Ptolemaios und Kepler

Zusammenfassung

Die Besprechung meines Buches Musiké und Logos (Stuttgart 1970) durch Ulrich Klein (Gymnasium 79 (1972), S. 471f.) kann wohl als eine der seltsamsten Buchbesprechungen bezeichnet werden, die je geschrieben wurden. Einerseits werden dort die eigentlichen Thesen und Ergebnisse des besprochenen Buches mit keinem Worte erwähnt. Andererseits glaubt der Rezensent, meine Thesen widerlegt zu haben unter Berufung auf die Studie Stoicheion von W. Burkert (Philologus 103 (1959), S. 167–197), in der der Artikel Stoicheion von H. Koller (Glotta 34 (1955), S. 161–174) kritisiert wird. Das Resultat dieser Kritik Burkerts faßt Klein in dem Satze zusammen, daß στοιχείον keineswegs eine verlorengegangene musikalische Bedeutung besessen habe, sondern in mathematischem Zusammenhange aus dem Glied einer Reihe, eines Systems zur Voraussetzung und Grundlage geworden sei. Eben dasselbe (soweit und insofern es zutrifft, darüber weiter unten) hatte ich bereits in meinem Buche auf Seite 95/96 festgestellt: der Titel Στοιχεία besagt demnach ursprünglich: Lehre von den Gliedern einer (arithmetischen, geometrischen oder harmonikalen) Reihe. Den Charakter einer derartigen Analytik der Eigenschaften von bestimmten στοιχεία hatte natürlich auch das Beweisverfahren des Theodoros von Kyrene für die Rationalität oder Irrationalität der (in heutiger Sprache) «Quadratwurzeln» von √3 bis √17, über das in Platos Theätet berichtet wird. Wie aus diesem «urpythagoreischen» στοιχεία-Begriff des «Gliedes einer Reihe (στοίχοζ)» der στοιχείον = «Element»-Begriff der Folgezeit werden konnte..., das steht auf einem anderen Blatt. Es erscheint nach diesem seltsamen Quiproquo geboten, die angebliche Widerlegung Kollers durch Burkert einmal genauer unter die Lupe zu nehmen, zumal uns dieses mitten in die Problematik des Verhältnisses der altpythagoreischen Harmonie der Welt zur modernen Naturgesetzlichkeit hineinführen wird.