Zusammenfassung
Susanne Pernicka, Stefan Lücking und Markus Ellmer befassen sich in ihrem Beitrag mit der Frage, welche Handlungsrationalitäten hochqualifizierte Beschäftigte auf unterschiedlichen institutionellen Feldern antreiben. Dabei unterscheiden sie zwei idealtypische Grundformen, Wissensarbeit und Professionsarbeit. Im Unterschied zur Professionsarbeit zeichnet sich Wissensarbeit dadurch aus, dass es kaum soziale Schließungen und Begrenzung der Konkurrenz gibt und dass deshalb der Wettbewerbsdruck stärker und zugleich die Zielorientierungen der Beschäftigten denen des Managements näher sind. Aus beiden Gründen ist den AutorInnen zufolge die Bereitschaft der Wissensarbeiter zur kollektiven Organisierung ihrer Interessen geringer als die der Professionsarbeiter, die sich stärker in professionellen Verbänden oder auch Gewerkschaften organisieren.
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In den folgenden Ausführungen konzentrieren wir uns auf die Handlungslogiken in erwerbswirtschaftlichen Feldern. Die häusliche Familien- und Reproduktionsarbeit, das Ehrenamt und andere unentgeltliche Tätigkeiten unterliegen zum Teil eigenen Handlungsrationalitäten und werden hier nicht weiter berücksichtigt.
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Der Begriff des (sozialen) Feldes wird in Anlehnung an neo-institutionalistische und sozialtheoretische Konzepte verwendet und im weitesten Sinne verstanden als soziale Ordnungen zwischen der Mikroebene sozialen Handelns und der Makroebene gesamtgesellschaftlicher Systeme; Felder sind „Arenen von Machtbeziehungen“ (Brint und Karabel 1991, S. 355) und Herrschaftsräume, innerhalb deren die Akteure Kooperationen eingehen und Kämpfe um die legitimen Regeln und Deutungsmuster austragen (Fligstein 2001). Der Institutionalisierung von Handlungs- und Deutungsmustern (Regeln, Normen und kulturell-kognitiven Strukturen) widmen insbesondere neo-institutionalistische Ansätze ihre Aufmerksamkeit (DiMaggio und Powell 1983; Powell und DiMaggio 1991), wobei die in diesem Beitrag angewandte „Institutional Logics Perspective“ (Friedland und Alford 1991) einen konzeptionellen Strang innerhalb des sehr heterogenen organisationalen Neo-Institutionalismus darstellt.
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Kädtler et al. (2013, S. 13 f.) weisen zu Recht darauf hin, dass unternehmerische und gesellschaftliche Innovationsfähigkeit und kollektive Mitbestimmung in der Gestaltung des Arbeitsprozesses nicht unbedingt konfligieren. In ähnlicher Weise können die Unbestimmtheit des Arbeitsvertrages und professionelle Autonomie über Forschungs- und Entwicklungsprozesse auch eine Entlastungsfunktion für das Management haben, weil sich die hochqualifizierten Beschäftigten nur unter relativer Autonomie mit dem erforderlichen Engagement auf den ungewissen Innovationsprozess einlassen.
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Die Daten stützen sich auf eine Online-Befragung (Details der Untersuchung werden in Pernicka et al. 2010a, S. 249 ff. dargestellt). Der Feldzugang zur Elektroindustrie wurde mangels realisierbarer Alternativen über die Gewerkschaft PROGE (vormals Gewerkschaft Metall-Textil) und den Vorsitzenden des Angestelltenbetriebsrats eines großen Elektrokonzerns in Österreich erreicht, wodurch eine Überschätzung der gewerkschaftlichen Organisationsgrade angenommen wird.
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Pernicka, S., Lücking, S., Ellmer, M. (2016). Wissensarbeit und Profession – Zwei Grundformen hochqualifizierter Arbeit zwischen Autonomie und Verwertungslogik. In: Haipeter, T. (eds) Angestellte Revisited. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-11233-2_8
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