4.1 Kulturförderung

In Deutschland existiert eine klassisch föderale Struktur. Die Kultur ist Ländersache und damit sind in jedem Bundesland andere Regeln und andere Zustände in Bezug auf die politischen und finanziellen Bedarfe entstanden. Dies zeigt sich bereits bei der Ressortaufteilung in den jeweiligen Bundesländern – so hat Hamburg eine Kulturbehörde, in Bayern ist es das Bayrische Staatsministerium für Unterricht und Kultus und in Berlin ist das Resort dem Bürgermeister direkt unterstellt und damit eine Senatskanzlei für Kultur und Europa usw. usw.

Dementsprechend ist auch der Stellenwert, den die Kultur in den Ländern einnimmt, immer ein anderer. Zum gemeinsamen, überregionalen Austausch gibt es die Kultusministerkonferenz, die sich um alle Fragen der Kultur und der Bildung kümmert (mehr Informationen unter www.kmk.org).

Auf Bundesebene gibt es in Deutschland seit 1998 einen Staatsminister beim Bundeskanzler bzw. einen Beauftragten für Kultur und Medien (Bundesregierung 2010), der sich um gesamtdeutsche Themen kümmert. Das bedeutet einmal die Subventionierung der gesamtdeutschen Kultureinrichtungen wie der Bundeskunsthalle in Bonn, auf der anderen Seite aber auch die Förderung der Kulturstiftung des Bundes und übergeordneter Themen wie die Kultur- und Kreativwirtschaft.

In Zahlen ausgedrückt besagt das Folgendes: Laut des Kulturfinanzberichtes 2016, herausgegeben vom Statistischen Bundesamt (Destatis), gaben Bund, Länder und Gemeinden zusammen im Jahr 2013 9,9 Mrd. EUR für Kultur aus.Footnote 1

Den Löwenanteil der Kulturfinanzierung übernehmen in Deutschland die Gemeinden mit circa 45 % (rund 4,5 Mrd. EUR) und die Länder mit circa 41 % (rund 4,1 Mrd. EUR). Der Bund hingegen hat einen Anteil von circa 14 % (rund 1,3 Mrd. EUR) an den öffentlichen Kulturausgaben.

Wenn man das zu den Gesamtetats in Bezug setzt, dann handelt es sich ungefähr um 1,68 % des gesamten Budgets, das die öffentliche Hand für die Kultur zur Verfügung stellt.

Betrachtet man die privaten Förderer, so gibt es keine einheitliche Statistik, die eine verlässliche Gesamtzahl aller privaten Gelder auflistet. Daher gibt es verschiedene Einschätzungen. Während eine Vertreterin der Kulturpolitischen Gesellschaft (Blumenreich 2010) den Anteil der privaten Mittel an der gesamten Kulturfinanzierung auf ca. 5 % schätzt, hat der Kulturkreis im BDIFootnote 2 den Anteil bei ca. 10 % eingeordnet.

4.2 Kulturpolitik

Jedes Bundesland in Deutschland hat durch das oben genannte föderale Prinzip seine eigenen kulturpolitischen Ansätze und Handlungsrahmen. Dies sieht man nicht nur an den verschieden hohen Budgets, sondern auch an Rechtsstrukturen (ein Beispiel: 1999 wurden in Hamburg alle öffentlich geförderten Museen in Stiftungen umgewandelt) oder an Schwerpunkten der jeweiligen Kulturpolitiker (so wird zum Beispiel die Soziokultur in 15 von 16 Bundesländern gefördert und in 12 Ländern gibt es offizielle Dokumente, wie diese Förderung aussehen soll, vgl. Blumenreich 2010).

Deutschland ist nach wie vor eines der Länder der Welt, in denen Kultur grundsätzlich einen hohen politischen Stellenwert hat und in dem es undenkbar wäre, die staatlichen Kulturausgaben zu streichen. Auch wenn es in fast allen Ländern und Städten momentan zu Streichungen kommt, so sind diese immer im Verhältnis zu den anderen Ressorts zu betrachten. Beispielsweise ist Deutschland eines der Länder der Welt mit der höchsten Anzahl von Theatern pro KopfFootnote 3 – und das nicht zuletzt wegen der staatlichen institutionellen Subvention für alle Staats- und Stadttheater.

Diese hohe institutionelle Förderquote ist auch der Grund dafür, dass die Kulturpolitiker keinen großen Spielraum für neue Impulse, neue Schwerpunktsetzungen oder Veränderungen der Förderpolitik haben. Im Schnitt sind zwischen 93 und 95 % der Kulturetats bereits an die institutionellen Förderungen für Opernhäuser, Museen, Theater, Symphonieorchester etc. gebunden – es bleiben also 5 bis 7 %, um Neues zu wagen oder Veränderungen zu bewegen.

Dazu kommt, dass es momentan weder einheitliche Regelungen zur Evaluation von institutioneller Förderung gibt, noch überhaupt einen kontinuierlichen Einsatz von Evaluation. In Bezug auf Projektgelder sieht das etwas anders aus, denn natürlich wird für jede Projektzusage auch ein Verwendungsnachweis angefordert, in dem meist nicht nur dargelegt werden soll, wofür die Gelder ausgegeben wurden, sondern auch, wie erfolgreich das Projekt war und ob die gesetzten Ziele erreicht worden sind. In Bezug auf Institutionen gibt es wenige Beispiele einer ganzheitlichen Evaluation, keines davon hatte Förderentscheidungen zur Folge,Footnote 4 wobei tatsächlich diskussionswürdig ist, ob eine Förderentscheidung anhand einer einmal durchgeführten Evaluation sinnvoll ist.

Die Wichtigkeit des Themas Evaluation in der Kulturpolitik wird aber angesichts mittel- und langfristig sinkender oder im besten Fall stagnierender Kulturbudgets immer stärker diskutiert und eingefordert. Immer mehr Länder und Städte haben klare Controlling-Systeme auch für die staatlich subventionierten Kulturinstitutionen entwickelt und versuchen durch Quartalsgespräche, die Entwicklung der Institutionen kontinuierlich und regelmäßig zu steuern. Neben diesen rein quantitativen Berichten wird immer häufiger auch versucht, qualitative Instrumente mit einzusetzen.

Die internationalen Beispiele aus dem vorigen Kapitel zeigen, wie viel offensiver zum Teil unsere Nachbarn mit dem Thema Evaluation als Instrument kulturpolitischer Entscheidungen umgehen. Während einige der Veränderungen in der Schweiz und auch in den Niederlanden durch eine Evaluation der Kulturpolitik und ihrer Fördergrundsätze resultieren, findet man in Deutschland keinerlei Ansätze, die Kulturpolitik selbst zu evaluieren.Footnote 5

4.3 Evaluation

Aus Perspektive der DeGEval ist die Koppelung von Evaluationen an Entscheidungsprozesse eine notwendige Bedingung, um in Politik, Wirtschaft und anderen Handlungsfeldern zu einer reflexiven Haltung bei Entscheidungsträgerinnen und -trägern beizutragen, Steuerung sachlich zu fundieren und Wirkungen abzuschätzen. Damit tragen Evaluationen zu einer evidenzbasierten Politik und Praxis bei (DeGEval 2008). In einem Positionspapier aus dem Jahr 2017 bestätigt die DeGEval, dass sich „In der Politik in den vergangenen Jahren eine stetige Zunahme der Verwendung des Evaluationsbegriffs zeigt, beispielsweise in der parlamentarischen Arbeit. Dieser Zuwachs verbleibt bisher allerdings vorwiegend im Nominellen, […]. Für die Evaluation in der Politik ist also nach wie vor ein Umsetzungsdefizit zu konstatieren“ (DeGEval 2017).

Zum Stand der Dinge im Bereich Kultur und Kulturpolitik statuieren Böttcher et al. allerdings im Jahr 2014, dass es in Deutschland und in Österreich noch keine etablierte Evaluationskultur gibt (Böttcher 2014, S. 10).

Zu unterscheiden ist auch hier die nationale Ebene von der städtischen und kommunalen Ebene. Während auf der nationalen Ebene oftmals Dokumente und Evaluationen beauftragt werden, um ganze Subventionssysteme zu überprüfen und Strukturveränderungen vorzuschlagen, geht es auf der Ebene der Städte und Kommunen meist um Entscheidungen, die explizit Institutionen betreffen.

4.3.1 Nationale Ebene

Beispiele auf der nationalen Ebene sind verschiedene Enquete-Kommissionen. Besonders soll hier die Enquetekommission zum Thema Kultur in Deutschland genannt werden. Solche Enquetekommissionen werden überparteilich besetzt und fokussieren sich auf ein spezielles Thema und erarbeiten in einer begrenzten Zeit (in diesem Falle 2005 bis 2007) eine Aussage dazu, wie der Status ist und welche Handlungen empfohlen werden. Im Gesamten handelt es sich also nicht um eine reine Evaluation, im Laufe der Kommission werden allerdings viele Fachgutachter beauftragt und auch qualitative Evaluationsmethoden, wie Fachanhörungen etc., eingesetzt. So umfasst der Schlussbericht vom 11. Dezember 2007 der Kommission, die am 15. Dezember 2005 vom Deutschen Bundestag berufen wurde, 512 Seiten und beschäftigt sich sehr umfassend mit vielen Aspekten der Kulturförderung in Deutschland.Footnote 6 Dies ist auch ein gutes Beispiel der nationalen politischen Evaluation, denn die Enquetekommissionen sollen dem Bundestag nicht nur den Stand des Themas unterbreiten, sondern auch erarbeitete Handlungsempfehlungen vorlegen.

4.3.2 Kommunale Ebene

Evaluationen haben auf der kommunalen Ebene oftmals die Funktion der Kontrolle und der Legitimation. Im Kulturbereich werden meistens Expertenevaluationen in Bezug auf künstlerische Themen herangezogen. Dies passiert aus dem Grund, dass es schwierig ist, Kriterien zur Messung kultureller Qualität festzusetzen, andererseits aber Aussagen über Mittelverteilung getroffen werden müssen.

Entscheidend dabei ist, ob die Verwaltung und die Politik den Mut haben, die Ergebnisse der Evaluationen auch wirklich umzusetzen. Nicht immer sind die Ergebnisse so, dass sie der momentanen finanziellen oder politischen Lage opportun erscheinen. Dem Nichtbefolgen einer Expertenevaluation aber folgt immer eine Einschränkung der Glaubwürdigkeit der Politik und der Verwaltung einerseits und ein gewisser Gesichtsverlust der Experten in der Szene andererseits.

Privattheater-Evaluation in Hamburg

Im Jahr 2008 (2007 in Auftrag gegeben) wurde in Hamburg eine Privattheater-Evaluation durchgeführt. Ziel war es, die Fördermittelvergabe an die Privattheater in Hamburg zu untersuchen und eine Aussage zu treffen, ob die Finanzierung ausreichend ist und wie auch neue Theater aufgenommen werden können. Gewählt wurde die Form der Expertenevaluation. Es wurden keine Kriterien für die künstlerische Qualität der einzelnen Häuser aufgesetzt, sondern Kriterien aus dem Bereich des Managements (unter anderem professionelle Führung des Theaters, Nachweis eines regelmäßigen Spielbetriebs, Erkennbarkeit eines spezifischen künstlerischen Profils innerhalb der Hamburger Privattheaterszene, Darstellung eines nachhaltigen, zielgruppenorientierten Theaterkonzeptes, Nachweis der Akzeptanz, gemessen an der Auslastung, Nachweis lokaler, regionaler und überregionaler Kooperationen mit Theatern, Festivals etc., Nachweis eines kontinuierlichen Qualitätsmanagements und einer regelmäßigen Erfolgskontrolle und die Darlegung eines Finanzierungsplans).

Nach Aussage der Experten in der Evaluation hat „das kulturelle Verwertungskonzept der Kunst zu dienen; es entwirft und organisiert die personelle, materielle und finanzielle Mittelverwendung so effizient wie möglich.“ (Privattheater 2008, S. 18).

Hierbei handelt es sich um ein erfolgreiches Beispiel, da die Politik und die Behörde der Expertenevaluation gefolgt sind und trotz finanziell schwieriger Lage die Mittel erhöht haben.

Kultur als Wirtschafts- und Imagefaktor

Neben der Bedeutung als großem Subventionsnehmer fällt der Kultur in den letzten Jahren immer stärker eine Bedeutung als Wirtschafts- und Imagefaktor zu. Mit der Zunahme der Bedeutung des Kulturtourismus in Deutschland wurde auch erkannt, dass Kulturinstitutionen einen Teil der Attraktivität der Städte ausmachen (Tourismusverband 2006). In ihrer Statistik aus dem Jahr 2018 wird deutlich, dass der Besuch kultureller und historischer Sehenswürdigkeiten mit 57 % an erster Stelle der Deutschen bei Reisen im Inland steht (Tourismusverband 2018). Es wurde und wird versucht, einen „return on cultural investment“ deutlich zu machen. Diese Entwicklung ist in den anglo-amerikanischen Ländern schon viel länger Teil der kulturpolitischen Diskussion und Legitimation. So führt beispielsweise das Metropolitan Museum of Art in New York bereits seit 1975 Studien durch zum „economic impact“ seiner Museumstätigkeiten (Reussner 2010, S. 177).

Caspar David Friedrich-Ausstellung in Hamburg

Das Bremer Institut für empirische Handels- und Regionalstrukturforschung der Hochschule Bremen hat begleitend zur Sonderausstellung „Caspar David Friedrich“ in der Hamburger Kunsthalle im Jahre 2007 eine Besucherumfrage bei einem Prozent der Besucher durchgeführt. Hierbei sollten insbesondere die Wirkung der Marketingmaßnahmen sowie die möglicherweise entstandenen Imageeffekte und die regionalökonomischen Wirkungen untersucht werden. Unter anderem kam dabei heraus, dass 115.150 Besucher nur wegen der Ausstellung nach Hamburg kamen, dabei übernachtete die Mehrzahl der Besucher in Hotels und verband den Aufenthalt in der Stadt mit weiteren Ausgaben für gastronomische Angebote und Shopping. Daraus ergeben sich nach der Berechnung des Marktforschungsinstituts Ausgaben der Besucher in Höhe von ca. 8 Mio. EUR (zwischen 7,7, und 8,3 Mio. EUR, je nach Berechnung; Kunsthalle 2007, S. 34).

Zusammenfassend soll hier die Darstellung von Reinhard Stockmann aufgenommen werden, welche die Evaluation mit einer dreifachen Zweckbestimmung auszeichnet, die eben nicht nur die Institution, sondern auch die Politik und die Gesellschaft betrifft.

Die Abb. 4.1 verdeutlicht die Bedeutung, die Evaluation im politischen Bereich haben kann. Es geht dabei nicht nur um Effizienz und Effektivität, sondern auch um Glaubwürdigkeit. Die Glaubwürdigkeit der kulturpolitischen Entscheidungen wird in den nächsten Jahren immer wichtiger werden, denn wenn die Mittel weiterhin stagnieren oder sinken sollten, wird es langfristig nicht möglich sein, prozentuale Kürzungen durchzuhalten, da zwangsläufig irgendwann keine Institution mehr lebensfähig sein wird. Das bedeutet in der Konsequenz, dass ganze Institutionen geschlossen werden müssen oder die Budgets entgegen dem Trend des Gesamtbudgets bewusst nach oben gesetzt werden. Für beide Fälle bedarf es glaubwürdiger und klarer Argumentationen.

Abb. 4.1
figure 1

(Quelle: Stockmann und Meyer 2010, S. 20)

Evaluation zwischen Gesellschaft und Politik.