1 Digitalisierung im Finanzbereich

Zusammenfassung

Der Finanzbereich steht im Fokus des digitalen Wandels, was z.B. durch seine Stellung als (Finanz-)datensammler und Datenauswerter untermauert. Es wird erwartet, dass Finanzorganisationen nicht nur im eigenen Bereich sondern auch unternehmensweit eng in Digitalisierungsentscheidungen eingebunden werden z. B. im Rahmen von Investitionsentscheidungen auber auch darüber hinaus. Treibende Kraft wird der Finanzbereich insbesondere im Bereich Prozessstandardisierung und Datenmanagement sowie bei der Anwendung neuer Technologien und Verfahren sein, um z. B. vorausschauende Analysen zu ermöglichen.

Die Digitalisierung ist in ihrer Bedeutung der Industrialisierung gleichzusetzen. Diese These greift die laufende und noch kommende tief greifende Veränderung auf, die Digitalisierung für die Gesellschaft und Ökonomien bedeutet. Unternehmen befinden sich im Zentrum der digitalen Veränderung mit Auswirkungen auf Geschäftsmodelle, Marktumfeld, Organisation und Prozesse. Klassische Wertschöpfungsketten verändern sich, Unternehmen sind gefordert, sich extern und intern anzupassen und Chancen der Digitalisierung konsequent zu nutzen. Insbesondere der Finanzbereich unterliegt sowohl einem hohen digitalen Wandlungsdruck als auch einem großen digitalen Wandlungspotenzial. Dabei können verschiedene Impulse, die eine starke Auswirkung der Digitalisierung auf den Finanzbereich untermauern, identifiziert werden:

  • Der Finanzbereich hat eine Funktion als zentrale Stelle zur Datensammlung inne. Dies prädestiniert ihn dafür, Daten effizient aufzubereiten und für digitale Anwendungen zur Verfügung zu stellen (Big Data) (Pfizenmayer 2016, S. 30; Freitag 2016, S. 58).

  • Neue Analyseverfahren und Technologien ermöglichen es, große Datenmengen schneller und besser auszuwerten (Weißenberger 2017, S. 16).

  • In der Vergangenheit hatten die CFOs (Chief Financial Officer) bereits die Rolle der Effizienztreiber und Standardisierer und haben die Aufbau- und Ablauforganisation nachhaltig mitgestaltet. Mit diesem Erfahrungshintergrund ist der Finanzbereich prädestiniert diese Rolle weiterzuentwickeln und auch in Bezug auf die Gestaltung der digitalen Agenda, insbesondere mit einem Fokus auf die internen Prozesse, einzunehmen.

  • Themen wie Governance, Risikomanagement und Compliance, die insbesondere in den Finanzfunktionen eine besondere Bedeutung haben, werden mit Big Data zusätzlich an Bedeutung gewinnen. Die Gewinnung und Erfassung personenbezogener Daten aus Geschäftsprozessen nimmt zu und auch die Gefahr von Datenlecks steigt (Freitag 2016, S. 58). Außerdem muss mit zunehmender Automatisierung entlang der Prozesse sichergestellt bleiben, dass Compliance Anforderungen eingehalten werden.

  • Dem Finanzbereich kommt bei der Beurteilung und Vorbereitung von Entscheidungen im Rahmen steigender Investitionen in neue digitale Technologien eine besondere Rolle zu (Fischer und Böckmann 2016, S. 60). Dies betrifft sowohl die Beurteilung der Vorteilhaftigkeit und Zuteilung zu den Unternehmensbereichen als auch die Auswahl geeigneter Finanzierungsinstrumente (Freitag 2016, S. 61).

  • CFOs werden im Zuge der Digitalisierung und dem damit einhergehenden höheren Investitionsdruck als Entscheidungsträger einen höheren Stellenwert einnehmen und strategische Aufgaben deutlich zunehmen (Hesse 2015, S. 25).

  • Finanzorganisationen werden eine Transformation durchleben, in der sich existierende Rollenbilder wandeln und neue Kompetenzen gefordert sind. Die Regelungsmaxime der Governance wird an Bedeutung gewinnen und den Rahmen für die Aufbau- und Ablauforganisation vorgeben (Horváth und Partners 2017, S. 11).

Diese Punkte unterstreichen, dass der Finanzbereich eine zentrale Rolle im Rahmen der Digitalisierung des gesamten Unternehmens spielt. Er ist gefordert, die mit der Digitalisierung induzierten Herausforderungen und Chancen anzunehmen und aktiv zu gestalten.

Höchste Priorität genießt die Standardisierung und Harmonisierung der Prozess- und Systemlandschaft, wobei hier u. a. das Thema Datenmanagement im Fokus steht. So bereiten sich die Finanzbereiche technologisch auf die Digitalisierung vor bzw. haben bereits einen guten Teil der Strecke zurückgelegt. Weit oben auf der Agenda steht außerdem die Automatisierung der Prozesse insbesondere von standardisierten, transaktionalen Prozessen als einer der wesentlichen Hebel für mehr Effizienz. Hinsichtlich der Unternehmenssteuerung soll mithilfe digitaler Technologien der Schwenk vom Blick in den Rückspiegel zum Blick durch das Fernrohr gelingen. Steuerung soll also nicht mehr auf Analysen der Vergangenheit beruhen, sondern proaktiv und prognostizierend erfolgen. Schließlich fördern Finanzverantwortliche das Ziel, sowohl die Rollen und Kompetenzen im Finanzbereich neu zu strukturieren, Mitarbeiter für den Einsatz neuer Methoden und Technologien weiterzubilden und eine starke zentrale Governance zu etablieren (Horváth und Partners 2017, S. 9).

Die CFOs haben also erkannt, welche Potenziale und Herausforderungen die Digitalisierung mit sich bringt und haben ihre Strategie und Projektportfolios entsprechend ausgerichtet. Digitalisierung ist in den Finanzabteilungen angekommen, viele Unternehmen befinden sich in der Transformation und haben erste Digitalisierungsinitiativen bereits abgeschlossen.

2 Herausforderungen in Digitalisierungsprojekten im Finanzbereich großer Konzerne

Zusammenfassung

Insbesondere große Unternehmen mit gewachsenen und komplexen Strukturen stehen vor der großen Herausforderung, neue digitale Geschäftsmodelle zu integrieren und ihre Prozesse zu digitalisieren. Dabei stellen die Unternehmen insbesondere komplexe und heterogene System, geringe Flexibilität im Datenmodell, veraltete Systeme, unklare Verantwortlichkeiten sowie Ressourcenknappheit vor Probleme. Die Fokussierung auf end-to-end Prozesse kann auf viele der genannten Probleme eine Lösung zur strukturierten und fokussierten Umsetzung von Digitalisierungsinitiativen sein.

Im Gegensatz zu vielen jungen Unternehmen, die bereits von Beginn an ihre gesamten primären und sekundären Wertketten unter einem klaren Verständnis der Bedeutung einer zunehmenden IT-Unterstützung gestalten und ausrichten konnten, stehen die großen Konzerne etablierter Branchen wie z. B. der Automobilbranche hier vor einer großen Herausforderung. Sie sind häufig über Jahrzehnte organisch und anorganisch gewachsenen. Für ihre herkömmlichen Geschäftsmodelle ist zunächst viel Grundlagenarbeit in Bezug auf eine Digitalisierung erforderlich, während gleichzeitig neue, digitale Geschäftsmodelle integriert werden müssen. Hierbei lassen sich folgende Problemstellungen branchenübergreifend beobachten:

Komplexe und oft heterogene Systemlandschaften: Die primären und sekundären Wertketten sind häufig nach Prozessen und Aufbauorganisation strukturiert und auf unterschiedlichen Systemen abgebildet. Grundlegende Veränderungen durch eine Digitalisierung einzelner Prozesse betreffen hierdurch schnell eine Vielzahl von Systemen. Dies treibt die Komplexität sowie den Aufwand von Digitalisierungsinitiativen.

Geringe Flexibilität im Datenmodell: Sowohl angestrebte Effizienzsteigerungen als auch Qualitätsverbesserungen, insbesondere aber die Abbildung neuer Geschäftsmodelle macht eine grundlegende Überarbeitung des Finanzdatenmodells erforderlich. Durch die hohe Integration in Verbindung mit einer Vielzahl von Schnittstellen ist eine solche Anpassung oft jedoch nur mit sehr hohem Aufwand realisierbar.

Veraltete Systeme: Digitalisierungsinitiativen werden oft durch alte Umsysteme gebremst. Die Systeme limitieren den möglichen Gestaltungsspielraum in Prozessen. Sie erfordern kostspielige Provisorien (z. B. Mapping-Lösungen), um Veränderungen überhaupt zu ermöglichen.

Unklare Verantwortlichkeiten für Prozesse und Daten: Die Verantwortung für einzelne Geschäftsprozesse und Daten ist häufig nicht klar geregelt. Je nach Konzernstruktur wurden in den einzelnen Sparten und Regionen Prozesse unterschiedlich umgesetzt und dezentral weiterentwickelt. In Bezug auf eine Datenverantwortung kommt zusätzlich hinzu, dass sich die Verantwortlichkeit oft auf einzelne Systeme innerhalb der Konzernbereiche beschränkt. Die notwendige Standardisierung von Prozessen und des Datenmodells wird dadurch deutlich erschwert.

Ressourcenknappheit und Kompetenzengpässe: Die unterschiedlichen Digitalisierungsinitiativen in den verschiedenen Unternehmensbereichen konkurrieren oft um knappe Ressourcen. Notwendiges Wissen sammelt sich über den Zeitablauf oft bei einzelnen wenigen Schlüsselressourcen, welche dann für alle Projekte gleichzeitig benötigt werden. Erschwerend kommen dabei Interdependenzen zwischen den Projekten hinzu, was eine Priorisierung erschwert.

Standard-fokussierte IT-Strategie: Die IT-Funktion gewinnt im Rahmen der Digitalisierung stark an Bedeutung und wird gleichzeitig von der Business-Seite stark unter Druck gesetzt, die Digitalisierungsprojekte adäquat zu unterstützen. Eine Fokussierung der IT-Strategie auf Standardprodukte und ein weitgehender Verzicht auf individuelle IT-Lösungen helfen, interne Aufwände in Betrieb und Projekten zu reduzieren und Kapazitäten für die Digitalisierungsprojekte freizuspielen. Gleichzeitig bedeutet eine solche standard-fokussierte IT-Strategie aber auch eine deutliche Reduktion im Gestaltungsspielraum der dann aufgesetzten Digitalisierungsprojekte, da wirkliche Prozess- und Produktinnovationen oft nicht durch Standardlösungen abzubilden sind.

Eine End-to-End-Prozessorientierung ist nicht die Antwort auf alle oben stehenden Herausforderungen, stellt aber insbesondere in Bezug auf eine transparente Applikationslandschaft, die Gestaltung eines integrierten Datenmodells und generell bei der Identifikation und Auflösung von Integrationsanforderungen bzw. -bedarfen in Digitalisierungsprojekten einen erfolgsversprechenden Ansatz dar.

3 Potenziale der End-to-End-Prozessorientierung in Digitalisierungsprojekten

Zusammenfassung

Ein End-to-End Geschäftsprozess umfasst alle Tätigkeiten zur Erstellung einer intern oder extern angeforderten Leistung. Dabei werden verschiedene Abteilungen und Systeme einbezogen. Wesentliche Geschäftsprozesse sind z.B. Purchase-to-Pay und Order-to-Cash. Diese End-to-End Prozesse können in ein durchgängig abgestimmtes Datenmodell integriert werden. Wenn ein kompatibles und konsistentes Daten- und Analysemodell im Unternehmen vorliegt, ist das Fundament für die neuen digitalen Möglichkeiten, Tools und Konzepte gegeben. Harmonisierte Stammdaten sind dabei der Schlüssel für das Zusammenführen unterschiedlicher Daten entlang der Geschäftsprozesse. Im „laufenden Betrieb“ ist dabei eine starke Governance unumgänglich.

3.1 Definition End-to-End-Prozesse

Ein End-to-End-Geschäftsprozess lässt sich als „die Abfolge aller notwendigen und direkt mit dem Geschäftsfall verbundenen Tätigkeiten zur Erstellung einer Leistung für einen Kunden, mit der bei diesem ein vorausgehender Bedarf gedeckt wird und die daher für diesen von Wert ist, samt der Zuordnung der dafür notwendigen Ressourcen“ (Bergsmann 2012, S. 29) definieren. Ein Kunde umfasst hierbei sowohl interne als auch externe Kunden (Gaydoul und Daxböck 2011, S. 40). Somit sind auch Supportprozesse mit eingeschlossen. Dabei führt jedoch nicht jeder Prozess die Eigenschaft End-to-End mit sich (Xiang 2015, S. 61).

End-to-End-Prozesse erstrecken sich über verschiedene Abteilungen und Systeme hinweg. Dass nicht alle Teilprozesse unmittelbar eine hohe Anzahl von Buchungen auslösen und die Hoheiten über diese oftmals nicht im Finanzbereich liegen, sorgt für große Herausforderungen. Es ist durchaus möglich, die Teilprozesse im Finanzbereich zu automatisieren und zu digitalisieren, jedoch bedingt eine Optimierung der Finanzprozesse eine Integration der Vorsysteme.

Grundsätzlich lässt sich eine Unternehmung durch ein generisches Unternehmensmodell mit fünf geschäftsmodellübergreifenden End-to-End-Prozessen beschreiben. Das Unternehmensmodell ist funktions- und organisationsübergreifend, da gerade diese Eigenschaft End-to-End-Ketten besonders auszeichnet. Bei der Betrachtung sollten auch Prozessbeteiligte außerhalb des Unternehmens betrachtet werden. Eingeschlossen sind hierbei jedoch nicht nur Lieferanten und Kunden, sondern auch die weitere Unternehmensumwelt (Abb. 37.1).

Abb. 37.1
figure 1

Das Generische End-to-End Unternehmensmodell

Im Folgenden werden nun die fünf geschäftsmodellübergreifenden End-to-End-Prozesse beschrieben. Anschließend werden am Beispiel unterschiedlicher Produktionsprozesse geschäftsmodellspezifische End-to-End-Prozesse vorgestellt.

Purchase-to-Pay (P2P)

Der Purchase-to-Pay-Prozess beschreibt die notwendige Versorgung eines Unternehmens mit Rohstoffen und Inputfaktoren. Der Prozess beginnt bei der Bedarfsanforderung für ein Gut oder eine Dienstleistung. Nach der Feststellung des Bedarfs gilt es, den optimalen Lieferanten auszuwählen. Bei diesem erfolgt anschließend die Bestellung. Nachdem die Ware eingegangen ist bzw. die Leistung erhalten wurde, endet der Prozess mit der Zahlung der Lieferantenrechnung.

Order-to-Cash (O2C)

Der Order-to-Cash-Prozess deckt die Kundenbedarfsseite ab. Er startet mit der Suche nach potenziellen Kunden. Nachdem diese gefunden und ausgewählt sind, beginnen die, je nach Geschäftsmodell unterschiedlichen, Tätigkeiten zur Akquise der Kunden. Daraufhin wird eine Lieferung oder Leistung durch den Kunden beauftragt und durch das Unternehmen erbracht. Der Prozess endet mit dem Eingang der Zahlung durch den Kunden.

Buy-to-Scrap (B2S)

Buy-to-Scrap ist ein stark auf den Güter- und Warenfluss bezogener Prozess. Nach dem Erwerb eines Vermögensgegenstandes wird dem Unternehmen die Ware angeliefert. Auf den Aufbau und die Inbetriebnahme folgt die Nutzung des Gegenstands über eine entsprechende Dauer im Unternehmen. Daraufhin endet der Prozess mit der Verschrottung bzw. Veräußerung, sofern noch Einnahmen erzielt werden können und sollen.

Hire-to-Retire (H2R)

Hire-to-Retire bildet den Personalabwicklungsprozess end-to-end ab. Er beginnt bei der Ermittlung des Personalbedarfs. Dieser Bedarf wird anschließend bei der Mitarbeiterprofilerstellung, auf Grundlage verschiedener Anforderungen für eine bestimmte Stelle, übersetzt. Auf dieser Basis wird das Recruiting gestartet und letztlich der geeignete Mitarbeiter eingestellt. Bis zum Ausscheiden des Mitarbeiters werden verschiedene Tätigkeiten der Mitarbeiterbetreuung durchgeführt. Dieser Prozessschritt ist sehr umfassend. Hier finden sich insbesondere fortlaufende Prozesse wie die Lohn-und Gehaltsabwicklung sowie Reisekostenbearbeitung wieder.

Record-to-Report (R2R)

Dieser Prozess beschreibt als Finanzprozess die buchhalterische und controlling-seitige Abbildung der finanzrelevanten Geschäftsvorfälle. Weiterhin betrachtet der Record-to-Report-Prozess die sich anschließenden Prozesse zur Erstellung des internen und externen Berichtswesens, als Grundlage für weitere Anwendungen und Analysen sowie Aufgrund von legalen Anforderungen. Dabei werden die entlang der End-to-End-Prozesse erfassten Mengen- und Werteflüsse angereichert und mit Kontierungen versehen, die eine gemäß des Steuerungskonzepts relevante Sicht auf die Daten ermöglicht. Der Record-to-Report-Prozess lässt sich dementsprechend als Querschnittsprozess aus dem Finanzbereich zu den vorangestellten Prozessen beschreiben.

Der Prozess beginnt bei der Erfassung der transaktionalen Buchung, welche in einer der vorangestellten Prozesse anfällt. Beispiele sind hier die Verbuchung der Eingangsrechnung im Purchase-to-Pay-Prozess oder die Aktivierung des Vermögensgegenstandes im Buy-to-Scrap. Es folgt die bilanzielle Würdigung mit entsprechender Auswirkung auf Bilanz und GuV. Neben dieser legalen Komponente deckt der Prozess auch die Kostenrechnung ab. Die Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung werden zur Kontrolle von Abweichungen durchgeführt. Die Darstellung der Ergebnisse erfolgt daraufhin in entsprechenden Reports, welche zur Auswertung und Kontrolle genutzt werden und Basis für die Planung der Folgeperiode sind. Letztlich bedarf es einer Analyse der Abweichungen und weiterer Erkenntnisse zur Ableitung von Handlungsfeldern für die Steuerung des Unternehmens.

Geschäftsmodellspezifische End-to-End-Prozesse

Diese vorgenannten klassischen End-to-End-Prozesse finden sich in den verschiedensten Unternehmen wieder. Allerdings ist aufgrund der Heterogenität von Geschäftsmodellen außerdem die Berücksichtigung von branchen- und unternehmensspezifischer Prozesse notwendig. Als Beispiel lässt sich hier der Produktionsprozess anführen. So lässt sich zwischen Make-to-Stock (M2S) und Make-to-Order (M2O) sowie Engineer-to-Order (E2O) differenzieren. Der Make-to-Stock-Prozess beginnt mit der Ermittlung zukünftiger Bedarfe und geht über die Produktion bis hin zur Einlagerung der Ware. Dieser Prozess findet sich meistens in Unternehmen mit Serienfertigung, z. B. in der Konsumgüterindustrie, wieder. Make-to-Order hingegen beschreibt einen kundenauftragsgetriebenen Produktionsprozess. Die Produktion ist auf die konkrete Kundenbestellung ausgerichtet. Als Beispiel lässt sich die Automobilindustrie anführen, da Autos in der Regel stark individualisiert werden können. Die stärkste Integration des Kunden findet sich allerdings im Engineer-to-Order -Prozess wieder. Hierbei handelt es sich um die kundenindividuelle Auftragsfertigung. Eine klassische Branche ist der Großanlagenbau.

Auch Daten aus geschäftsmodellspezifischen End-to-End-Prozessen fließen in den Record-to-Report-Prozess ein. So fallen auch bei den drei angeführten Produktionsprozessen transaktionale Buchungen an.

3.2 Mit End-to-End-Prozessen zum integrierten Datenmodell

End-to-End Prozesse können in ein durchgängiges und abgestimmtes Datenmodell verknüpft werden. Organisatorische, systemische und prozessuale Schnittstellen bedingen ein gemeinsames Verständnis über Input und Output. Damit ist sowohl eine applikationsseitige als auch eine organisatorische Abgrenzung in der Verantwortlichkeit eines Datenmodells möglich.

Die organisatorische Abgrenzung von Teildatenmodellen hat sich als Beschleuniger einer Lösungsfindung etabliert. Ein Gesamtdatenmodell einer bestehenden Unternehmung, welches sowohl die analytischen als auch die transaktionalen Anforderungen berücksichtigt, ist in seiner Komplexität nicht handhabbar. Ein Domänenmodell mit klarer Abgrenzung und Schnittstellen ermöglicht demgegenüber für den Finanzbereich genauso wie für andere Bereiche die Möglichkeit kurzfristigerer Optimierungen und Anpassungen. Übergreifend ist eine zentrale Governance erforderlich, die den Rahmen für die verschiedenen Datenmodelle bildet und eine Überleitung gewährleistet.

Dabei sollte es möglich sein, unterschiedliche Arten von Daten in den verschiedenen Datendomänen zusammenzutragen. Das Ausgestalten der Datendomänen obliegt dabei den Funktionen und Fachbereichen, die die Hoheit über die zugrunde liegenden Prozesse und Systeme haben. Dabei können spezifische Anforderungen berücksichtigt werden, wobei die Integration der Datendomänen sowohl entlang der End-to-End Prozesse als auch die Integration der Daten im Querschnitt der Prozesse (Record-to-Report) entscheidend für ein integriertes Datenmodell im übergreifenden Sinn ist. Dafür braucht es verknüpfende Datenelemente, womit das Thema Datenmanagement, das hier im engeren Sinne das Management von Stamm- und Metadaten umfasst, eine zentrale Rolle für ein integriertes Datenmodell einnimmt.

So wird Datenmanagement als das Fundament der Digitalisierung und Daten als „das Öl der neuen Zeit“ (Dörn 2018, S. 2) beschrieben. Wenn kein kompatibles und konsistentes Daten- und Analysemodell im Unternehmen vorliegt, ist das Fundament für die neuen digitalen Möglichkeiten, Tools und Konzepte brüchig (Schäffer und Weber 2016, S. 9).

Beispiel

Identische Geschäftspartner, die in unterschiedlichen Systemen mit unterschiedlichen Identifikationsnummern und Rollen angelegt sind, können, sobald die Daten zusammengeführt sind, nicht in einen Zusammenhang gebracht werden. Ein Geschäftspartner, der für Gesellschaft A in System 1 als Kunde gepflegt ist, kann bei Gesellschaft B in System 2 als Lieferant gepflegt sein. Auch ist es möglich, dass derselbe Geschäftspartner in beiden Gesellschaften/Systemen als Kunde gepflegt ist, jedoch mit unterschiedlichen Identifikationsnummern und unterschiedlichen Lieferadressen, entweder weil die Schreibweise sich unterscheidet (manuelle dezentrale Pflege) oder weil unterschiedliche Werke und Rechnungsanschriften gelten. Eine Auswertung über den Geschäftspartner als Ganzes ist dann automatisiert nur schwer möglich.

Harmonisierte Stammdaten sind ein Schlüssel für das Zusammenführen der unterschiedlichen Datendomänen. Die Stammdatendefinition muss sich dabei immer an fachlichen Anforderungen ausrichten. Ein rein technischer Ansatz reicht nicht aus, um die semantische Bedeutungsdurchgängigkeit und den Verwendungskontext desselben fachlichen Objekts innerhalb eines End-to-End Prozesses übergreifend sicherzustellen. Geschäftsobjekte beschreiben dabei „reale oder gedachte Gegenstände der Leistungserstellung, die von Aufgaben im Geschäftsprozess genutzt oder verändert werden“ und stellen somit eine fachliche Sicht auf die Stammdaten dar. Sie werden in den Applikationen von Datenobjekten widergespiegelt (Schmidt und Osterle 2010, S. 47).

Um eine prozess- und domänenübergreifende Definition der Stammdaten sicherzustellen sind vier wesentliche Schritte notwendig.

  1. 1.

    Aufstellen eines Geschäftsobjektverzeichnisses, das je Geschäftsobjekt die fachliche Eindeutigkeit der Objekt- und Attributdefinition gewährleistet (innerhalb eines End-to-End- Prozesses und übergreifend) (Schmidt und Osterle 2010, S. 48–52).

  2. 2.

    Verknüpfen der Geschäftsobjekte mit Datenobjekten und Aufbau der logischen Stammdatenmodelle in den einzelnen Applikationen, die im Rahmen der End-to-End- Prozesse genutzt werden, und/oder in zentralen Stammdatenapplikationen, aus denen Subsysteme versorgt werden (Schmidt und Osterle 2010, S. 48–52).

  3. 3.

    Definition der Versorgung der Systeme mit Stammdaten abhängig von einer zentralen oder dezentralen Architektur, mit dem Ziel, dass die Objekte aktuell für alle notwendigen Prozesse und Systeme vorliegen (Schmidt und Osterle 2010, S. 48–52).

  4. 4.

    Verankern von Pflegeprozess und -verantwortung, um die Aktualität der Geschäfts- und Datenobjekte sicherzustellen und das Ziel der unternehmensweit einheitlichen Definition zu gewährleisten. Dabei helfen der Aufbau und die Etablierung einer Datenorganisationseinheit, die bei der Vereinheitlichung von Datendefinitionen auch über Systemgrenzen hinweg für eine durchgängige Governance sorgt.

End-to-End-Prozesse können insbesondere für das Aufstellen des Geschäftsobjektverzeichnisses als strukturgebender Rahmen dienen. Dazu können entlang der Prozesse sowohl die verwendeten Datendomänen und Systeme den einzelnen Prozessschritten zugeordnet werden als auch die verantwortlichen Funktionen und Abteilungen sowie die verwendeten Geschäftsobjekte. Innerhalb eines Prozesses aber auch prozessübergreifend ergibt sich so ein transparentes Bild, welche identischen Geschäftsobjekte mehrfach verwendet werden. Sie sind der Schlüssel für ein prozess- und unternehmensweit integriertes Datenmodell und eine wesentliche Voraussetzung, um den „Datentreibstoff“ für digitale Anwendungen zu generieren.

3.3 End-to-End-Prozesse als Landkarte eines funktionierenden Integrationsmanagements

Die Integration verschiedener Bereiche im Unternehmen ist fortlaufend von großer Bedeutung. Insbesondere Digitalisierungsprojekte erfordern hierbei häufig den Einbezug anderer Unternehmensbereiche sowie Veränderungen in diesen. Die vollständige und zeitgerechte Adaption von Prozessen und Systemen in vor- und nachgelagerte Bereiche ist ein kritischer Erfolgsfaktor. Eine Integration entlang der End-to-End-Ketten schafft insbesondere zwei Arten von Mehrwert. Auf der einen Seite profitiert das Unternehmen durch den entstehenden Nutzen für Lieferanten, Kunden und die Umwelt aufgrund schnellerer und vereinheitlichter Prozesse. Auf der anderen Seite können Kostensenkungspotenziale gehoben werden.

Das Finanzwesen ist hier besonders stark betroffen. Allerdings entstehen die finanzrelevanten Daten oft in anderen Bereichen. Mängel können innerhalb des Finanzbereichs dementsprechend nur bis zu einem relativen Optimum verbessert werden, solange keine Anpassung der Teilprozesse und Datenflüsse weiter vorne in den End-to-End-Ketten erfolgt. Insofern ist hier Unterstützung erforderlich.

Dabei hat sich das End-to-End-Prozessmanagement in Digitalisierungsprojekten etabliert. Dessen Hauptaufgabe ist es, verschiedene Bereiche zu koordinieren. Es ist darauf ausgerichtet für erkannte Integrationsbedarfe eine Klärung herbeizuführen. Die Orientierung an End-to-End-Prozessen ermöglicht die Bearbeitung entlang einer übergreifenden, bekannten und leicht verständlichen Struktur und verhindert somit Übersetzungskonflikte bzw. Missverständnisse. Der Fokus des End-to-End-Prozessmanagements liegt dabei auf einer übergreifenden Integration der End-to-End-Ketten mit Blick auf die Dimensionen Fachanforderungen, Prozesse, Daten und Systeme. Dadurch ist gewährleistet, dass Konsistenz- und Qualitätsverbesserung entlang der kompletten End-to-End-Prozesse sichergestellt werden, durch die fortlaufendlaufend Begleitung der Teilprozessoptimierungen.

Da Unternehmen für diese Integration in großen Digitalisierungsprojekten i. d. R. nicht über ausreichend Kapazitäten und Know-How (technologisch, fachlich-methodisch sowie prozessual) verfügen, werden hier oft externe Ressourcen hinzugezogen. Die Stabs- oder Linienstellen des Prozessmanagements sollten, sofern sie bereits im Unternehmen verankert sind, die Projekte führen. Im Nachgang sollte das End-to-End-Prozessmanagement vollständig an das unternehmensinterne Prozessmanagement übergeben und von diesem weitergeführt werden.

Beispiel

Integrationsmanagement in der Praxis:

Um den Integrationsaufgaben gerecht zu werden, sollte in Digitalisierungsprojekten ein dediziertes Integrationsmanagement aufgesetzt werden. Im Rahmen von regelmäßigen Integrationsmeetings (1–2 Wochen-Takt) sollten Integrationsthemen zwischen den beteiligten Bereichen geklärt werden. Das Integrationsmanagement übernimmt hierbei nicht die fachliche und technische Führung sondern moderiert und koordiniert die Lösungsfindung und dient als Sparringspartner der Bereiche. Weiterhin gilt es Konzepte regelmäßig Integrationsanforderungen zu reviewen und auf Konsistenz zu prüfen und identifizierte Klärungspunkte zu dokumentieren und die Lösungsfindung zu forcieren.

Das Format des Fokustages ist geeignet Ergebnisse einer größeren Zahl von Stakeholdern zu präsentieren und diese zu diskutieren. Der Fokustag übernimmt dabei sowohl die Funktion einer Ergebniskommunikation, der Verankerung der Konzepte innerhalb der Organisation im Sinne einer Veränderungsunterstützung und ermöglicht die Einbindung eines breiten Stakeholder-Kreises zur Diskussion und Klärung von Integrationsbedarfen.

Sofern das End-to-End-Prozessmanagement im internen Prozessmanagement verankert ist, kann es somit ein Wegbereiter der Digitalisierung im Unternehmen sein. Durch die ganzheitliche Sicht kann die Prozessqualität und -effizienz deutlich gesteigert werden. Gleichzeitig kann durch den höheren Integrationsgrad die Anzahl der Schnittstellen reduziert werden. Es lässt sich festhalten, dass das End-to-End-Prozessmanagement ein wesentlicher Faktor auf dem Weg zu einem unternehmenseinheitlichen Datenmodell darstellt.

3.4 Eine gesamtheitliche Prozessoptimierung auf Basis von End-to-End Prozessen

Aktuelle Digitalisierungsinitiativen haben heute häufig zwei Stoßrichtungen. Während produkt- und serviceportfolio-erweiternde Initiativen schon einen nahezu ganzheitlichen Scope umfassen, da in den Projekten sichergestellt werden muss, dass die neuen Produkte und Service zukünftig auch produziert, erbracht, verkauft und gesteuert werden, sind Digitalisierungsmaßnahmen zur Optimierung bestehender Prozesse häufig bereichsfokussiert. Die Denkweise, dass sich eine Digitalisierungsinitiative auf singuläre Organisationseinheiten und Teilprozesse beschränken kann, greift jedoch regelmäßig zu kurz.

Auch fokussierte Digitalisierungsmaßnahmen erfassen immer das gesamte Unternehmen, sofern die Umsetzung der Maßnahmen dem Ziel einer wirklichen Optimierung gerecht werden soll. Als Beispiel kann die Digitalisierung von Wartung und Instandhaltung dienen. Moderne Sensorik erkennt schon heute Verschleiß in Produktionsanlagen und ist in der Lage entsprechende Informationen samt Instandhaltungsauftrag oder Ersatzteilbestellung an den entsprechenden Hersteller bzw. Dienstleister zu senden. Damit diese neuen Funktionalitäten aber einen wirklichen Nutzen generieren, darf der Informationsfluss nicht auf den Weg zwischen Maschine und Hersteller bzw. Dienstleister beschränkt sein. Es muss sichergestellt werden, dass die Informationen in der Produktionsplanung und -steuerung berücksichtigt werden. Weiterhin muss gewährleistet sein, dass die ausgelöste Bestellung in den Beschaffungssystemen abgebildet wird, sodass der Einkauf weiterhin volle Transparenz über die Beschaffungsumfänge mit einzelnen Anbietern hat. Ohne eine weitergehende Optimierung würde der Prozess nun wieder in der traditionellen Form weiterlaufen. Dies bedeutet, dass der Lieferant eine Rechnung stellt. Diese Rechnung geht in der Kreditorenbuchhaltung ein, wo sie erfasst und geprüft wird. Da die Buchhaltung kein Wissen darüber hat, ob die Bestellung entsprechend der Rechnung ausgeführt wurde, kommt ein Freigabe-Workflow zum Einsatz, in dem der Verantwortliche in der Produktion die bestellungs- und rechnungsgemäße Ausführung der Wartung bestätigt, sodass die Rechnung freigegeben, gebucht und bezahlt werden kann.

Da die Maschine ihren Wartungsbedarf selbstständig erkannt und gemeldet hat, ist davon auszugehen, dass sie eine Durchführung der erforderlichen Arbeiten erkennen und melden kann. Sobald diese Informationen wieder den Beschaffungs- und Buchhaltungssystemen zugänglich wird, würde auch der aufwendige Rechnungsprüfungs- und -freigabeprozess obsolet bzw. könnte vollständig digitalisiert und automatisiert werden. Die Rechnung würde im System auf eine passende Bestellung samt dokumentierter Leistung treffen und könnte systemisch geprüft, gebucht und bezahlt werden.

Das Beispiel zeigt, welchen umfassenden Einfluss die Digitalisierung im Unternehmen hat. Die End-to-End-Prozessorientierung hilft dabei, den Einfluss einer Initiative im Vorfeld zu bewerten und zusätzliche Optimierungspotenziale zu realisieren.

Die Digitalisierung und Optimierung von Prozessen erfolgt dabei in vier Schritten (Hierzer 2017)

  1. 1.

    Ist-Aufnahme und -Analyse: In diesem Schritt muss ein Überblick über den Status Quo geschaffen werden. Auf Basis von End-to-End-Prozessreferenzmodellen und bestehender Prozessdokumentationen kann in der Regel sehr schnell und effizient eine Beschreibung der Ist-Situation erfolgen. Von besonderer Relevanz im Rahmen einer Digitalisierungsinitiative sind dabei die folgenden Fragen:

    1. a)

      Wie groß ist die Prozessvielfalt im Betrachtungs-Scope der Digitalisierungsinitiative? Eine große Prozessvielfalt steigert die Komplexität im Rahmen einer Digitalisierung enorm, wenn diese Vielfalt doch zukünftig auch in den geänderten Systemen abgebildet werden muss. Dem gegenüber ist vollständige Standardisierung zwar vor dem Hintergrund einer effizienten Digitalisierung wünschenswert, jedoch gibt es in der Regel geschäftsseitig gute Gründe für einzelne Prozessvarianten. Im Rahmen eines Projekts sind diese erfolgskritischen Varianten zu identifizieren und im weiteren Vorgehen zu Berücksichtigen.

    2. b)

      Welche Systeme werden innerhalb der Prozesse genutzt? Ein klares Verständnis der vorhandenen Applikationslandschaft und der betroffenen Systeme ermöglicht frühzeitig eine Identifikation von kritischen Systemen und etwaigen systemischen Beschränkungen. Zusätzlich stellt es sicher, dass die relevanten Ansprechpartner auch von IT-Seite frühzeitig eingebunden werden können.

    3. c)

      Welche Organisationseinheiten sind in welcher Rolle in den Prozessen involviert? Auf Basis einer RACI-Matrix (R(esponsible) – Durchführung, A(ccountable) – verantwortlich, C(onsulted) – unterstützt beratend, I(nformed) – wird informiert) kann eine übersichtliche Beschreibung der betroffenen Organisationseinheiten erfolgen.

    4. d)

      Welche prozessualen, organisatorischen und technische Schnittstellen sind zu beachten? Auf Basis der dokumentierten End-to-End-Prozessketten können Schnittstellen leicht identifiziert werden. Für alle Schnittstellen müssen mindestens die folgenden Punkte beschrieben sein:

      1. I.

        Sender – Welches System bzw. wer sendet die Information?

      2. II.

        Empfänger – Welches System bzw. wer empfängt die Information?

      3. III.

        Informationen – Welche Informationen (Ebene Datenfeld) werden übergeben?

      4. IV.

        Struktur und Format – In welcher Struktur und in welchem Format werden die Daten übergeben?

      5. V.

        Trigger und Rhythmus – Welches Ereignis löst den Schnittstellenprozess aus bzw. in welchem Rhythmus erfolgt der Informationsaustausch?

      6. VI.

        Technologie & Applikationen – Welche Technologie wird in der Schnittstelle eingesetzt und gibt es etwaige zusätzliche Logiken (z. B. Mappings) innerhalb der Schnittstelle?

      7. VII.

        Errorhandling – Was passiert im Fehlerfall (Fehlertöpfe bei systemischen Schnittstellen bzw. Eskalationswege bei organisatorischen Schnittstellen)?

  2. 2.

    Plausibilisierung der Zielsetzung und Festlegung des Scopes: Auf Basis der Ist-Aufnahme und -Analyse sollte eine Plausibilisierung der Zielsetzung der Digitalisierungsinitiative erfolgen und der finale Scope der Maßnahme festgelegt werden. Erfolgskritisch in diesem Schritt ist das Treffen des richtigen Ambitionslevels. Der festgelegt Umfang sollte fordernd genug sein und eine messbare Verbesserung realisieren, gleichzeitig muss der Umfang aber auch vor dem Hintergrund der gegebenen Umstände (z. B. Ressourcenverfügbarkeit) realistisch gewählt sein. Weiterer Inhalt dieser Phase sollte eine Festlegung der Projektvorgehensmethodik sein.

  3. 3.

    Konzeption: Im Rahmen der Konzeption kommen die klassischen Instrumente des Prozessmanagements zum Einsatz. Das Ziel hierbei ist die konsequente Eliminierung nicht wertschöpfender Prozessschritte, um so einen möglichst effizienten Prozess bzw. effiziente Prozessvarianten zu designen. Nach dem eigentlichen Prozessdesign folgt das technische Umsetzungskonzept. Je nach technologischem Umfeld und Freiheitsgraden in Bezug auf die technische Umsetzung kann auch eine verzahnte fachliche und technische Konzeption sinnvoll sein. Kritischer Erfolgsfaktor der Konzeption in Bezug auf eine Digitalisierung ist die durchgängige Gestaltung des Informations- bzw. Datenflusses. Hierbei ist darauf zu achten, dass prozessrelevante Datenanreicherungen in nachgelagerten Prozessen so weit wie möglich vermieden werden bzw. der Prozess so gestaltet wird, dass alle Informationen so früh wie möglich im Prozess generiert werden. Weiterhin muss bedacht werden, dass nicht nur prozessrelevante Informationen zu betrachten sind, sondern ebenso die Controlling- und Reporting-Anforderungen. Ein weiterer wichtiger Erfolgsfaktor besteht darin, die prozessualen und organisatorischen Implikationen nicht zu vernachlässigen, sondern diese in der Konzeptphase vollumfänglich zu betrachten und darüber bereits einen ersten Schritt in Richtung Umsetzung und Verankerung zu gehen.

  4. 4.

    Umsetzung und Verankerung: Die Umsetzung und Verankerung der Prozessveränderungen sind nicht exakt planbar. Konzepte werden im Rahmen der Umsetzung häufig noch einmal geänderten Realitäten angepasst, sodass die Ergebnisse laufend überprüft werden müssen. Dabei müssen immer alle Dimensionen der Veränderung (Organisation, Prozesse und IT) betrachtet werden und Wechselwirkungen bei Anpassungen berücksichtigt werden. Weiterhin ist eine Veränderung nur dann erfolgreich, wenn sie auch nachhaltig in der Organisation verankert wird. Die Bedeutung eines parallelen Kulturwandels im Unternehmen, verbunden mit einer zielgerichteten Qualifizierung der Mitarbeiter ist elementarer Bestandteil eines Unternehmens, welches die Digitalisierung nicht nur „über sich ergehen“ lässt, sondern die Chancen aktiv erkennt und gestaltet.

Zusammengefasst bedeutet dies, dass neben einem generellen Verständnis der Digitalisierung bzw. der sich laufend veränderten technologischen Möglichkeiten insbesondere ein End-to-End-Prozess-Verständnis die Basis dafür ist, Potenziale im Unternehmen zu erkennen und nutzenstiftende Lösungen über die gesamten primären und sekundären Wertketten zu realisieren.

4 Ausblick

Zusammenfassung

Sofern Digitalisierungsinitiativen übergreifend end-to-end angelegt sind, entfalten sie den größtmöglichen nutzen. Dabei gibt es eine Reihe entscheidender Erfolgsfaktoren, die einzuhalten sind, um die digitalen Anwendungen der Zukunft im Finanzbereich zu etablieren. Predictive Forecasting sei hier exemplarisch genannt. Dies gelingt wenn bereits am Anfang der Prozesse Daten gesammelt, harmonisiert und zusammengeführt werden, unterstützt durch ein stringentes Datenmanagement und Governance, und als „Öl des 21. Jahrhunderts“ konsequent in digitale Anwendungen überführt werden.

Digitalisierungsinitiativen entfalten ihren größten Nutzen, wenn sie übergreifend angelegt sind, sich also nicht nur auf einzelne Organisationseinheiten und Prozessfragmente beziehen. Vielmehr bildet die Orientierung an einer End-to-End Prozesssicht sowohl ein nutzbares Framework für die Strukturierung einer Digitalisierungsinitiative als auch die Grundvoraussetzung, um das Nutzenpotenzial der Digitalisierung auszuschöpfen.

Dabei gibt es eine Reihe kritischer Erfolgsfaktoren, die den Erfolg und den Nutzen von Digitalisierung determinieren. So ist eine möglichst hohe Standardisierung, im Rahmen des Möglichen und Sinnvollen, anzustreben. Außerdem ist von vorne herein eine möglichst hohe Integration der Werteflüsse vorzusehen, was einer hilfsweisen Automatisierung von Prozessschritten mithilfe von z. B. Robotics Process Automation wo immer möglich vorzuziehen ist. Dazu ist die Etablierung eines übergreifenden Datenmanagements notwendig, das ebenfalls, ausgerichtet an den End-to-End-Prozessen, das Ziel verfolgt, ein harmonisiertes und integriertes Datenmodell zu generieren und zu warten. Schließlich ist die organisatorische Verankerung der neuen digitalen End-to-End-Prozesse sowie deren Governance und Pflege mit allen bestehenden und im Zuge der Digitalisierung neu zu schaffenden Funktionen und Organisationseinheiten der Schlüssel, um eine durchgängige digitale Organisation zu etablieren und das digitale Nutzenpotenzial zu heben. Dies gilt für Unternehmen als Ganzes und für Finanzbereiche im Speziellen, da sie der Nukleus der betrieblichen Informationsbeschaffung sind und im Rahmen des Record-to-Report-Prozesses den Berichtsbedarf zur Unternehmenssteuerung decken.

Sofern diese Voraussetzungen geschaffen sind, eröffnet sich das volle Potenzial der Chancen, die die Digitalisierung bereithält. Neue Geschäftsmodelle können integriert werden, Effizienz- und somit Kostensenkungspotenziale werden ausgeschöpft, die Unternehmenssteuerung kann vorausschauend erfolgen, Prozesse und Abläufe laufen automatisiert und optimierend.

Ein konkretes Beispiel für eine digitale Anwendung ist Predicitve Analytics. „Predictive Analytics hat die Aufgabe aus vorhandenen Datenmengen die Informationen zu extrahieren, um Trends und zukünftige Verhaltensmuster vorherzusagen. Mithilfe von Predictive Analytics können komplexe Situationen vorhergesagt werden, um mit diesen Erkenntnissen bessere Entscheidungen zu treffen“ (Vgl. Dörn 2018, S. 7). Im Finanzbereich betrifft dies vielfach Planungsprozesse, bei denen mit der Unterstützung von statistischen Modellen Planzahlen automatisch generiert werden. Dazu werden Eingangsdaten benötigt, die bestimmte Anforderungen erfüllen müssen. Zudem soll die automatisierte Planungsanwendung eine ausreichend hohe Genauigkeit bieten, die geforderten Analysedimensionen abbilden und real-time auf Knopfdruck eine belastbare Vorausschau in die Zukunft bieten. Daraus wird deutlich, dass für den Einsatz von Predictive Analytics eine Reihe von Voraussetzungen vorliegen müssen, um einen relevanten Nutzen zu entfalten. Die Verfügbarkeit relevanter Daten ist dabei einer der Hauptpunkte.

Sofern dieses Idealbild erfüllt wird, bietet Predictive Forecasting ganz neue Möglichkeiten für die Unternehmenssteuerung. Entscheidungen werden nicht mehr auf der Basis von vergangenheitsbezogenen IST-Daten getroffen, sondern auf der Basis von zukunftsbezogenen Analysen. Dadurch können Aktivitäten und Maßnahmen früher eingeleitet werden und ein entsprechender Vorsprung gegenüber dem Wettbewerb in der Reaktion auf erwartete Marktveränderungen und Einflüsse gewonnen werden.

Für einen ganzheitlichen Digitalisierungsansatz ist es also entscheidend, nicht nur die Ergebnisse eines Prozesses in der Datenwelt abzubilden, sondern bereits entlang der End-to-End-Prozesse den Übergang in die Datenwelt zu definieren. Im Finanzbereich betrifft dies entsprechende Mengen- und Werteströme, die entlang eines jeden Prozesses gebucht werden und dann für die Berichterstattung und digitale Anwendungen, wie Predictive Forecasting, zur Verfügung stehen.