Der Raucher als Sündenbock (Blaming the Victim)

Zusammenfassung

Als junger Arzt im Krankenhaus hatte ich auf meiner Station einen 34jährigen Patienten, der mit Magenkrebs in einem unheilbaren Stadium eingeliefert wurde. In der Anamnese (der Entstehungsgeschichte seiner Krankheit) berichtete er, daß er als Hilfsarbeiter bei einer Firma angestellt war, die Autobahnen teerte. Den ganzen Arbeitstag über war er der Hitze der Teermaschine und den Teerdämpfen ausgesetzt. Die Arbeit wurde hoch bezahlt. Er wußte, daß Teerdämpfe gefährlich für die Gesundheit sind, nahm das aber wegen des hohen Lohnes (der für ihn mit keiner anderen Berufstätigkeit auch nur annähernd erreichbar war) in Kauf Eine Nachfrage ergab, daß in der Firma mehrere Arbeiter an Magen- und Lungenkrebs erkrankt waren. Er und seine Kollegen hatten sich darüber weiter keine Gedanken gemacht. Mein Patient starb kurze Zeit später, ohne daß wir medizinisch etwas dagegen tun konnten. Vielleicht hätte er eine Chance gehabt, wenn er früher gekommen wäre.

«Wer raucht, wird entlassen. Das ist das rigorose Motto der amerikanischen Baumaterialfirma USG. Die 1500 bis 2000 Angestellten sollen ihren Job verlieren, wenn sie am Arbeitsplatz oder daheim rauchen. Im Mai oder Juni können sie an Entwöhnungskursen teilnehmen. Wenn sie danach immer noch rauchen, droht die Entlassung. Die Firma begründete ihren Schritt damit, daß Nichtraucher erwiesenermaßen weniger krank seien.»

(Bad. Zeitung vom 23.1. 1987)