Industrie und Forschung stehen vor der Herausforderung, unter anderem im Zuge einer flächendeckenden Elektromobilität adäquate Leichtbauteile anzubieten. Doch die Zwänge der Entwicklungsabteilungen sind so vielfältig wie die Wahlmöglichkeiten der einzusetzenden Materialien. Immer öfter müssen äußere Randbedingungen mit in die Entwicklung einfließen. Fragen der Wirtschaftlichkeit gehören dabei ebenso kritisch betrachtet wie das Analysieren bestehender Prozesse. Wie also sieht das ganzheitliche Rezept für einen erfolgreichen Leichtbau aus? „Systemleichtbau“, lautete nahezu einhellig die Antwort der Referenten des 6. Leichtbau-Colloquiums Ende Februar in Landhut. Mehr als 300 Teilnehmer trafen sich in der Hochschule zum fachlichen Gedankenaustausch.

Wie das am Beispiel eines Pkw-Sitzes umgesetzt wird, erklärte Dr. Marian Stepankowsky von Johnson Controls am aktuellen Pure Seating-Konzept. „Runter mit dem Gewicht“ gelingt seiner Ansicht nach durch eine integrierte Kinematik, das Reduzieren der Komfortfunktion auf das Wesentliche (Funktionsintegration — Multifunktionskinematik) und durch eine intelligente Sitzarchitektur. Erich Wehrle geht noch einen Schritt weiter. Am Lehrstuhl für Leichtbau der Fakultät für Maschinenwesen der Technischen Universität München hat er die Optimierung von Leichtbaustrukturen für Elektrokleinfahrzeuge untersucht — einschließlich geforderter Sicherheitsanforderungen im Crash. Sozusagen die übergeordnete Ebene im Systemleichtbau. „Der Systemleichtbau bietet über den Stoff- Form- und Fertigungsleichtbau hinaus weitere Möglichkeiten, den Leichtbaugrad von Strukturen und Systemen auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu steigern“, erklärte dazu Prof. Otto Huber, technisch-wissenschaftlicher Leiter des Leichtbau-Cluster und Organisator des Leichtbau-Colloquiums.

Zu Wort kamen unter anderem Werkstoffwissenschaftler wie Benjamin Hangs vom Fraunhofer Institut für Chemische Technologie ICT, der über das kombinierte Verpressen langfaserverstärkter Thermoplaste mit UD-Tapes sprach, mit der sich die Impacteigenschaften verbessern lassen. Auch Udo Gaumann von Takata befasste sich in seinem Vortrag mit thermoplastischen Faserverbundkunststoffen.

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Simulation Komplexer Kunststoffstrukturen

Beide dürften sich bei ihren Tätigkeiten auf die Arbeitsergebnisse von Georg Gruber vomLehrstuhl für Konstruktionstechnik der Uni Erlangen-Nürnberg und Christoph Mittermeier von der Fakultät für Luft- und Raumfahrttechnik der Universität der Bundeswehr München freuen. Während Gruber seine Forschungsarbeit zum integrativen Simulationsansatz zur Prognose des Strukturverhaltens kurzfaserverstärkter Kunststoffproben vorstellte, erklärte Mittermeier das Prinzip der konstitutiven Modellierung der physikalischen Alterung von Polymerschichten.

Spannend wurde es, als Andreas Weinert von Eurocopter das Verhalten von FVW-Bauweisen unter dynamischer Belastung aufzeigte. Denn die Dimensionierung der Faserverbundwerkstoff-Strukturen (FVW), die dynamisch belastet und durch schlagartige Beanspruchung vorgeschädigt sind oder „im Einsatz werden, bereitet noch Schwierigkeiten“. Er glaubt im Übrigen , dass der Einsatz von Kohlenstofffaserverbunden im Serien-Automobil kurz bevor steht.

Basaltfasern für Erhöhte Einsatztemperaturen

Vielleicht finden sich aber Alternativen zur Kohlefaser. So hält es der Materialspezialist Patrick Weichand vom Institut für Fertigungstechnologie keramischer Bauteile der Universität Stuttgart für möglich, basaltfaserverstärkte Verbundfaserwerkstoffe einzusetzen. Zwar hänge die Qualität des Naturprodukts Basaltfaser stark „vom jeweiligen Steinbruch ab“. Doch eigneten sich faserverstärkte Hybridverbundwerkstoffe im Leichtbau für Einsatztemperaturen um 650 °C.

Dr. Gerrit Kurz vom Magnesium Innovations Center des Helmholtz-Zentrums in Geesthacht hingegen rückte am zweiten Tag der Veranstaltung das Leichtbaumaterial Magnesium in den Mittelpunkt seines Vortrags. Er zeigte die Fortschritte beim Bearbeiten, genauer beim Gießwalzen. Zudem stellte er die Ergebnisse genauerer Untersuchungen von Magnesiumblechen der Legierungen konventioneller Art AZ31 mit denen der Legierung ZE10 vor. Diese wiesen ein deutlich erhöhtes Umformvermögen auf, was für die Serienfertigung ein großer Vorteil sei.

Wenn es darüber hinaus noch gelingt, den Korrosionsschutz auf Magnesium-Knetlegierungen wirtschaftlich darzustellen, wie es Max Ramm von Innovent andeutete, und wenn das Problem des Recyclings zufriedenstellend gelöst ist, dann dürfte dieser leichteste metallische Strukturwerkstoff auch für den großflächigen Einsatz in der Automobilindustrie interessanter werden.