Zusammenfassung
Vor dem Hintergrund des Verlustes der Vorrangstellung traditioneller Religion bei ethischen Fragen wirft der Beitrag die Frage auf, wie WissenschaftlerInnen in der ethisch umstrittenen Stammzellforschung ihr eigenes Handeln legitimieren. Dabei steht deren Kommunikation über ihre Arbeit, ihre Motivation und potenzielle ethische Konflikte im Fokus, welche mit religiösen Selbstbeschreibungen in Verbindung gesetzt wird. Ausgehend von erhobenem Interviewmaterial mit StammzellforscherInnen zeigt die Autorin, dass dichotome Sichtweisen wie ›religiös‹ versus ›säkular‹ oder ›Religion‹ versus ›Wissenschaft‹ wenig zur Beschreibung von Legitimationsprozessen dienen. Durch die in der Kommunikation hervorgebrachten Positionierungen lässt sich vielmehr ein weitreichendes Spektrum rekonstruieren, welches offenbart, dass ›religiöse‹ Selbstzuschreibungen keine Prognosen hinsichtlich ethischer Standards in der Arbeit mit Stammzellen zulassen.
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Notes
- 1.
Zwar wird die lange Zeit dominante Säkularisierungsthese inzwischen vielfältig in Frage gestellt (Habermas und Ratzinger 2005) und differenziert (Wohlrab-Sahr und Burchardt 2012), gleichwohl bleibt an anderer Stelle der Bedeutungsverlust religiöser Bindungen weiterhin selbstverständlicher Ausgangspunkt zur Charakterisierung der Postmoderne (vgl. Bauman 2010; Beck 2007).
- 2.
Die Studie ist eine von zwei ethnografischen Fallstudien, die im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projektes »Wissenschaft und Religionskultur. Identitätskonstruktionen in der Stammzellforschung in Deutschland und in den USA« umgesetzt wurden. Das Manuskript für diesen Beitrag wurde in einer frühen Phase des Projektes fertig gestellt. Für weitere konzeptionelle und empirische Entwicklungen siehe Gülker 2019.
- 3.
In diesem Sinne stellt auch Vorländer (2013) das Verhältnis zwischen Transzendenz und politischer Ordnung her.
- 4.
Allen an der Studie beteiligten Wissenschaftler/innen wurde Vertraulichkeit zugesagt. Entsprechend wurden die Namen verändert und in der Darstellung von biografischen und arbeitsbezogenen Details wird darauf geachtet, dass keine Rückschlüsse auf Personen möglich sind.
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Gülker, S. (2020). Religiöse Kommunikation im Labor: Konstruktionen von letztgültigem Sinn in der Stammzellforschung. In: Schnettler, B., Szydlik, T., Pach, H. (eds) Religiöse Kommunikation und weltanschauliches Wissen. Wissen, Kommunikation und Gesellschaft. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-21785-3_7
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