Zusammenfassung
Die Situiertheit von Wissen und der subjektive Sinn von Beforschten wurde in den vergangenen Jahren sowohl in der sozialwissenschaftlich-interpretativen wie in der ethnographischen Forschung zunehmend bearbeitet. Auch im Feld der sich formierenden Diversitätsforschung spielt die Situiertheit von Forschenden wie Beforschten eine wichtige Rolle. Der Beitrag postuliert, dass eine Einordung des forschenden wie beforschten Subjektes nicht ohne Bezug zu ungleichheitsgenerierenden Differenzordnungen möglich ist. Als theoretischer Bezugspunkt werden hierzu Anregungen aus der Postkolonialen Theorie aufgegriffen und ausgelotet, inwiefern die Diskussion um diversity davon profitieren könnte. Die Konzeption des Subjektes als ein fragmentiertes, durch Mehrfachzugehörigkeiten definiertes, nimmt dabei eine besondere Stellung ein. Am Beispiel der Begebenheiten um das Ausscheiden der deutschen Fußballnationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft im Jahre 2018 wird der Zusammenhang von Differenzordnungen, Ein- und Ausschlüssen, und damit der theoretischen Reichweite von Diversitätskonzeptionen kritisch beleuchtet.
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Notes
- 1.
Wir möchten den beiden Herausgeber*innen des Bandes für die solidarische und fundierte Kommentierung des Beitrages ganz herzlich danken. Ebenfalls bedanken möchten wir uns bei Luisa Heidorn und Isa Hölldobler für das gewissenhafte Korrekturlesen des Beitrages und die Unterstützung beim Erstellen des Literaturverzeichnisses.
- 2.
Für eine detaillierte Analyse des schwierigen Verhältnisses von Diversität und sozialer Ungleichheit in Institutionen wie bspw. Universitäten sowie den damit verbundenen alltäglichen rassistischen und geschlechtsspezifischen Diskriminierungspraxen vergleiche die detaillierte Arbeit von Sara Ahmed (2012). Für den deutschen Kontext siehe Eike Marten (2017) und den 2018 erschienenen Sammelband von Sabine Hark und Johanna Hofbauer (2018).
- 3.
Damit meinen wir die verschiedenen Aspekte des Habituellen im akademischen und soziokulturellen Sinne (Ahmed 2012).
- 4.
Auch wir halten die Entwicklungen in der Türkei für kritikwürdig und nicht mit einem demokratischen Grundverständnis von Gesellschaft vereinbar. Jedoch geht es uns um die Debatte, die sich um die Person Özil in Zusammenhang mit einem Foto entspann und in ein gesamtgesellschaftliches Setting einzuordnen ist.
- 5.
Siehe zum Konzept der multiple belongings bspw. Glick-Schiller et al. (2001).
- 6.
Gänzlich im Dunkeln bleibt an dieser Stelle, um welche Sache es sich konkret handelt. Die deutsche Demokratie? Deutschland an und für sich?
- 7.
So wurde denn auch Lothar Matthäus nicht der Integrationswille und die soziale Zugehörigkeit abgesprochen, als ein Foto mit dem russischen Präsidenten Wladimir Wladimirowitsch Putin publik wurde, dessen Regierungsstil wir ebenso wenig als demokratisch bezeichnen wollen.
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Braun, K., Franke, Y. (2020). Diverse Differenzordnungen in der postkolonialen Matrix – eine Suchbewegung. In: Leontiy, H., Schulz, M. (eds) Ethnographie und Diversität. Erlebniswelten. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-21982-6_4
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