Zusammenfassung
Für die Konstruktion ostdeutscher Identitäten können zum einen Mechanismen der Fremd- und zum anderen der Selbstkonstruktion identifiziert werden. Im Zentrum der folgenden Überlegungen stehen die Wechselwirkungen zwischen vor allem medialen Praxen der Konstruktion eines ostdeutschen Kollektivsubjekts und den narrativen Praxen der Selbstkonstruktion von VertreterInnen der Wendegeneration. Erstere erfolgen am Beispiel von Ostdeutschland vor allem auf öffentlich-medialer Ebene sowie im Kontext interpersoneller Begegnungen. So konnten zum Beispiel Ahbe (2009), Kollmorgen (2011, S. 301–395) sowie Pates und Schochow (2013) zeigen, dass sich das negative Bild der Ostdeutschen im öffentlichen Diskurs in den letzten 20 Jahren kaum verändert hat.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Notes
- 1.
Zum „Rostocker-Generationen-Modell“ siehe die Einleitung von Lettrari et al. in diesem Band.
- 2.
Ursprünglich geht das Theorem der Interpellation, der „Anrufung“, auf Louis Althusser zurück, der es erstmals 1969 in einem Aufsatz formulierte. Althusser zufolge ist es die Ideologie, – in Form von Vertretern der ideologischen Staatsapparate – die das Individuum „anruft“ und zum Subjekt konstituiert (Althusser 2010). Siehe dazu auch den Kommentar von Posselt (2003). Judith Butler greift das Theorem von „Anrufung“ und „Subjektivierung“ in ihrer Auseinandersetzung mit der sozialen Konstruktion von Geschlecht auf (1991). Foucault untersucht in seinen Schriften die Interdependenzen von Subjektkonstitution und diskursiven Praktiken (Foucault 1991; 1977).
- 3.
Eigene qualitative Erhebung narrativer Interviews mit VertreterInnen der Wendegeneration (Erhebungszeitraum 2013 bis 2015) sowie weiteres Interviewmaterial (z. B. aus Pressetexten).
- 4.
Auszug Interview-Transkript, durchgeführt am 29.04.2013.
- 5.
Auszug Interview-Transkript, durchgeführt am 27.06.2013.
- 6.
Ebd.
- 7.
Auszug Interview-Transkript, durchgeführt am 29.04.2013.
- 8.
Ebd.
- 9.
Ebd.
- 10.
Ebd.
- 11.
Vgl. z. B. den öffentlichen Diskurs des „Netzwerkes 3te Generation Ostdeutschland“. http://netzwerk.dritte-generation-ost.de/. Zugegriffen: 29.03.2015.
- 12.
Auszug Interview-Transkript, durchgeführt am 29.04.2013.
- 13.
Ebd.
- 14.
2013 gründeten MitinitiatorInnen des Netzwerkes 3te Generation Ostdeutschland unter dem Namen „Perspektive3“ einen Verein, der verschiedene Kultur-, Bildungs-, und Forschungsprojekte zu Themen der Dritten Generation Ost initiiert. https://perspektivehochdrei.wordpress.com/. Zugegriffen: 29.03.2015.
- 15.
Die verschiedenen, Identitäten konstituierenden Elemente können nicht unabhängig voneinander betrachtet werden. Welchen Stellenwert ein spezifischer Identitätsmarker für die jeweils individuellen Identitätskonstruktionen hat, ist demnach auch von anderen sozialen und Identitäten konstituierenden Faktoren abhängig (z. B. Bildung, Milieu, Ethnie, Geschlecht etc.) (Butler 1991, S. 20; Villa 2012, S. 37).
- 16.
Eigene qualitative Erhebungen zwischen 2013 und 2015.
- 17.
Auszug Interview-Transkript, durchgeführt am 27.06.2013.
- 18.
Eigene Befragung, Gesprächsnotiz 2014.
- 19.
Auszug Interview-Transkript, durchgeführt am 11.05.2013.
- 20.
Auszug Interview-Transkript, durchgeführt am 11.05.2013.
- 21.
Auszug Interview-Transkript, durchgeführt am 20.03.2014.
- 22.
- 23.
Die Autorinnen konstatieren weiterhin signifikante Unterschiede hinsichtlich des Erwerbsverhaltens ost-und westdeutscher Frauen im Kontext von Familiengründung sowie der Familienstrukturen und des Heiratsverhaltens.
- 24.
Die Autorin attestiert ostdeutschen Frauen und Männern in Hinblick auf die Einstellung zur und Realisierung der (Voll-) Erwerbstätigkeit von Frauen einen Modernitätsvorsprung. (Kreyenfeld und Trappe 2013).
Literatur
Ahbe, Thomas, Rainer Gries, und Wolfgang Schmale, Hrsg. 2009. Die Ostdeutschen in den Medien. Das Bild von den Anderen nach 1990. Leipzig: Leipziger Universitätsverlag GmbH.
Althusser, Louis. 2010 [1977]. Ideologie und ideologische Staatsapparate: Aufsätze zur marxistischen Theorie. In Louis Althusser. Gesammelte Schriften, Hrsg. Frieder Otto Wolf, 37–71. Hamburg: VSA.
Bürgel, Tanja. 2004. Mauerfall-Kinder. Wie orientieren sich junge Ostdeutsche 15 Jahre nach der Wende? Berliner Debatte Initial 15 (4): 16–25.
Bürgel, Tanja. 2006. Gibt es eine vom ostdeutschen Umbruch geformte Generation? Zu Prägungen und Perspektiven ostdeutscher Mauerfall-Kinder. In Die DDR aus generationengeschichtlicher Perspektive. Eine Inventur, Hrsg. Annegret Schüle, Thomas Ahbe, und Rainer Gries, 455–471. Leipzig: Leipziger Universitätverlag.
Butler, Judith. 1991. Das Unbehagen der Geschlechter. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Butler, Judith. 1998. Haß spricht. Zur Politik des Performativen. Berlin: Berlin Verlag.
Butler, Judith. 2001. Psyche der Macht. Das Subjekt der Unterwerfung. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Butler, Judith. 2003. Kriti der ethischen Gewalt. Adorno Vorlesungen 2002. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Foucault, Michel. 1976. Die Geburt der Klinik. Eine Archäologie des ärztlichen Blicks. Frankfurt a. M.: Ullstein.
Foucault, Michel. 1977. Wahnsinn und Gesellschaft. Eine Geschichte des Wahns im Zeitalter der Vernunft. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Foucault, Michel. 1982. The Subject and Power. Afterword. In Michel Foucault: Beyond Structuralism and Hermeneutics. Hrsg. Hubert L. Dreyfus, und Paul Rabinow, 208–226, Chicago: University of Chicago Press.
Foucault, Michel. 1991. Die Ordnung des Diskurses. Frankfurt a. M.: Fischer.
Frank, Nina, und Svenja Starke. 1995. Fremdes Inland. Über die „Ostbilder“ der Projektmitglieder. In Spiegelbilder. Was Ost- und Westdeutsche übereinander erzählen, Hrsg. Ludwig-Uhland-Institut für Empirische Kulturwissenschaft, 55–65. Tübingen: Tübinger Vereinigung für Volkskunde e. V.
Gelhard, Andreas, Thomas Alkemeyer, und Norbert Ricken, Hrsg. 2013. Techniken der Subjektivierung. München: Wilhelm Fink Verlag.
Hensel, Jana. 2009. Achtung Zone. Warum wir Ostdeutschen anders bleiben sollten. München: Piper.
Hollersen, Wiebke, und Jochen-Martin Gutsch. 2009. Wir werden niemals etwas erben. Spiegel Special 9 (1): 65–69.
Kastner, Daniel. 2011. Ostdeutsch geboren. Damals, als der Westen kam. Spiegel Online. http://www.spiegel.de/unispiegel/wunderbar/ostdeutsch-geboren-damals-als-der-westen-kam-a-772920.html. Zugegriffen: 30.03.2015.
Kollmorgen, Raj. 2011. Subalternisierung. Formen und Mechanismen der Missachtung Ostdeutscher nach der Vereinigung. In Diskurse der deutschen Einheit. Kritik und Alternativen, Hrsg. Raj Kollmorgen, Thomas Frank, und Hans-Liudger Dienel, 301–359. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Kreyenfeld, Michaela, und Heike Trappe. 2013. Wandel der Familie in Ost- und Westdeutschland: Unterschiede und Gemeinsamkeiten. Forschungsbericht Max-Planck-Gesellschaft. http://www.mpg.de/6726692/MPIDF_engl_MPIDR_JB_20133?c=7291695&force_lang=En-US. Zugegriffen: 29.03.2015.
Kröhnert, Steffen. 2009. Analysen zur geschlechtsspezifisch geprägten Abwanderung Jugendlicher. In Regionale Abwanderung Jugendlicher: Theoretische Analysen, empirische Befunde und politische Gegenstrategien, Hrsg. Wilfried Schubarth, und Karsten Speck, 91–110. Weinheim: Juventa Verlag.
Kröhnert, Steffen. 2010. Bevölkerungsentwicklung in Ostdeutschland. In Online-Handbuch Demografie. http://www.berlin-institut.org/online-handbuchdemografie/bevoelkerungsdynamik/regionale-dynamik/ostdeutschland.html. Zugegriffen: 29.03.2015.
Lindner, Bernd. 2003. Die Generation der Unberatenen. Zum Profil der letzten DDR-Jugendgeneration. Berliner Debatte Initial 14 (2): 28–34.
Ludwig-Uhland-Institut für Empirische Kulturwissenschaft, Hrsg. 1995. Spiegelbilder. Was Ost-und Westdeutsche übereinander erzählen. Tübingen: Tübinger Vereinigung für Volkskunde.
Mannheim, Karl. 1928. Das Problem der Generationen. In Kölner Vierteljahreshefte für Soziologie 7 (2): 158–185.
Martens, Bernd. 2010. Zug nach Westen – Anhaltende Abwanderung. In Lange Wege der deutschen Einheit. Bundeszentrale für politische Bildung. http://www.bpb.de/geschichte/deutsche-einheit/lange-wege-der-deutschen-einheit/47253/zug-nach-westen?p=all. Zugegriffen: 29.03.2015.
Pates, Rebecca, und Maximilian Schochow, Hrsg. 2013. Der „Ossi“. Mikropolitische Studien über einen symbolischen Ausländer. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Posselt, Gerald. 2003. Kommentar zu Louis Althusser (1977). Produktive Differenzen. Forum für Differenz und Genderforschung. http://differenzen.univie.ac.at/bibliografie_literatursuche.php?sp=19. Zugegriffen: 29.03.2015.
Spellerberg, Annette. 1996. Frauen zwischen Beruf und Familie. In Wohlfahrtsentwicklung im vereinten Deutschland. Sozialstruktur, sozialer Wandel und Lebensqualität, Hrsg. Wolfgang Zapf, und Roland Habich, 99–121. Berlin: Edition Sigma.
Villa, Paula-Irene. 2012. Judith Butler zur Einführung. Frankfurt a. M.: Campus Verlag.
Wolff, Sascha. 2006. Migration und ihre Determinanten im ost-westdeutschen Kontext nach der Wiedervereinigung. Ein Literaturüberblick. Econstor http://www.econstor.eu/bitstream/10419/31959/1/515893765.pdf. Zugegriffen: 29. März 2015.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 2016 Springer Fachmedien Wiesbaden
About this chapter
Cite this chapter
Flack, J. (2016). Zwischen Anrufung und Subjektivierung: Diskursive und narrative Praxen ostdeutscher Identitätskonstruktionen nach 1989 am Beispiel der Wendegeneration. In: Lettrari, A., Nestler, C., Troi-Boeck, N. (eds) Die Generation der Wendekinder. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-11480-0_5
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-11480-0_5
Published:
Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-658-11479-4
Online ISBN: 978-3-658-11480-0
eBook Packages: Social Science and Law (German Language)