück verstümmelt zu haben. Siehe dazu etwa Gordon Rogoff, op.cit., p.32.
Diese Parallele des Stückes zu Valencys Verrat am Text wurde schon in der frühen Rezension durch Gordon Rogoff, op.cit., p.34, gezogen.
Siehe hierzu die treffenden Bemerkungen von Elisabeth Brock-Sulzer im Kapitel «Mundart als Grundlage» in Dürrenmatt in unserer Zeit, Basel 1968, p. 18 ff.
Siehe hierzu die Bestandesaufnahme und Wertung in Ian Loram, op.cit., p. 18f.
ibid.
Die Literatur zu Dürrenmatts eigentümlicher Kunstsprache ist mittlerweile stark angeschwollen. Siehe hierzu die am Schluss des Bandes angeführten Bibliographien.
Dies ist mir unabhängig von verschiedenen an der Aufführung Beteiligten bestätigt worden.
Dies war erklärtermassen eines seiner Kriterien beim Übersetzen. Siehe hierzu Gordon Rogoff, op.cit., p.32.
Neben Thematik und Sprachbild ist auch die architektonische Gliederung von Dürrenmatts Dramen immer wieder von der germanistischen Fachkritik untersucht worden. Als besonders aufschlussreich erweist sich dabei die Studie von Hans-Jürgen Syber-berg, op.cit., p. 16ff.
Zu der rhythmischen Unebenheit dieser Szenen siehe Joachim Hintze, Das Raumproblem im modernen deutschen Drama und Theater, Marburg 1969, p.212ff.
Dürrenmatt selbst hat in seiner Berner Inszenierung der Alten Dame die Balkonszenen um drei Einblendungen gerafft.
Siehe hierzu die Ausführungen zur Metamorphose der Ciaire Zachanassian in Ian Loram, op.cit., p. 15ff.
Hier machte sich Peter Brooks Einfluss auf Valencys Bearbeitung besonders deutlich. Vgl. hierzu Randolph Goodman, op.cit., p.401f.
Wie wichtig jedoch dieses makabre Detail für ein textgerechtes Verständnis der Claire Zachanassian ist, hat Lillebil Ibsen, die Rollenträgerin der norwegischen Erstaufführung, bezeugt. Siehe hierzu Randolph Goodman, op.cit., p.418f.
Wie sehr die kalte Dämonie zum Charakter der Millionärin gehört, zeigt wohl besser als alle Worte die Photographie der Therese Giehse in Wolfgang Drews, Die Schauspielerin Therese Giehse, Hannover 1965, Bildteil.
Auch hier wieder spricht die Photographie. Lynn Fontanne wirkt leicht maskenhaft, doch deutlich im Bereich des realistisch Möglichen. Siehe dazu das Bild in Randolph Goodman, op. cit., Bildteil.
Ian Loram, in op.cit., p. 15ff., hat diese Rückführung in die Welt des Alltäglichen als billige Banalisierung verurteilt.
Vgl. hierzu Ian Loram, op.cit., p. 15: “He (Valency) has tailored the play to fit her, which is a pity, since there would seem to be no valid reason why an actress as capable as Miss Fontanne could not have played the part of Klara Zachanassian as Dürrenmatt wrote it.”
Ian Loram, op.cit., p. 15ff., vertritt am besten, weil am detailliertesten, diese konservative Position. Bedauerlicherweise zieht seine Untersuchung die Bühnenwirksamkeit von Valencys Fassung kaum in Betracht.
Es kann deshalb nicht verwundern, dass die amerikanische Theaterpraxis immer wieder auf diese Fassung zurückgegriffen und sie der textnäheren Übertragung durch Patrick Bowles deutlich vorgezogen hat.
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Loeffler, M.P. (1976). Die Übersetzung. In: Friedrich Dürrenmatts ‹Der Besuch der alten Dame› in New York. Birkhäuser, Basel. https://doi.org/10.1007/978-3-0348-6506-7_5
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-0348-6506-7_5
Publisher Name: Birkhäuser, Basel
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