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§ 6 Begehungsgleiches und nichtbegehungsgleiches Unterlassungsdelikt

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Strafrecht Allgemeiner Teil

Part of the book series: Springer-Lehrbuch ((SLB))

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Zusammenfassung

Zum Einstieg ein kleiner Fall: Der Entführer E enthält seinem herzkranken Opfer O dessen lebenswichtiges Medikament vor. O stirbt an seiner Herzerkrankung. Durch die Gabe des Medikaments hätte das verhindert werden können. Auf den ersten Blick scheinen die meisten Tatbestände des Besonderen Teils nur durch ein Verhalten in der Form des aktiven Tuns erfüllbar. Man denke etwa an die Körperverletzung (§ 223), die eine körperliche Misshandlung oder eine Gesundheitsschädigung verlangt, oder an den Totschlag (§ 212 I), der ein „Töten“ voraussetzt. Ausschließlich Verhalten in der Form des Unterlassens scheinen dagegen im Besonderen Teil nur ganz wenige Tatbestände zu erfassen. Insofern stößt man im Wesentlichen auf die unterlassene Hilfeleistung (§ 323c I) und die Nichtanzeige geplanter Straftaten (§ 138). Hierher könnte man – mit gewissen Vorbehalten – etwa auch die Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht (§ 171) zählen.

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Notes

  1. 1.

    Ferner erfasst z. B. § 235 schon prima vista ausdrücklich etwa auch den Fall, dass jemand den Eltern ihr Kind „vorenthält“. Entsprechendes gilt für das Imstichlassen in hilfloser Lage nach § 221 I Nr. 2.

  2. 2.

    S. zu solchen Fällen etwa auch Otto, AT7, § 9 Rn. 16; Wessels/Beulke/Satzger, AT48, Rn. 1154.

  3. 3.

    Schmidhäuser, FS Müller-Dietz, 2001, S. 761, 763 stellt (unter Hinweis auf Feuerbach) zutreffend fest, dass die Formulierungen der Strafgesetze (z. B. „tötet“) ohne Weiteres auch so gelesen werden können, dass bestimmte Unterlassungen darunter fallen.

  4. 4.

    BGH NStZ 2018, 209 f.

  5. 5.

    BGHSt 36, 227; vgl. auch Freund, in: MünchKommStGB3, § 13 Rn. 14 f., 25 ff., 65 ff.; i. S. einer bloßen Klarstellungsfunktion des § 13 I StGB etwa auch Perdomo-Torres, FS Jakobs, 2007, S. 497, 498.

  6. 6.

    S. dazu etwa Gropp, AT4, § 11 Rn. 12: „Der Obersatz einer unechten Unterlassungsstraftat setzt sich somit aus der gesetzlichen Unwertbeschreibung einer Straftat, die eine Veränderung in der Außenwelt beschreibt (Erfolgsstraftat)[,] und den spezifischen Voraussetzungen in § 13 zusammen.“ – Deutlicher kann man kaum ausdrücken, dass hier mit grundverschiedenen Tatbeständen „gearbeitet“ wird! – S. ferner stellvertretend für viele Frister, AT8, 7. Kap. Rn. 15; Kaspar, AT2, § 10 Rn. 2 ff., 5 (Strafbarkeit des Unterlassenden werde „erst über die Brücke des § 13“ begründet); Kindhäuser, AT8, § 35 Rn. 2; Kuhlen, FS Puppe, 2011, S. 669, 671 („[…] unterscheiden sich nach geltendem Recht der Tatbestand des unechten Unterlassungsdelikts und der des Begehungsdelikts […]“); Murmann, GK4, § 29 Rn. 7; Stein, in: SK StGB9, Vor § 13 Rn. 19.

  7. 7.

    Zur Missverständlichkeit der Formulierung des § 13 I s. noch unten (§ 6) Rn. 11 f.; ebenfalls missverständlich sind die geläufigen Begriffe des „echten“ und des „unechten“ Unterlassens; vgl. dazu unten (§ 6) Rn. 14.

  8. 8.

    Näher zur Problematik der Ratio der Milderungsvorschrift (unterlassungsspezifisch geringeres Verhaltensunrecht trotz qualitativer Begehungsgleichwertigkeit) Frisch, Die Entscheidung über den Strafrahmen, § 2 V (unveröffentlichtes Manuskript); s. a. Jescheck/Weigend, AT5, § 58 V (S. 610 f.); Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 19 f. Fn. 6, jew. m. w. N. – Die Milderungsvorschrift ist fragwürdig und sollte bei der notwendigen Gesetzesreform entfallen; näher dazu unten (§ 6) Rn. 149 f.

  9. 9.

    S. dazu etwa Heger, in: Lackner/Kühl29, § 13 Rn. 6; Wessels/Beulke/Satzger, AT48, Rn. 1174; anders aber Langer, Sonderstraftat, S. 454 ff., insbes. S. 459, der die Garantenverhältnisse in der Entsprechensklausel vertatbestandlicht sieht. – Zum Verständnis der Garantenstellung als Tatbestandsmerkmal begehungsgleichen Unterlassens s. a. bereits die grundlegende Entscheidung BGHSt (GS) 16, 155, 158.

  10. 10.

    Dabei ist in erster Linie an Tatbestände wie etwa den Betrug zu denken, bei dem die Möglichkeit einer „Täuschung“ durch begehungsgleiches Unterlassen umstritten ist (vgl. dazu nur Perron, in: Schönke/Schröder30, § 263 Rn. 18 ff. m. Nachw. zum Streitstand); spätestens als Problem der Entsprechensklausel ist aber z. B. auch die Frage zu thematisieren, ob die Tötung durch begehungsgleiches Unterlassen „in Verdeckungsabsicht“ dem Verdeckungsmord (durch aktives Tun) entspricht (vgl. dazu Freund/Schaumann, JuS 1995, 801, 805 f.; Haas, FS Weber, 2004, S. 235 ff.). – Zum Stellenwert der Entsprechensklausel näher Freund, in: MünchKommStGB3, § 13 Rn. 202 ff.

  11. 11.

    I. d. S. etwa Bringewat, Grundbegriffe3, Rn. 307; Jescheck/Weigend, AT5, § 58 III 2 (S. 605 f.); Heger, in: Lackner/Kühl29, § 13 Rn. 4; Otto, AT7, § 9 Rn. 13 (der allerdings nur von einer aufbautechnischen Gleichheit spricht); Wessels/Beulke/Satzger, AT48, Rn. 1153 f.

  12. 12.

    Vgl. dazu z. B. Kienapfel, FS Bockelmann, 1979, S. 591 ff., 596 f.: „erfolgsqualifiziertes echtes Unterlassungsdelikt“. Zur Frage der Folgenverantwortung s. Heil, Die Folgen der Unterlassenen Hilfeleistung gemäß § 323c StGB, S. 137 ff.; Spendel, in: LK11, § 323c Rn. 185; vgl. ferner die entsprechenden Strafzumessungsüberlegungen in BGH GA 1971, 336, 337.

  13. 13.

    Vgl. statt vieler Jescheck/Weigend, AT5, § 58 III 2 (S. 606), die dennoch an der überkommenen Terminologie festhalten möchten; dahingehend auch Heinrich, AT5, Rn. 857 ff. – Zutreffend krit. zur falschen Terminologie Schmidhäuser, FS Müller-Dietz, 2001, S. 761, 762 ff.

  14. 14.

    Zu solchen Topoi s. den Überblick bei Heger, in: Lackner/Kühl29, § 13 Rn. 12; näher dazu Maiwald, JuS 1981, 473 ff.; Seelmann, in: AK StGB, § 13 Rn. 38 ff.; zur Kritik insbesondere der „faktischen Erwartungs-Erwartung“ (Brammsens), der „Herrschaft über den Grund des Erfolgs“ (Schünemanns) und der „Entscheidungshoheit des Individuums“ (Sangenstedts) s. Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 137 ff., 139 ff., 149 ff.

  15. 15.

    Berster, Das unechte Unterlassungsdelikt – Der gordische Knoten des Allgemeinen Teils, 2014.

  16. 16.

    Berster, Unterlassungsdelikt, S. 58 ff., 65 ff., 69 f. – Zur „Pflichtdeliktslehre“ und zur Problematik der Unterlassungsdelikte als „Pflichtdelikte“ vgl. etwa Sánchez-Vera, Pflichtdelikt und Beteiligung, S. 22 ff., 38 ff.; krit. zur Pflichtdeliktslehre Freund, in: MünchKommStGB3, Vor § 13 Rn. 473 f. sowie § 13 Rn. 81 f. m. w. N.

  17. 17.

    Auch Schünemann, GA 2016, 301, 302 ff. möchte die Entsprechung des Unterlassens immer noch auf die bei der Tatbestandsverwirklichung durch Tun von ihm als entscheidend angesehene Tatherrschaft beziehen. – Dass die bloß faktische Herrschaftsbeziehung für sich genommen noch keinen Grund für eine nur normativ zu begründende (besondere) Verantwortlichkeit darstellt, betont mit Recht etwa Pawlik, Das Unrecht des Bürgers, S. 159.

  18. 18.

    Neben der Sache deshalb die Kritik von Schünemann, in: Internationale Dogmatik, 1995, S. 49, 51 ff., der meiner Konzeption begehungsgleichen Unterlassens den Vorwurf macht, sie laufe auf eine Tautologie hinaus, dabei aber verkennt, dass diese Konzeption nicht beansprucht, ein Patentrezept zur Lösung aller anstehenden Wertungsprobleme zu liefern, sondern diese Probleme lediglich auf den Punkt bringt und so eine weiterführende Diskussion ermöglicht. Wer demgegenüber – wie Schünemann (aaO S. 53) – bei den Begehungsdelikten davon ausgeht, der Sachverhalt, der das rechtliche Unwerturteil auslöse, sei, vorbehaltlich normativer Restprobleme (wie etwa des erlaubten Risikos), bereits deskriptiv fixiert, schneidet jede weitere Diskussion jedenfalls im Grundsatz ab. Zugestanden wird eine solche nur noch in einem „Restbereich“. – Oder sollte der „Restbereich“ auch bei den Begehungsdelikten vielleicht doch größer sein, als Schünemann glauben machen möchte? (Näher zu solchen „normativen Restproblemen“ in diesem Lehrbuch, insbes. in §§ 2, 5–10).

  19. 19.

    Nach BGHSt 7, 287; vgl. dazu Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 180 ff.

  20. 20.

    Letztlich ist die pflichtwidrige Herbeiführung der Gefahr für die entsprechende Ingerenz-Verantwortlichkeit nicht unbedingt erforderlich. Liegt sie vor, kommt es aber auf den bestehenden Streit nicht an; näher dazu unten (§ 6) Rn. 92 ff.

  21. 21.

    Zur umstrittenen Frage des Verdeckungsmordes durch begehungsgleiches Unterlassen in solchen und vergleichbaren Fällen vgl. etwa Freund, NStZ 2004, 123, 125 f.; dens., JuS 1990, 213, 217; Freund/Schaumann, JuS 1995, 801, 805 f.; Haas, FS Weber, 2004, S. 235 ff.; Schneider, in: MünchKommStGB3, § 211 Rn. 248 ff. m. w. N.

  22. 22.

    In diesem Zusammenhang ist der Begriff des „echten Unterlassens“ (als vermeintlichem Gegensatz zum „unechten Unterlassen“) zu vermeiden. Diese schiefe Begrifflichkeit ist irreführend und daher gefährlich. – I. S. der hier gewählten – vorzugswürdigen – Terminologie etwa auch schon Jakobs, GS Armin Kaufmann, 1989, S. 271, 276 (Pflicht beim Begehungsdelikt versus „nicht-begehungsgleiche Pflicht“ bei der unterlassenen Hilfeleistung).

  23. 23.

    Der Erfolgsaspekt wird aber etwa betont von Jescheck/Weigend, AT5, § 58 III 2 (S. 605 f.); Wessels/Beulke/Satzger, AT48, Rn. 1154.

  24. 24.

    Zur entsprechenden Gesetzeslage in Österreich vgl. Freund, in: MünchKommStGB3, § 13 Rn. 43.

  25. 25.

    Zu den Grenzen der Regelungsmacht des Gesetzgebers vgl. auch oben § 4 Rn. 83 ff.

  26. 26.

    S. dazu etwa die Nachw. oben in Fn. 11 zu (§ 6) Rn. 11 und bei Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 186 Fn. 91, 298 f. Fn. 48; ergänzend Kühl, FS Herzberg, 2008, S. 177, 183 f.; missverständlich etwa auch Kühl, in: Lackner/Kühl29, § 323c Rn. 1: Die Vorschrift schütze zwar die bedrohten Individualrechtsgüter – ihr „Strafgrund“ sei aber das „Allgemeininteresse an solidarischer Schadensabwehr in akuten Notlagen“ (vgl. auch Kühl, FS Spendel, 1992, S. 75, 92 m. w. N.).

  27. 27.

    Mit Recht weist Spendel, in: LK11, § 323c Rn. 185 auf die Strafzumessungsrelevanz der zu verantwortenden Folgen auch bei § 323c I hin und rügt in dieser Hinsicht missverständliche, wenn nicht sogar unzutreffende Aussagen in der Literatur.

  28. 28.

    I. d. S. aber etwa Jescheck/Weigend, AT5, § 58 III 2 (S. 605 f.); Kühl, FS Herzberg, 2008, S. 177, 183; vgl. auch Bringewat, Grundbegriffe3, Rn. 307; Ebert, AT3, S. 175.

  29. 29.

    Zur Möglichkeit einer falschen Verdächtigung (§ 164) durch Verschweigen von Tatsachen bei einer sonst wahrheitsgemäßen Anzeige vgl. OLG Brandenburg NJW 1997, 141 f.

  30. 30.

    I. d. S. auch BGHSt 48, 77, 91 f.; Bringewat, Grundbegriffe3, Rn. 405; Wessels/Beulke/Satzger, AT48, Rn. 1175 f. m. w. N.

  31. 31.

    S. dazu etwa auch Jakobs, AT2, 29/27.

  32. 32.

    Zu der deshalb neben der Sache liegenden Kritik Schünemanns an meiner Gleichstellungslehre s. bereits oben in Fn. 18 zu (§ 6) Rn. 17. – Näher zum Stellenwert von Duldungspflichtverletzungen beim Bestehen von Notstandsrechten für die Tatbestandsverwirklichung durch aktives Tun Silva Sánchez, GA 2006, 382 ff.

  33. 33.

    Zur besonderen Verantwortlichkeit des Störers im Verhältnis zum Nichtstörer im Polizeirecht s. etwa Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts6, D Rn. 71 ff., 140 ff.; Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht10, § 9 Rn. 2.

  34. 34.

    Weiteres zu den Gefahrenquellenverantwortlichkeiten unten (§ 6) Rn. 66 ff.

  35. 35.

    Zu den Beschützerverantwortlichkeiten näher unten (§ 6) Rn. 111 ff.

  36. 36.

    Weiteres Beispiel: Nichtretten eines in einem Kellerverlies im Nachbarhaus von einem Dritten ohne Nahrung Eingesperrten, der dort verhungert.

  37. 37.

    Vor diesem Hintergrund nicht sachgerecht etwa Heinrich, AT5, Rn. 860 ff., der zwar durchaus das Erfordernis der besonderen Vermögensbetreuungspflicht bei § 266 erkennt, die Untreue in der Verwirklichungsform des begehungsgleichen Unterlassens aber dennoch als „echtes Unterlassungsdelikt“ deshalb einstuft, weil es für die entsprechende Strafbarkeit des Rückgriffs auf § 13 StGB offensichtlich nicht bedarf. Indessen hat § 13 zumindest in der Regel ohnehin nur eine Klarstellungsfunktion: Auch die Mutter, die ihr Kind verhungern lässt, anstatt es zu erwürgen, erfüllt unmittelbar den Tatbestand des § 212 I; vgl. dazu Freund, FS Herzberg, 2008, S. 225, 228 ff., 241.

  38. 38.

    I. d. S. mit Recht z. B. Kühl, in: Lackner/Kühl29, § 138 Rn. 1 m. w. N.

  39. 39.

    Vgl. dazu etwa Freund, in: MünchKommStGB3, § 323c Rn. 2 ff.; Kühl, in: Lackner/Kühl29, § 323c Rn. 1 m. w. N. auch abweichender Auffassungen. – S. allerdings auch die problematische Aussage zum „Strafgrund“ bei Kühl, in: Lackner/Kühl29, aaO. – Näher zum neben dem tatbestandsspezifischen Verhaltensnormverstoß des § 323c I für die Sanktionsnorm erforderlichen Erfolgssachverhalt Freund, in: MünchKommStGB3, § 323c Rn. 44 ff., 52 ff.; Schmitz, Die Funktion des Begriffs Unglücksfall, S. 136 ff.; vgl. dazu auch Stein, FS Küper, 2007, S. 607, 620 ff.

  40. 40.

    So mit Recht z. B. BGHSt 39, 164, 166. – Vgl. zu solchen Konkurrenzproblemen noch unten § 11.

  41. 41.

    Näher zu diesem Fragenkreis Freund, in: MünchKommStGB3, § 323c Rn. 57 ff. – Zum Stellenwert des Selbstbestimmungsrechts bei der Durchführung einer ärztlichen Behandlung zutreffend etwa auch GenStA Nürnberg NStZ 2008, 343 f.

  42. 42.

    S. dazu bereits oben § 5 Rn. 77 (im Kontext der Fahrlässigkeitstat).

  43. 43.

    I. d. S. mit Recht z. B. Wessels/Beulke/Satzger, AT48, Rn. 1231; s. a. Frellesen, Die Zumutbarkeit der Hilfeleistung, S. 219. – Die „Zumutbarkeit“ ist bei § 323c I schon nach dem Gesetzestext Voraussetzung für das tatbestandsspezifische „Unrecht“ und nicht erst für die (individuelle, persönliche) „Schuld“ von Bedeutung.

  44. 44.

    Vgl. auch RGSt 76, 115 (Verletzung einer Pflicht, andere zu beaufsichtigen, sodass dem Vermögen des Treugebers Schaden entsteht).

  45. 45.

    I. d. S. etwa BGHSt (GS) 16, 155, 158; Wessels/Beulke/Satzger, AT48, Rn. 1174; ebenso Heger, in: Lackner/Kühl29, § 13 Rn. 6 m. w. N. zu dieser weithin vorherrschenden Auffassung.

  46. 46.

    S. dazu die Nachw. oben (§ 6) Fn. 6.

  47. 47.

    Vgl. zu diesem Beispiel sachlich zutreffend – wenngleich in anderem Zusammenhang – Jakobs, AT2, 7/56, 18/14.

  48. 48.

    Vgl. etwa Herzberg, JZ 1988, 573, 579.

  49. 49.

    Zum „Unterlassungsmoment“ der (Begehungs-)Fahrlässigkeit s. etwa Armin Kaufmann, Unterlassungsdelikte, S. 167 f.; Androulakis, Studien, S. 134 ff.

  50. 50.

    Vgl. dazu Schmidhäuser, FS Schaffstein, 1975, S. 129, 134.

  51. 51.

    Vgl. dazu die Nachw. oben (§ 6) Fn. 6.

  52. 52.

    S. dazu auch Jakobs, Die strafrechtliche Zurechnung von Tun und Unterlassen, S. 36 f.; ferner Donner, Zumutbarkeitsgrenzen, S. 117 f., 129 ff. et passim; Freund, in: Strafrecht und Gesellschaft, 2019, S. 379 ff.; Gauger, Konkludente Täuschung, S. 199 ff.; Georgy, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Amtsträgern, S. 24 ff., jew. m. w. N. zu dieser Auffassung.

  53. 53.

    Z. B. bei Wessels/Beulke/Satzger, AT48, Rn. 1154; auch die Überschrift zu § 13 spricht missverständlich von „Begehen“ durch Unterlassen, obwohl nur die Tatbestandserfüllung gemeint sein kann.

  54. 54.

    Zum grundlegenden Bestrafungserfordernis des Verhaltensnormverstoßes siehe bereits oben § 1 Rn. 28 ff., 38 ff., 49.

  55. 55.

    S. dazu bereits oben § 2 Rn. 17 ff.

  56. 56.

    In der Sache wie hier Derksen, Handeln auf eigene Gefahr, S. 246; s. a. Freund, in: MünchKommStGB3, § 13 Rn. 68 ff.; Otto, AT7, § 9 Rn. 58 ff.; Weigend, in: LK12, § 13 Rn. 28; BGH NStZ 1983, 117, 118 (keine Rechtspflicht zu aufgezwungener Lebensverlängerung bei freiverantwortlicher Ablehnung entsprechender Maßnahmen); ferner Jakobs, FS Schewe, 1991, S. 72 ff.; vgl. freilich auch BGHSt 32, 367 ff. (zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein behandelnder Arzt der seinen Patienten nach einem Selbstmordversuch bewusstlos antrifft, sich wegen eines Tötungsdelikts oder wegen unterlassener Hilfeleistung strafbar machen kann, wenn er nichts zur Rettung seines Patienten unternimmt [Wittig-Fall]). – Zur Problematik des Behandlungsabbruchs s. BGHSt 40, 257 ff.; zur Bedeutung einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung Deichmann, MDR 1995, 983 ff. – Zum „AE-Sterbebegleitung“ vgl. Schöch/Verrel, GA 2005, 553 ff.; näher zum Ganzen auch Freund, in: Humane Orientierungswissenschaft, 2008, S. 149, 152 ff.

  57. 57.

    Näher zu solchen (Problem-)Konstellationen Hillenkamp, FS Küper, 2007, S. 123 ff.

  58. 58.

    Mit Blick auf das zu wahrende Selbstbestimmungsrecht in einem vergleichbaren Fall einer Zeugin Jehovas nicht überzeugend die Ablehnung von Schadensersatzansprüchen durch OLG München NJW-RR 2002, 811 ff. Bei entsprechend klarer Ablehnung einer Bluttransfusion ist es unangemessen, von dem Betreffenden zusätzlich zu verlangen, er solle sich andere Ärzte für die Behandlung suchen. Vielmehr ist es Sache der Ärzte, bei Gewissensproblemen die Behandlung einer solchen Patientin gar nicht erst zu übernehmen.

  59. 59.

    Zutreffend dazu etwa Weigend, in: LK12, § 13 Rn. 28 m. w. N. (auch zur überholten Gegenauffassung). – Zur Frage, wann von einer freiverantwortlichen Selbsttötung auszugehen ist („Exkulpationsregeln“ oder „Einwilligungsregeln“?), näher bereits oben § 5 Rn. 77; vgl. auch noch unten § 10 Rn. 95 ff.

  60. 60.

    Zur üblicherweise ohne Weiteres angenommenen „Garantenstellung“ von Ehegatten s. etwa BGHSt 2, 150, 153 f.; Wessels/Beulke/Satzger, AT48, Rn. 1180.

  61. 61.

    Etwa deshalb, weil er noch gerne sein Testament ändern möchte (ohne dass es freilich auf einen solchen Grund für die Berechtigung des Verlangens ankommt).

  62. 62.

    Etwa deshalb, weil er von dem Testament, das geändert werden soll, profitiert.

  63. 63.

    Vgl. dazu die Entscheidung BGHSt 42, 301, 303 (die sich freilich primär mit der sog. „indirekten Sterbehilfe“ befasst; vgl. dazu bereits oben § 3 Rn. 54).

  64. 64.

    Näher dazu Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 68 ff., 71 ff., 116 ff., 159 ff., 265 ff.; ders., in: MünchKommStGB3, § 13 Rn. 98 f.

  65. 65.

    Insofern ist insbesondere der Grundsatz des ultra posse nemo obligatur zu beachten; weitergehend muss die zu legitimierende Verhaltensnorm aber auch angemessen sein; grundlegend dazu oben § 1 Rn. 55 ff.

  66. 66.

    Zu den Anforderungen an die Legitimation von Verhaltensnormen s. nochmals oben § 2 Rn. 11 ff., 28 ff. – Weiterführend zur grundsätzlichen Problematik der Bildung und Befolgung kontext- und adressatenspezifischer Verhaltensnormen aus normentheoretischer Sicht Freund/Rostalski, GA 2018, 264 ff., 270 ff.

  67. 67.

    Näher dazu Freund, in: MünchKommStGB3, § 13 Rn. 100 ff., 107 ff.

  68. 68.

    Zum richtigen Ergebnis gelangt man auf ihrer Basis nur durch gewisse Inkonsequenzen; zu den Friktionen der traditionellen Unterlassungsdogmatik näher Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 154 ff., 162 f. Fn. 13, 164 f. Fn. 19, 196 ff., 281 ff., 308 f. et passim. – Ohne jedes Problembewusstsein in der hier interessierenden Hinsicht etwa AG Neuwied NStZ 1997, 239 f. m. Anm. Quednau (Annahme einer Körperverletzung seitens des Hundehalters, wenn der Hund ein Pferd zum Scheuen bringt, sodass dessen Reiter Schaden nimmt, unter schlichtem Hinweis auf Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit ohne Thematisierung des konkreten rechtlichen Vermeiden-Müssens; zu dieser Frage bereits oben § 5 Rn. 45 ff.); die Frage spezifischen Fehlverhaltens des Hundehalters stellt demgegenüber in der Sache zutreffend etwa OLG Hamm NJW 1996, 1295.

  69. 69.

    Also ein x-beliebiger „Jedermann“.

  70. 70.

    Nur im Ergebnis richtig die Entscheidung des OLG Düsseldorf JR 1994, 372 f. (zum Fall eines scharf abgerichteten Wachhundes, der einen harmlosen Passanten verletzt, weil Unbefugte eine Entweichungsmöglichkeit geschaffen haben); s. dazu die mit Recht krit. Anm. von Brammsen, JR 1994, 373 ff. – Näher zur Gefahrenquellenverantwortlichkeit in Bezug auf unmittelbar gefährliche Gegenstände des eigenen Organisationskreises Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 162 ff. (zum Hundehalter vgl. S. 79, 159, 165 m. Fn. 22, 166, 168, 169 m. Fn. 37, 175, 180, 183 f., 213 f.). – Einen knappen, aber instruktiven Überblick über einige sicherungspflichtige Gegenstände (Waffen, Sprengstoffe, Kraftfahrzeuge) gibt OLG Stuttgart JR 1997, 517, 518 m. Anm. Gössel; näher zu solchen sicherungspflichtigen – weil sondergefährlichen – Gegenständen Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 228 ff.

  71. 71.

    Als Beispielsfall kann das deliktsermöglichende Verlassen eines Raumes dienen; s. dazu Freund, in: MünchKommStGB3, Vor § 13 Rn. 168 f., § 13 Rn. 85. – Näher zu solchen Fällen, die nicht selten in Verkehrung des empirischen Befundes um des erwünschten Ergebnisses willen als „normatives Unterlassen“ eingestuft werden, Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 132 ff., 250 ff.; Samson, FS Welzel, 1974, S. 579 ff.; Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 68 ff., jew. m. w. N.

  72. 72.

    Näher zum rechtlichen Körperbegriff unter Schutzbedürftigkeits- und Schutzwürdigkeitsaspekten Freund/Heubel, MedR 1995, 194 ff. Danach können durchaus auch abgetrennte (z. B. als Reimplantat vorgesehene) Körperteile im Rechtssinne noch zum menschlichen Körper zählen. – Hier geht es allerdings nicht um den Schutz des Körpers, sondern um den Schutz vor dem Körper als Gefahrenquelle.

  73. 73.

    Sachlich übereinstimmend etwa Weigend, in: LK12, § 13 Rn. 50.

  74. 74.

    Beispiel nach Jakobs, AT2, 29/31; zu einem ähnlichen Fall s. Joerden, Verantwortlichkeitsbegriff, S. 56; vgl. auch das Beispiel des Nasenblutens desjenigen, der auf einer fremden Couch sitzt, bei Herzberg, Unterlassung, S. 173. – Näher zum interessanten Fall eines trunksüchtigen Handelsvertreters als einer im Straßenverkehr übergefährlichen Person BayObLG JR 1979, 289 ff. m. Anm. Horn; Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 178.

  75. 75.

    Zur besonderen Verantwortlichkeit des Störers im Verhältnis zum Nichtstörer im Polizeirecht s. bereits oben (§ 6) Rn. 31.

  76. 76.

    § 323c II stellt eine gesetzgeberische Fehlleistung dar; näher dazu Freund, in: MünchKommStGB3, § 323c Rn. 132 ff.; Koch, GA 2018, 323 ff. – Zur Überflüssigkeit des § 323c II und zu sich ergebenden „innertatbestandlichen“ Konkurrenzproblemen vgl. auch Fahl, ZStW 130 (2018), 745, 749 f. Fn. 28 a. E.

  77. 77.

    Dagobertshausen ist eine kleine Ortschaft in der Nähe von Marburg/Lahn.

  78. 78.

    Man beachte aber auch die vereinzelt gebliebene Gegenposition, die bei „vorangegangenem gefährdenden Tun“ die Garantenverantwortlichkeit abgelehnt wissen will; z. B. Langer, Sonderstraftat, S. 452, 460 f.

  79. 79.

    Fehlerhaft insoweit BGH JR 1999, 294 f. m. zutr. abl. Bespr. von Stein, JR 1999, 265 ff. (der mit Recht vorschlägt, die Entscheidung des BGH als „Versehen“ einzustufen). – Eine Garantenverantwortlichkeit bei vorsätzlich-pflichtwidrigem Vorverhalten bejahend etwa RGSt 57, 193, 197; BGH JR 1954, 271; s. a. Fischer66, § 13 Rn. 55 ff.; Freund, NStZ 2004, 123, 124 f.; dens., in: MünchKommStGB3, § 13 Rn. 130 ff.; Herzberg, Unterlassung, S. 282 ff.; Wessels/Beulke/Satzger, AT48, Rn. 1196. – Zur Gegenauffassung s. etwa Hillenkamp, FS Otto, 2007, S. 287 ff.; Armin Kaufmann, Unterlassungsdelikte, S. 228 f. Fn. 301; Tag, JR 1995, 133, 136.

  80. 80.

    Treffend gegen die in diesem Zusammenhang bisweilen vorgebrachten abwegigen Argumente Stein, JR 1999, 265, 270 ff.; s. a. Fischer66, § 13 Rn. 55 ff.; Rengier, AT10, § 50 Rn. 76.

  81. 81.

    Vgl. dazu etwa Hillenkamp, FS Otto, 2007, S. 287, 292 ff., 301 f., 306.

  82. 82.

    Wenn qualifizierende Umstände erst in der Unterlassungsphase verwirklicht werden (z. B. das Mordmerkmal der Grausamkeit oder die Voraussetzungen der leichtfertigen Tötung beim erfolgsqualifizierten Delikt), würde auch das seinerseits problematische Institut der Wahlfeststellung (vgl. dazu oben § 1 Rn. 73 f. sowie die Nachweise unten § 11 Rn. 66) nicht mehr aus dem Dilemma helfen, in das die Verschiebung eines Konkurrenzproblems auf Tatbestandsebene führt.

  83. 83.

    Hillenkamp, FS Otto, 2007, S. 287, 300 ff.

  84. 84.

    Zum Plus-Minus-Verhältnis von Vorsatz und Fahrlässigkeit vgl. unten § 7 Rn. 35 ff.

  85. 85.

    Zu den Legitimationsgründen für Verhaltensnormen (Rechtsgüterschutz und Sonderverantwortlichkeit) vgl. nochmals oben § 2 Rn. 11 ff.

  86. 86.

    Erst sekundär geht es um die Begründung eines spezifischen Verhaltensnormverstoßes, der für die Frage der angemessenen strafrechtlichen Ahndung von Bedeutung ist.

  87. 87.

    Vgl. dazu oben § 2 Rn. 24 ff.; § 4 Rn. 1 ff., 13 ff.; ferner im Kontext der Fahrlässigkeitstat § 5 Rn. 23 ff.; weiterführend zu den Problemen der Normkonkretisierung und Normbefolgung Freund/Rostalski, GA 2018, 264 ff., 270 ff.

  88. 88.

    Verfehlt sind deshalb die von manchen angestellten „Zumutbarkeitsüberlegungen“; vgl. dazu z. B. Hillenkamp, FS Otto, 2007, S. 287, 295 f.

  89. 89.

    Fehlerhaft insofern etwa Hillenkamp, FS Otto, 2007, S. 287, 294 f., der in diesem Zusammenhang überdies viel zu undifferenzierte Strafzumessungsüberlegungen anstellt.

  90. 90.

    Zur „Freiwilligkeit“ beim Rücktritt s. unten § 9 Rn. 57 ff.

  91. 91.

    Viel zu undifferenziert beschwört Hillenkamp, FS Otto, 2007, S. 287, 295, 306, in diesem Zusammenhang die Gefahr der Aufrollung der Beteiligungslehre (vom Unterlassen her) herauf. Indessen besteht diese Gefahr bei Zugrundelegung einer angemessenen Beteiligungsformenlehre, welche die Reichweite der Sonderverantwortlichkeit beachtet, nicht (zu den Grundzügen einer solchen Lehre s. bereits Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 118 f., 234 ff., 258 f., 311 f.). Im Übrigen wäre es auch unangemessen, Mängel der Beteiligungslehre durch ein Ignorieren der Tatbestandsverwirklichung lösen zu wollen. Sachlich können – bei richtigem Tatbestandsverständnis – allenfalls noch Fragen der Konkurrenz (z. B. unter dem Aspekt der Sperrwirkung einer privilegierenden Spezialregelung) auftreten.

  92. 92.

    In der Sache wie hier Stein, JR 1999, 265, 270 ff.; ders., in: SK StGB9, § 13 Rn. 58; Weigend, in: LK12, § 13 Rn. 10. – S. dazu noch unten § 11 Rn. 41 ff.

  93. 93.

    Daher ist auch die verbreitete Frage nach dem „Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit“ im Ansatz verfehlt, wenn es darum geht zu klären, ob ein bestimmter Straftatbestand erfüllt worden ist. – Zur verbreiteten Fragestellung nach dem „Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit“ s. statt vieler Krey/Esser, AT6, Rn. 1107 m. w. N.

  94. 94.

    Er ist also jedenfalls wegen Totschlags strafbar. Unterlässt er die Rettung aus Habgier, weil er als Erbe eingesetzt ist, erfüllt er sogar die Voraussetzungen des Mordes.

  95. 95.

    Beispiel: Nachdem A den Nichtschwimmer B mit Tötungsvorsatz ins Wasser gestoßen hat, reut ihn sein Tun und er entschließt sich, sein Opfer wieder aus dem Wasser zu ziehen. C überredet ihn jedoch, B ertrinken zu lassen. Ohne vorsätzliche rechtswidrige Haupttat in der Unterlassungsphase gäbe es auch keine strafbare Teilnahme. Das wäre evident sachwidrig: Auch das Sterbenlassen nach vorsätzlicher Lebensgefahrschaffung ist tatbestandsmäßige Tötung (durch begehungsgleiches Unterlassen) und damit eine teilnahmefähige Haupttat. Der nullum crimen-Satz steht dem nicht entgegen. – Zur Relevanz der strafbaren Teilnahme vgl. auch Wessels/Beulke/Satzger, AT48, Rn. 1196.

  96. 96.

    Vgl. dazu etwa Hillenkamp, FS Otto, 2007, S. 287, 304 f.

  97. 97.

    Zum fragmentarischen Charakter des Strafrechts vgl. oben § 1 Rn. 63, 70 ff.; zur davon zu unterscheidenden – auf dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beruhenden – ultima ratio-Funktion vgl. etwa Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 77 f., 143 f.; Hilgendorf/Valerius, AT2, § 1 Rn. 40; Kindhäuser, ZStW 129 (2017), 382 ff.; Yoon, Strafrecht als ultima ratio, S. 7 ff.

  98. 98.

    Wie hier etwa Heger, in: Lackner/Kühl29, § 13 Rn. 13; Otto, AT7, § 9 Rn. 81; Herzberg, JZ 1986, 986, 990; Rengier, JuS 1989, 802, 807 (anders freilich nunmehr ders., AT10, § 50 Rn. 84 ff.). S. dazu auch Freund, in: MünchKommStGB3, § 13 Rn. 121 ff. – Zur Gegenauffassung, die durchweg ein pflichtwidriges Vorverhalten verlangt, vgl. Fischer66, § 13 Rn. 52 m. w. N.

  99. 99.

    Sachlich übereinstimmend etwa Herzberg, Unterlassung, S. 298; ders., JZ 1986, 986, 990; Rengier, JuS 1989, 802, 807; im Grundsatz auch Jakobs, AT2, 29/42, der jedoch zu Unrecht eine Haftung wegen begehungsgleichen Unterlassens ablehnen möchte, wenn das betrunkene Opfer in die Fahrbahn getorkelt war (vgl. den Fall BGHSt 25, 218 ff.). Denn dass Autofahren eine qualifiziert riskante Tätigkeit ist, zeigt sich auch und gerade im Falle der Verletzung von „Nichtverantwortlichen“ – wie Betrunkenen, Kindern und alten Menschen. – Eine Verantwortlichkeit wegen begehungsgleichen Unterlassens in solchen Fällen aber ablehnend etwa BGHSt 25, 218, 221 f.; Otto, AT7, § 9 Rn. 84 (Fall 3); vgl. auch dens., FS Gössel, 2002, S. 99, 115 f. – In Bezug auf das Pflichtwidrigkeitserfordernis schwankend Wessels/Beulke/Satzger, AT48, Rn. 1197 i. V. m. Rn. 1198.

  100. 100.

    Zutreffend krit. dazu Kuhlen, NStZ 1990, 566, 568; deutlich herausgestrichen wird die sachliche Aufgabe des Pflichtwidrigkeitserfordernisses (trotz gegenteiliger verbaler Beteuerung) durch den BGH in der „Lederspray-Entscheidung“ mit Recht auch von Kühl, AT8, § 18 Rn. 103; vgl. auch Wessels/Beulke/Satzger, AT48, Rn. 1200: Vorverhalten muss – wenn es um den Rückruf gefährlicher Produkte geht – nicht pflichtwidrig gewesen sein.

  101. 101.

    Mit krit. Anm. Rudolphi, JR 1987, 162 ff.; s. a. Ranft, JZ 1987, 859, 864.

  102. 102.

    Für Fälle der – etwa wegen Provokation – eingeschränkten Notwehr (näher dazu oben § 3 Rn. 115 ff., 121 ff.) gilt das aber jedenfalls nicht ohne Weiteres.

  103. 103.

    Übereinstimmend insoweit etwa BGHSt 23, 327, 328; BGH NStZ 2018, 84, 85; Otto, FS Gössel, 2002, S. 99, 112; Wessels/Beulke/Satzger, AT48, Rn. 1197; vgl. auch Walther, FS Herzberg, 2008, S. 503 ff. (mit Bedenken, ob der Erfassungsbereich des § 323c I ausreicht). – Zur angemessenen Differenzierung bei anderen Rechtfertigungsgründen näher Kühl, AT8, § 18 Rn. 96 ff. m. w. N.

  104. 104.

    Näher zur Amtsträgerverantwortlichkeit und ihren Grenzen Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 256 ff., 259 f., 291 ff.; Puppe, AT-Rechtsprechung3, § 29 Rn. 19 ff., jew. m. w. N. – Zur speziellen Problematik der Strafvereitelung durch Unterlassen seitens des Leiters einer Justizvollzugsanstalt, der schwere, von Gefangenen während der Haft begangene Straftaten nicht zur Anzeige bringt, vgl. HansOLG Hamburg JR 1996, 521 ff. m. krit. Anm. Küpper; s. a. Klesczewski, NStZ 1996, 103 f.; Volckart, StV 1996, 608 ff. – Zur Verantwortlichkeit eines Bürgermeisters wegen Gewässerverunreinigung durch Unterlassen vgl. BGHSt 38, 325 ff. m. Bespr. Michalke, NJW 1994, 1693 ff.; Nestler, GA 1994, 514 ff.

  105. 105.

    Für den Sonderfall eine Verantwortlichkeit wegen begehungsgleichen Unterlassens jedoch bejahend z. B. BGHSt 30, 391 ff.; OLG Zweibrücken StV 1986, 483 f.; Rudolphi, NStZ 1984, 149, 153 f.; Bosch, in: Schönke/Schröder30, § 13 Rn. 54, jew. m. w. N. (Die bloße Duldung von Rauschgiftgeschäften in einer Wohnung soll aber nicht ausreichen; vgl. BGH StV 1993, 28 f.). – Dagegen stellt etwa Otto, AT7, § 9 Rn. 89 darauf ab, ob der Inhaber eines Herrschaftsbereichs das Vertrauen erweckt hat, bestimmte Gefahren abzuwehren.

  106. 106.

    Vgl. dazu den Fall OLG Zweibrücken StV 1986, 483 f.; die Brauchbarkeit der Unterscheidung zwischen bloßem Ort und förderndem Faktor mit Recht ablehnend z. B. auch Otto, JK 87, StGB § 13/11.

  107. 107.

    Anders verhält es sich dagegen bei der Schallisolierung der Wände in dem oben (§ 6) Rn. 100 genannten Beispiel: Diese wirkt sich nicht unmittelbar güterschädigend aus. – Näher zur Problematik der Verantwortlichkeit für bestimmte Räumlichkeiten bei vermittelndem Agieren Dritter Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 239 ff. m. w. N.

  108. 108.

    Übereinstimmend z. B. Fischer66 § 13 Rn. 24.

  109. 109.

    Zu solchen Beschützerverantwortlichkeiten s. sogleich unten (§ 6) Rn. 111 ff.

  110. 110.

    Jakobs, GS Armin Kaufmann, 1989, S. 271, 273.

  111. 111.

    Jakobs, GS Armin Kaufmann, 1989, S. 271, 286.

  112. 112.

    Eine Sonderverantwortlichkeit gibt es nur als Teilmoment einer auch unter Rechtsgüterschutzaspekten legitimierbaren Verhaltensnorm; s. dazu bereits oben (§ 6) Rn. 58 ff.

  113. 113.

    In diesem Fall bliebe es bei der Strafbarkeit des Aushilfskellners wegen unterlassener Hilfeleistung. Für eine theoretisch denkbare Strafbarkeit nach § 138 I fehlen ausreichende Anhaltspunkte.

  114. 114.

    Zur mittelbaren Relevanz allgemeiner Hilfspflichten, die im Rechtsgüterschutzinteresse legitimiert sind, für Legitimation besonderer Rechtspflichten, die entsprechende Güterschädigung erst recht nicht herbeizuführen, näher Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 313 ff.; ders., FS Lüderssen, 2002, S. 539, 549 ff. (unter zutreffendem Hinweis auch auf die in § 34 und § 904 BGB enthaltenen Wertungen); s. a. Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 233 ff.; Georgy, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Amtsträgern, S. 176 ff.

  115. 115.

    Zum Gedanken der Rundumverteidigung s. etwa Armin Kaufmann, Unterlassungsdelikte, S. 283.

  116. 116.

    Näher zur Kritik am geläufigen, aber nicht sachgerechten Umgang mit dem Begriff der Garantenstellung Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 39 ff., 154 ff., 162 f. (m. Fn. 13), 164 f. (m. Fn. 19), 170 f., 281 f., 294 f., 306, 308.

  117. 117.

    Zur Verantwortlichkeit des Arztes für Folgen behandlungsbedingter Fahrunsicherheit auch in der Form begehungsgleichen Unterlassens s. Riemenschneider/Paetzold, NJW 1997, 2420 ff.

  118. 118.

    Zu solchen Fällen der Übernahme einer Gefahrenabwendungsaufgabe s. a. Kühl, AT8, § 18 Rn. 68 ff.; Heger, in: Lackner/Kühl29, § 13 Rn. 9; Otto, AT7, § 9 Rn. 64 ff., jew. m. w. N.; ferner BGHSt 47, 224 ff. (Wuppertaler Schwebebahn) m. Anm. Freund, NStZ 2002, 424 f.; BGH NStZ 2008, 391 f. (Fuhrpark-Wartungstätigkeiten) (= NJW 2008, 1897 ff. m. Anm. Kühl).

  119. 119.

    S. dazu etwa Böhm, Garantenpflichten, S. 193 ff.; Kühl, AT8, § 18 Rn. 56 ff., jew. m. w. N.

  120. 120.

    Zum Erlöschen der qualifizierten Pflichten näher BGHSt 48, 301 ff. m. Bespr. Freund, NJW 2003, 3384 ff.; Fischer66, § 13 Rn. 21.

  121. 121.

    Vgl. §§ 1626, 1631 BGB; zu weiteren bedeutsamen Aspekten s. Kühl, AT8, § 18 Rn. 48 ff. m. w. N.; vgl. ferner Böhm, Garantenpflichten, S. 203 ff.

  122. 122.

    Zur Klarstellung: Jenseits des Bereichs legitimierbarer Gefahrenabwendung gibt es auch keine Garantenverantwortlichkeit. – Auf das wenig diskutierte Problem der Pflichtgrenzen macht mit Recht Kühl, AT8, § 18 Rn. 51 f. aufmerksam.

  123. 123.

    Die Frage ist sehr umstritten. Für eine Sonderverantwortlichkeit der Kinder etwa BGHSt 19, 167 ff.; Ebert, AT3, S. 178; Wessels/Beulke/Satzger, AT48, Rn. 1180. – S. dazu auch Böhm, Garantenpflichten, S. 218 f.; Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 290 f.; Kühl, AT8, § 18 Rn. 54 f., jew. m. w. N. pro et contra.

  124. 124.

    S. etwa Wessels/Beulke/Satzger, AT48, Rn. 1201.

  125. 125.

    Zur Klarstellung: In einer intakten Familie kann sich eine Sonderverantwortlichkeit der Kinder für die Eltern (wie für andere Personen auch) aus dem Gedanken einer gegenseitigen konkludenten Übernahme entsprechender Schutzfunktionen ergeben. Mit der Familien- oder gar Blutsbande hat das aber nichts zu tun!

  126. 126.

    Sachlich übereinstimmend etwa Albrecht, Begründung von Garantenstellungen, S. 218 f.; Jakobs, AT2, 29/62; Roxin, AT II, § 32 Rn. 41 (der eine Betreuungsübernahme für erforderlich hält); Weigend, in: LK12, § 13 Rn. 26 Fn. 74 (der eine Sorgeerklärung gem. § 1626a BGB als Grundlage verlangt); vgl. ferner Gaede, in: NK5, § 13 Rn. 60; a. A. etwa Bosch, in: Schönke/Schröder30, § 13 Rn. 18 a. E.

  127. 127.

    Jedenfalls im Ergebnis wie hier Jakobs, AT2, 29/62; Schünemann, Grund und Grenzen, S. 357 f.; Stein, in: SK StGB9, § 13 Rn. 67, jew. m. w. N. auch zur abweichenden Auffassung.

  128. 128.

    Von der speziellen Konstellation der Eizellspende – die zu einer „gespaltenen“ Mutterschaft führt – soll hier abgesehen werden.

  129. 129.

    Die Analogie ablehnend BGH v. 10.10.2018 XII ZB 231/18; Helms, StAZ 2018, 33, 34, jew. m. w. N. (auch zur Gegenposition).

  130. 130.

    Mit Recht schlägt Helms, StAZ 2018, 33, 34 vor, den Grundsatz des § 1592 Nr. 1 BGB auf die Ehepartnerin der Geburtsmutter zu erstrecken.

  131. 131.

    Zur Garantenverantwortlichkeit von Beamten der Schutzpolizei näher BGHSt 38, 388 ff.; Donner, Zumutbarkeitsgrenzen, S. 204 f.; Laubenthal, JuS 1993, 907 ff.; Mitsch, NStZ 1993, 384 f.; Pawlik, ZStW 111 (1999), 335 ff.; Rudolphi, JR 1995, 167 f. – Näher zum Problem der besonderen Amtsträgerverantwortlichkeit Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 259 f., 291 ff., 305 ff.; Kühl, AT8, § 18 Rn. 78 ff.; Puppe, AT-Rechtsprechung3, § 29 Rn. 19 ff., jew. m. w. N. – Zur Sonderverantwortlichkeit von Mitarbeitern des Jugendamts mit Blick auf ein vom Sorgeberechtigten vernachlässigtes Kind vgl. OLG Oldenburg StV 1997, 133 ff. m. Anm. Bringewat und Cramer, NStZ 1997, 238 f.

  132. 132.

    Eine Garantenverantwortlichkeit des Zeugen bejahend etwa OLG Hamm 09.11.2017 – 4 RVs 127/17, BeckRS 2017, 132877 (unter Rekurs auf eine postulierte besondere strafprozessuale Pflichtenstellung des Zeugen); Hecker, in: Schönke/Schröder30, § 258 Rn. 17; Jahn, JuS 2018, 296 ff., jew. m. w. N. pro et contra.

  133. 133.

    I. S. einer Anwendbarkeit des § 28 I etwa Roxin, AT II, § 27, Rn. 66 (unter zutreffendem Hinweis auf die sonst nicht zu erklärende milde Strafe des § 160); s. a. Hoyer, in: SK StGB9, § 28 Rn. 37 m. w. N. – Zur Gegenauffassung s. etwa Bosch/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder30, Vor § 153 ff. Rn. 42.

  134. 134.

    S. dazu Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 281 ff.

  135. 135.

    Vgl. dazu die entsprechende Problematik bei der sog. Pflichtenkollision oben § 3 Rn. 44, 75 sowie sogleich noch im Text (§ 6) Rn. 132 ff.

  136. 136.

    S. dazu Deutsch, Haftungsrecht I, S. 18 f.: „Wenn das kleine Kind in den Fluss gefallen ist, hat ihm der Vater nachzuspringen und es an Land zu bringen. Ist der Fluss zu reißend, besteht diese Pflicht nicht. Die Rechtgüter und absoluten Rechte genießen Bereichsschutz gegen positives Tun; sie haben aber gewissermaßen eine weiche Unterseite: nur einzelne Verhaltensnormen wenden sich gegen die Unterlassung.“ (Nicht mehr ganz so pointiert ders., Allgemeines Haftungsrecht2, Rn. 108). – Vgl. auch BGH NStZ 1994, 29 (m. Anm. Loos, JR 1994, 511 ff.): Zur Wahrnehmung einer minimalen Chance zur Rettung der vom Tod durch Ertrinken bedrohten Ehefrau kann rechtlich nicht die Eingehung einer konkreten eigenen Lebensgefährdung abverlangt werden (ohne dass sich die Frage der Rechtfertigung tatbestandsmäßigen Tötungsunrechts stellt). – Vgl. dazu auch Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 279 f.

  137. 137.

    S. etwa Wessels/Beulke/Satzger, AT48, Rn. 1170, 1211 ff.; Renzikowski, Notstand und Notwehr, S. 215 ff.

  138. 138.

    Sachlich übereinstimmend etwa Frisch, in: Von totalitärem zu rechtsstaatlichem Strafrecht, 1992, S. 201, 234; Küper, Pflichtenkollision, S. 23 ff.; s. a. dens., JuS 1987, 81, 89 f.

  139. 139.

    Näher zu dieser Problematik Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 281 ff.; Gropp, FS Hirsch, 1999, S. 207 ff.; Schlehofer, in: MünchKommStGB3, Vor § 32 Rn. 237 ff.

  140. 140.

    Zur Annahme einer Rechtfertigung bei bloßer „Gleichwertigkeit der kollidierenden Pflichten“ s. etwa Kühl, in: Lackner/Kühl29, § 34 Rn. 15; Stein, in: SK StGB9, Vor § 13 Rn. 45; Wessels/Beulke/Satzger, AT48, Rn. 1212 f. – Konsequent demgegenüber, jedoch in der Sache nicht überzeugend die Bejahung selbst der Rechtswidrigkeit etwa bei Androulakis, Studien, S. 127 f.; Jescheck/Weigend, AT5, § 33 V 1 c (S. 367).

  141. 141.

    Nicht überzeugend deshalb z. B. Wessels/Beulke/Satzger, AT48, Rn. 1214 f.; Fischer66, Vor § 32 Rn. 11b; Haft, AT9, S. 107.

  142. 142.

    Zur Rechtfertigung tatbestandsmäßigen Verhaltens näher oben § 3.

  143. 143.

    Vgl. dazu oben § 4.

  144. 144.

    Instruktiv dazu Donner, Zumutbarkeitsgrenzen, S. 29 ff., 103, 105 ff., 131 f., der mit Recht dem Zumutbarkeitsgedanken bei den Unterlassungsdelikten keine spezifische Relevanz zuerkennt.

  145. 145.

    Zu solchen s. oben § 2 Rn. 54 ff.

  146. 146.

    Zu solchen s. oben § 2 Rn. 92 ff.

  147. 147.

    Etwa von Spendel, FS Herzberg, 2008, S. 247, 253.

  148. 148.

    BGH MDR 1971, 361 bei Dallinger = JZ 1973, 173 (hier verwendeter vereinfachter Sachverhalt bei Wessels/Beulke/Satzger, AT48, Rn. 1173). – S. zu diesem Brandfall Schrott, Unterlassungszurechnung, S. 126.

  149. 149.

    I. d. S. etwa Herzberg, MDR 1971, 881 ff.; Spendel, JZ 1973, 137, 140; ders., FS Herzberg, 2008, S. 247, 252; Wessels/Beulke/Satzger, AT48, Rn. 1173.

  150. 150.

    Insoweit sachlich übereinstimmend Wessels/Beulke/Satzger, AT48, Rn. 1173. – Ob eine Missbilligung als Körperverletzungsverhalten in extremen Ausnahmefällen denkbar ist, kann hier nicht diskutiert werden.

  151. 151.

    Auch für den Bereich des Unterlassungsdelikts wird eine Risikoerhöhungslehre vertreten etwa von Brammsen, MDR 1989, 123 ff.; Stratenwerth, FS Gallas, 1973, S. 227, 237 f.; Otto, AT7, § 9 Rn. 99 ff. (mit der Fehlintuition, andernfalls entfalle die Versuchsstrafbarkeit bei bloß möglicher, aber nicht sicherer Gefahrenabwendung). – Weil dabei auf das naturalistische Merkmal der Quasikausalität des Unterlassungsverhaltens für die Folgen (?) als Erfordernis für eine Bestrafung wegen vollendeten Delikts verzichtet wird, lehnen einige Autoren, die im Begehungsbereich eine Risikoerhöhungslehre (wegen des vorhandenen Kausalzusammenhangs zwischen Handlung und Erfolg) für mit dem Gesetz vereinbar halten, dieselbe im Bereich des Unterlassens ab; im Sinne einer solchen Differenzierung z. B. Schünemann, GA 1985, 341, 354 ff.; ders., StV 1985, 229 ff.; ders., JA 1975, 647, 655; Heger, in: Lackner/Kühl29, Vor § 13 Rn. 14 f. sowie Kühl, in: Lackner/Kühl29, § 15 Rn. 44; vgl. auch Herzberg, Die Verantwortung für Arbeitsschutz, S. 217 ff.; Kahlo, Pflichtwidrigkeitszusammenhang, S. 118 f., 262 ff., 320 f. – In der Sache gilt dagegen Folgendes: Sowohl beim Begehungs- wie beim Unterlassungsdelikt ist zu begründen und im Prozess auch nachzuweisen, dass tatbestandsmäßige Verhaltensfolgen tatsächlich vorliegen. Insofern leistet der beim Begehen aufweisbare naturalistische Kausalstrang zum Erfolg hin nichts Entscheidendes. Denn er ist für sich genommen überhaupt kein tauglicher Vorwurfsgegenstand. Deshalb lässt sich die Risikoerhöhungslehre auch für das Begehungsdelikt nicht halten. Bei diesem kann die illegitime Strafbarkeitsausdehnung durch den Hinweis auf den nach dem Gesetz offenbar (nur?) geforderten Kausalstrang allenfalls verschleiert werden. Zu den Anforderungen an tatbestandsmäßige Fehlverhaltensfolgen näher oben § 2 Rn. 54 ff.; vgl. etwa auch oben § 5 Rn. 62 ff.

  152. 152.

    Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 51 ff., 68 ff., 116 f., 124 ff.; ders., in: MünchKommStGB3, § 13 Rn. 53, 65 ff. – Auch die Fahrlässigkeitstat hat insoweit keine Sonderstellung. Der Fahrlässigkeitstatbestand erfasst vielmehr die Grundform der Tatbestandsverwirklichung, das heißt: bei der Vorsatztat ist nur noch zusätzlich der Vorsatz zu prüfen. Insoweit liegt zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeitstat ein Plus-Minus-Verhältnis vor. Näher dazu Freund, FS Küper, 2007, S. 63, 80. Instruktiv zum Verhältnis von Vorsatz- und Fahrlässigkeitstat Herzberg, JuS 1996, 377, 379 ff.; ders., NStZ 2004, 593, 595 ff.

  153. 153.

    Näher dazu Freund, FS Herzberg, 2008, S. 225, 232 ff.; ders., in: MünchKommStGB3, § 323c Rn. 89, 138 f. (dort – Rn. 132 ff. – auch zur Problematik des relativ jungen und gründlich missratenen § 323c II).

  154. 154.

    Freund, in: MünchKommStGB3, Vor § 13 Rn. 171 ff., 176, § 13 Rn. 67.

  155. 155.

    Zutreffend spricht etwa Otto, AT7, § 9 Rn. 38 davon, dass § 13 StGB „zu nichtssagend“ ist. – Näher zur Problematik der Leistungsfähigkeit und hinreichenden Bestimmtheit des § 13 StGB Albrecht, Begründung von Garantenstellungen, S. 137 ff. m. w. N.

  156. 156.

    Zu bisherigen Regelungsvorschlägen s. Roxin, AT II, § 31 Rn. 34 ff.; ferner die Nachw. bei Freund, in: MünchKommStGB3, § 13 Rn. 27; rechtsvergleichend Jescheck, FS Tröndle, 1989, S. 795 ff. – Der Vorschlag von Schrägle, Das begehungsgleiche Unterlassungsdelikt, S. 320 f. ist nicht weiterführend, weil er zu stark am bisherigen – gründlich misslungenen – § 13 angelehnt ist.

  157. 157.

    S. zu diesem Vorschlag Freund, FS Herzberg, 2008, S. 225, 243.

  158. 158.

    Zur wichtigen Unterscheidung dieser „normalen“ Sonderverantwortlichkeit von der für § 28 StGB relevanten „besonderen“ Sonderverantwortlichkeit s. Freund, FS Herzberg, 2008, S. 225, 238 ff.

  159. 159.

    Auch die gegen eine spezielle Rechtspflicht zur Aufklärung verstoßende Nichtaufklärung eines Irrtums ist keine tatbestandsmäßige Täuschung; instruktiv dazu Herzberg, Unterlassung, S. 70 ff.; Kargl, ZStW 119 (2007), 250 ff.

  160. 160.

    Näher dazu Freund, NStZ 2004, 123, 125 f.; Freund/Schaumann, JuS 1995, 801, 805 f.; vertiefend Haas, FS Weber, 2004, S. 235 ff. – Zur Gegenauffassung vgl. etwa Schneider, in: MünchKommStGB3, § 211 Rn. 248 ff. m. w. N.

  161. 161.

    Mit Recht krit. zu der bisherigen fakultativen Strafmilderungsmöglichkeit, welche die Gefahr einer voreiligen Annahme begehungsgleichen Unterlassens begründet, Silva Sánchez, FS Roxin, 2001, S. 641, 647 ff. m. w. N. Allerdings löst dessen Vorschlag einer „Dreiteilung der Unterlassungsdelikte“ in einfache, verschärfte nichtbegehungsgleiche und begehungsgleiche Unterlassungsdelikte die im Ansatz erkannten Strafzumessungsprobleme nicht angemessen. Denn die entsprechenden Strafzumessungsprobleme gibt es ganz genauso bei Tatbestandsverwirklichungen durch aktives Tun. Deshalb sollte insofern auch kein Gegensatz aufgebaut werden. Vielmehr bedarf es einer einheitlichen Strafzumessungsdogmatik zur sachgerechten Differenzierung zwischen verschiedenen Unterfällen der Verwirklichung eines Tatbestands. – Die Berechtigung der bisherigen Milderungsmöglichkeit des § 13 II verneint zutreffend Lermann, GA 2008, 78 ff.; krit. insofern etwa auch Perdomo-Torres, FS Jakobs, 2007, S. 497, 511 ff.

  162. 162.

    Zutreffend etwa Vogel, Norm und Pflicht, S. 143 ff.; s. a. Freund, in: MünchKommStGB3, § 13 Rn. 295. – Für eine Milderbestrafung „im Regelfall“ Herzberg, MDR 1971, 881, 883; s. a. Stein, in: SK StGB9, Vor § 13 Rn. 91 (typischerweise Minderung der Schuld wegen eines höheren Motivationsaufwands).

  163. 163.

    Zur beschränkten Leistungsfähigkeit der Strafrahmen bei der konkreten Rechtsfolgenbestimmung näher Freund, GA 1999, 509, 516 ff.; sachlich übereinstimmend etwa Kühl, in: Lackner/Kühl29, § 46 Rn. 48.

  164. 164.

    Näher zu dieser Problematik Frisch, Die Entscheidung über den Strafrahmen, unveröffentlichtes Manuskript, § 2 V; vgl. auch Freund, in: MünchKommStGB3, § 13 Rn. 304 ff.

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Freund, G., Rostalski, F. (2019). § 6 Begehungsgleiches und nichtbegehungsgleiches Unterlassungsdelikt. In: Strafrecht Allgemeiner Teil. Springer-Lehrbuch. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-59030-0_6

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