Maintenance Management dient dem Zweck, mittels systematischer Instandhaltungsplanung die Lufttüchtigkeit während des Lebenszyklus eines Luftfahrzeugs sicherzustellen. Dazu sind zunächt grundlegende Instandhaltungsmaßnahmen festzulegen. Später ist deren Umsetzung zu überwachen und es sind ggf. Planungsanpassungen vorzunehmen. Zugleich müssen im Rahmen des Maintenance Managements frühzeitig Tatbestände identifiziert und beseitigt werden, die die Lufttüchtigkeit gefährden können.

Nach einer Einführung in das Maintenance Management im Allgemeinen richtet sich ein erster Schwerpunkt dieses Kapitel auf das Instandhaltungsprogramm (Maintenance Program), in dem alle geplanten Instandhaltungsaktivitäten während der Produktlebenszeit eines Luftfahrzeugs definiert sind. Im Unterkapitel 5.2 wird dazu auf die Notwendigkeit, die Entstehung sowie auf Struktur und Inhalt von Instandhaltungsprogrammen eingegangen.

Einen zweiten Fokus dieses Kapitels bilden Reliability-Programme, mit denen die Zuverlässigkeit einzelner Bestandteile eines Luftfahrzeugs während der Betriebsphase überwacht und bewertet werden.

In einem abschließenden Unterkapitel werden der Zweck von sowie das Vorgehen bei Behörden- und Herstellerbekanntmachungen erläutert. Den Schwerpunkt bilden Lufttüchtigkeitsanweisungen (Airworthiness Directives) und Service Bulletins.

5.1 Aufgaben und Ziele des Maintenance Managements

Eine nachhaltige und andauernde Lufttüchtigkeit während der Lebens- bzw. Betriebsdauer eines Luftfahrzeugs kann nur dann erzielt werden, wenn dieses einer ständigen betriebstechnischen Überwachung unterliegt. Aus diesem Grund hat die Europäische Union mit dem EASA Part-M eine Vorschrift erlassen, die Regeln zur Aufrechterhaltung der Lufttüchtigkeit (Continuing Airworthiness) definiert . Der Part-M stellt eine eigenständige und verpflichtende Betriebszulassung für Betreiber von Luftfahrzeugen dar und beinhaltet u. a. Mindestanforderungen an die Lufttüchtigkeit und Instandhaltung. Im Wesentlichen zählen hierzu:Footnote 1

  • die Sicherstellung sämtlicher Instandhaltung auf Basis eines behördlich genehmigten Instandhaltungsprogramms,

  • die Behebung von Mängeln und Schäden, die den sicheren Betrieb beeinflussen sowie die Durchführung von Änderungen und Reparaturen, auf Basis genehmigter Instandhaltungsdokumentation und Reparaturvorgaben,

  • ein System zur Bewertung der Wirksamkeit des Instandhaltungsprogramms (Reliability Monitoring ),

  • die Befolgung von Lufttüchtigkeitsanweisungen und allen sonstigen behördlich erlassenen Maßnahmen.

Die Vielzahl und die Komplexität dieser Aufgaben lassen sich nur dann bewältigen, wenn die Aufrechterhaltung der Lufttüchtigkeit strukturiert geplant, gesteuert und überwacht wird. Notwendig ist mithin ein umfassendes Management der Instandhaltungsaktivitäten. Dies gilt umso mehr, wenn neben den gesetzlichen Vorgaben auch wirtschaftliche Aspekte berücksichtigt werden müssen. Die von den Luftaufsichtsbehörden vorgeschriebenen Anforderungen bilden in der betrieblichen Praxis vielfach nur noch eine selbstverständliche Basisleistung. Ziel ist heutzutage nicht mehr nur die Vorbeugung von System- oder Komponentenausfällen, sondern vielmehr die Minimierung der Betriebskosten durch Ermittlung, Analyse und Behebung von Zustandsveränderungen bei zeitgleicher Optimierung instandhaltungsbedingter Bodenzeiten.

Maintenance Management Aufgaben können Betreiber von Luftfahrzeugen (bzw. Part-M Organisationen Abschnitt G, d. h. CAMOs) selbst durchführen oder diese Dienstleistung ganz oder in Teilen an qualifizierte Unternehmen untervergeben. Die Verantwortung für die Überwachung und Umsetzung aller Aktivitäten verbleibt jedoch stets bei der zuständigen Part-M Organisation.

Der Vorteil bei der Zusammenarbeit mit Dritten besteht üblicherweise darin, dass es sich bei den Auftragnehmern um Spezialisten (z. B. Part 145 oder andere CAMOs) mit einem breiten Erfahrungsschatz und umfassendem Know-how in der Instandhaltung und im Maintenance Management handelt. Insbesondere Airlines mit kleiner Flotte bietet die Fremdvergabe dieser Leistungen die Möglichkeit, an den Erfahrungen und Größenvorteilen großer Maintenance-Organisationen zu partizipieren, um so die eigenen Betriebs- und Instandhaltungskosten zu reduzieren.

Im Folgenden werden die klassischen Maintenance Management Leistungen beschrieben, zu denen die Betreiber von Luftfahrzeugen verpflichtet sind:

  • Entwicklung, Pflege und Umsetzungsüberwachung von Instandhaltungsprogrammen (Unterkapitel 5.2),

  • Entwicklung und Betrieb von Zuverlässigkeits-/ Zustandsmonitoring-Systemen zur Sicherstellung der Wirksamkeit des Instandhaltungsprogramms (Unterkapitel 5.3),

  • Verfolgung, Beurteilung und Anweisung von Behördenforderungen und Empfehlungen des Halters der Musterzulassung (Unterkapitel 5.4)

5.2 Instandhaltungsprogramme

5.2.1 Notwendigkeit von Instandhaltungsprogrammen

Viele Bestandteile eines Luftfahrzeugs sind in ihrer Nutzungsdauer begrenzt, so dass diese dann entweder ausgetauscht oder instand gehalten werden müssen. Typische Parameter, die die Einsatzfähigkeit von Luftfahrzeugen, Triebwerken und Propellern sowie Bau- und Ausrüstungsteilen beeinflussen, sind:

  • die Zeit seit der Inbetriebnahme,

  • die Flugstunden (Flight Hours),

  • die Anzahl der Starts und Landungen (Flight-Cycles),

  • das Einsatzgebiet des Luftfahrzeugs. So reduzieren neben sehr hohen oder niedrigen Außentemperaturen auch Luftfeuchtigkeit und der Staub- oder Salzgehalt in der Luft die Leistungsfähigkeit und Einsatzdauer von luftfahrttechnischem Gerät (z. B. Triebwerke, APU, Klimaanlage).

Da Abnutzung und Verschleiß insofern auch vor Luftfahrzeugen nicht halt machen, sind für eine nachhaltige Aufrechterhaltung der Lufttüchtigkeit umfassende Instandhaltungsaktivitäten erforderlich. Dadurch sollen insbesondere Ermüdungsschäden (Fatigue Damages), umgebungsbedingte Abnutzung (Environmental Deterioration) und Unfallschäden (Accidental Damages) rechtzeitig entdeckt bzw. verhindert werden.

Aufgrund der hohen technischen Komplexität von Luftfahrzeugen sind diese Maßnahmen strukturiert und für den gesamten Einsatzzyklus des Luftfahrzeugs bzw. seiner Bestandteile festzulegen. Die Auflistung aller (zukünftig) durchzuführenden Instandhaltungsaufgaben während des Betriebslebenszyklusses erfolgt in einem Instandhaltungsprogramm ((Aircraft-) Maintenance Program. Darin sind im Detail Umfang und Häufigkeit der Instandhaltungsereignisse an Flugzeugstruktur, Systemen, Triebwerken, Komponenten und Teilen aufgeführt. Zugleich umfassen Instandhaltungsprogramme die Umfangsbeschreibung und Periodizität von Checks.

Luftfahrzeugbetreiber sind gemäß Part-M verpflichtet, für jedes ihrer Flugzeuge ein Maintenance Program vorzuweisen, anzuwenden und mindestens einmal jährlich auf Aktualität und Angemessenheit zu überprüfen. Die Durchführung dieser Aktivitäten unterliegt einer behördlichen Überwachung. Darüber hinaus bedürfen sowohl Erstausgabe als auch Änderungen (Revisionen) an Instandhaltungsprogrammen stets der Genehmigung durch die zuständige Luftaufsichtsbehörde.

Zwar wird der Rahmen eines Maintenance Programs üblicherweise durch den Inhaber der Musterzulassung vorbestimmt, jedoch müssen die Eigentümer bzw. Betreiber ihre Instandhaltungsprogramme an die jeweilige Flugzeugkonfiguration und die individuellen Anforderungen ihrer Flotte anpassen. Daher unterscheiden sich in der betrieblichen Praxis nicht nur die Instandhaltungsprogramme der verschiedenen Flugzeugmuster; auch bei gleichen Mustern variiert die Ausgestaltung des Maintenance Programs zwischen den Airlines in Abhängigkeit des Einsatzgebiets und der Nutzung bzw. den individuellen Betriebserfahrungen. Zudem reflektieren Instandhaltungsprogramme mehr oder weniger deutlich immer auch die Maintenance-Philosophien des Operators (z. B. block- oder phasenbezogene Instandhaltung, Schwerpunkt auf Prävention oder maximale Ausnutzung der zulässigen Grenzen).

5.2.2 Vom MRB-Report zum Maintenance Program

5.2.2.1 Maintenance-Review-Board-Report

Bis zur Entwicklung der Boeing 747 Ende der 1960er Jahre musste jede Airline nach einer Flugzeugneuentwicklung oder Indienststellung einen gänzlich individuellen Instandhaltungsplan für das betreffende Flugzeugmuster erstellen. Seitdem ist die Luftfahrtindustrie bei der Neuentwicklung von Aircraft-Typen dauerhaft dazu übergegangen, das Know-how aller an der Instandhaltung von Luftfahrzeugen direkt oder indirekt Beteiligten zusammenzutragen, um zum Nutzen aller Interessensgruppen ein Basisinstandhaltungsdokument für jedes Flugzeugmuster zu erstellen.

Das Ergebnis dieser Aktivitäten ist der Maintenance-Review-Board-Report (MRB-Report), den der Entwicklungsbetrieb des Herstellers mit der Musterzulassung veröffentlicht. Der MRB-Report ist eine Art Leitfaden, der Mindestanforderungen an die Instandhaltung eines Flugzeugmusters aufführt. Der MRB-Report dient heutzutage als allgemein anerkannter Ausgangspunkt für die Entwicklung eines Maintenance Programs und gilt unter den Aufsichtsbehörden und luftfahrttechnischen Betrieben als zentrales Basisdokument für die Instandhaltung eines Flugzeugmusters. Denn der Report ist auf die gesamte Weltflotte eines Aircraft-Typs ausgerichtet und nimmt zugleich Rücksicht auf unterschiedliche Bauausführungen sowie individuelle Nutzungsart und -umfang.

Den Ausgangspunkt bildet die Einsetzung eines Maintenance Review Boards, das sich aus Vertretern der für die Genehmigung des MRB-Reports zuständigen Behörden (z. B. EASA, FAA, Transport Canada) zusammensetzt.

Zugleich konstituiert sich das Industry Steering Committee (ISC). Dieses ISC besteht aus Vertretern des Herstellers bzw. des Antragstellers der Musterzulasssung, der betroffenen Triebwerkhersteller, bedeutenden Zulieferern sowie aus Experten von Fluggesellschaften bzw. Instandhaltungsbetrieben. Teilnehmer sind also alle Betriebe, die auf eine nachhaltige Aufrechterhaltung der Lufttüchtigkeit des betrachteten Aircraft-Musters entweder unmittelbar Einfluss nehmen werden oder Erfahrungen beisteuern können. In beobachtender Funktion sind im ISC darüber hinaus MRB-Mitglieder vertreten.

Das ISC ernennt und überwacht Arbeitsgruppen (Maintenance-Working-Groups ), die sich aus Spezialisten zuvor definierter Fachgebiete (üblicherweise für die Gewerke Struktur, Systeme, Motoren und Flugzeugzonen) zusammensetzen.Footnote 2 Auf Basis eines standardisierten Bearbeitungsschemas arbeiten die Maintenance-Working-Groups im Rahmen ihres Themenfelds Vorschläge für den Instandhaltungsumfang und die Instandhaltungshäufigkeit des betrachteten Flugzeugmusters und dessen Bestandteile aus. Als Informationsgrundlage dienen z. B. vergleichbare oder erwartete technische Eigenschaften und Abnutzungscharakteristika sowie sonstige Daten zu tatsächlichen oder theoretisch ermittelten Ausfall- oder Austauschraten. Auf dieser Basis bestimmen die Maintenance-Working-Groups die Mindestanforderungen an die Instandhaltung des Luftfahrzeugs bzw. dessen Bestandteile. Bei der Ausführung ihrer Tätigkeit stehen den Arbeitsgruppen das MRB und das ISC beratend zur Seite.

Die Working Groups bestimmen auf Basis der MSG-3 -Systematik die für das zukünftige Luftfahrzeug geltenden Instandhaltungspunkte, einschließlich der Maßnahmen und Intervalle. Das Vorgehen zur Bestimmung von Instandhaltungsart und -umfang im Rahmen der Erstellung des MRB-Reports ist in Abb. 5.1 skizziert.

Abb. 5.1
figure 1

Herleitung der Wartungspunkte im Rahmen des MRB-Reports

Zunächst erfolgt planerisch eine Zerlegung des Flugzeugs in einzelne Zonen, (Struktur-)Bauteile und Systeme. Darauf aufbauend wird eine MSG-3-Analyse dieser Flugzeugbestandteile durchgeführt. Das bedeutet, dass alle Bauteile, Zonen und Systeme untersucht werden im Hinblick auf ihre Funktionen, Sicherheit, Ausfallrisiken, Fehlerauswirkungen, Inspektionszugänglichkeit und Schadenserkennbarkeit sowie die auf sie wirkenden Umwelteinflüsse. Basierend auf dieser Analyse werden anschließend Inspektionsintervalle (z. B. alle 500 Flugstunden), Inspektionsintensitäten (z. B. Kontrolltiefe), Tests (z. B. Funktionstest) und Wartungsmaßnahmen (z. B. abschmieren) festgelegt.

Eine solche Untersuchung wird nun jeweils unabhängig voneinander in den Arbeitsgruppen Struktur, Systeme und Zone vorgenommen. Um später in der Betriebsphase des Luftfahrzeugs unnötige (Mehrfach-) Kontrollen zu vermeiden, werden im Anschluss alle in den Arbeitsgruppen ermittelten Wartungspunkte konsolidiert. Dies erfolgt, indem zu den definierten Wartungspunkten der Bereiche Struktur und Systeme geprüft wird, ob für diese bereits vergleichbare Wartungspunkte im Zonenwartungsprogramm definiert wurden. Ist dies der Fall, so wird der Wartungspunkt aus dem Struktur- bzw. Systemprogramm nicht übernommen, weil dieser bereits über das Zonenprogramm Eingang in den MRB-Report findet.

Im Ergebnis setzt sich der MRB-Report dann mindestens aus den Kapiteln Zone, Struktur und Systeme (einschließlich Triebwerken) zusammen.Footnote 3

Die von den Maintenance-Working-Groups ausgearbeiteten Vorschläge werden im Anschluss dem Industry Steering Committee vorgelegt. Basierend auf den Ergebnissen der MRB Working Groups entwickelt das ISC einen Entwurf des MRB-Reports, den sog. Maintenance-Program-Proposal und reicht diesen an den Vorsitzenden des MRBs weiter. Nach gemeinsamer Prüfung mit seinen Fachberatern gibt der MRB-Vorsitzende den Entwurf im Anschluss als offiziellen MRB-Report zur Veröffentlichung frei.

MSG-3 Analyse

In den frühen Tagen der Luftfahrtgeschichte wurde die Flugzeugwartung auf Basis von Erfahrungen der Mechaniker durchgeführt. Erst mit Beginn des Jet-Zeitalters und der Gründung von Luftaufsichtsbehörden fand ein Paradigmenwechsel hin zur strukturierten, ingenieursseitig geplanten Instandhaltung statt. Die Wartungsaktivitäten beruhten jedoch auf dem Leitgedanken, dass die Maßnahmen umso wirkungsvoller seien, je mehr von ihnen durchgeführt würden („Viel hilft viel“). Erst in den 1960er Jahren erhärtete sich die Erkenntnis, dass sich diese Philosophie nicht mit den praktischen Erfahrungen deckte. Daraufhin setzte sich, erstmals im Rahmen der B747-Entwicklung, eine systematisch geplante und zustandsabhängige Instandhaltung durch (sog. MSG-1 bzw. MSG-2).

Seit 1980 wird für die Festlegung der Instandhaltungsintensität die MSG-3 Logik angewendet. Dieser Ansatz ist vorbeugend ausgerichtet und orientiert sich neben Sicherheitsaspekten auch an flugbetrieblichen und ökonomischen Notwendigkeiten. Das Prinzip der MSG-3-Logik basiert auf einer Fehlermöglichkeits- und -einflussanalyse (engl.: Failure-Mode-and-Effects Analysis – FMEA). Hierbei handelt es sich um eine standardisierte Entscheidungsbaum-Methodik mit dessen Hilfe Instandhaltungsmaßnahmen abgeleitet werden. Die MSG-3-Technik stellt dabei nicht allgemein das Auftreten eines Fehlers, sondern dessen Auswirkungen in den Mittelpunkt der Analyse (Consequence of Failure Approach). Entscheidend ist weniger, ob ein Fehler oder Ausfall auftritt, sondern vielmehr, wie dieser den Flugbetrieb beeinflusst.

Zudem ist der MSG-3-Ansatz aufgabenorientiert (task-oriented) ausgerichtet (vgl. Ende Abschn. 5.2.3). Anders als bei früheren Verfahren werden beim MSG-3 Ansatz für die Aufrechterhaltung der Lufttüchtigkeit eines jeden Flugzeugbestandteils konkret benannte Instandhaltungsaufgaben angewiesen (z. B. abschmieren, Funktionskontrollen, Austausch). Der MSG-3-Ansatz gilt insofern als chirurgisch präzises Verfahren, das individuell und flexibel an den spezifischen Instandhaltungsanforderungen ausgerichtet werden kann.

MRB-Reports unterliegen einer kontinuierlichen Bewertung hinsichtlich Aktualität und Angemessenheit. Nur so kann den Betriebserfahrungen und „lessons learned“ Erkenntnissen Rechnung getragen und eine kontinuierliche Verbesserung erzielt werden. Entsprechend müssen im Bedarfsfall Anpassungen am ursprünglichen MRB-Report vorgenommen und der Nutzerkreis informiert werden. Der MRB-Report ist somit das Ergebnis eines komplexen Entstehungsprozesses und in Abb. 5.2 visualisiert.

Abb. 5.2
figure 2

Herleitung des MRB-Reports

Wenngleich der MRB-Report über den gesamten Musterlebenszyklus gültig ist, entfaltet er für die Airlines den größten Nutzen, wenn diese noch keine eigenen Erfahrungswerte mit den Instandhaltungszeiträumen sammeln konnten.

5.2.2.2 Maintenance Planning Document

Da die Angaben des MRB-Reports für die unmittelbare Instandhaltungsdurchführung aufgrund unzureichender Strukturierung und Detaillierung nur wenig geeignet sind, bieten die Luftfahrzeughersteller ihren Kunden zusätzlich ein muster- bzw. bauartspezifisches Dokument zur Instandhaltungsplanung und -durchführung an. Bei Boeing wird dieses als Maintenance Planning Data Document (MPD), bei Airbus als Maintenance Planning Document (MPD) bezeichnet.

Das MPD ist eine Weiterentwicklung und stellt im betrieblichen Alltag zugleich einen Ersatz zum MRB-Report dar. Es fungiert damit als zentrales Ausgangsdokument für die Entwicklung von Instandhaltungsprogrammen. Es bietet den Luftfahrzeughaltern weiterführende Informationen zur Instandhaltungsausführung, z. B. hinsichtlich der Strukturierung, der Abarbeitungsreihenfolge der Instandhaltungsaufgaben (Maintenance-Tasks ), detaillierte Referenzen auf Instandhaltungshandbücher, einzusetzende Betriebsmittel sowie Hinweise und Abbildungen zu Zugängen (Access-Panels oder Doors). Zudem sind hierin Instandhaltungsangaben zu Komponenten enthalten, die im MRB-Report nicht berücksichtigt sind, aber dennoch Bestandteil des gesamten Instandhaltungsumfangs sind. Desweiteren enthält das MPD Herstellerforderungen oder -empfehlungen.

Um die Planung der Instandhaltungsereignisse in den Maintenance-Organisationen zu erleichtern, sind im MPD zudem durchschnittliche Zeitangaben für die Ausführung der beschriebenen Aktivitäten aufgeführt. Jedoch beziehen sich diese Werte ausschließlich auf die Maßnahme selbst, ohne dabei die Zeitbedarfe für Material-, Betriebsmittel- und Dokumentationsbeschaffung oder für Freilegungen der Bauteile zu berücksichtigen. Daher müssen diese Richtwerte durch die Arbeitsplanung im jeweiligen Instandhaltungsbetrieb individuell angepasst werden.

Für den Luftfahrzeugbetreiber liegt der Nutzen des MPDs darin, dass dieser eine detaillierte Grundstruktur für das eigene Maintenance Program aufzeigt sowie wichtige muster- bzw. bauartspezifische Basisangaben für die Instandhaltung auflistet. Besonderen Nutzen entfaltet das MPD im Rahmen der Ersterstellung eines Maintenance Programs, wenn dem Betreiber noch keine eigenen Erkenntnisse mit dem entsprechenden Flugzeugtyp vorliegen.

Wenngleich der MPD eine angemessene Struktur und Detaillierung aufweist und damit bereits sehr viel geeigneter für die Erstellung eines Maintenance Programs ist als der MRB-Report, reichen die darin enthaltenen Aufgaben noch immer nicht aus. Denn auch das MPD ist nur als ein allgemein gültiger Instandhaltungsleitfaden des Herstellers zu verstehen, der zahlreiche wichtige Basisangaben liefert, jedoch den individuellen Bauzustand des Flugzeugs und die Erkenntnisse aus den spezifischen Betriebsbedingungen des Operators unberücksichtigt lässt.

5.2.2.3 Herleitung von Maintenance Programs

Der MRB-Report bzw. das darauf aufbauende MPD bilden das allgemein anerkannte Fundament für die Instandhaltung moderner Verkehrsflugzeuge. Daher ist eines der beiden Dokumente stets als Ausgangspunkt für die Erstellung eines Maintenance Programs heranzuziehen.Footnote 4 Das MPD bietet den Vorteil, dass dieses bereits detaillierte und für eine Instandhaltung unmittelbar anwendbare Vorgaben enthält.

Ein Instandhaltungsprogramm muss jedoch darüber hinaus auf die individuelle Flugzeugkonfiguration und auf die Nutzung des Luftfahrzeugbetreibers zugeschnitten sein. So sind in Ergänzung zum MPD die grundlegenden (betrieblichen) Verfahren des Instandhaltungsmanagements zu berücksichtigen. Zudem enthält ein Maintenance Program Instandhaltungsangaben über weitere im Flugzeug verbaute Komponenten, auch dann, wenn diese nicht im MRB-Report oder MPD aufgeführt sind. Nicht zuletzt müssen in einem Maintenance Program, die individuellen Betriebs- und Instandhaltungserfahrungen, die sich aus der spezifischen Nutzungsart und Nutzungsumfang von Flugzeug bzw. Flotte ergeben, Berücksichtigung finden. Hierzu sind ggf. die vorgegebenen Instandhaltungsintervalle und Inspektionsintensitäten anzupassen oder zusätzliche Maßnahmen einzuplanen.

Für jedes Luftfahrzeug muss ein Instandhaltungsprogramm vorliegen. In der betrieblichen Praxis, in der die Betreiber zumeist nicht einzelne Flugzeuge, sondern eine Flotte von Flugzeugen gleicher Bauart einsetzen, kommt für diese jedoch oftmals nur ein einziges Maintenance Program zum Einsatz.

Der Hauptgrund liegt in einem reduzierten Pflegeaufwand beim Instandhaltungsprogramm. Zusätzlich wird die Vergleichbarkeit der Betriebs- und Instandhaltungserfahrungen mit den Flugzeugen innerhalb eines Musters vereinfacht und damit die Qualität der Zuverlässigkeitsprogramme gesteigert.

Wenngleich die großen Hersteller von Luftfahrzeugen (Airbus, Boeing, Bombardier, Embraer) stets ein MRB-Report und ein MPD herausgeben, so gilt dies nicht für alle Anbieter. Entsprechend können Instandhaltungsprogramme anstatt auf allgemein anerkannten auch auf spezifisch genehmigten Instandhaltungsstandards basieren.

Der gesamte in diesem Abschn. 5.2.2 dargestellte Prozess der Dokumentenentwicklung vom MRB-Report zum Instandhaltungsereignis ist in Abb. 5.3 visualisiert.

Abb. 5.3
figure 3

Der Weg vom MRB-Report zum Instandhaltungsereignis

5.2.3 Struktur und Inhalt von Instandhaltungsprogrammen

Der Gesetzgeber hat einige grundlegende Anforderungen an den Inhalt von Instandhaltungsprogrammen, an deren Pflege und Überprüfung sowie an Änderungen formuliert. Hinsichtlich des Umfangs muss ein Maintenance Program mindestens folgende Grundelemente aufweisen:Footnote 5

  • Angaben zu allen auszuführenden Instandhaltungsarbeiten und Instandhaltungsintervallen, einschließlich etwaiger Sondermaßnahmen,

  • Berücksichtigung von allen Anweisungen zur Aufrechterhaltung der Lufttüchtigkeit, unabhängig, ob diese von der Luftfahrtbehörde oder dem Hersteller herausgegeben wurden (z. B. Lebenszeitbegrenzungen von Teilen, Lufttüchtigkeitsanweisungen),

  • ein Zuverlässigkeitsprogramm.

Neben den gesetzlichen Vorgaben hat die EASA-Empfehlungen zum Aufbau von Instandhaltungsprogrammen herausgegeben.Footnote 6 Danach sollten diese eingangs einen einleitenden Teil mit folgenden Informationen enthalten:

  • Angaben zum Flugzeug, u. a. Registrierung, Flugzeug-Triebwerk-Konstellation sowie Angabe zur APU,

  • Detaillierte Angaben zum Eigentümer bzw. Halter des Luftfahrzeugs sowie ggf. zusätzliche Angaben zur verantwortlichen CAMO,

  • Ausgabedatum und Ausgabenummer des Maintenance Programs,

  • Inhaltsverzeichnis und Informationen zu Revisionstatus sowie Ergänzungen und Korrekturen (Amendments),

  • Beschreibung der Verfahren zur Änderung von Instandhaltungszyklen, Erklärungen des Eigentümers, Operators bzw. der verantwortlichen CAMO, dass

    • das Maintenance Programs regelmäßig überprüft und soweit erforderlich aktualisiert wird und dass die Instandhaltung des entsprechenden Luftfahrzeugs auf Grundlage dieser Vorgaben durchgeführt wird.

    • die Instandhaltungsanweisungen und -verfahren den Standards des Inhabers der Musterzulassung (TC-Halter) entsprechen. Sollte von diesen abgewichen werden, muss dies aus der Erklärung deutlich werden.

Den Kernbestandteil eines Maintenance Programs bilden dann die Auflistung der eigentlichen Instandhaltungsmaßnahmen mit den zugehörigen Instandhaltungsintervallen. Ergänzend ist zu jedem Maintenance-Task eine entsprechende Referenz zum MPD oder zum MRB-Report sowie ggf. zu entsprechenden Abschnitten in der Instandhaltungsdokumentation aufzuführen.

Neben Angaben zu Systemen, Komponenten und Triebwerken muss das Maintenance Program einen weiteren Fokus auf die Strukturelemente nehmen und dabei auch spezifische Instandhaltungsmaßnahmen berücksichtigen.Footnote 7

Nicht zuletzt muss ein Maintenance Program Informationen und Referenzen zum zugehörigen Zuverlässigkeitsprogramm (Reliability-Management, Health- oder Condition Monitoring) beinhalten.

Kernbestandteile eines Maintenance Programs

  • Art und Umfang von Pre-Flight Maintenance, die durch Instandhaltungspersonal durchgeführt wird

  • Instandhaltungsaufgaben und Periodizitäten für alle Bestandteile des Luftfahrzeugs, der Triebwerke bzw. Propeller, der APU sowie der Systeme

  • Instandhaltungs-, Prüf- und Austauschintervalle für Komponenten

  • Sondermaßnahmen der Strukturinstandhaltung (d. h. ggf. ein spezifisches Struktur-Wartungsprogramm, herausgegebenen vom Inhaber der Musterzulassung). Darin sind dann z. B. folgenden Aktivitäten festzulegen:

    • Wartungsvorgaben zu Strukturteilen sowie Maßnahmen für ergänzende Strukturinspektionen, insbesondere bei besonderen Schadenstoleranzen

    • Maßnahmen der Korrosionskontrolle und -prävention

    • Verfahren für Repair Assessments

    • Kontrollmaßnahmen zur Vorbeugung von allgemeinen Ermüdungsschäden (z. B. Dauerschwingungsrisse)

  • Soweit verfügbar, Angaben zu strukturbezogenen Nutzungsgrenzen (Starts/Landungen, Flugstunden, kalendarische Begrenzungen)

  • Verweise auf Dokumente, die weiterführende Informationen zur Durchführung verpflichtender Behördenanweisungen (z. B. lebenszeitbegrenzte Teile oder Lufttüchtigkeitsanweisungen) enthalten

  • Detaillierte Angaben zum oder Verweise auf eingesetzte Reliability Programme, Stichproben insbesondere zur Bestimmung des Strukturzustands, Condition-Monitoring-Aktivitäten oder sonstige statistische Methoden zur Überwachung einer nachhaltigen Aufrechterhaltung der Lufttüchtigkeit

Das Maintenance Program ist ein „lebendes“ Dokument, das regelmäßig durch qualifiziertes und dazu berechtigtes Personal auf Aktualität und Angemessenheit zu prüfen ist. Die Überprüfung des Maintenance Programs muss mindestens einmal jährlich vorgenommen werden. Lufttüchtigkeitsanweisungen der Behörden bedürfen – losgelöst von Überprüfungsintervallen – einer umgehenden Einarbeitung.Footnote 8

Im Zuge regulärer periodischer Überprüfungen ist mindestens zu untersuchen, ob Änderungen am MRB-Report bzw. MPD vorgenommen oder ob andere Herstellerbekanntmachungen herausgegeben wurden, die einer Einarbeitung in das Instandhaltungsprogramm bedürfen. Darüber hinaus ist eine periodische Bewertung der eigenen Betriebs- und Instandhaltungserfahrungen (z. B. auf Basis des Zuverlässigkeitsprogramms) vorzunehmen. Werden auf Basis der individuellen Nutzung (Flugstunden, Starts und Landungen, Einsatzgebiet) Anpassungsnotwendigkeiten in der Instandhaltungshäufigkeit identifiziert, sind entsprechende Adjustierungen in Amendments und Revisionen zum Instandhaltungsprogramm vorzunehmen. Die Änderungen von Instandhaltungsintervallen müssen jedoch durch die tatsächliche oder geplante Nutzung des Flugzeugs gerechtfertigt und erklärbar sein. Ist keine angemessene Vorhersage der Nutzung möglich, sind im Maintenance Program neben den Intervallen ergänzend Kalenderangaben festzulegen.

Alle Änderungen am Maintenance Program bedürfen der Zustimmung durch die zuständige Luftfahrtbehörde (in Deutschland das LBA ). Beim Wechsel zu einem gänzlich neuen Maintenance Program oder einer maßgeblichen Änderung ist unter Umständen darüber hinaus ein Transfer-Check am Luftfahrzeug durchzuführen.Footnote 9

Typisierung der Instandhaltungsaktivitäten

Wenngleich in nahezu allen MRB-Reports ausschließlich aufgabenorientierte Instandhaltung angewiesen wird, existieren grundsätzlich vier Instandhaltungsarten nebeneinander:

  • Hard Time Maintenance

  • On Condition Maintenance

  • Condition Monitoring

  • Task-orientierte Maintenance

Von Hard-Time-Maintenance wird immer dann gesprochen, wenn fixe Instandhaltungsintervalle definiert sind. Dies bedeutet, dass der Austausch oder die Instandhaltung in festgelegten Intervallen (Hard-Time-Limits ) vorzunehmen ist, z. B. entsprechend Kalenderzeitablauf, Flugstunden oder Flight-Cycles.Footnote 10 Da mit diesem Vorgehen ein Ausfall oder ein Verschleiß vorgebeugt werden soll, handelt es sich bei der Hard-Time-Maintenance um ein präventives Instandhaltungsverfahren. Beispiele für Hard-Time-Items sind Generatoren, Fahrwerke, diverse Triebwerksbestandteile sowie lebenszeitbegrenzte Teile.

On-Condition-Maintenance liegt vor, wenn Instandhaltungsmaßnahmen von periodisch durchzuführenden Inspektionen oder Tests abhängig gemacht werden. Sobald definierte Zustandsgrenzen (z. B. Scrap Limits, Serviceable Limits ) überschritten werden, ist die festgelegte Instandhaltungsmaßnahme oder der Austausch betroffener Teile durchzuführen. Somit handelt es sich auch bei der On-Condition-Maintenance um ein präventives Instandhaltungsverfahren. Insbesondere in der Triebwerkinstandhaltung ist die Anwendung der On-Condition-Maintenance zum Teil vom Vorhandensein eines Condition Monitorings abhängig. Typische Verfahren zur Zustandsermittlung sind z. B. Sichtkontrollen, das Non-Destructive Testing (NDT) oder Boroskopien. Beispiele für On-Condition Items sind mechanische Komponenten.

Das Condition Monitoring stellt ein Verfahren der inspektionslosen Zustandsüberwachung von Luftfahrzeugsystemen, Komponenten und Triebwerken dar. Etwaige Instandhaltungsmaßnahmen leiten sich aus den Ergebnissen und Analysen der Überwachungsaktivitäten ab. Als Eingangsgrößen dienen Leistungskennzahlen wie zum Beispiel Temperaturentwicklungen, Leistungsreduktionen oder Ausfälle. Damit ist dieses Verfahren nicht präventiv, sondern reaktiv ausgerichtet, welches ein Eingreifen erst nach Abweichung von den definierten Standardwerten ermöglicht. Das Condition Monitoring kommt insbesondere dort zum Einsatz, wo kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Einsatz- bzw. Lebensdauer und Ausfallwahrscheinlichkeit festgestellt werden kann. Das Condition Monitoring findet dabei auch während des Flugs statt, um den Zustand, z.B. der Triebwerke, anhand einer Leistungsanalyse zu bewerten. Dies erleichtert eine vorbeugende Wartung, um das Teil bereits vor Ausfall während des Flugs oder vor schweren Schäden zu schützen.

Neben diesen drei Maintenance-Ansätzen gibt es die aufgabenorientierte (task-orientierte) Instandhaltung . Hierbei kann es sich um zustandsabhängige Instandhaltung (On-Condition-Maintenance oder Condition Monitoring) oder um feste Intervalle (Hard-Time-Maintenance) handeln. Anders als bei den zuvor erläuterten Verfahren werden im Zuge der task-orientierten Instandhaltung für jedes Luftfahrzeugbestandteil konkret benannte Instandhaltungsverfahren und -aufgaben (Maintenance Tasks) angewiesen (z. B. abschmieren, Funktionskontrollen, Austausch). Dieser Ansatz gilt als chirurgisch präzise und zugleich individueller und flexibler als die zuvor genannten Verfahren. Die task-orientierte Instandhaltung bildet heute den am stärksten verbreiteten Ansatz, insbesondere weil dieser im Rahmen der MSG-3 Methodik verwendet und somit über die MRB-Reports verbreitet wird.

5.2.4 Zeit- und Intervallverfolgung

Die vorgeschriebene Lebens- oder Einsatzdauer bzw. die Anzahl der Cycles sämtlicher Bestandteile eines Luftfahrzeugs darf unter keinen Umständen überschritten werden.Footnote 11 Um diese Vorgabe erfüllen zu können, ist für bestimmte Teile eine Lauf- bzw. Lebenszeitverfolgung notwendig.

Es reicht nicht aus, die Elemente des Maintenance Programs vor der Inbetriebnahme des Luftfahrzeugs festzulegen und im betrieblichen Alltag auf die rechtzeitige Umsetzung zu hoffen. Es muss strukturiert sichergestellt werden, dass im späteren Betrieb alle vorgeschriebenen Instandhaltungsaufgaben fristgerecht durchgeführt werden.

Alle vorgeschriebenen Maintenance-Tasks müssen insoweit einer ständigen Intervall- bzw. Laufzeitverfolgung unterliegen. Sie müssen rechtzeitig inhaltlich passend eingeplant, d. h. einzelnen Instandhaltungsereignissen zugeordnet und die Durchführung nach erfolgter Umsetzung zurückgemeldet werden. Dies fällt für einige Instandhaltungsaufgaben vergleichsweise leicht, da deren Fälligkeit mit einem festen Instandhaltungsereignis (Check) verbunden ist. Für andere Maintenance-Tasks gestaltet sich die Zuordnung indes weniger einfach. So ist eine frühzeitige Planung nur eingeschränkt möglich, weil die erforderlichen Vorgaben zum Teil kurzfristig eingesteuert werden (beispielsweise aufgrund von Lufttüchtigkeitsanweisungen, Herstellerempfehlungen). Insbesondere gestaltet sich die Zuordnung von Maintenance-Tasks aber auch deshalb nicht leicht, weil die Instandhaltungsdurchführung oftmals nicht an feste Ereignisse, sondern an Flugstunden oder Starts und Landungen oder an Kalenderzeitintervalle gekoppelt ist.

Bei derlei vom Hersteller oder der Behörde vorgegebenen Betriebs- oder Lebenszeitbegrenzungen bedarf es einer aufwendigen Zeitverfolgung sowie einer strukturierten Durchführungsplanung und -kontrolle.

Die Zeit- und Intervallverfolgung erfolgt in der betrieblichen Praxis über IT-Tools, in denen sämtliche Instandhaltungsaufgaben eines Luftfahrzeugs hinterlegt sind. Exemplarisch ist der Inhalt und die Struktur eines solchen Tools grob in Tab. 5.1 dargestellt.

Tab. 5.1 Exemplarische Basisstruktur einer Zeit- und Intervallverfolgung

Wenngleich die Systeme zwar meist in der Lage sind, die in naher Zukunft fälligen Maintenance-Tasks anzuzeigen, muss der zuständige Planungsingenieur dennoch die konkrete Terminierung der Durchführung vornehmen. Dieser Zuweisung kommt eine erhebliche Bedeutung zu, überfordert aber die meisten IT-Systeme. Denn auf dieser Planungsebene sind intelligente Lösungen gefragt, die nicht nur den luftrechtlichen Forderungen gerecht werden, sondern auch in der Lage sind, die ökonomischen Potenziale durch optimale Instandhaltungsdurchführung auszuschöpfen. Dazu sind die jeweils zur Instandhaltung fälligen Elemente des Maintenance Programs sowie etwaige weitere Maßnahmen (ADs, SBs, Modifikationen) kostenoptimal zusammenzufügen. So wäre es beispielsweise nicht sinnvoll, in eine Baugruppe mit drei Subbauteilen, zwei Neuteile mit einer Lebenszeitbegrenzung von 6000 Flugstunden sowie ein (drittes) gebrauchtes Teil mit einer Restlaufzeit von nur 1500 Stunden einzubauen. Luftrechtlich stellt dies zwar kein Problem dar, jedoch wäre dann die nächste Modulzerlegung bereits in 1500 Stunden erforderlich. Ziel ist daher eine intelligente Modul- und Teile-Zusammenstellung zu passgenauen Arbeitspaketen unter besonderer Beachtung von Hard-Time-Limits, um so die Instandhaltung langfristig auch unter ökonomischen Aspekten zu optimieren. Neben Verzögerungen der Instandhaltung bis an die zulässigen Intervallgrenzen bietet das Vorziehen von Instandhaltungsmaßnahmen zwecks maximaler Ausnutzung ohnehin vorgesehener Bodenzeiten eine weitere Möglichkeit der Optimierung.

Nach Entwicklung der Arbeitspakete werden diese im Flugbetrieb und in der Instandhaltung terminiert und entsprechend den Anweisungen und der Ereigniszuordnung umgesetzt.

Im Anschluss an die Durchführung der angeordneten Maintenance-Tasks erfolgt eine Rückmeldung von der Instandhaltungssteuerung an das Engineering oder die zuständige Planungsabteilung. Nach Verarbeitung der Daten in den IT-Tools des Maintenance Managements werden dort die nächsten Fälligkeiten ermittelt und im System vorgemerkt.

5.3 Zuverlässigkeitsmanagement

5.3.1 Zweck und Ziele des Zuverlässigkeitsmanagements

Jeder Flugzeughalter muss sicherstellen, dass er über ein Analysesystem zur Beurteilung der Zuverlässigkeit seiner Instandhaltungsprogramme verfügt. Dies erfolgt mit Hilfe des Zuverlässigkeitsmanagements (Reliability Management). Ein solches Instrument dient dem primären Ziel, die Qualität und Wirksamkeit des Maintenance Programs durch kontinuierliche Verbesserung zu steigern. Zugleich sollen auf diese Weise betriebstechnische und instandhaltungsbedingte Gefährdungen der Lufttüchtigkeit frühzeitig identifiziert und minimiert werden.

Weiterhin wird über das Reliability Management die Zuverlässigkeit jener Systeme überwacht, die aufgrund ihrer Architektur nicht durch das Instandhaltungsprogramm kontrolliert werden müssen.

Dazu wird ein Reliability Program entwickelt und abgearbeitet. Hierin sind die Überwachungsobjekte aus Instandhaltung und Flugbetrieb im Einzelnen festgelegt und die zugehörige Überwachungsintensität aufgeführt. Die Kernelemente eines Reliability Programs bilden insofern:

  • Bestandteile (z. B. Systeme, Bauteile, Triebwerke),

  • Parameter (z. B. Verbräuche, Temperaturen, Fehlermeldungen, Findings, Ausfälle),

  • Häufigkeiten (z. B. permanent, wöchentlich, monatlich, nur bei Vorkommnissen),

  • Anforderungen an die Auswertung (Analyseumfänge, Handlungsbedarfe, Kommunikationsstrukturen und Meldeverfahren).

Basierend auf einem solchen Programm-Gerüst wird ein kontinuierliches Zustands- und Trendmonitoring entwickelt und kontinuierlich durchgeführt. Aus den gewonnenen Daten muss das Engineering die technische Zuverlässigkeit ableiten und Anpassungsbedarfe im Instandhaltungsprogramm identifizieren oder andere Maßnahmen festlegen. Dies kann sowohl eine Reduzierung als auch eine Ausweitung der Maintenance-Aktivitäten nach sich ziehen. Neben Änderungen im Instandhaltungsprogramm sind bei eingeschränkter technischer Zuverlässigkeit bedarfsorientiert darüber hinausgehende Korrekturmaßnahmen zu entwickeln und umzusetzen. Die Wirksamkeit solcher Maßnahmen ist zu überwachen.

Zukunftsweisende Zuverlässigkeitsprogramme werden jedoch nicht nur zur Verbesserung der Luftsicherheit genutzt. Deren Funktionalitäten gehen über das luftrechtlich Notwendige hinaus und zielen auf eine ökonomische Optimierung der Instandhaltung auf Basis der Einsatzbedingungen ab. Der Fokus richtet sich dabei auf eine Minimierung der Betriebs- und Instandhaltungskosten. Die dafür erforderlichen Ansatzpunkte bilden z. B. eine Minimierung des Instandhaltungsumfangs, Minimierung der Bodenzeiten (Downtime), Maximierung der Lebensdauer oder Minimierungen des Verbrauchs von Treibstoff, Betriebsstoffen und Material.

Art und Umfang eines Zuverlässigkeitsprogramms orientieren sich an der Größe der Flotte. Das Spektrum reicht dabei von einer einfachen Bauteil-Ausfall-Überwachung (Component-Defect-Monitoring) für kleine Part-M BetriebeFootnote 12 bis hin zu komplexen Reliability-Programmen für große CAMOs. Letztere verfügen neben dem eigentlichen Aircraft-Reliability-Program über weitere Zuverlässigkeitssubsysteme wie z. B. für:

  • Luftfahrzeugbauteile (Component Reliability Monitoring ),

  • Triebwerke (Engine Condition Monitoring),

  • Hilfsgasturbinen (APU Health Monitoring ) oder

  • Strukturbestandteile (Sampling Programme) für eine stichprobenbezogene Zustandsbestimmung.

Aus luftrechtlicher Perspektive sind Reliability Programme zwar nicht grundsätzlich vorgeschrieben, jedoch ist durch die im Part-M formulierten Vorgaben ein Verzicht eher ungewöhnlich. Das Vorhandensein eines Reliability Management ist nämlich immer dann obligatorisch:Footnote 13

  • wenn das Maintenance Program Bestandteile einer zuverlässigkeitsorientierten Instandhaltung beinhaltet (d. h. Condition Monitored und nicht ausschließlich Hard-Time- oder On-Condition Maintenance).

  • sofern im Maintenance Program nicht für alle wichtigen Systembestandteile Instandhaltungsintervalle festgelegt sind.

  • falls das Instandhaltungsprogramm auf der sog. MSG-3-Logik basiert (für die Praxis bedeutet dies: falls dem Instandhaltungsprogramm ein MRB oder MPD zugrunde liegt).

  • soweit dies im MRB oder MPD angewiesen ist.

Das europäische Luftrecht gestattet es, Part-M Betrieben, Aktivitäten des Reliability Managements teilweise an luftfahrttechnische Betriebe unterzuvergeben. Dies kann auch sinnvoll sein, weil Instandhaltungsbetriebe viele der erforderlichen Daten ohnehin erfassen. Zudem verfügen sie über ein umfassenderes technisches Know-how in der Maintenance als die Flugzeughalter. Letzteres bedingt, dass Instandhaltungsorganisationen dann nicht nur die Datenerfassung übernehmen, sondern auch Vorschläge für Korrekturmaßnahmen entwickeln. Die Umsetzung solcher Empfehlungen muss jedoch über den zuständigen Part-M Betrieb angewiesen werden, da bei diesem auch im Fall einer Fremdvergabe die finale Verantwortung verbleibt.

5.3.2 Bestandteile eines Zuverlässigkeitsprogramms

Am Beginn des Reliability Management steht einmalig die grundlegende Zieldefinition und die Festlegung dessen, welche Bestandteile mit dem Reliability Program überwacht werden sollen. Ist hierüber Klarheit geschaffen, gilt es, Kenngrößen zu bestimmen, die überwachungstauglich sind. Das bedeutet, dass die Informationen unter angemessenem Aufwand zu erheben sein müssen und Rückschlüsse auf die gewünschten Ursache-Wirkungszusammenhänge zulassen. So macht es vereinfacht gesprochen, wenig Sinn, Fluggastzahlen zu verfolgen, wenn die Ölverbräuche der Triebwerke im Fokus einer Überwachung stehen.

Neben einer Festlegung der einzelnen Überwachungsobjekte und zugehörigen Bewertungsparameter, müssen zudem Strukturen und Prozesse etabliert werden, um die Funktionsfähigkeit des Reliability Managements im betrieblichen Alltag zu gewährleisten. Die dabei notwendigen Kernbestandteile umfassen die:

  1. 1.

    Datensammlung,

  2. 2.

    Festlegung und Identifizierung von Schwellwerten,

  3. 3.

    Datenauswertung und -analyse,

  4. 4.

    Datenaufbereitung,

  5. 5.

    Entwicklung und Überwachung von Korrekturmaßnahmen.

Datensammlung

Die kontinuierliche Datensammlung bildet die Grundlage für jedwede Aktivitäten im Rahmen des Reliability Managements. Eine realistische Beurteilung der betrachteten Leistungsparameter setzt eine ausreichende Datenbasis voraus. Dabei ist zu beachten, dass im Normalfall nicht die Daten des gesamten Flugzeugbestands einer Airline herangezogen werden. Bei Zuverlässigkeitsprogrammen wird eine Gegenüberstellung der Leistungsdaten zwischen Flugzeugen gleichen Musters (z. B. alle A320neo oder alle B777) vorgenommen.

Als Quellen werden typischerweise die folgenden Daten aus Flugbetrieb und Instandhaltung herangezogen:Footnote 14

  • Maintenance Reports (MAREPS), wie Zurückstellungen, Beanstandungen etc.,

  • Technical Logs oder Pilot Reports (TechLogs bzw. PIREPS),

  • Werkstattaufzeichnungen (z. B. Findings, unjustified oder unscheduled Removals),

  • Reports zu speziellen Inspektionen und Untersuchungen (z. B. zu ADs, SBs, EOs),

  • Air Safety Reports und Occurrence Reportings,

  • Einfluss technischer Störungen oder Vorfälle auf den Flugbetrieb (Operational Irregularities, Aircraft Substitution, Aborted Take-Off, Air Turnback, Aircraft On Ground (AOG)),

  • ETOPS Daten,

  • Flight Data Recorder Aufzeichnungen.

Festlegung und Identifizierung von Schwellwerten

Eine wesentliche Aufgabe des Reliability Monitorings ist es, Abweichungen von einem definierten Standard zu identifizieren. Hierzu ist es notwendig, kritische Schwellwerte festzulegen, deren Über- bzw. Unterschreiten die Abweichung vom Normalzustand definieren und Handlungsbedarf aufzeigen.

Sind die Grenzwerte definiert, werden diese bei Überschreitungen in den heutzutage eingesetzten IT-basierten Systemen automatisch in Form von Warnmeldungen angezeigt oder sie lassen sich zumindest rasch heraus filtern. Kumuliert finden die jeweiligen Grenzwertüberschreitungen zudem Eingang in das Reporting.

Ein solches Warnsystem soll Sicherheit schaffen, indem es eindeutige und dokumentierte Grenzen formuliert. Daher sind im Reliability Program stets die Verfahren und Regeln zur Bestimmung und Änderung der Schwellwerte zu dokumentieren. Zudem müssen solche Programme immer auch eine Beschreibung der Überwachungsintensität bzw. -häufigkeit und der organisatorischen Verantwortlichkeit für das Grenzwertmonitoring beinhalten.

Datenauswertung und -analyse

Basierend auf den gesammelten Informationen muss regelmäßig eine Beurteilung, Analyse und Interpretation der Zuverlässigkeitsdaten durch qualifiziertes Personal des Engineerings erfolgen. Die Analyse wird durch automatische Warnmeldungen bei Grenzwertverletzungen zwar erleichtert, darf sich jedoch nicht nur auf diese beschränken. Die Analyse muss ganzheitlich auf alle Daten des Reliability Programs ausgerichtet sein, wenngleich Schwerpunkte auf Auffälligkeiten zu setzen sind.

Art und Umfang der Datenanalyse und -interpretation orientieren sich an der Größe der Flotte und den besonderen Eigenheiten des Reliability Programs. Mindestens sind folgende Quellen bei Auswertungsaktivitäten einzubeziehen:Footnote 15

  • Befunde aus der Maintenance,

  • Störungs-/Ausfallverhalten von Systemen und Geräten während des Flugbetriebs,

  • Ergebnisse von (Struktur-) Sampling Programmen.

Für die Datenanalyse (z. B. von Verbräuchen, Drücken, Temperaturen, Intervallen) spielen unter anderem die folgenden Parameter eine wichtige Rolle:

  • Nutzung des Flugzeugs (Airline, Charter, Low-Cost, VIP, bzw. hoch, gering, saisonal, Einsatzgebiet, Flight Cycle/Hour Verhältnis etc.),

  • Flottenstruktur,

  • Genauigkeit der gesammelten Daten,

  • Betriebs- und Instandhaltungsverfahren und -vorgaben.

Analysen und Interpretationen sollten eine Zustandsbeschreibung sowie eine Ursachenerläuterung beinhalten, auf Auswirkungen und Wiederholungsgefahren hinweisen und eine Benennung wesentlicher Risiken oder Probleme umfassen. Typische Aktivitäten im Rahmen der Datenauswertung sind z. B. Untersuchungen von Fehlerhäufungen, Trendanalysen und Zuverlässigkeitsprognosen sowie Interpretationen.

Der Analyse-Prozess sollte dabei nicht nur auf die Zuverlässigkeitsüberwachung ausgerichtet sein, sondern auch die Leistungsfähigkeit des Reliability Programms selbst im Blickfeld haben.

Datenaufbereitung

Im Anschluss an die Datensammlung und -auswertung muss sichergestellt sein, dass die Ergebnisse einschließlich etwaiger Warnmeldungen in angemessener Weise visualisiert werden. Hierzu bieten sich graphische und tabellarische Darstellungen an. Während jedoch die Datenerfassung auf Ebene der einzelnen Flugzeuge bzw. Überwachungsobjekte stattfindet, ist die periodische Datenaufbereitung auf Flottenebene (d. h. Flugzeuge des gleichen Musters) und somit kumuliert ausgerichtet.

Die Darstellungen sollen neben dem Ist-Zustand auch Entwicklungen und Trends anzeigen, Highlights hervorheben und wichtige Zusammenhänge, die im Rahmen der Datenerfassung erkennbar werden, sichtbar machen. Das Reporting ist sowohl an die operativ Ausführenden als auch an die betrieblichen Entscheidungsträger adressiert. Darüber hinaus werden dem Hersteller regelmäßig ausgewählte Daten des Reliability Monitorings für weiterführende Auswertungen und Analysen zur Verfügung gestellt.

Der Aufbau eines Reliability Reportings erfolgt üblicherweise nach ATA-Kapiteln, soweit die Auswertung nicht in gesonderten Zuverlässigkeitsprogrammen (z. B. Engine-, APU-, Struktur-Programmen) dargestellt wird.

Neben periodisch wiederkehrenden Reportings (meist monatlich) werden Reliability Reports auch bedarfsorientiert auf Anforderung erstellt. Diese beinhalten dann gezielte Informationen zu ausgewählten Sachverhalten oder Überwachungsobjekten (Flugzeuge, Triebwerke, Bauteile etc.). Abb. 5.4 zeigt exemplarisch die Datenaufbereitung bei der Lufthansa Technik AG für die 737-Flotte einer Muster-Airline.

Abb. 5.4
figure 4

Reliability-Management Tool m/reliability der Lufthansa Technik für Beispiel-Flotte

Entwicklung und Überwachung von Korrekturmaßnahmen

Wurde aufgrund von Grenzwertüberschreitungen und Analysen die Notwendigkeit eines Handlungsbedarfs ausgemacht, sind Korrekturmaßnahmen zu entwickeln und umzusetzen bzw. anzuweisen. Die Führung hat dabei üblicherweise das Engineering inne, das in Abhängigkeit des Befunds andere technische Abteilungen (Logistik, Produktion, Musterprüfleitstelle, Qualitäts- und Schulungsmanagement), den Flugbetrieb oder auch den Hersteller zur Entscheidungsfindung oder Realisierung hinzuzieht. Bei den Korrekturmaßnahmen kann es sich z. B. handeln um:

  • Änderung von Instandhaltungsmaßnahmen. Dies kann eine Ausweitung oder Reduzierung der Instandhaltung umfassen, d. h. eine Ergänzung, Änderung oder Streichung von Maintenance-Tasks,

  • Anpassung von Betriebsabläufen, Verfahren oder Trainingsinhalten,

  • Durchführung von Modifikationen,

  • Sonderprüfungen an der Flotte oder einzelnen Flugzeugen.

Um die Wirksamkeit der Korrekturmaßnahmen sicherzustellen, ist deren Umsetzung zu überwachen. Zusätzlich sind für eine angemessene Nachhaltigkeit ggf. Follow-Up-Aktivitäten und Analysen durchzuführen.

5.4 Behörden- und Herstellerbekanntmachungen

5.4.1 Airworthiness Directives (ADs)

Eine Airworthiness Directive (Lufttüchtigkeitsanweisung) ist eine behördlich angeordnete Maßnahme zur Wiederherstellung ausreichender Sicherheit an einem Luftfahrzeug bzw. einer Komponente. ADs richten sich an die Eigentümer und Betreiber von Luftfahrzeugen. Deren Umsetzung ist vorgeschrieben.

Die Luftfahrtbehörde entscheidet dann zugunsten der Veröffentlichung einer AD, wenn:Footnote 16

  • an einem Luftfahrzeug, einem Triebwerk bzw. Propeller oder einem Bau- bzw. Ausrüstungsteil ein Mangel vorliegt, der die Lufttüchtigkeit gefährdet und

  • dieser Zustand auch bei anderen Luftfahrzeugen besteht oder auftreten könnte.

Üblicherweise betreffen ADs einzelne oder wenige Flugzeug- oder Triebwerkmuster bzw. bestimmte Geräte oder Systeme.

Bei Veröffentlichung von ADs liegen Mängel vor, die im Musterzulassungsprozess noch nicht absehbar waren. Diese werden dann während des Flugbetriebs oder im Rahmen der Instandhaltung durch die Airlines bzw. luftfahrttechnischen Betriebe festgestellt. Nach Meldung an die zuständige Luftfahrtbehörde sowie den zuständigen Entwicklungsbetrieb wird von diesen das Gefahrenpotenzial ermittelt. Je nach Gefährdung werden zwei Kategorien von ADs unterschieden:

  1. 1.

    Emergency ADs von unmittelbarer Dringlichkeit. Deren Erfüllung erfordert sofortiges Handeln. Emergency ADs treten üblicherweise zwei Tage nach Ausgabedatum in Kraft.

  2. 2.

    ADs von abgeschwächter Dringlichkeit. Deren Erfüllung ist innerhalb eines bestimmten Zeitraums oder eines festgelegten Nutzungsintervalls (z. B. Flugstunden, Flight-Cycles) nachzuweisen.

Wird eine AD ungenehmigt überzogen (d. h. im vorgegebenen Zeitraum nicht durchgeführt), so gilt das betroffene Luftfahrzeug als nicht lufttüchtig und darf bis zur Umsetzung der angeordneten Maßnahmen nicht mehr im Flugbetrieb eingesetzt werden.

ADs, die auf technischen Mängeln beruhen, werden zumeist erstmalig durch die Luftfahrtbehörde jenes Landes veröffentlicht, in dem der Inhaber der Musterzulassung (TC- oder STC-Halter) ansässig ist. In jedem Fall werden technisch begründete ADs weltweit bekanntgegeben und innerhalb der Luftfahrtbranche verbreitet. Jede andere Luftaufsichtsbehörde muss dann entscheiden, ob sie diese für ihren Zuständigkeitsraum für mitgeltend erklärt. Neben technischen Mängeln basieren Airworthiness Directives gelegentlich auch auf Änderungen in nationalen oder internationalen Luftfahrt-Regelwerken.

In Europa werden Airworthiness Directives von der Agentur herausgegeben. Diese veröffentlicht alle in ihrem Zuständigkeitsbereich gültigen ADs auf ihrer Homepage über das sog. Airworthiness Directives Publishing Tool (siehe auch Abb. 5.5) .Footnote 17 ADs ausländischer Behörden werden im Normalfall direkt von der Agentur übernommen und nicht noch einmal als eigene AD herausgegeben. Die nationalen Behörden innerhalb der EU (LBA etc.) unterstützen bei der Verbreitung.

Abb. 5.5
figure 5

Airworthiness Directives Publishing Tool der EASA

Um eine korrekte und zeitgerechte Behebung sicherheitsgefährdender Mängel gewährleisten zu können, enthalten ADs mindestens die folgenden Angaben (vgl. auch Abb. 5.6 Footnote 18):

  • Beschreibung des unsicheren Zustands oder Mangels,

  • Benennung des betroffenen Luftfahrzeugtyps,

  • Beschreibung der durchzuführenden Maßnahmen,

  • Fristsetzung zur Durchführung der verpflichtenden Maßnahmen,

  • Datum des Inkrafttretens der AD.

Abb. 5.6
figure 6

Airworthiness Directive (AD) der Agentur (zu Darstellungszwecken gekürzt)

Bei der Herausgabe technischer ADs sind die Luftfahrtbehörden üblicherweise auf die Unterstützung des betroffenen TC- oder STC Halter angewiesen. Meist kann nur dieser präzise Informationen zur Kritikalität sowie zu Art und Umfang des Mangels liefern und zugleich die betroffenen Luftfahrzeuge identifizieren.

Auch ist üblicherweise nur der TC- bzw. STC Halter in der Lage, aus den Mängeln wirkungsvolle Nachbesserungsmaßnahmen z. B. in Form von Inspektionen, Modifikationen oder Reparaturen abzuleiten und genehmigte Umsetzungsanweisungen (Approved Maintenance Data) zu formulieren. Daher ist der TC- oder STC Halter auch verpflichtet, die Behörde bei der Verbreitung einer AD zu unterstützen. Diese müssen – parallel mit der Veröffentlichung einer AD durch die Behörde – allen bekannten Benutzern oder Besitzern des betreffenden Produkts, Bau- oder Ausrüstungsteils und auf Anforderung allen sonstigen Personen, die nötigen Informationen und Durchführungsanleitungen zur Verfügung stellen.Footnote 19

Die Agentur kann den Luftfahrzeugeigentümern oder Haltern in begründeten Fällen die Möglichkeit einräumen, von Airworthiness Directives abzuweichen. In einem solchen Fall ist eine Alternative Method of Compliance (AMOC) zu erbringen. Dazu muss nachgewiesen werden können, dass auch die Abweichung von der AD den Mangel am luftfahrttechnischen Gerät zu beheben vermag. Zudem muss mit einer AMOC nicht nur ein hinreichendes, sondern auch ein mit der AD vergleichbares Sicherheitsniveau erzielt werden.

Neben ADs veröffentlicht die Agentur Safety Information Bulletins (SIB). Bei diesen Veröffentlichungen handelt es sich um Umsetzungsempfehlungen der Agentur, die zwar sicherheitsrelevanten Charakter aufweisen, deren Nichtbefolgung jedoch keine Gefährdung der Lufttüchtigkeit nach sich zieht. SIB werden somit immer dann herausgegeben, wenn das Risikopotenzial eines Mangels nicht die Veröffentlichung einer AD rechtfertigt.

5.4.2 Herstellerbekanntmachungen

Neben verpflichtenden Airworthiness Directives, die durch die Luftfahrtbehörden publiziert werden, geben HerstellerFootnote 20 von Luftfahrzeugen und Triebwerken bzw. die Inhaber der Musterzulssung regelmäßig unverbindliche Service Bulletins (SBs) an ihre Kunden heraus. Die Umsetzung von SBs ist freiwillig, da deren Inhalt im Normalfall keine oder nur geringe Sicherheitsrelevanz aufweist.Footnote 21

Service Bulletins stellen nicht notwendigerweise einen Qualitätsmangel dar, so dass die Veröffentlichung eines SBs auch nicht mit einem Rückruf vergleichbar ist. So ist der Hersteller weder verpflichtet, SBs zu veröffentlichen, noch SBs für den Kunden durchzuführen oder die Kosten für deren Umsetzung zu übernehmen.

Üblicherweise beinhalten Service Bulletins technische Maßnahmen (z. B. Modifikationen), die der Optimierung des Flugbetriebs oder der Erhöhung des Passagierkomforts dienen. Mit dem SB stellt der Hersteller detaillierte Informationen für deren Durchführung bereit (z. B. zu Ausführung, Material und Betriebsmittel). Üblicherweise hat die zugehörige Dokumentation bereits den Charakter von Approved Maintenance Data.

Vielfach basieren SBs auf neuen Erkenntnissen der TC-Halter im Rahmen aktueller Entwicklungsaktivitäten. SBs finden ihren Ursprung jedoch ebenso im Erfahrungsaustausch zwischen Herstellern und Eigentümern bzw. Betreibern sowie Instandhaltungsbetrieben. Das so gewonnene Wissen greifen die Hersteller auf, entwickeln es ggf. weiter und geben es in Form von SBs an ihre Kunden weiter.

Da Service Bulletins freiwilligen Charakter haben, entscheiden die Halter oder deren Instandhaltungsbetriebe im Rahmen einer SB-Analyse für jeden Einzelfall über eine Umsetzung. Hersteller klassifizieren ihre SBsFootnote 22 üblicherweise, um den Betreibern die Entscheidungsfindung zu erleichtern.

Das zuständige Engineering des Luftfahrzeugbetreibers stellt Vorteile bzw. Nutzen, den Nachteilen bzw. Kosten einer Ausführung gegenüber. Auf dieser Basis spricht das Engineering eine Empfehlung für bzw. gegen die Durchführung der SB-Maßnahme aus.

Ist die Entscheidung zugunsten einer SB-Umsetzung gefallen, muss diese individuell durch jede Airline oder jeden Instandhaltungsbetrieb geplant und umgesetzt werden. Dies geschieht üblicherweise durch die Umwandlung des SBs in eine Engineering Order (EO). Das Engineering greift hierzu üblicherweise auf die genehmigten SB-Umsetzungsvorgaben des Herstellers zurück und terminiert die Ausführung der SB-Maßnahme.

Einige Fluggesellschaften verzichten bewusst (z. B. aus Kostengründen) und regelmäßig auf die Umsetzung von Service Bulletins und konzentrieren sich weitestgehend auf die Erfüllung von ADs.

Neben Service Bulletins publizieren einige Hersteller regelmäßig Service Letter (SL) oder auch Service Information Letter (SIL). Bei diesen handelt es sich um Empfehlungen für die Optimierung der Instandhaltungsausführung. Diese Letter beinhalten Informationen, die die Arbeit in der Instandhaltung erleichtern, beschleunigen oder den Aufwand reduzieren. Darüber hinaus werden über derlei Rundschreiben alternative Austauschteile (Part-Nummern) veröffentlicht. Auch werden auf diesem Weg Änderungen im Aircraft-Maintenance Manual bekanntgegeben, die noch nicht über eine offizielle Revision veröffentlicht wurden. Vorab werden die Kunden somit über anstehende Anpassungen informiert, bevor diese verbindlichen Charakter annehmen. Service (Information) Letter haben somit überwiegend Convenience Charakter, so dass keine Verpflichtung zu deren Beachtung besteht.