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Die nationalsozialistische Diskurs-„Gemeinschaft“: Normen und Widersprüche

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Zusammenfassung

In diesem Kapitel werden die Versuche des Regimes skizziert, den öffentlichen Diskurs zu regulieren und seine ideologischen Normen durch Terror, Zensur, geheime „Sprachregelungen“ (an die Medien ausgegebene Anweisungen zum Sprachgebrauch) und semantische Neukodierung durchzusetzen, wie am Beispiel des Duden deutlich wird. Der abschließende Abschnitt befasst sich mit den Unsicherheiten in Bezug auf den ideologischen Status der deutschen Sprache als „dritte Kraft“ der Rassenideologie (neben Blut und Boden) und zeigt auf, wie diese besondere „Sprachfrage“ nach viel Verwirrung (die widersprüchliche Positionen innerhalb des Regimes widerspiegelt) von Hitler persönlich mit Nachdruck gelöst wurde, indem er die Verwendung der gotischen Schrift (Fraktur) und jegliche Kritik am Lehnwortschatz (‚Fremdwort‘) verbot. Das Kapitel schließt mit Beobachtungen über die Reichweite des muttersprachlichen Faschismus im Nationalsozialismus, trotz der Widerlegung des Sprachpurismus durch das Regime.

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Notes

  1. 1.

    Ein auffälliges Beispiel ist die Widerstandsfähigkeit derjenigen in der evangelischen Kirche, die sich zur Bekennenden Kirche zusammengeschlossen und dem Druck widerstanden haben, sich den „koordinierten“ Deutschen Christen anzuschließen.

  2. 2.

    Grüttner 2014, S. 158 f. Vgl. Benz 2006, S. 119. Über die genaue Anzahl der 1933 eröffneten KZs gibt es in der Literatur unterschiedliche Angaben: Koonz (1987, S. 334) gibt sie mit neunzig an.

  3. 3.

    Siehe Benz 2006, insbesondere S. 121–230 und die Chronologie auf S. xii–xiv.

  4. 4.

    Siehe die Diskussion von Brechts Furcht und Elend des Dritten Reiches in Kap. 4.

  5. 5.

    Vgl. YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=N1cSHyk1yb8 (13.05.2017).

  6. 6.

    Heute fällt es schwer, die vielfältigen Bedeutungen und Andeutungen des Originals wiederzubeleben. „Zentrummel rühren“ ist wohl eine Mischung aus „Zentrum“ (Trommel in einer rotierenden Maschine) und „Werbetrommel rühren“ (die Trommel schlagen) und könnte eine ironische Anspielung auf die katholische Zentrumspartei enthalten. „mechten“ ist als stilisierte jüdische Aussprache gemeint. „Devisenmusikanten“ spielt auf „Devisenspekulanten“ an. „Jemandem die Flötentöne beibringen“ ist umgangssprachlich für „jemandem zeigen, wer der Chef ist“, und „taktvoll“ bedeutet hier auch etwa „dem vorgeschriebenen Takt folgend“.

  7. 7.

    Vgl. meine Lektüre von Sternbergers „Blick der Liebenden“ in Kap. 7.

  8. 8.

    Über die schweren Bombenangriffe auf Birmingham fünf Tage später wurde in der deutschen Presse in Form eines Vielfachen von „Coventry“ berichtet. Der Begriff scheint eine moderne Version von „magdeburgisieren“ zu sein, in Anlehnung an die Verwüstung Magdeburgs im Jahr 1631.

  9. 9.

    Lethmair 1956, S. 175–199, zitiert Ruth Gaensecke bzw. Josef Goebbels (S. 176 f.).

  10. 10.

    Walter Schwerdtfeger von der Berliner Börsenzeitung, 1935, für die Weitergabe von Informationen an ausländische Korrespondenten. Siehe Bohrmann/Toepser-Ziegert Bd. 3/I, S. 38 f.

  11. 11.

    Toepser-Ziegert 2007, S. 87. Diese Akten (ZSg. 101 bzw. ZSg. 102) befinden sich im Bundesarchiv in Koblenz. Zu Umfang und Erfolg dieser Maßnahmen vgl. Glunk 1966–1971, Hagemann 1970.

  12. 12.

    Für den Zeitraum 1933–1939 sind 19 Bände dieser kombinierten Dokumentensammlungen veröffentlicht worden. Die Sammlung von Brammer trägt die Klassifikationsmarke ZSg. 101, von Sänger ZSg. 102. Vgl. Bohrmann und Toepser-Ziegert 1984–2001.

  13. 13.

    Die Anweisungen für die Presse werden hier mit dem Datum der Ausgabe angegeben. Sie sind (wo zitiert) im entsprechenden Band von Bohrmann und Toepser-Ziegert 1984–2001, Bergsdorf 1978, S. 73–102, und Glunk 1966–1971 zu finden. Für einen umfassenden Überblick werden LeserInnen auf diese Quellen verwiesen.

  14. 14.

    Deutsche Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, Amtsblatt. 6, 1940, S. 534. Vgl. Bernsmeier 1983, S. 43. Dieser Abschnitt ist Bernsmeier 1983 zu verdanken.

  15. 15.

    Z. B. Arthur Hübner, Muttersprache 1934, Spalte 110 f.

  16. 16.

    Völkischer Beobachter, Ausgabe München, 03.05.1937. Zitiert bei Bernsmeier 1983, S. 43; vgl. von Polenz 1967, S. 135.

  17. 17.

    Die folgenden Zitate stammen aus dem Bericht über dieses Konklave in Muttersprache 52 (1937), Heft 6, S. 252–258.

  18. 18.

    Diese Konvention findet sich auch in Veröffentlichungen in Fraktur nach 1945.

  19. 19.

    Siehe Robertson 1999, S. 260 f. Ein besonders interessanter Fall des von Kämper-Jensen dokumentierten unterwürfigen akademischen Diskurses ist die Kehrtwende von Georg Schmidt-Rohr, einem der herausragenden akademischen Sprachwissenschaftler der Zeit. Stark angegriffen für sein Werk MutterSprache von 1933, in dem er die Sprache als bestimmendes Merkmal der Rasse und damit als Grundlage für den Ausschluss der Juden aus dem „Volk“ abtat, entspricht seine spätere Forschung dem hegemonialen rassistischen Narrativ. Vgl. Simon 1986.

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Dodd, W.J. (2023). Die nationalsozialistische Diskurs-„Gemeinschaft“: Normen und Widersprüche. In: Unruhige Stimmen. Springer VS, Cham. https://doi.org/10.1007/978-3-031-16284-8_3

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