Klang und Gedächtnis

Zusammenfassung

Diese Aussage von Pietro Citati scheint der gängigen Vorstellung des Romanciers zu widersprechen, der das eigene Werk nach der — auf wunderbare Weise und sehr schmerzhaft erlebten — Wiedererlangung des Gedächtnisses geschrieben hat; in diesem Gedächtnis erscheinen gewisse Phänomene, wie beispielsweise die Musik, wie eine einzigartige Form bewahrender Erhaltung der Zeit, die in dem unendlichen Labyrinth der Psyche so festgehalten wird. Wie kann die Arbeit von Proust zum Resultat eines kreativen Ver-gessens werden? Der Satz von Citati ist nach unserer Meinung sehr bezeichnend und sollte kurz untersucht werden, auch wegen seiner Implikationen mit der Bedeutung, die die Musik bei dem großen Romancier sowie im Kontext der Kultur des neuen Jahrhunderts erlangt. Wenn das sehr anregende Buch von Citati keine Elegie auf die Heiligkeit der Zeit und der Erinnerung ist, so ist es sicher eine gewichtige Wertung derselben. Es ist eine Reise zur Entdeckung dessen, was in unseren Jahren sowie in den Ereignissen, die sich in den vorausgegangenen Jahren abgespielt haben, die alten Gleichgewichte zerstört hat; jene Gleichgewichte, die das Verhältnis zwischen dem Menschen, seinen Gedanken und seiner Welt bestimmt hatten.

Die Muse unserer Tage ist nicht das Gedächtnis, sondern das Vergessen, und das einzige Bauwerk, das man den Kathedralen des Gedächtnisses entgegensetzen kann, ist eine große Kathedrale des kreativen Vergessens, die <Recherche> von Marcel Proust.