Im folgenden Abschnitt berichten wir über die Erfahrungen aus einem konkreten IT-Studienprojekt mit Masterstudierenden. Dieses erstreckte sich über 2 Semester im Zeitraum von 2020 bis 2021, d. h. unter den besonderen Umweltbedingungen der Covid-19-Pandemie und den damit verbundenen Maßnahmen der Regierungen und Verwaltungen. Deshalb wurde dieses Projekt vollständig, von der Bewerbung des Projekts bis hin zur Präsentation der Endergebnisse, virtuell durchgeführt.
Die Aufgabenstellung des Projekts war die Gestaltung und Implementierung eines Conversational User Interfaces (CUI) zur Unterstützung eines Design Thinking Kurses. Das Projekt kann als brownfield project charakterisiert werden, da es auf bestehenden IT-Prototypen aufgebaut wurde. Es sollte ein sprachbasiertes CUI mit Hilfe eines Alexa Echos implementiert werden. Im Folgenden berichten wir, wie die konkreten Projektphasen virtuell durchlaufen wurden, welche Tools zum Einsatz kamen und welche besonderen Vorkommnisse es gab. Schließlich reflektieren wir positive und negative Aspekte der Durchführung.
In der Bewerbungsphase konnte keine Präsenzveranstaltung vor Ort stattfinden. Seitens der Lehrorganisation gab es die Vorgabe, dass eine Präsentation, eine textuelle Beschreibung oder Video bereitzustellen ist. Diese elektronische Datei sollte dann Studierenden im Lern-Management-System vor dem Start des Semesters zur Verfügung gestellt werden. Wir haben ein Video erstellt, in welchem der Dozierende gut sichtbar ist und über das Thema, mögliche Technologien und geeignete Organisationsformen referiert hat. Damit verbunden war ein hoher Aufnahme- und Bearbeitungsaufwand. Die eingesetzten Werkzeuge (Smartphone, Diktiergerät, iPad-Anwendung für Schnitt) sind für den Privatgebrauch geeignet, d. h. kein professionelles Aufnahme-Setting wurde genutzt. Die gesamte Produktion des Videos hat einen Arbeitstag gedauert aber es war uns wichtig, dass die Vorstellung des Projekts eine persönliche Note hat, um distanzmindernd zu wirken. Die Resonanz der Studierenden war positiv und 10 Studierende haben sich initial beworben, von denen letztlich 9 als Projektgruppe das IT-Studienprojekt gestartet haben.
Dann erfolgte die Bearbeitungsphase. Zu Beginn standen datenschutztechnische Herausforderungen bei der Entscheidung für eine Videokonferenzsoftware. Letztlich fiel die Entscheidung auf Zoom. Ein Grund dafür lag in der Erfahrung des Betreuenden mit dieser Software und der bereits vorhandenen Educator License. Im Vergleich zu bspw. Big Blue Button wurden weniger Lastprobleme erwartet. Zudem waren Studierende im Umgang bereits durch andere Lehrveranstaltungen geübt. Damit die Verwendung dieser Applikation datenschutzkonform geschehen konnte wurde von den Studierenden einerseits eine schriftliche Einverständniserklärung eingeholt, in der das Einverständnis zur Nutzung bestätigt und sich verpflichtet wurde keine audiovisuellen Mitschnitte über die Software zu erstellen. Weiterhin wurde darauf geachtet, dass das Hosting der Videokonferenzserver in Deutschland stattfindet.
In der ersten Sitzung des Projekts wurde in einer Videokonferenz ein lockeres Gespräch zum Kennenlernen geführt. Dabei sollten die Teilnehmenden sich vorstellen und erzählen wer sie sind, warum sie das Thema interessiert und welchen Hobbies sie nachgehen. Es wurde um Anschalten der Videokameras gebeten. Als Eisbrecher stellte sich der Betreuende vor, zeigte sein privates Arbeitszimmer und sogar seinen Hund. Dadurch wurde eine angenehme Atmosphäre geschaffen, die es den Teilnehmenden ermöglichte sich ungezwungen kennenzulernen. In dieser Projektgruppe kannte niemand mehr als 2 Personen vorab, d. h. es war größtenteils kein eingespieltes Team.
Der Betreuende hat die Organisation erläutert und einen Rahmen vorgestellt, der an das agile Vorgehen nach Scrum angelehnt war. Wir stellen dessen Hauptbausteine nachfolgend kurz vor:
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Daily: Das Daily fand in einer besonderen Form statt. Da wir den Studierenden nicht auferlegen wollten sich zu einem bestimmten Zeitfenster für maximal 15 min in einer Telefon- oder Videokonferenz zu treffen wurde eine selbstentwickelte Webanwendung bereitgestellt, welche das Datum und die Antworten auf die Fragen „Was habe ich gemacht?“, „Was werde ich tun?“ und „Was gab es für Probleme?“ abfragt. Die Studierenden wurden gebeten täglich, unabhängig von der Uhrzeit, diese drei Fragen zu beantworten. Falls die Studierenden an einem Tag keine projektrelevanten Aufgaben bearbeitet haben, dann sollten sie dieses mit „nichts“ kennzeichnen.
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Weekly: Zur Beratung wurde ein wöchentlicher Termin angesetzt bzw. vom Supervisor angeboten, welcher vor allem in der ersten Phase stark für die Unterstützung bei der technischen Einarbeitung genutzt wurde.
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Sprint Planning und Review: In einem Turnus von zwei Wochen fand mit dem Supervisor (betreuender Dozent) ein Termin zur Berichterstattung und Planung der weiteren Schritte statt. Dabei berichtete einer der Studierenden über den im vorherigen Planning geschätzten Aufwand und den realen geleisteten Aufwand. Ebenfalls wurden in diesem Termin die Ergebnisse aus dem Sprint vorgestellt. Weiterhin wurde hier viel Platz gelassen für das Stellen von Fragen oder ggf. hat der Supervisor Hinweise gegeben wie ein bestimmtes Problem gelöst werden kann. Dabei wurde darauf geachtet, dass dies nicht als direkte Aufgabe vom Supervisor formuliert war sondern im Sinne eines Beratungsgesprächs Lösungsoptionen aufgezeigt wurden.
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Sprint: Der Sprint erfolgte stets über 2 Wochen und wurde von den Studierenden eigenverantwortlich durchgeführt, d. h. der Supervisor nahm keinen Einfluss auf die Aufgabendefinition und -verteilung. Gleichzeitig stand der Supervisor für jegliche Frage in einem asynchronen Austausch per E‑Mail für Fragen zur Verfügung. Bei komplexeren Themen, die meist technischer Natur waren, wurden ad-hoc Videokonferenzen abgehalten.
Nach der Darstellung des Organisationsrahmens wurde vom Supervisor ein erster Überblick über Conversational User Interfaces im Allgemeinen und über sprachbasierte im speziellen gegeben. Dabei wurde auf Amazon Alexa und einige Vorarbeiten eingegangen. Weiterhin wurde über die technische Infrastruktur und die Zielvorstellung aus Betreuendensicht gesprochen. Der Betreuende erwähnte dabei mögliche Herangehensweisen, ohne dass eine verpflichtende Arbeitsform vorgegeben wurde.
In den darauf folgenden Sprint-Meetings wurde von einer Person aus der Gruppe die jeweils geschätzten Storypoints und die jeweils erreichten Storypoints berichtet. Der Supervisor fragte bei einer zu großen Abweichung nach, ob es Probleme beim jeweiligen Sprint gab. Wichtig war hierbei klar auszusprechen, dass diese Frage nicht „wertend“ sondern im Sinne der Verbesserung für die nächsten Sprints gemeint ist. Daraufhin wurde auch über Probleme wie z. B. beschränkter Datenbankzugriff oder aktuelle Prüfungen berichtet. Der Supervisor agierte als Coach, nicht als Instruktor oder hierarchischer Vorgesetzter.
In den ersten Weekly-Meetings wurde in erster Linie mit den Studierenden des Entwicklungsteams gearbeitet, das sich um die Entwicklung einer Anbindung an ein vorhandenes System und der Implementierung von Alexa-Skills innerhalb der Alexa-Developer-Console beschäftigt hat. Die Gruppe hat dieses Unter-Team selbst geformt. Da wir die Erfahrung gemacht haben, dass das Aufsetzen von Entwicklungsumgebungen auf verschiedenen Betriebssystemen immer wieder zu Schwierigkeiten führt, haben wir uns für die Verwendung einer Container-Technologie (Docker) entschieden und konnten eine vorgefertigte Entwicklungsinfrastruktur zur Verfügung stellen. In den weiteren Weekly-Meetings wurden entweder Fortschritte vorgestellt oder es wurde sich mit einem spezifischen Problem beschäftigt. Die Teilgruppe der Studierenden, welche sich mit dem Alexa-Skill und der dazugehörigen Abfragen von der Plattform beschäftigten, hatten keine Erfahrung in der genutzten Programmiersprache und des verwendeten Plattform-Systems. Gegen Ende des Projekts wurde dieser Termin auch kurzfristig für Klärungsbedarfe genutzt. Wir nehmen an, dass durch die kontinuierliche Unterstützung des Dev-Teams, die Hürde für die anderen Mitglieder diesen Termin zu nutzen gefallen ist.
Die Präsentation der Projektergebnisse lief über eine Videokonferenz. Dabei haben die Studierenden berichtet, dass sie sich mit dem Thema Conversational User Interface (CUI) bisher wenige Berührungspunkte im Studium hatten. Das IT-Studienprojekt konnte ihnen aber einen vertiefenden Einblick geben.
Weiterhin wurde von einem anfänglichen Problem berichtet, bei dem nicht genügend Daten für die Durchführung einer Aufgabe verfügbar waren. Es fehlten Instanzen für eine Design-Thinking-Methodendatenbank, wodurch das Entwicklungsziel gefährdet war. Deshalb entschied sich die Gruppe dafür, die Methodendatenbank zu verfeinern und durch eine verbesserte Struktur zu ersetzen. Dabei wurden weitere Methoden recherchiert, so dass die Methodendatenbank gewachsen ist. Um diese Methoden mit Alexa abfragen zu können wurden Intents entwickelt, konzipiert und per Screensharing mit Testnutzern getestet. Die Erkenntnisse sind dann in einem Vorgehensmodell für weitere CUI-Projekte verarbeitet worden.