Skip to main content

Das Problem der nichtkonstruktiven Existenzbeweise

  • Chapter
  • First Online:
Philosophie der Mathematik in der Antike und in der Neuzeit
  • 1475 Accesses

Zusammenfassung

Wir wollen die Frage diskutieren, was von einem Existenzbeweis in der Mathematik erwartet werden darf. Darf man erwarten, daß ein Objekt, das die Existenzbehauptung erfüllt, explizit angegeben wird, oder muß man damit zufrieden sein, daß nur gezeigt wird, daß es ein erfüllendes Objekt „an sich“ geben muß? Es geht also um die Frage, welche Information der Existenz-Quantor ∃x (gelesen: es existiert ein x) liefern kann und soll.

„ … Come l’araba fenice, Che vi sia ciascun lo dice

… Dove sia … nessun lo sa.“

[… damit ist es wie mit dem arabischen Phönix; daß

es ihn gibt, sagt jeder, aber wo er ist, weiß niemand.]

Lorenzo Da Ponte /Wolfgang Amadeus Mozart:

Così fan tutte, 1. Akt, Szene1, Nr. 2: Terzetto.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 69.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as EPUB and PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Hardcover Book
USD 89.99
Price excludes VAT (USA)
  • Durable hardcover edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Notes

  1. 1.

    Dedekind hatte dies am 1. Dez. 1873 bewiesen und Cantor mitgeteilt. Cantor gelang daraufhin am 7. Dez. 1873 der Beweis, daß die Menge aller reellen Zahen überabzählbar ist und publizierte beide Resultate in Crelles Journal (Bd. 77 (1874), S. 258–262) unter seinem eigenen Namen. Den Namen Dedekinds erwähnte er an keiner Stelle. Dedekind war von Cantors Verhalten enttäuscht, protestierte aber nicht öffentlich.

  2. 2.

    Das Wort spielt an Eris, die griechische Göttin der Zwietracht, an. Der Sage nach warf sie, weil sie nicht zur Hochzeit der Thetis eingeladen war, einen goldenen Apfel mit der Aufschrift „der Schönsten“ unter die Hochzeitsgäste. Dadurch kam es zum Streit zwischen Aphrodite, Athene und Hera. Sie wählten Paris zum Schiedsrichter. Er entschied sich für Aphrodite, die ihm Helena versprochen hatte. Mit Aphrodites Hilfe entführte er Helena. Daraus entstand der Sage nach der Trojanische Krieg.

  3. 3.

    Auf die These von David Hilbert (1899, 1900) und Henri Poincaré (1902), daß Existenz im mathematischen Sinne nichts anderes als Widerspruchsfreiheit bedeute, wollen wir nicht eingehen, da sie vermutlich etwas anderes meint als sie dem Wortlaut nach auszusagen scheint. In welcher Sprache dürfen die Aussagen formuliert sein, deren Widerspruchsfreiheit behauptet wird? Aus der Widerspruchsfreiheit würde sich bestenfalls nur die Existenz der fraglichen Objekte in einer Erweiterung (!) der untersuchten Struktur (des untersuchten Modells) ergeben. Vergleiche dazu Paul Bernays, op. cit., und Jacqueline Boniface , op. cit.

  4. 4.

    R. Argand: ‚Réflexions sur la nouvelle théorie des imaginaires, suivies d’une application à la démonstration d’un théorème d’Analyse‘, Annales de Math. de Gergonne 5 (1814/1815), S. 197–209.

  5. 5.

    L. Euler: ‚Recherches sur les racines imaginaires des équations‘, Mémoires de l’Acad. Sci. de Berlin (1749), S. 222–288. Nachdruck in den ‘Opera Omnia’ I,6 (1921), S. 78–147.

    J.L. Lagrange: ‚Oeuvres‘, Paris 1867–1892, Band III, S. 479–516. Siehe auch Pierre Samuel: ‚Algebraic Theory of Numbers‘, Paris 1972, S. 44–45.

    P.S. Laplace: ‚Leçons de Mathématique données à l’École Normale‘, : École polytechn., sept. et huitième Cahier, Band 2 (Paris 1812), S. 1–278 (dort: S. 56–58).

    C.F. Gauss: ‚Demonstratio nova altera theorematis omnem functionem algebraicam rationalem integram unius variabilis in factores reales primi vel secundi gradus resolvi posse‘, 1815, Nachdruck in Band III der Werke (Göttingen 1876), S. 31–56.

  6. 6.

    Von „Körpern“ hat zuerst Richard Dedekind 1871 gesprochen. Ohne Verwendung dieser Bezeichnung traten Körper zuerst bei Gauss (1801), Evariste Galois (1830) und Leopold Kronecker (circa 1850) auf. Gauss hat jedoch schon 1801 den Begriff der Kongruenz zweier Zahlen eingeführt und die Rechengesetze festgestellt, die dem Rechnen in Kongruenzen zugrunde liegen.

  7. 7.

    n-äre Formen sind Polynome in n Variablen x1, , xn mit Koeffizienten aus einem kommutativen Körper K, in denen alle Summanden die gleiche Exponentensumme haben.

  8. 8.

    Beweise findet man in van der Waerden: Algebra II (Berlin 1959), S. 61, oder Emil Artin: Algebraische Geometrie, Vorlesung Hamburg 1962, Seite 5.

  9. 9.

    Wenn n eine hundert-stellige Zahl ist, dann müßte man aufgrund des Primzahlsatzes etwa \( \sqrt{\mathrm{n}} \)/ln(\( \sqrt{\mathrm{n}} \)) ≈ 8.1047 Primzahlen testen, ob sie Teiler von n sind. Selbst eine elektronische Rechenmaschine, die 1012 Divisionen pro Sekunde (also 3.1019 Divisionen pro Jahr) ausführen kann, würde im allgemeinen mindestens 1028 Jahre benötigen.

Literatur

  • Baire, René – Borel, Émile – Hadamard, Jacques – Lebesgue, Henri: ‚Cinq lettres sur la théorie des ensembles‘, Bulletin de la Société Math. de France, Band 33 (1905), pp. 261–273. Nachdruck in Émile Borel: ‚Leçons sur la théorie des fonctions‘, Paris 1911 (2. Auflage), pp. 150–160.

    Google Scholar 

  • Becker, Oskar: ‚Mathematische Existenz, Untersuchungen zur Logik und Ontologie mathematischer Phänomene‘. Halle a.d. Saale 1927 [Sonderdruck aus dem ‚Jahrbuch für Philosophie und phänomenologische Forschung‘, Band 8 (1927), pp. 441–809].

    Google Scholar 

  • Beeson, Michael: ‚Foundations of Constructive Mathematics: Metamathematical Studies‘, Springer Verlag Berlin 1985.

    Book  Google Scholar 

  • Bernays, Paul: ‚Mathematische Existenz und Widerspruchsfreiheit‘, Etudes de Philosophie des Sciences, Hommage à F. Gonseth, Neuenburg/Schweiz, Édition du Griffon 1950. Nachdruck in ‚P. Bernays, Abhandl. zur Philosophie der Mathematik‘, Wiss. Buchgesellschaft Darmstadt 1976, pp.92–106.

    Google Scholar 

  • Bishop, Erret: ‚Foundations of Constructive Analysis‘, McGraw-Hill, New York 1967.

    MATH  Google Scholar 

  • Boniface, Jacqueline: ‚Hilbert et la notion d’existence en mathématique‘. Librairie Philosophique J. Vrin, Paris 2004.

    Google Scholar 

  • Chihara, Charles S.: ‚Constructibility and Mathematical Existence‘. Clarendon Press, Oxford 1990.

    MATH  Google Scholar 

  • Hilbert, David: ‚Gesammelte Abhandlungen‘, Band 2, Springer Verlag Berlin 1933.

    Google Scholar 

  • Knorr, Wilbur R.: ‚Construction as Existence Proof in Ancient Geometry‘. Ancient Philosophy 3 (1983), pp. 125–148.

    Article  Google Scholar 

  • Peckhaus, Volker: ‚Impliziert Widerspruchsfreiheit Existenz? Oskar Beckers Kritik am formalistischen Existenzbegriff‘. In: ‚Oskar Becker und die Philosophie der Mathematik‘ (V. Peckhaus, Herausgeber), Wilhelm Fink Verlag München 2005, pp. 79–99.

    Google Scholar 

  • Thiel, Christian: ‚Becker und die Zeuthensche These zum Existenzbegriff in der antiken Mathematik‘. In: ‚Oskar Becker und die Philosophie der Mathematik‘ (V. Peckhaus, Herausgeber), Wilhelm Fink Verlag München 2005, pp. 35–45.

    Google Scholar 

  • von Freytag gen. Löringhoff, Bruno: ‚Zur Seinsweise der mathematischen Gegenstände‘, Deutsche Mathematik 4 (1939), pp. 238–240.

    Google Scholar 

  • Zeuthen, Hieronymus G.: ‚Die geometrische Konstruktion als „Existenzbeweis“ in der antiken Geometrie‘. Mathematische Annalen 47 (1896), pp. 222–228.

    Article  MathSciNet  Google Scholar 

Download references

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 2020 Springer Nature Switzerland AG

About this chapter

Check for updates. Verify currency and authenticity via CrossMark

Cite this chapter

Felgner, U. (2020). Das Problem der nichtkonstruktiven Existenzbeweise. In: Philosophie der Mathematik in der Antike und in der Neuzeit. Birkhäuser, Cham. https://doi.org/10.1007/978-3-030-35934-8_17

Download citation

Publish with us

Policies and ethics