Zusammenfassung
Der folgende Artikel schafft die theoretisch-methodische Grundlage für eine genderlinguistische Erforschung sprachlich-diskursiver Inszenierungen von Geschlecht im Führungskräfte-Coaching. Zu diesem Zweck werden die relevanten Konzepte ‚Führungskräfte-Coaching‘, ‚Gender‘ und ‚Diskurs‘ dargelegt sowie mögliche diskursive Loki von Gender-Konstruktionen im Führungskräfte-Coaching aufgezeigt. Des Weiteren werden die Methodologie und die Methodik der Genderlinguistik eingeführt und anhand einiger ausgewählter Beispielanalysen Praktiken der diskursiven Herstellung von Weiblichkeit(en) und Männlichkeit(en) im Coaching illustriert. Eine systematische Bearbeitung der interaktiven Herstellung von Geschlecht im Führungskräfte-Coaching erfolgt in weiteren empirischen Artikeln. In der Diskussion wird die Relevanz des genderlinguistischen Projekts für die Coaching-Praxis thematisiert: Im Sinne einer angewandt-genderlinguistischen Forschung wird die Notwendigkeit diskutiert, die Coaching-Beteiligten dafür zu sensibilisieren, wie sie persönlich zur Aufrechterhaltung von stereotypen Gender-Dichotomien (im beruflichen Kontext) beitragen.
Abstract
The current article lays the theoretical and methodological basis for a gender-linguistic project on linguistic and discursive constructions of gender in executive coaching. To this end, ‘executive coaching’, ‘gender’ and ‘discourse’ as relevant concepts will be discussed and possible discursive loci of gender constructions in executive coaching are presented. Besides, gender linguistic methodology and methods are introduced and first discursive practices of constructing femininities and masculinities in executive coaching are illustrated via exemplary analyses. A systematic research on the interactive co-construction of gender in the context of executive coaching will follow in forthcoming empirical contributions. The discussion part will topicalize the practical relevance of the gender-linguistic project: Given the applied gender-linguistic focus of the project, the article discusses the necessity to sensitize coaching participants for their own contribution in maintaining stereotypical gender dichotomies in their professional and everyday life.
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1 Einleitung
Think manager, think male etc. sind Gender-Stereotypen, die im Zusammenhang mit Management und Führung zwar theoretisch in Auflösung begriffen sind und durch Gegen-Ideologien wie „Führung ist weiblich“ ergänzt oder verdrängt werden. U. a. im geringen Anteil von Frauen in Führungspositionen präsentieren sie sich aber auch zu Beginn des 21sten Jahrhunderts als soziokulturelle Realität. Geschlechterdifferenzierendes Denken und Handeln ist dabei allgegenwärtig im (beruflichen) Alltag, und jede(r) Einzelne trägt durch sein oder ihr (Inter-)Agieren zur Aufrechterhaltung einer geschlechterdifferenzierenden Gesellschaft oder Arbeitswelt bei. Der vorliegende Beitrag liefert die theoretisch-methodischen Grundlagen eines genderlinguistischen Ansatzes zur Erforschung diskursiver Inszenierungen von Weiblichkeiten und Männlichkeiten Footnote 1 in Coaching-Gesprächen. Führungskräfte-Coaching stellt einen fruitful epistemological site (Sunderland 2004) für die Analyse und kritische Interpretation von gender display und Gender-Konstruktionen dar, da es als boomendes Beratungsformat des 21. Jahrhunderts aktuelle Einblicke in das komplexe Zusammenspiel von Führung, Gender, Organisation und Gesellschaft in seiner lokalen und diskursiven Re-Inszenierung im Hier und Jetzt der Interaktion zwischen Coaches und Führungskräften bietet. Da Gender im Kontext von Coaching bis dato noch nicht qualitativ-diskursanalytisch erforscht wurde, kann dieser Beitrag nur einen ersten Einblick in die Komplexität möglicher expliziter und impliziter Geschlechtlichkeit in und von Coaching liefern. Er tut dies, indem er die Phänomene „Führungskräfte-Coaching“, „Gender“ und „Diskurs“ aus genderlinguistischer (Günthner et al. 2012) bzw. diskursanalytischer (Buchholtz 2003) PerspektiveFootnote 2 theoretisch beschreibt und aufzeigt, auf welchen (diskursiven) Ebenen von Coaching Gender als interaktive Errungenschaft (Garfinkels accomplishment) hergestellt werden kann. Des Weiteren wird beschrieben wie Darstellungen und Inszenierungen von Geschlecht als Gender-Praktiken mittels diskurs- und gesprächsanalytischer Verfahren z. B. aus der critical discursive psychology analysiert, kategorisiert und interpretiert werden können. Die Daten der Analysen stammen aus authentischen Coaching-Gesprächen, die im Rahmen eines anderen Projektes (Graf 2015) erhoben wurden. Einige wenige Exzerpte aus diesen Daten illustrieren die diskutierten Phänomene exemplarisch, nicht aber erschöpfend und systematisch. Dies wird im Anschluss an die theoretische-methodische Rahmung im Zusammenhang mit Einzelphänomen-Analysen in weiteren Beiträgen geschehen (Graf in Vorbereitung a, in Vorbereitung b, in Vorbereitung c). Insgesamt soll die genderlinguistische Erforschung von Gender-Praktiken im Führungskräfte-Coaching dazu beitragen, Coaches und Klient_innen nicht nur für die Allgegenwärtigkeit derartiger Geschlechterinszenierungen zu sensibilisieren, sondern auch dafür, wie sie selbst in und durch Diskurs und Interaktion zur Aufrechterhaltung dieser Geschlechter-Ideologien beitragen. Dieser Sensibilisierungsaspekt wird im Ausblick des Rahmenartikels nur theoretisch beleuchtet (siehe aber Graf in Vorbereitung d).
Der genderlinguistische Fokus auf die lokale und interaktive Ko-Konstruktion und Rekonstruktion von Gender-Ideologien im Gespräch zwischen Coach und Klient_in ergänzt und erweitert die existierende Forschung zu Gender, Organisation und Coaching (z. B. Aichholzer 2004) um relevante Prozess-Erkenntnisse. Wie genau, d. h. mit Hilfe welcher sprachlich-diskursiver Mittel, konstruieren und repräsentieren die Beteiligten bewusst oder unbewusst bestimmte Gender-Identitäten bzw. schreiben solche ihrem Gegenüber auf der Mikro-Ebene zu? Welche dominanten und weniger-dominaten Gender-Diskurse werden von den Beteiligten konstruiert bzw. dekonstruiert? Gender bzw. Inszenierungen von Gender werden dabei sowohl als Prozess als auch als Produkt im Sinne einer interaktiven Errungenschaft der am Coaching beteiligten Personen verstanden und analysiert (Spieß et al. 2012, S. 3).
Obwohl das Thema „Gender“ auch im Kontext von (Führungskräfte-)Coaching zunehmend an Bedeutung gewinnt, handelt es sich insgesamt noch immer um eine relativ neue Fragestellung, in die sich der vorliegende Beitrag einreiht (Abdul-Hussain 2012, S. 16). Um mit Stout-Rostron (2013, S. 155) zu sprechen: „While gender already encompasses a wide range of theory and research, as a coaching issue it is relatively new … and yet executives lead and manage in environments with considerable gender complexities“. Die praxisorientierte Coaching-Literatur fokussiert dabei primär welche Besonderheiten und Präferenzen es im professionellen Aufeinandertreffen von männlichen und weiblichen Coaches mit Klienten und Klientinnen gibt (vgl. z. B. das Kapitel zu „Coaching Women“ in Peltier (2010)). Zumeist wird dabei das biologische Geschlecht der Beteiligten in den Vordergrund gestellt und relativ unkritisch von einer essentialistischen Dichotomie bzw. Differenz zwischen den Geschlechtern ausgegangen. Gleichzeitig wird sowohl die Gruppe der Klienten als auch die Gruppe der Klientinnen homogenisiert, wodurch die Beteiligten nicht bzw. kaum als gendered individuals wahrgenommen werden. Die interdisziplinäre Beratungsforschung dagegen beschäftigt sich vor allem mit Genderkompetenz und Gendersensibilität im Zusammenhang mit Butlers (1990) Ansatz des doing gender (Abdul-Hussain 2012; Möller 2014 sowie die Arbeiten von Schigl 2012 und 2014 im Kontext der Psychotherapie) (zum Gender-Verständnis vgl. ausführlich Abschn. 2.2). Gender wird dabei verstanden als gelebte Praxis und sozialer Ordnungsprozess, in denen Sprache und Diskurs die relevanten konstitutiven Merkmale sind mittels derer Sprecher_innen je nach Kontext und Interaktion lokal eine bestimmte Gender-Identität für sich erschaffen und aufzeigen, aber auch ihrem Gegenüber zuschreiben (Buchholtz und Hall 2004)Footnote 3. Ausgehend von der These bzw. der Tatsache, dass die soziokulturelle Kategorie „Geschlecht“ omnipräsent (wenn auch nicht omnirelevant) ist in jeglicher (Inter-)Aktion, leitet Möller (2014, S. 14) daraus zunächst für den Arbeitskontext die Omnipräsenz von doing gender while doing work ab. An anderer Stelle fokussiert sie noch stärker auf den Beratungskontext als spezifischen Arbeitskontext und spricht von „doing gender while doing counseling“ (Möller 2014, S. 27; vgl. auch Abdul-Hussain 2012, S. 108; Schigl 2014, S. 95). Aktuelle Veröffentlichungen zur Beziehung Gender und Beratung nähern sich dem Thema aus unterschiedlichen Blickwinkeln, auch in Bezug auf unbewusst und nicht-hinterfragte Zuschreibungen in der Interaktion zwischen den Beratenden und den Berater_innen selbst (siehe z. B. die Beiträge in Möller und Müller-Kalkstein 2014). Betont wird dabei stets die Notwendigkeit sich im Beratungsprozess mit den Gender-Rollen bzw. Gender-Identitäten als lokalen und situativen Elementen auseinanderzusetzen, um so den Klient_innen neue Entwicklungsräume zu eröffnen:
Die Wahrnehmung der Handlungsmöglichkeiten ist abhängig von der Ausprägung des Genderbewusstseins. Personen benötigen also einen gewissen Grad an Genderbewusstsein, um Zuschreibungen wahrzunehmen, diese als Konstruktionen zu erkennen und sie als förderlich oder hemmend für ihre individuelle Gestaltungsfreiheit bewerten zu können, um daraus Handlungsstrategien zu entwickeln die zu den Personen und ihren Lebensvorstellungen passend sind, ohne dass Zuschreibungen und Vorstellungen der anderen unreflektiert übernommen, abgewertet oder diskriminiert werden (Rohde und Oelkers 2014., S. 56).
Beratung im Allgemeinen und Coaching im Besonderen sind interaktive Kontexte, in denen sich gesellschaftliche Verhältnisse und Phänomene wie Gender-Ideologien lokal im Hier-und-Jetzt der Beratungsinteraktion abbilden. Im Beratungskontext werden sie (unbewusst) re-inszeniert bzw. konstruiert und können somit auch – mit Hilfe einer ausreichenden Gender-Kompetenz bzw. Gender-Sensibilität der Beratenden – rekonstruiert und idealerweise dekonstruiert werden. In diesem Sinne stellt Beratung oder Coaching einen geschützten Reflexionsraum dar, in dem nicht nur gender troubles (idealerweise vorbehaltslos) thematisiert und reflektiert werden können, sondern wo auch gendersensible und -kompetente Berater_innen kritisch auf die Verwendung stereotyper Bilder von Männlichkeit und Weiblichkeit, sogenannter controlling images (Hill Collins 2000)Footnote 4, bei ihren Klient_innen hinweisen können. Die Internalisierung und Naturalisierung solcher controlling images hat weitreichende, und oftmals unreflektierte, Konsequenzen für das Fühlen, Agieren und Interagieren der Beteiligten: als mentale Blaupause beeinflussen sie unsere alltägliche Bedeutungsgenerierung, die Entwicklung des Selbstwerts, die Konstruktion der eigenen Gender-Identität(en) sowie die Gestaltung der sozialen und professionellen Beziehungen (vgl. Pyke und Johnson 2003, S. 36).
In Analogie mit theoretischen und empirischen Arbeiten zu Gender in anderen beruflichen Kontexten kann davon ausgegangen werden, dass Gender auf unterschiedlichen Ebenen ein omnipräsenter, wenn auch mehr oder weniger offensichtlicher, EinflussfaktorFootnote 5 in der Coaching-Interaktion ist:
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Bei der Auswahl und der anschließenden Begegnung zwischen Coach und Klient_in treffen Bio-Frauen (bio women) und Bio-Männern (bio men) aufeinander, deren gegenseitige (oftmals unbewusste) Erwartungen und Zuschreibungen was z. B. ein männlicher Coach im Unterschied zu einem weiblichen leisten kann oder wie eine weibliche Führungskraft aufzutreten hat, von Genderstereotypisierungen geprägt ist (Schigl 2014, S. 98–99). Darüber hinaus wird Gender in der physischen Begegnung über Kleidung, Körperhaltung, Sitzposition, Stimme und Prosodie etc. im Rahmen des gender display hervorgebracht. Gerade beim Erstkontakt kann für Klient_innen, die zusätzlich zur allgemeinen Verunsicherung die jedem neuen Kontakt innewohnt, mit dem Beratungsformat Coaching nicht vertraut sind, ein Verhalten entlang Gender-stereotyper Muster (unbewusst) Sicherheit schaffenFootnote 6.
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Im Rahmen der organisationalen Intervention Coaching re-inszenieren Klient_innen in ihren Erzählungen die komplexe Beziehung von Geschlecht – Organisation – Führung. Ihre Erzählungen richten sie dabei an ein Gegenüber, den/die Coach, und handeln Akzeptanz und Legitimation des Dargestellten sowie ihrer Gender-Identität auch vor dem Hintergrund der Gender-Erwartungen mit ihrem Gegenüber aus.
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Geschlecht kann in der Coaching-Interaktion explizit relevant gesetzt werden im Zusammenhang mit den Anliegen, die die Klient_innen ins Coaching bringen, illustriert z. B. durch die Aussage einer Klientin aus dem Korpus Ich arbeite in einem Männerberuf. Die Darstellung und die interaktive Bearbeitung der Themen werden dabei von der Geschlechter-Zusammensetzung im Beratungssetting sowie wiederum von der jeweiligen Gender-Identität der Beteiligten beeinflusst (Schigl 2014, S. 99).
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Bei anderen Themen und der Bearbeitung durch Coach und Klient_in werden dominante und weniger dominante Diskurse von Weiblichkeit und Männlichkeit inszeniert, ohne dass Gender explizit auf der Agenda des Coachings ist und ohne das Gender explizit relevant gesetzt wird. Warum wählt z. B. der männliche Coach mit Klienten die Fußball-Metapher um den Coaching-Ansatz zu erklären, mit Klientinnen aber die Familien-Metapher?
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Insgesamt positionieren Coaches und Klient_innen sich und ihr Gegenüber dabei auf der Mikro-Ebene des konkreten Coaching-Gesprächs als männlich und weiblich innerhalb dominanter und weniger-dominanter Diskurse von Weiblichkeit und Männlichkeit auf der Makro-Ebene. Existierende und für den Coaching-Kontext relevante Gender-Ideologien eröffnen bzw. verwehren den Beteiligten dabei das Einnehmen spezifischer Subjekt-Positionen (Speer und Stokoe 2011, S. 6).
Vor dem Hintergrund der an Abdul-Hussain (2012); Möller (2014) und Schigl (2014) angelegten Aussage von doing gender while doing coaching, ist davon auszugehen, dass Gender als intersubjektive und interaktive Erzeugung – aufbauend auf dem den Geschlechtskategorien zugeschriebenen, angemessenen Verhalten und Handeln – permanent entlang des Coaching-Gesprächs explizit und implizit in Szene gesetzt wird. Mit welchen sprachlich-diskursiven Mitteln dies geschieht und in welchen Variationen Gender im Führungskräfte-Coaching relevant gesetzt wird, ist Gegenstand der geplanten Einzelphänomen-Analysen (Graf in Vorbereitung a, in Vorbereitung b, in Vorbereitung c).
2 Führungskräfte-Coaching, Gender, Diskurs(e) – eine theoretische Rahmung
Das folgende Kapitel führt die zentralen Phänomene „Führungskräfte-Coaching“, „Gender“ und „Diskurs“ ein und fokussiert dabei auf genderlinguistische und diskurslinguistische Aspekte.
2.1 Führungskräfte-Coaching
In seinem Buch Executive Coaching. Developing Managerial Wisdom in a World of Chaos beschreibt Kilburg (2000, S. 65–66) Führungskräfte-Coaching als
… a helping relationship formed between a client who has managerial authority and responsibility in an organization and a consultant who uses a wide variety of behavioral techniques and methods to assist the client to achieve a mutually identified set of goals to improve his or her professional performance and personal satisfaction and consequently to improve the effectiveness of the client’s organization within a formally defined coaching agreement.
Diese Definition von Führungskräfte-Coaching, die dem hier präsentierten Projekt zur Erforschung von Gender-Praktiken im Führungskräfte-Coaching zugrunde liegt, fokussiert zum Einen das Konzept der helfenden Beziehung und ist damit anschlussfähig an die diskurs- bzw. gesprächsanalytische Forschung zu Beratung, die Beratung im Allgemeinen und Coaching im Besonderen als professionelles, gesprächsbasiertes Hilfe-Format zwischen einem professionell handelnden Coach und Hilfe bzw. Unterstützung suchenden Klient_innen definiert (Graf und Spranz-Fogasy im Druck; Graf et al. 2014). Im Unterschied zu Alltagsgesprächen zeichnen sich professionelle Gespräche durch eine asymmetrische Gesprächsstruktur (z. B. wird die Lebenswelt der Klient_innen, nicht aber die der Coaches, thematisiert), durch unterschiedliche Verantwortlichkeiten und Beteiligungsvoraussetzungen der Gesprächspartner_innen (z. B. eröffnet der/die Coach, nicht aber Klient oder Klientin das Gespräch) sowie durch unterschiedliche Inferenz-Praktiken aus (z. B. wird die Frage einer Ärztin wie es gehe im lokalen Kontext auf den Verlauf der Krankheit bezogen, nicht aber auf die allgemeinen Lebensumstände) (Drew und Heritage 1992). Helfende Berufe bzw. helfende Gespräche zeichnen sich darüber hinaus durch einen besonderen Fokus auf Kommunikation und Beziehung aus, da Hilfe und Unterstützung in und durch das Gespräch „passiert“ und gerade emotionsbeladene Themen ein großes Maß an Vertrauen voraussetzen (vgl. Graf und Spranz-Fogasy, in Druck). Bezogen auf Coaching wird Hilfe und Unterstützung in Anlehnung an Greifs (2008) Definition von Coaching im Sinne einer „intensive(n) und systematische(n) Förderung ergebnisorientierter … Selbstreflexion“ verstanden (ibid, S. 59). Übersetzt auf die konkrete Diskurs- bzw. Gesprächsebene wurde die „ergebnisorientierte Selbstreflexion“ von Schulz (2013) und Graf (2015) im Rahmen ihrer Prozess-Analysen authentischer Coaching-Gespräche als psycho-managerial discourse re-definiert. Coaching als Beratungsformat stellt somit einen hybrider Diskurstyp dar, der diskursive Praktiken aus dem therapeutischen und aus dem Management-Diskurs vereint. Während der therapeutische Diskurs auf Strategien des symbolisch-femininen Diskurses im Zusammenhang mit Intimität, Empathie und Unterstützung zurückgreift um für Klient_innen einen sicheren Raum für Selbstreflexion und Emotionsarbeit zu schaffen (Graf und Pawelczyk 2014; Pawelczyk und Graf 2011), verstärkt der Management-Diskurs laut Liska (2006) die Konstruktion hegemonialer MännlichkeitFootnote 7 im Coaching und in der Organisation (hierzu auch ausführlich Abdul-Hussain 2012, S. 113 ff). Klassische Attributionen von Führungskräfte-Coaching, d. h. Erfolg, Macht und Leistung, stimmen mit den Attributionen hegemonialer Männlichkeit überein und verstärken sich dadurch im und durch den Beratungskontext, wenn nicht vor dem Hintergrund eben dieser hegemonialen Männlichkeit reflektiert wird (Liska 2006, S. 61)Footnote 8. Gleichzeitig werden die eingesetzten therapeutische Praktiken, immer noch eher assoziiert mit Schwäche und Versagen, durch den Rückgriff auf Ideologien von Männlichkeit im Zusammenhang mit Werten und Normen wie ‚Höchstleistung‘, ‚Zielorientierung‘ etc. für den organisationalen Kontext umgedeutet und so akzeptabel gemacht (Peltier 2010). Die diskursiven Mittel, die Coachs im Kontext von Selbstreflexion und Emotionsarbeit mit Klient_innen zur Verfügung stehen, entsprechen in Teilen stereotyp weiblichen Interaktions- bzw. Kommunikationsstilen, die weiter unten noch thematisiert werden (z. B. die Methode des Spiegelns, einer seit Jennifer Coates’ (1996) klassischer Untersuchung von Gesprächen unter Freundinnen fest mit weiblichem Kommunizieren in Verbindung gebrachter kommunikativer Praktik) (siehe 2.3).
Zum anderen thematisiert Kilburgs (2000) Definition von Führungskräfte-Coaching die in der Einleitung bereits angesprochene Relevanz der Beziehung zwischen Coach, Klient_in, Führung und Organisation. Analog dazu kann Coaching aus diskursanalytischer Sicht als diskursives Phänomen definiert werden, das sich auf drei sich gegenseitig beeinflussenden Diskurs-Ebenen erstreckt (Fairclough 1992; Graf 2015; Schulz 2013). Auf der Mikro-Ebene realisiert sich Coaching als konkretes (Beratungs-)Gespräch zwischen Coach und Klient_in, welches lokal im Hier-und-Jetzt von den Beteiligten ko-konsturiert wird, auf der Meso-Ebene realisiert sich Coaching als organisationale Intervention, die auf wiederkehrende diskursive Praktiken zurückgreift, welche jedes individuelle Coaching-Gespräch der organisationellen Beratungsform ‚Coaching‘ zuordenbar machenFootnote 9 (Pick in Vorbereitung). Auf der Makro-Ebene bzw. der sozio-kulturellen Ebene spiegelt und reproduziert Coaching als relativ junges Beratungsformat Diskurse der Postmoderne wie ‚Selbst-Optimierung‘, ‚Selbstreflexion‘, ,Kommodifzierung von Emotionen‘ etc. (Cameron 2000, 2003; Giddens 1991; Hochschild 1983). So wie sich Coach, Klient_in, Führung und Organisation gegenseitig beeinflussen, bedingen und beeinflussen sich alle drei Diskurs-Ebenen gegenseitig und bilden dabei eine mögliche Bühne für (Re-)Inszenierungen von Gender-Ideologien vor dem Hintergrund beruflicher Anliegen wie das Thema ‚Führung‘.
2.2 Gender
Das vorliegende Projekt zu Coaching und Geschlecht beschäftigt sich nicht mit dem biologischen Geschlecht der Beteiligten, sondern mit deren sozialem Geschlecht sowie mit den Zuschreibungen und der interaktiven Erzeugung desselben im Coaching-Gespräch. Für diese Unterscheidung in biologisches und soziales Geschlecht haben sich seit den 1950er und 60er-Jahren die englischen Begriffe sex und gender etabliert: Robert Stoller veröffentlichte 1968 eine sozialpsychologische Untersuchung mit dem Titel Sex and Gender (Ayaß 2008, S. 11; Gildemeister und Hericks 2012, S. 189 ff). Der Begriff „Gender“, so wie er in der Geschlechterforschung verwendet wird, geht auf John Money zurück, der ihn in den 1950er-Jahren zum ersten Mal im Zusammenhang mit gender identity verwendete (Ayaß 2008, S. 11). Gender wird dabei als interaktives Erzeugnis und als Darstellungsleistung verstanden (doing gender), eine Auslegung, die ihren Ursprung in Harold Garfinkels (1967) Studie der Transsexuellen Agnes und seiner Definition von Gender als Vollzugswirklichkeit (ongoing accomplishment) sowie in Ervin Goffmans (1977) Werk über das Arrangement der Geschlechter (arrangement between the sexes) fand. Die Formulierung bzw. der Aspekt des doing geht auf den Ethnomethodologen und Begründer der amerikanischen Konversationsanalyse, Harvey Sacks, zurück, der damit sowohl den Prozesscharakter von Handlungen betont als auch auf die Leistungen der Interagierenden verweist (Ayaß 2008, S. 15). West und Zimmerman (1991) wenden im Folgenden das Konzept des doing auf Gender an und definieren Gender als a routine, methodological, and recurring accomplishment (ibid, S. 13). Interaktions- und gesprächs- bzw. konversationsanalytische Studien zu Gender arbeiten mit eben dieser Definition, dass Menschen in konkreten Situationen in der Interaktion mit anderen ihr eigenes Geschlecht und das des Gegenübers immerfort erzeugen (Gildemeister und Hericks (2012) sprechen von „Geschlecht als Darstellungsleistung“). Die zweite bedeutsame theoretische Richtung findet sich in poststrukturalistischen und philosophischen Arbeiten zu Gender von Judith ButlerFootnote 10 (z. B. Gendertrouble (1990) oder Undoing Gender (2004)) und zu Diskurs, Macht und Sexualität von Michel Foucault (hierzu auch ausführlich Abdul-Hussain 2012, S. 125 ff). Butler rekurriert mit ihrem Ansatz des Performing Gender auf Arbeiten des Sprachphilosophen Austin und der von ihm entwickelten Sprechakttheorie (Austin 1977). Darin postuliert Austin den Handlungscharakter von Sprache im Rahmen von sogenannten „Sprechakten“ deren Vollzug die Wirklichkeit verändern. Die Werke von Butler und Foucault haben in der Folge u. a. Ansätze zu Gender in der kritischen Diskursanalyse (Lazar 2005a; Wodak 1997) beeinflusst: „Die diskurstheoretische Herangehensweise konzentriert sich auf Sprache und Diskurs als Momente der Konstruktion von Gender“ (Abdul-Hussain 2012, S. 36). Während traditionell konversationsanalytisch arbeitende Forschung dabei nur solche Aspekte der interaktiven Erzeugung von Geschlecht berücksichtigt, die die Beteiligten (hier also Coach und Klient_in) selbst relevant setzen, fokussieren genderlinguistische und diskursanalytische Studien, in die sich auch das vorliegende Projekt einreiht, nicht nur explizite Referenzen zu Gender im konkreten Gespräch, sondern auch implizite Inszenierungen von Gender-Ideologien auf verschiedenen Diskursebenen (hierzu ausführlich Stokoe und Smithson 2001) (siehe ausführlich Abschn. 2.3 und 3).
Auf welchen Argumenten basiert eine Herangehensweise an gender, die das soziale, nicht aber das biologische, Geschlecht als wesentlich und omnipräsent in der menschlichen (Inter-)Aktion erachtet und die Sprache und Diskurs als ihre zentralen Bausteine und Repräsentationsformen ansieht? Und was sind alltägliche und professionelle Konsequenzen von sozialem Geschlecht als interpretative und strukturierende Kategorie erster Ordnung (Lazar 2005b, S. 5 ff)?
Soziales Geschlecht umfasst die kulturell mehr oder weniger verbindlich festgelegten Aktivitäten und Verhaltensweisen, die einem biologischen Geschlecht zugeschrieben werden. In der Regel sind die genderdifferenzierenden Verhaltens- und Handlungsweisen in einer Gesellschaft für ihre Mitglieder so eng mit der biologischen Zuschreibung verknüpft, dass sie als biologisch fundiert gedacht werden … Dass das Resultat dieser Zuschreibungen von uns im Alltag als selbstredend „typisch männlich“ resp. „typisch weiblich“ wahrgenommen wird, ist das Ergebnis einer nahezu undurchdringlichen Essentialisierungsprozesses (Ayaß 2008, S. 12–13).
Diese alltäglichen und natürlichen Einstellungen, die sich auch im Kontext von Führungskräfte-Coaching beobachten lassen (vgl. Graf in Vorbereitung a, in Vorbereitung b, in Vorbereitung c), werden durch massive gesellschaftliche Überformungen so unterstützt, dass diese wiederum die Alltagsvorstellungen verstärken und zementieren. In und durch gesellschaftliche Einrichtungen wird ein unterstellter biologischer Unterschied zu einem sozialen geformt und die unterstellte biologische Differenzierung wird zu etwas Gegensätzlichem überhöht und dabei naturalisiert (Ayaß 2008, S. 159; Gildemeister und Hericks 2012). Gender ist dabei als gelebte Praxis und als sozialer Ordnungsprozess zu verstehen, in dem Sprache und Diskurs die relevanten konstitutiven Merkmale sind („diskursive Erzeugung von Geschlecht“ (Gildemeister und Hericks 2012, S. 207)). Geschlechterdifferenz wird so von der einzelnen Person aktiv hergestelltFootnote 11. Um mit Ayaß (2008, S. 19–20; Betonung im Original) zu sprechen, „(w)ir kommunizieren als Männer und als Frauen – und bringen uns doch erst in dieser Kommunikation als Männer und als Frauen hervor. Prozess und Resultat gehen ungesehen ineinander über“. Die Gestaltungfreiheiten und – möglichkeiten der einzelnen Person sind dabei jedoch stets durch persönliche, soziale und gesellschaftliche Erwartungen und Normen, verankert in dominanten Diskursen von Weiblichkeit (etwa Emotionalität, Schönheit, Mutterrolle) und von Männlichkeit (etwa Erfolg, Rationalität, Rolle des Ernährers) mehr oder weniger stark reglementiert (Butler 1990, 2004; Sunderland 2004). „Bio-Männer“ und „Bio-Frauen“ konstruieren und handeln Gender bzw. ihre Gender Identität dabei lokal im Hier-und-Jetzt der jeweiligen Interaktion und der darin geltenden Gender-Normen aus, oftmals eben unreflektiert entlang solch naturalisierter, also für biologisch gegeben angenommener, Unterschiede zwischen den Geschlechtern (Lazar 2005b, S. 12 spricht von gender orders in dieser Zusammenhang). Dieser allen Diskursen über Männlichkeit und Weiblichkeit zugrundeliegende hegemoniale Diskurs vom Unterschied zwischen den Geschlechtern bzw. der Zweigeschlechtlichkeit (Gildemeister und Hericks 2012; Mullany 2007; Sunderland 2004) ist sowohl institutionell wie populärwissenschaftlich allgegenwärtig. Beispiele hierzu finden sich in banal erscheinenden Phänomenen wie öffentlichen Toiletten, getrennten Schuh- bzw. Kleidungsabteilungen für Männer und Frauen, Fitness-Studios exklusiv für Frauen, aber auch in Institutionen, die ursprünglich die Gleichheit von Mann und Frau intendieren wie etwa spezielle Förder- bzw. Trainingsprogramme für Frauen oder Coaching-Programme speziell für Frauen. Neben diesem institutionalisierten Dualismus tragen die oben diskutierten Zuschreibungen zur unbewussten Errichtung von Denkgefängnissen (Gildemeister und Hericks 2012) bei. Dramatische Konsequenzen einer omnipräsenten Ideologie vom Unterschied zwischen den Geschlechtern manifestieren sich z. B. in einer selektiven Arbeitsplatzvergabe oder im Bildungsbereich, wo die Tatsache, dass es in den MINT-Fächern immer noch deutlich weniger Frauen als Männer gibt ebenfalls auf eine nur schwer zu revidierende Selbst- und Fremdannahme einer größeren Begabung und Affinität von Mädchen für Sprachen und Jungen für Naturwissenschaften und Technik zurückzuführen ist. Auch die eingangs erwähnte Diskrepanz zwischen Diskursen wie „Führung ist weiblich“ und den konkreten Zahlen in Führungsetagen deutscher Unternehmen ist vor diesem Hintergrund zu interpretieren. Besonders kritisch im Zusammenhang mit dem Glauben an die Geschlechterunterschiede ist dabei auch die Minimierung der Differenzen innerhalb der Mitgliedern einer Gruppe bei gleichzeitiger Maximierung der Differenzen zwischen den Gruppen als solches. Wir neigen dazu, Männer und Frauen aufgrund dieser naturalisierten ideologischen Werte und Zuschreibungen von Männlichkeit und Weiblichkeit zu stereotypisieren, begegnen ihnen mit bestimmten, zumeist verdeckten und unbewussten, Vorurteilen und kommunizieren und inszenieren uns selbst oftmals entlang dieser naturalisierten Unterscheidungen. Besonders problematisch ist dabei, dass die Selbstverständlichkeit solcher Zuschreibungen die „Unkenntlichmachung des Konstruktionsprozesses“ zur Folge hat (Hirschauer 1993; Lazar (2005b, S. 7) spricht sogar von „Mystifizierung“ und „Verschleierung“), die bewirkt dass sich die Interagierenden oftmals des Darstellungscharakters ihrer Gender-Identitäten nicht mehr oder zumindest nicht in vollem Umfang bewusst sind (Hirschauer 1989, S. 110). Demgegenüber ist jedoch das Resultat dieser Konstruktionsprozesse überdeutlich erkennbar und omnipräsent im lokalen gender display der Beteiligten, d. h. im Ensemble ihrer geschlechtshervorbringenden Verhaltensweisen:
Die Verhaltensweisen eines Subjekts sind situativ gebunden an die jeweils notwendig erscheinende geschlechtliche Selbstdarstellung. Das eigene Verständnis von Weiblichkeit oder Männlichkeit bestimmt die Art und Weise wie Geschlecht gelebt wird und in der Beratungsdynamik eingebracht wird (Scheffler und Büchele 2014, S. 133).
Bezogen auf das hier vorgestellte Projekt zur Analyse von Gender im Führungskräfte-Coaching kann abschließend formuliert werden, dass dieses „Leben“ und „Einbringen“ von Geschlecht in den Beratungskontext und in die lokale Dynamik zwischen Coach und Klient_in in der Coaching-Interaktion bzw. im Gespräch u. a. durch das verbale, nonverbale und paraverbale Einnehmen bestimmter Subjektpositionen stattfindet, das ihrerseits in größere Diskurse wie den der weiblichen Emotionalität eingebunden ist.
2.3 Diskurs
Für den hier vorliegenden theoretischen Rahmenartikel stellt ‚Diskurs‘ die dritte Analyse- und Interpretationskategorie expliziter und impliziter Bilder von Weiblichkeit und Männlichkeit im Coaching dar: „Die Hervorbringung von Geschlecht ist also auch und in erster Linie ein kommunikatives Geschehen“ (Ayaß 2008, S. 19). Während die Anfänge der feministischen Linguistik, initiiert u. a. von Robin Lakoff und ihrem 1975 veröffentlichen Buch Language and Women’s Place (Lakoff 1975), der Frage nachgingen, ob Frauen und Männer unterschiedlich sprechen bzw. ob es eine Frauen- und eine Männersprache oder zumindest genderlects gäbe, hat sich die Forschung zu Sprache und Geschlecht mehr und mehr in Richtung einer Forschung zu „Diskurs und Geschlecht“ entwickelt (Buchholtz 2003, S. 43)Footnote 12. Auch die vorliegende Untersuchung zu Gender im Führungskräfte-Coaching fokussiert die interaktive Hervorbringung von Gender auf DiskursebeneFootnote 13. Dabei liegt ihr kein einzeltextbezogenes Verständnis von Diskurs zugrunde; stattdessen wird ‚Diskurs‘ hier verstanden als ein Konglomerat von Texten oder Praktiken, die auf systematische Art und Weise Objekte oder Motive durch deren Thematisierung (erst) erschaffen. Diskurs formt somit soziale Welten, indem er als strukturelle Einheit, die über Einzelaussagen hinausgeht, Meinungen, Denkmuster, soziale Beziehungen, Formen des Selbst und Gender-Ideologien etc. zum Leben erweckt (Warnke 2007, S. 5) – Männer (oder Frauen!) als die besseren Führungskräfte aufgrund ihnen zugeschriebener Eigenschaften sei hier als plakatives Beispiel genannt. Neben dieser konstitutiven Funktion hat Diskurs auch eine ordnende Funktion inne (Fairclough 1992), d. h. Diskurs offenbart eine bestimmte Art und Weise, die Welt zu sehen und sie zu reflektieren (Sunderlands (2004, S. 6) interpretive discourses); somit enthält er stets (ab-)wertende Elemente. Die weibliche Führungskraft, die sich im Gespräch als „Spätzünder“ kategorisiert (Graf in Vorbereitung a), tut dies aufgrund bestimmter internalisierter (gesellschaftlicher und familiärer) Normen und Erwartungen an sich selbst, wann bestimmte Dinge im Zusammenhang mit ihrer Sexualität zu passieren haben: „Repeated patterns show that evaluative meanings are not merely personal and idiosyncratic, but widely shared in a discourse community. A word, phrase or construction may trigger a cultural stereotype“ (Stubbs 2001, S. 215). Gleichzeitig wird dadurch auch deutlich, wie sich Diskurs in der konkreten Interaktion materialisiert und wie er somit auch für die Analyse operationalisiert werden kann:
One of the most important ways that discourses are circulated and strengthened in society is by language use, and a task of discourse analysis is to uncover how language is employed, often in quite subtle ways, to reveal theses discourses and their workings (Baker 2008, S. 76).
Dem Diskurs-Verständnis von Fairclough (1992) folgend existiert Diskurs auf drei Ebenen, die sich gegenseitig bedingen und beeinflussen: als konkretes Gesprächs bzw. als einzelner Text auf der Mikro-Ebene, als diskursive Praktik(en) bzw. als Netzwerk aus Texten auf der Meso-Ebene sowie als sozio-kulturelle Denk- und Wahrnehmungsform auf der Makro-Ebene, die ebenfalls sprachliche Manifestationen finden. Diskurs ist somit auf unterschiedlichen Abstraktionsebenen konstitutiv in der Schaffung und Inszenierung von Gender-Identitäten (im Führungskräfte-Coaching) (Ashcraft und Mumby 2004). Als lokale und (inter-)aktive Identität in der konkreten, physischen Begegnung zwischen Coach und Klient_in, als Narration von Gender, Führung und Macht, die sich in den jeweiligen Organisationsstrukturen wiederfindet und die (Gender-)Interaktionen ihrer Mitglieder beeinflusst, und als sozio-kulturelle Diskurs, der die Verhältnisse von Gender, Führung, Organisation und Gesellschaft erschafft, strukturiert und bewertet.
Etwas genauer soll an dieser Stelle noch auf gendered discourse(s) eingegangen werden, wie u. a. von Sunderland (2004) thematisiert, da diese den Hauptfokus des vorliegenden Projektes bilden. Gendered discourse umfasst sowohl den konkreten Sprachgebrauch als auch Gender Repräsentationen (Positionierungen und Zuschreibungen; Zugriff auf und Aktivierung von bestimmte(n) Diskurse(n) von Geschlecht) (ibid, S. 21)Footnote 14. Im Zusammenhang mit Sprachgebrauch finden sich die stereotyp weibliche und männliche Interaktions- bzw. Kommunikationsstile (Holmes und Stubbe 2003; Schnurr 2009; Talbot 2010), die immer noch in Teilen als naturalisierte und essentialisierte Binarität die Interpretation und Bewertung von Männern und Frauen bzw. ihrem Gesprächsverhalten beeinflussen (vgl. Tab. 1)Footnote 15 (zur Kritik siehe Ayaß 2008, S. 65 ff).
Diese Kommunikationsstile werden auch im Sinne der Inszenierung von Geschlecht bewusst und strategisch von Sprecher_innen eingesetzt um eine bestimmte (professionelle) Identität bzw. ein bestimmtes Image z. B. als Führungskraft zu inszenieren bzw. anzuzeigen (vgl. z. B. Franz und Günthners (2012) Studie zur Konstruktion von Gender im Speed-Dating). Im Zusammenhang von Führen und dem Einsatz verschiedener (kommunikativer) Stile weisen Untersuchungen aus verschiedenen Disziplinen ein differenziertes Bild auf (Alvesson und Billing 2009). So findet sich im Kontext des Diskurses ‚Führung ist weiblich‘ eine Orientierung hin zu stereotyp weiblichen Qualitäten wie Kooperation, Kollaboration und Empathie. Die Gruppe um die Soziolinguistin Janet Holmes hat in einem groß angelegten Forschungsprojekt zum Thema Language in the Workplace in Neuseeland herausgefunden, dass erfolgreiche Führungskräfte führen, indem sie Strategien wählen, „which have been associated with both normatively masculine and normatively feminine ways of talking“ (Marra et al. 2006, S. 242). Gleichzeitig berichten zahlreiche Studien, dass männliche Führungskräfte, die maskuline Qualitäten wie Autorität, Macht und Führung mit weiblichen Qualitäten wie Ausdrucksstärke und Empathie verbinden, positiver und als besser geeignet wahrgenommen und bewertet werden als weibliche Führungskräfte, die ebenfalls beide Qualitäten in sich vereinen (Mullany 2007; Pawelczyk und Graf 2011). Und Schnurr (2009) verweist in ihrer Studie zu Leadership Discourse at Work auf das „natürliche“ Zusammenspiel von Attributionen von Männlichkeit mit Attributionen von Führung, die es männlichen Führungskräften leicht macht die Aktivitäten doing leadership und doing masculinity zu verbinden. Im Unterschied dazu laufen weibliche Führungskräften Gefahr, als unweiblich wahrgenommen oder kritisiert zu werden, wenn sie sich stereotyp männlicher Gesprächspraktiken bedienen um sich als kompetente Führungskraft zu inszenieren.
Die zweite relevante Lesart von gendered discourse ist – in Anlehnung an Sunderland (2004, S. 21 ff) und Mullany (2007, S. 31) – die von Gender Repräsentationen bzw. Schablonen mittels derer Frauen und Männer dargestellt werden und gemäß derer sie sich im Sinne einer genderspezifischen Art und Weise zu verhalten haben. Hierbei handelt es sich also um oftmals implizite Bewertungen und Erwartungen im Kontext von Gender, die nicht notwendigerweise explizit thematisiert werden, die aber von den Akteur_innen in den jeweiligen Kontexten (zum Beispiel auf der Führungsebene im Unternehmen oder im Coaching) aufgrund naturalisierter Zuschreibungen (re-)konstruiert werdenFootnote 16. Obwohl relativ wenige solcher Gender Diskurse dokumentiert sind, sind sie laut Sunderland (2004, S. 51) allgegenwärtig. Think manager, think male, ‚Frauen sind emphatisch und emotional‘, ,Männer sind rational und zielorientiert‘, ‚Mädchen sind besser im Erlernen von Sprachen‘, ‚Jungs sind die Verlierer im Bildungssystem‘, ‚Mütter sind die primären Verantwortlichen in der Erziehung‘ oder ‚der Mann als Versorger‘ etc. sind nur einige wenige offensichtliche Gender Diskurse, die als Denk- und Wahrnehmungsschablonen unser Kommunizieren und Interagieren beeinflussen und strukturieren. Im Coaching materialisieren sie sich z. B. in folgender Aussage einer Klientin: „Ja, ich lach, weil ich das schon gelegentlich … auch, auch zu Kolleginnen gesagt hab beziehungsweise mir selbst auch schon gesagt hab: ‚Na gut, wenn sie (= die Männer, Anmerkung EG) Frauen haben wollen, dann müssen sie halt ab und zu auch mal n Taschentuch reichen müssen. Das wird sie nicht umbringen‘“ (Graf in Vorbereitung a). All diesen Gender Diskursen liegt der hegemoniale Diskurs vom Unterschied der Geschlechter als übergeordnete Gender-Norm zugrunde, der von der essentialistischen und natürlichen binären Verschiedenheit zwischen Männern und Frauen ausgeht.
Die Identifizierung und Benennung dieser Gender Diskurse, die teilweise Gender-Phänomene nicht explizit versprachlichen, ist Teil einer kritischen und interpretativen Analyse und als solches keine „neutrale Aktivität“ (Sunderland 2004, S. 47). Die selbstkritische Reflektiertheit der Analysierenden, der Bezug zu verwandten Studien aus anderen professionellen Diskursen sowie die Diskussion der Interpretationen im Austausch mit anderen Forschenden garantiert die Aussagekraft der Ergebnisse und garantiert somit auch die Qualität des vorliegenden Projekts.
Nach der Diskussion der Konzepte „Führungskräfte-Coaching“, „Gender“ und „Diskurs“, die das vorliegende Projekt theoretisch fundieren und damit auch im Zentrum dieses einführenden Rahmenartikels stehen, soll nun im Abschn. 3 genauer auf die linguistischen Verfahren der Analyse von Gender-Praktiken im Führungskräfte-Coaching eingegangen werden. Diese werden unter dem methodischen Rahmen der Genderlinguistik zusammengefasst.
3 Methode und Daten
Das vorliegende Projekt zu Gender-Praktiken im Führungskräfte-Coaching ist in der Genderlinguistik verortet, die sich der Konstruktion von Geschlecht mittels sprachlicher Verfahren widmet, dabei unter Bezugnahme auf verschiedene gendertheoretische Modelle interdisziplinär angelegt ist und divergente Ausprägungen und Anwendungsbereiche umfasst (Spieß et al. 2012, S. 4–5). Diese divergenten Ausprägungen und Anwendungsbereiche bzw. Analysemethoden beinhalten sowohl den Fokus auf den konkreten Sprachgebrauch, wie er in der Konversationsanalyse und Gesprächsforschung im Vordergrund steht (ibid: 14), als auch den einer (angewandten und kritischen) Diskursanalyse bzw. Diskurslinguistik (ibid: 15), die anstelle einer Analyse des Sprachgebrauchs auf der lexikalischen und semantischen Ebene vor allem größere diskursive Phänomene fokussiert, Diskurs als sozio-kulturelles Phänomen sowie als Prozess und Produkt begreift, den konkreten Sprachgebrauch kritisch als Ausdruck gesellschaftlicher Gegebenheiten reflektiert und schließlich diese Ergebnisse in die Praxis zurückspiegelt. Allerdings wird dabei der konkrete Sprachgebrauch als Operationalisierung von Gender Ideologien und Gender-Identitäten zur Analyse herangezogen.
Although the forms that discourse analysis takes vary widely, those that emphasize discourse as a social, cultural, or political phenomenon have in common a theory of discourse not merely as the reflection of society, culture and power but as their constantly replenished source (Buchholtz 2003, S. 45).
Bei Gender-Praktiken im Führungskräfte-Coaching handelt es sich um ein sensitzing concept in Blumers (1969) Sinne, d. h. um „offene Konzepte, die den Untersucher oder die Untersucherin für die Wahrnehmung sozialer Bedeutungen in konkreten Handlungsfeldern sensibilisieren“ (Kelle und Kluge 2010, S. 29). Im Unterschied zum „unmotivierten Schauen“ (Stokoe und Smithson 2001) wie von Vertreter_innen der Konversationsanalyse gefordert, die ohne Vorannahmen an Gespräche gehen und nur solche Phänomene als Gender-Praktiken analysieren, die von den Beteiligten selbst relevant gesetzt werden (gender as participants’ category (Speer und Stokoe 2011, S. 13)), werden hier neben dem kritischen Blick der Forscherin vor allem auch diskursanalytische Ergebnisse aus anderen Untersuchung zu Gender (in professionellen Diskursen) berücksichtigtFootnote 17. Diese sensibilisieren Forscher_innen auch für implizite Bezugnahmen auf Gender-Ideologien bzw. Gender-Diskurse (Sunderland 2004) und erlauben Analysen, die über eine reine Beschreibung hinausgehen. Um mit Stokoe und Smithson (2001, S. 238) zu sprechen, „… in order to develop analysis that goes beyond pure description, one must look to the wider argumentative and interpretative resources, of both speakers and analysts, in order to produce analytic commentary“. Durch eine solch kritische Auseinandersetzung mit den untersuchten „Lebensformen“ (Kelle und Kluge 2010, S. 30), d. h. Führungskräfte-Coaching, wird so im Rahmen eines abduktiven Verfahrens ein klares Konzept von Gender im konkreten Handlungsfeld Coaching entwickelt, bei dem Gender-Konstruktionen in Wort und Diskurs identifiziert, kategorisiert und interpretiert werden. Die identifizierten wiederkehrenden diskursiven Gender-Praktiken werden gesammelt und case-by-case zur Ermittlung der sprachlich-diskursiven und interaktiven Gemeinsamkeiten und Unterschiede analysiert und schließlich in eine Typologie gefasst. Die Validität der Analyse wird auf der Basis der repräsentativen Beispiele gewährleistet.
Bezogen darauf, was im vorliegenden Projekt als interaktive Erzeugung von Geschlecht im Coaching berücksichtigt wird, kann abschließend mit Stokoe und Smithson (2001, S. 225) formuliert werden:
What counts as orienting to or indexing gender has therefore shifted from a restrictive definition comprising explicit gender references to much broader but contestable indexes such as the use of sexist language particles, pitch of voice and intonation, references to sexuality and gendered activities.
3.1 Ziele des Projekts und Forschungsfragen
Die Ziele des vorliegenden Projektes zur Erforschung von Gender Praktiken im Führungskräfte-Coaching sind beschreibender, interpretativer und anwendungsorientierter Natur. Nach der theoretischen Rahmung durch den vorliegenden Beitrag werden in einem nächsten Schritt linguistische Analysen expliziter und impliziter Gender-Praktiken in authentischen Daten von Führungskräfte-Coaching durchgeführt (vgl. Graf in Vorbereitung a, in Vorbereitung b, in Vorbereitung c). Erscheinungsformen von Gender im Coaching wurden bereits in Graf (2015) festgestellt, jedoch nicht systematisch analysiert. Dies soll im Rahmen dieses Projekts geschehen. Nur durch detaillierte Kenntnisse der sprachlich-diskursiven Verfahren, die die Beteiligten im Coaching einsetzen, um Gender-Identitäten in der lokalen Interaktion, die ihrerseits eingebettet ist in bestimmte Gender-Diskurse von Weiblichkeit(en) und Männlichkeit(en), zu konstruieren und zuzuschreiben, kann das theoretische Wissen um die Relevanz und Omnipräsenz von Gender im Beratungskontext bzw. Coaching-Kontext erweitert und konkretisiert werden.
Im Sinne einer genderlinguistischen Forschung zu Coaching, die im Bereich der angewandten Forschung verortet ist, ist das Ziel dieser Studien dabei auch, Praktiker_innen für die Omnipräsenz von Gender-Ideologien in der Coaching-Interaktion zu sensibilisieren und sie dabei zu unterstützen, ihre eigene Geschlechter-Identität und die ihrer Klient_innen kritisch zu hinterfragen. Dies bedeutet u. a. zu reflektieren, in wieweit sie Gender bewusst mittels sprachlicher und diskursiver Verfahren konstruieren, inszenieren und repräsentieren, oder aber wie häufig dies unbewusst geschieht und welche Konsequenzen dies für ihre Arbeit als Coach, aber auch für die Gestaltung der Beziehung zu den Klienten_innen sowie für deren Zufriedenheit und Erfolg im Coaching bedeutet (vgl. Graf in Vorbereitung d).
Die dem Projekt zugrunde liegenden Forschungsfragen lauten zunächst ganz allgemein: Welche Bilder von Weiblichkeit(en) und Männlichkeit(en) werden von den Beteiligten im Coaching explizit und/oder implizit gezeichnet? Welche sprachlich-diskursiven Verfahren setzen die Beteiligten dafür ein? Die detaillierten Forschungsfragen dazu werden in den einzelnen empirischen Beiträgen ausformuliert (vgl. Graf in Vorbereitung a, in Vorbereitung b, in Vorbereitung c).
3.2 Daten
Die Analysen (Graf in Vorbereitung a, in Vorbereitung b, in Vorbereitung c) basieren auf Gesprächsdaten aus einem Korpus aus 9 authentischen Coaching-Prozessen zwischen einem männlichen und einem weiblichen Coach und ihren Klient_innen aus dem Bereich des beruflichen Coaching bzw. Führungskräfte-Coachings. Es handelt sich um den Coaching-Ansatz Emotional Intelligentes Coaching, durchgeführt von Dietz Training & Partner; die Klient_innen sind allesamt Führungskräfte international agierender DAX-gelisteter Unternehmen aus den Bereichen Versicherung, Beratungs- und Finanzwesen. Die Coaching-Prozesse dauern zwischen 3 und 9 Sitzungen, die einzelnen Sitzungen zwischen 2 und 2,5 Stunden; insgesamt liegen ca. 145 Stunden authentische Coaching-Material vor. Die Coachings wurden auf Video aufgezeichnet und anschließend sprachwissenschaftlich mit Hilfe von HIAT (Halbinterpretatives Arbeitstranskript) transkribiert (ausführlich dazu siehe Graf 2015). Es liegen Coaching-Daten zu folgenden Dyaden vor: männlicher Coach – Klient; männlicher Coach – Klientin; weiblicher Coach – Klient; weiblicher Coach – Klientin. Die Daten wurden ursprünglich nicht erhoben um genderlinguistische Fragestellungen zu beantworten; die Omnipräsenz von Gender-Praktiken motivierte die Forscherin jedoch auch dieser Frage nachzugehen.
3.3 Methodisches Vorgehen
Die Tatsache, dass Gender im Führungskräfte-Coaching auf verschiedenen Ebenen des Coaching-Diskurses sowohl explizit als auch implizit rekonstruiert und ko-konstruiert wird und unterschiedliche Aspekte davon im Rahmen von empirischen Teilprojekten analysiert werden sollen, erfordert innerhalb des generellen methodischen Rahmens der Genderlinguistik die Anwendung verschiedener Konzepte zur qualitativen Analyse der Gesprächsdaten (Spieß et al. (2012, S. 10 ff) sprechen von unterschiedlichen Perspektiven). Je nach Fokus der einzelnen empirischen Studien stehen dabei z. B. die Interaktion zwischen Coach und Klient_in, die Erzählungen bzw. Verbalisierungen der Klient_innen oder aber die Interventionen der Coaches im Zentrum der Analysen. Dabei werden sowohl der sequentielle Ablauf der Coaching-Gespräche als auch deren thematische und sprachliche Ausgestaltung qualitativ analysiert.
Im Folgenden werden zwei Analysekonzepte aus dem Bereich der critical discursive psychology (vgl. Edley und Wetherell 2008) als eine weitere mögliche Perspektive der Genderlinguistik exemplarisch vorgestellt und jeweils anhand eines Beispiels kurz illustriert. Für detaillierte Analysen sei auf Graf (in Vorbereitung a, in Vorbereitung b, in Vorbereitung c) verwiesen.
3.3.1 Membership Categorization Device (MCD) (Schegloff 2007; Stokoe 2010, 2012; Stokoe und Smithson 2001)
Eine zentrale Forschungs-Frage ist, ob die Beteiligten im Coaching Gender-Identität(en) von sich konstruieren, wenn ja, welche, und auch welche sie ihrem Gegenüber zuschreiben. Mit Hilfe des Konzepts des membership categorization device (MCD), ursprünglich der Konversationsanalyse zugeordnet, können die Praktiken sozialer Kategorisierung der Beteiligten im Coaching-Gespräch analysiert und den Fragen nachgegangen werden, wann, wie und warum Coach und Klient_innen bestimmte Gender-Kategorien im Coaching-Gespräch explizit relevant setzen (Speer und Stokoe 2011, S. 22). Ein MCD umfasst eine Kollektion von Kategorien und mit diesen Kategorien verbundene Annahmen über Kategorien-typische Verhaltensformen (= category bound activities). Es besteht dabei eine enge kausale Verknüpfung zwischen erwartbarem und deswegen typischem Verhalten von Vertreter_innen einer Kategorie und dem, was sie tun, wie sie sich geben etc. (Stokoe 2010, S. 62); gleichzeitig gilt eine Abweichung davon als kommunikative erklärungsbedürftig (accountable). Kategorien bzw. ihre Mitglieder sind reich an Interferenzen, d. h. eine Verwendung der sozialen Kategorie „Frau“ als membership categorization device aktiviert, im Unterschied zur Kategorisierung durch Selbstreferenz mittels z. B. Eigennamen Stefanie, über die Person hinausgehendes soziales Wissen sowie ihr zugeschriebene Eigenschaften und Verhaltensmuster. Mit solch sozialen Kategorisierungspraktiken wird von den einzelnen an der Interaktion (z. B. dem Coaching-Gespräch) beteiligten Sprecher_innen stets auch eine normative Zuschreibung und Bewertung vorgenommen (vgl. Jayyusi 1984, S. 134). Besonders für die interaktive Herstellung sozialer Gender-Identitäten stellt diese moralisch-normative Komponente einen zentralen Aspekt dar, da ein Verweis auf kategoriengebundenes Wissen für die interagierenden Personen eine wichtige Ressource ist, um sich selbst interaktiv zu positionieren bzw. präsentieren. Durch die Wahl bzw. die Aktivierung einer bestimmten Identität bzw. Gender-Kategorie mit all den ihr zugeschriebenen typischen Eigenschaften und Verhaltensweisen, „… speakers can perform and manage various kinds of interactionally sensitive business, including their motives and reasons for doing things and saying things“. (Edwards 1998, S. 19).
Beispiel 1: so typisch Frau (vgl. Graf 2015)
Verwendung der kategorialen Bezeichnung (soziale Kategorisierung) Frau + attributives Adjektiv so typisch (MCD): Positionierung als prototypische Vertreterin mittels der sozialen Kategorie ‚Frau‘ sowie Beschreibungen des erwartbaren und deswegen Kategoriestypischen Verhaltens „ich lauf immer auf hundert Prozent“, „ich krieg das auch alles hin“, „ich schaukel dann irgendwie viel Sachen parallel“ (= category bound activities)
3.3.2 Interpretative Repertoires (Edley 2001; Weatherall 2016; Wetherell 1998)
Neben der Frage nach der Konstruktion und Zuschreibung von (expliziten) Gender Identitäten entlang des Coaching-Prozesses bzw. des Coaching-Gesprächs ist für das Projekt die Konstruktion und De-Konstruktion von (impliziten) Gender-Diskursen entsprechend Sunderlands interpretative discourses bzw. gendered discourses (Sunderland 2004) interessant. Wetherell (1998) definiert diese im Sinne ihrer auf Synthese ausgerichtete, d. h. die Mikro- und Makro-Struktur von Diskurs vereinende (vgl. 2.3), Diskursanalyse als Berücksichtigung der argumentative texture of social life (ibid., S. 294) neben den von den Beteiligten explizit thematisierten Anliegen. Dieser breitere kulturelle und historische Kontext bietet den Referenzrahmen für die Interpretation und die Bedeutung des Gesagten, bringt „Subjekt-Positionen“ (von Weiblichkeiten und Männlichkeiten) hervor und verweist so u. a. auf Macht-Relationen (Weatherall 2016, S. 21–22). Interpretative repertoires realisieren sich auf der Gesprächsebene durch wiederkehrende Themen, Termini, Kollokationen etc. sowie Metaphern, die die Sprecher_innen verwenden um bestimme Sachverhalte und Ereignisse darzustellen und zu bewerten. Diese stehen den Sprecher_innen als Teil des soziokulturellen Diskurses, aber auch ihrer jeweiligen Organisationskultur etc. zur Verfügung; durch die Verwendung dieser Begriffe, Sprachbilder etc. werden diese Diskurse von Weiblichkeit(en) und Männlichkeit(en) von den Sprecher_innen reproduziert. Gleichzeitig können eben diese sich wiederholenden building blocks of conversation (Edley 2001, S. 198) für die Analyse als Operationalisierung der interpretative repertoires oder interpretative discourses herangezogen werden.
Der thematisch und sprachlich wiederkehrende Charakter wird kurz im Beispiel 2 illustriert, beide Zitate stammen von der gleichen Klientin, allerdings aus unterschiedlichen Sitzungen.
Beispiel 2 (vgl. Graf 2015)
Ich habe keine Lust auf dieses Geschwätz, dass Frauen so superkommunikativ sind und naja, nachdem ja Frauen nicht alles können, also quasi bessere Kommunikation, da müssen sie halt was anderes weniger können
Ich habe keine Lust darauf, mich ständig irgendwie beweisen zu müssen … dass ich zwar ne Frau bin, aber trotzdem analytisch denken kann, vielleicht besser als ein Teil meiner männlichen Kollegen
Auch in diesen Beispielen sind soziale Kategorisierungen („Frauen“ bzw. „Frau“) und category bound activities („superkommunikativ“, „(nicht) analytisch denken können“) zu finden. Darüber hinaus wird hier bzw. mit Hilfe der MCDs – neben anderen Gender-Subdiskursen wie „Frauen sind die besseren Kommunikatorinnen“ oder „Frauen können nicht analytisch denken“ – der allem übergeordnete hegemoniale Diskurs vom Unterschied der Geschlechter von der Klientin (re-)konstruiert und damit weiter perpetuiert. Um kritisch mit Lassen (2011, S. 255) zu sprechen: „… women play a significant role in the social exclusion of their own gender, by discursively constructing themselves as ‚Other‘“.
Zur kritischen Interpretation der einzelnen Phänomene werden in den Analysen dabei alle Beispiele stets im Verlauf ihrer sequentiellen Einbettung in des Gespräch bzw. den gesamten Coaching-Prozesse untersucht: jeder Beitrag der am Gespräch Beteiligten ist sowohl die Konsequenz des zuvor vom Gegenüber Gesagten als auch die Voraussetzung für das, was im anschließenden turn vom Gegenüber gesagt wird.
4 Ausblick – ein Projekt (auch) zur Sensibilisierung der Coaching-Praxis?
Der vorliegende Beitrag schafft die theoretisch-methodische Grundlage für eine genderlinguistische Erforschung von Führungskräfte-Coaching. Im Zentrum des Projektes stehen dabei Gender-Praktiken von Coaches und Klient_innen mittels derer die Beteiligten Gender-Identitäten und Diskurse von Weiblichkeit(en) und Männlichkeit(en) lokal im Hier-und-Jetzt der Coaching-Gespräche konstruieren. Ein Ziel des Projektes ist es, die am Thema Gender-Konstruktionen interessierte, bis dato allerdings ausschließlich theoretisch argumentierende, Beratungsforschung durch konkrete Analyse-Ergebnisse aus authentischen Gesprächen zu ergänzen sowie Gender im Führungskräfte-Coaching auch in der Genderlinguistik als Forschungsthema zu etablieren. Vorab lässt sich dazu folgende Aussage treffen: Genderdifferenzierendes Kommunizieren ist allgegenwärtig, wenn auch nicht omnirelevant (Ayaß 2008, S. 171) in den analysierten Gesprächen zwischen Coaches und ihren Klient_innen: zu coachen bzw. gecoacht zu werden bedeutet (auch) Gender zu repräsentieren, zu inszenieren, zu ko-konstruieren und zu zuschreiben. Gender-Praktiken bzw. Inszenierungen von Männlichkeit und Weiblichkeit finden sich an unterschiedlichen Schauplätzen innerhalb einer Coaching-Sitzung: zunächst stellt die physische Begegnung von Coach und Klient_in die Begegnung zweier, mittels verbaler und non-verbaler Praktiken, inszenierter Gender-Identitäten dar jenseits des Aufeinandertreffens von Bio-Männern und Bio-Frauen. Daneben greifen Coaches z. B. durch ihre Metaphern-Wahl oder ihre Re-Interpretation der Klient_innen-Darstellung bewusst-strategisch oder unbewusst auf Gender-Ideologien zurück: warum wählt der männliche Coach die Metapher des Fußballspiels zur Erklärung der Methode mit einem Klienten, in der Sitzung mit einer Klientin aber die Metapher der Familie? Schließlich gewähren die Klient_innen mittels ihrer Selbstdarstellungen und Erzählungen, u. a. über ihre Themenwahl bzw. darüber welche Themen nicht gewählt werden, Einblicke in ihr Gender-Selbstverständnis als Führungskraft und Privatperson. Die Selbstdarstellungen und Erzählungen richten sich dabei an ein professionelles Gegenüber, so dass sich in der Themenwahl, der verbalen und non-verbalen Art und Weise der Darstellung etc., auch widerspiegelt was Klient_innen in dieser Situation für angemessen halten im Hinblick auf Gender-Erwartungen an sich selbst und die anderen.
Ein weiteres Ziel des Projektes ist es, aufbauend auf den Analyse-Ergebnissen, die Coaching-Praxis für die Komplexität und Relevanz des Themas Gender jenseits der Frage des Aufeinandertreffens von bio-men und bio-women zu sensibilisieren und in diesem Zusammenhang konkrete Handlungsempfehlungen für die Praxis und den Ausbildungskontext zu erstellen. Gerade implizite Gendernormen, geschlechterdifferenzierende Identitätskonstruktionen und Zuschreibung oder das (Re-)Konstruieren von hegemonialen Männlichkeits- und Weiblichkeitsdiskursen sind als kommunikative Prozesse so untrennbar mit den kommunikativen Prozessen des Coachings im Sinne des doing gender while doing coaching verbunden, dass „genderspezifische Erfahrungsräume“ entstehen (Scheffler und Büchele 2014, S. 132). Werden diese nicht intersubjektiv bewusst reflektiert, was laut Pannewitz (2012, S. 352) eben nicht der Fall ist, können geschlechterdifferenzierende Verhalten und Ideologien in und durch noch Coaching verstärkt werden. Die vor diesem Hintergrund geforderte Gender-Kompetenz in der Beratung bzw. im Coaching (Abdul-Hussain 2012; Möller 2014) sollte dabei aber
… nicht von der Geschlechterdifferenz ausgehen, sondern sich vielmehr mit der Frage beschäftigen, wie und wo Unterschiede zwischen den Geschlechtern gemacht werden, und diese Attributionen und Fehlattributionen benennbar und damit reflektierbar und veränderbar machen. (Abdul-Hussain 2012, S. 87)
Berater_innen im Allgemeinen und Coaches im Besonderen fungieren dabei nicht nur als role-model für Klient_innen in der konkreten Coaching-Interaktion (Abdul-Hussain 2012, S. 63), sie fungieren auch als Multiplikator_innen und Veränderungsagent_innen in den Unternehmen (Möller 2014, S. 14). Ein Gender-sensibles Verhalten auf ihrer Seite ist also sowohl für die lokale Beziehung mit den Klient_innen im Sinne eines Aufzeigens alternativer Handlungsvarianten im Bereich Gender als auch für den globaleren Unternehmenskontext von großer und weitreichender Bedeutung. Eine qualitative Analyse der lokalen Gender-Praktiken im konkreten Coaching-Gespräch als Ausdruck globaler Gender-Ideologien ist dabei eine notwendige Voraussetzung um Gender-sensibles Verhalten und Gender-Kompetenz zu konkretisieren und dadurch auch beobacht- und lehrbar zu machen.
Notes
Arbeiten zu sprachlich-diskursiven Inszenierungen von Weiblichkeit und Männlichkeit bergen selbst die Gefahr einer Perpetuierung der Gender-Dichotomisierung (Ayaß 2008, S. 20), die in diesem Kontext von einem „Reifizierungsproblem“ spricht; (siehe auch Abdul-Hussain 2012; Gildemeister und Wetterer 1992). Als Lösungsweg wird hier an manchen Stellen von „Weiblichkeiten“ und „Männlichkeiten“ (Abdul-Hussain 2012; Connell 2005) gesprochen, um die Bandbreite an Weiblichkeit und Männlichkeit in den Blick zu rücken. Des Weiteren wird die Bezeichnung „genderdifferenzierend“ im Unterschied zu der gängigeren Bezeichnung „genderspezifisch“ gewählt, die diesem Umstand der Schaffung von Unterschieden durch Benennung derselben Rechnung trägt (Wetterer 1999; zitiert nach Ayaß 2008, S. 24).
Während die genderlinguistische Perspektive die übergeordnete thematische Fokussierung auf (sprachlich-diskursive) Gender-Praktiken meint, fokussiert die diskursanalytische Perspektive die konkreten Realsierungen von Gender-Praktiken auf sprachlicher und diskursiver Ebene. Beide Perspektiven sind somit untrennbar miteinander verbunden und bedingen sich gegenseitig (Günthner et al. 2012).
Das hier zum Tagen kommende Identitätskonzept ist das sogenannte identity-in-interaction (vgl. Antaki und Widdicombe 1998), bei dem es im Unterschied zu gängigen sozialwissenschaftlichen Identitätsbegriffen darum geht, „… im Gespräch hervorgebrachte Identitäten zu untersuchen, die Interaktantinnen aus einem weiten Spektrum an Möglichkeiten auswählen und relevant setzen. Im Zentrum dieses Identitätskonzepts steht, als wer oder was Gesprächsteilnehmerinnen im Mikrokosmos der Interaktion einander lokal identifizieren, warum und auf welche Art und Weise, d. h. mit welchen verbalen und non-verbalen Mitteln sie das tun“. (Spreckels 2012, S. 290).
Der Begriff der controlling images wurde von Hill Collins (2000) im Bereich der Black Feminist Studies entwickelt. Da das Konzept im Unterschied zum Begriff des Stereotyps stärker Beeinflussung und Lenkung zum Ausdruck bringt, soll im Rahmen dieses Beitrags von controlling images/kontrollierenden Bildern und Vorstellungen gesprochen werden.
Obwohl Gender als master identity jede berufliche und private Situation des Menschen mitprägt, soll an dieser Stelle nicht behauptet werden, sie sei omnirelevant. Gleichzeitig kann auch der Idee Hirschauers (2001) vom undoing gender, einer vorübergehenden situativen Neutralisierung der Geschlechterdifferenz, nicht zugestimmt werden. Stattdessen wird mit Kotthoff (2002) von gender display als graduellem Phänomen ausgegangen, das zuweilen im Vordergrund der Interaktion und zuweilen im Hintergrund, praktisch unbemerkt im Sinne von Bordieus habitus abläuft, stets aber relevant ist (Mullany 2007, S. 26; Schnurr 2009, S. 105).
So argumentiert z. B. Spreckels (2012, S. 292–293) dass „(o)bwohl diese Dichotomien auch zu vielen Problemen führt, haben die meisten Menschen ein großes Interesse an einer eindeutigen Geschlechteridentität, denn diese ermöglicht ihnen eine Selbstverortung innerhalb eines soziokulturellen Systems der Zweigeschlechtigkeit (…). Die Vorgabe typischer Muster von männlichem bzw. weiblichem Verhalten in sämtlichen Gesellschaftssphären gibt den Individuen eine Art Handlungsschema an die Hand und bietet daher eine gewisse Verhaltenssicherheit“.
Das Konzept der hegemonialen Männlichkeit geht auf die Arbeiten von R. Connell (2005) zurück, die Geschlechtlichkeit vorrangig mit gelebter Praxis und gesellschaftlichen Ordnungsprozessen in Verbindung bringt und ihren Ursprung stets in Beziehungsstrukturen verortet. Hegemoniale Männlichkeit ist dabei eine Erscheinungsform von Männlichkeit, zu der aber alle anderen Formen wertend in Beziehung gesetzt werden.
Laut Liska (2006) trägt Coaching – wenn nicht gender-reflektierend gearbeitet wird – auf drei Wegen zur Aufrechterhaltung tradierter Bilder von männlicher Hegemonie bei. Als Abgrenzung durch Fokussierung auf rang- und statushöhere Personen, durch die Vermittlung von habitueller Sicherheit, von Fähigkeiten und Kompetenzen zur Selbstvergewisserung der eigenen Männlichkeit und der eigenen souveränen Männlichkeitsdarstellung sowie als intimer Raum um an der Übereinstimmung von Lebensentwurf und professioneller Identität (als Führungskraft) zu arbeiten (siehe auch Abdul-Hussain 2012, S. 123).
Graf (2015) ermittelte vier kommunikative Basis-Aktivitäten für Coaching, die in ihrer jeweiligen kommunikativen Ausgestaltung und spezifischen Zusammensetzung entlang der strukturellen, thematischen und interaktiven Ebene Coaching von anderen Beratungsformaten wie Therapie abgrenzen: ‚Definieren der Situation‘, ‚Gestalten der Beziehung‘, ‚Ko-Konstruieren von Veränderung‘ und ‚Evaluieren des Coachings‘.
Butler stellt in ihren Arbeiten auch die biologische Basis des Körpers in Frage, d. h. sie betrachtet den menschlichen Körper als Materialität, der immer auch schon ein kulturelles Artefakt darstellt (Spieß et al. 2012, S. 6).
Auf diesen Punkt soll im Ausblick noch näher eingegangen werden im Zusammenhang mit der Frage der Verantwortung von Coaches im Umgang mit der interaktiven Erzeugung von Geschlecht im Coaching: „Da Beratung als Kommunikationsprozess zu sehen ist, entstehen genderspezifische Erfahrungsräume; häufig genug werden Gendereinflüsse in der Beratung aber ignoriert. Beratungsprozesse verstärken so genderspezifische Ungleichheiten“ (Scheffler und Büchele 2014, S. 132).
Der Fokus weg von Sprache im Sinn von Sprachgebrauch auf der Mikro-Ebene hin zu Diskurs auch im Sinne einer Erweiterung auf die Meso- und Makro-Ebene steht auch im Zusammenhang mit dem sogenannten discursive turn in den Sozialwissenschaften in den 1980er-Jahren: „The study of discourse expanded the concept of social action to include talk and texts of all kinds and it began to offer ways to work with people’s words and communicative activities“ (Edley und Wetherell 2008, S. 162).
Zur Komplexität des Diskursbegriffs vgl. u. a. Buchholtz (2003, S. 44): „The term discourse is itself subject to dispute, with different scholarly traditions offering different definitions of the term, some of which venture far beyond language-centered approaches“.
Gender wird dabei (im Gespräch) mit Hilfe des Sprachgebrauchs und der Repräsentationen von Gender konstruiert, inszeniert, repräsentiert und angezeigt (Sunderland 2004, S. 22 ff). Während Konstruieren und Inszenieren von Geschlecht das aktive Subjekt betont, wird beim Repräsentieren der, die oder das Dargestellte fokussiert. Anzeigen (indexing gender, siehe ursprünglich Ochs (1992)) schließlich geschieht mittels des Signalisierens bestimmter sozialer Bedeutung, die als zusätzliche Bedeutung die Interpretation des Gesagten oder Getanen beeinflusst: „In every community, members have available to them linguistic resources for communicating such social meaning at the same time they are providing other levels of information“ (Ochs 1992, S. 338).
In diesem Zusammenhang ist auch Small Talk zu nennen, der – laut Mullany (2007, S. 76) – „… can be solely identified as stereotypically feminine gendered discourse (…). It is traditionally perceived as empty, trivial talk, including gossip (…) as well being stereotypically associated with private, domestic spheres, the arena historically associated with women due to the sexual divisions of labour. Despite such negative evaluation, small talk can fulfill a range of important functions in the workplace“.
Dominante Diskurse von Weiblichkeit und Männlichkeit können allerdings auch de-konstruiert werden bzw. Akteur_innen können weniger dominante Diskurse von Weiblichkeit oder Männlichkeit konstruieren (Graf 2012).
Die Diskussion um eine nicht-kritische vs. kritische Diskursanalyse u. a. im Zusammenhang mit der Frage ob ausschließlich die Kategorien analysiert und diskutiert werden dürfen, die die Beteiligten selbst in der Interaktion relevant setzen, kann an dieser Stelle nicht weiter erläutert werden (siehe aber Schegloff 1997, 1998; Wetherell 1998 zum Ursprung der Debatte).
Literatur
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Graf, EM. Von „so typisch Frau“ bis „jetzt nehmen wir mal Fußball als Beispiel“ – Praktiken der diskursiven Herstellung von Weiblichkeit(en) und Männlichkeit(en) im Führungskräfte-Coaching aus genderlinguistischer Sicht. Coaching Theor. Prax. 3, 1–15 (2017). https://doi.org/10.1365/s40896-016-0015-z
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DOI: https://doi.org/10.1365/s40896-016-0015-z
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- Gender
- Führungskräfte-Coaching
- Diskurs
- Sprachlich-diskursive Ko-Konstruktion von Geschlecht
- Genderlinguistik
- Implikationen für die Praxis