Liebe Leserin, lieber Leser,

Leichtbau und Insassenschutz mit möglichst wirtschaftlichen Fertigungsverfahren zu verbinden, zählt für Automobilhersteller rund um den Globus zu den Kardinalstugenden. Der damit verbundene Wettbewerb der Werkstoffe begründete in der Stahlindustrie einen regelrechten Innovationsschub.

Im Zentrum der Interessen stehen dabei regelmäßig Neuentwicklungen rund um hoch- und höchstfeste Stähle. Diese erlauben aufgrund ihrer Werkstoffeigenschaften vergleichsweise dünne und mithin leichte Bleche einzusetzen, ohne dabei Kompromisse bei der Crashsicherheit eingehen zu müssen.

Auch die Aluminiumindustrie brachte in der vergangenen Dekade zahlreiche Sonderlegierungen auf den Markt. Doch Karosserieentwickler wissen: Die hochgezüchteten Leicht-baubleche beider Anbieter werden immer ähnlicher und gleichen sich von den grundlegenden physikalischen Werten immer mehr an.

Der Grund liegt tief in der Metallurgie und den physikalischen Eigenschaften der beiden Werkstoffe begründet. So gelten traditionelle Kohlenstoffstähle, allen voran die konventionellen Tiefziehqualitäten, seit jeher als gutmütig und leicht zu verarbeiten.

Doch beim Übergang von den üblichen Tiefziehqualitäten zu höherfesten Stählen fühlen sich viele Presswerk- und Karosseriebauspezialisten immer öfter an ihre ersten Versuche mit Aluminiumblechen erinnert. Zum Beispiel bei der notwendigen Anpassung der Werkzeugauslegung an die Besonderheiten der neuen Werkstoffsorten. Oder bei der deutlich stärkeren Rückfederung der hochfesten Stahlbleche, die sich durchaus mit der Rückfederung von Aluminiumblechen vergleichen lässt. Als Hemmschuh gilt überdies, dass die höherfesten Stähle früher an die Grenzen der Umformbarkeit stoßen.

Das scheinbar einträchtige Drehen an den immer gleichen Stellschrauben in den Metallurgielaboren kommt übrigens nicht von ungefähr: Erregte Diskussionen, erhitzte Gemüter und ein oft verbissen geführter Schlagabtausch zwischen den Anbietern unterschiedlicher Werkstoffe für den Automobilbau kennzeichneten noch Mitte der 90er-Jahre namhafte Leichtbau- und Werkstoffkongresse. Doch die Wortgefechte waren programmiert.

„Wenn wir nur intensiv genug die widerstreitenden Werkstoffanbieter zum Disput auffordern, bekommen wir schon das richtige Ergebnis“, lautete etwa die Überzeugung von Professor Claus Razim, dem ersten Umweltbevollmächtigten der Mercedes-Benz AG. Er sollte recht behalten.