Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult. Walter Künzel. In das höchste Amt der Medizinischen Akademie Erfurt demokratisch gewählt, hat Professor Künzel die Hochschule verantwortungsbewusst geführt und nach ihrer Schließung 1993 die Amtskette würdevoll der Stadt Erfurt zurückgegeben.

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© Medizinische Hochschule Erfurt

Die Zahnärzteschaft trauert um den international anerkannten Hochschullehrer und Wissenschaftler Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult. Walter Künzel, der nach kurzer schwerer Krankheit am 03. April 2021 im Alter von 92 Jahren verstarb.

Prof. Walter Künzel stellte über Jahrzehnte seine ganze Energie und Tatkraft in den Dienst der Wissenschaft. Er hat sich während seines beruflichen Wirkens in herausragender Weise für eine präventiv orientierte zahnärztliche Betreuungsstrategie eingesetzt. Darüber hinaus war er ein außerordentlich engagiertes Mitglied in zahlreichen nationalen und internationalen Wissenschaftsgesellschaften und Expertengruppen der WHO. Sein berufliches Wirken sowie die damit verbundenen Ehrungen und Auszeichnungen sind so umfangreich, dass seine Leistungen in Wissenschaft und Forschung nur auszugsweise wiedergegeben werden können.

Professor Walter Künzel wurde am 02. November 1928 in Königrätz /Böhmen geboren. 1935 erfolgte die Einschulung zunächst in eine tschechische Schule in Königrätz. Den Besuch der deutschen Schule in Reichenberg/Sudetenland, schloss er 1945 mit der Matura ab.

Die erste Station nach seiner Ausweisung aus Reichenberg 1946 war Baasdorf bei Köthen. Hier lernte er auch sein Frau Johanna kennen, die er 1954 heiratete.

Nach dem Studium der Zahnmedizin an der Humboldt-Universität Berlin (HUB) und seiner Promotion entschied sich Walter Künzel 1953 für eine akademische Laufbahn.

Berlin wurde die erste von drei Etappen, seines wissenschaftlichen Lebens. Bereits hier griff er den Gedanken der Kariesprävention auf, die zum Schwerpunkt seines Schaffens wurde.

1959 initiierte er die Einführung der Trinkwasserfluoridierung in Karl-Marx-Stadt, die er 40 Jahre wissenschaftlich begleitete und ihre Effektivität in zahlreichen Publikationen auswies. Seinem Leitspruch "Per aspera ad astra" folgend, begann die beachtliche Karriere von Walter Künzel. Er wurde kommissarischer Direktor der Poliklinik für Konservierende Stomatologie an der HUB und später Leiter der Abteilung für Kariesforschung an der Klinik und Poliklinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Charité. 1962 habilitierte er sich und erhielt die Dozentur für Kinderzahnheilkunde.

Die 2. Etappe seiner Karriere führte ihn an die Universität Leipzig, wo er von 1964 bis 1975 Ordentlicher Professor und Direktor der Poliklinik für Konservierende Stomatologie war. Daneben galt sein Wirken vermehrt der Kinderstomatologie. Er wurde Gründungsvorsitzender der Gesellschaft für Konservierende Stomatologie und der Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde der DDR. 1965 erschien das Standardwerk der Kinderstomatologie "Kinderzahnheilkunde und ihre Grenzgebiete". In der Neufassung "Kinderstomatologie" ist es bis heute für angehende Kinderzahnärzte ein hervorragendes Lehrbuch und Nachschlagwerk der Kinderzahnheilkunde.

Als an der Medizinischen Akademie in Erfurt eine neue zahnmedizinische Ausbildungsstätte geplant wurde, konnte Walter Künzel seine Ideen von einer modernen zahnmedizinischen Ausbildungsstätte dank seines strategischen Könnens und Verhandlungstalents erfolgreich durchsetzen.

Mit der Inauguration der ersten Sektion Stomatologie in der DDR 1975, dessen Direktor er wurde, und seiner Berufung auf den ersten deutschen Lehrstuhl für Präventive Stomatologie an der Medizinischen Akademie Erfurt begann die 3. Etappe seiner akademischen Karriere. Unter seiner Leitung entstand eine akademische Lehranstalt neuen Typus. Die klassischen Lehrstühle wurden zu Polikliniken umgewandelt und durch den von Künzel geleiteten Wissenschaftsbereich Präventive Stomatologie ergänzt; ein Novum weit über Europas Grenzen hinaus. Ein wichtiges Ergebnis seiner internationalen Reputation und Mitwirkung in verschiedenen WHO-Expertengruppen war die Inauguration des WHO-Kollaborationszentrums "Prävention oraler Erkrankungen" an der Sektion Stomatologie im Dezember 1983, das er bis 1997 leitete. In dieser Zeit war er u. a. Präsident der Gesellschaft für Stomatologie der DDR, Projektleiter des zentralen Medizinischen Forschungsprojektes "Präventive Stomatologie", Mitglied des Koordinierungsrates der Medizinisch - wissenschaftlichen Gesellschaften der DDR und Präsident der Europäischen Gesellschaft für Kariesforschung (ORCA), um nur einige seiner Aktivitäten zu nennen. Von der Vielzahl nationaler und internationaler Ehrungen seien nur die Ehrendoktorwürde der Semmelweiß-Universität Budapest (1990) und der Universität Leeds / Großbritannien (1991) erwähnt.

Nach der Wiedervereinigung Deutschlands wurde er der erste frei gewählte Rektor der Medizinischen Akademie Erfurt.

Mit der Euphorie über die gesellschaftspolitischen Veränderungen ging aber das Ende der Erfurter Hochschuleinrichtung einher. Auf Weisung des Thüringer Ministerpräsidenten Bernhard Vogel wurde die Medizinische Akademie - und mit ihr die international anerkannte Sektion Stomatologie - im Dezember 1993 geschlossen. Damit fand das Wirken des großen Wissenschaftlers und eines weltweit geachteten Experten auf dem Gebiet der Präventiven Zahnheilkunde ein Ende. Was bleibt ist ein reicher Fundus wissenschaftlicher Publikationen Bücher und Buchbeiträgen. Mehr als 600 Vorträge auf nationalen und internationalen Kongressen zeugen von seiner begeisternden Redekunst und Eloquenz. Er betreute 130 Doktoranden und 8 Habilitanden.

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© Medizinische Hochschule Erfurt

Neben dem immensen Arbeitspensum blieb aber auch noch Zeit, Walter Künzel privat zu erleben. Dabei konnte man den ansonsten strengen und fordernden Chef als geselligen, großartigen Erzähler und charmanten Gastgeber erleben. Nach seiner Emeritierung 1993 war er noch bis kurz vor seinem Tod vielfältig tätig. Seit 1996 gehörte er der 1819 gegründeten Apostelgesellschaft, einer Vereinigung honoriger Erfurter Herren, an. Als ihr Schriftführer publizierte er die Geschichte dieser Vereinigung in seinem Buch "Zwischen Federkiel und Personalcomputer". Trotz seines hohen Alters blieb Schreiben das Lebenselexier von Walter Künzel. Es folgten noch weitere Bücher über die zahnärztlichen Gesellschaften Ostdeutschlands und die Hochschulzahnmedizin in Erfurt. Sein letztes Werk "Hochschulzahnmedizin in Ostdeutschland. Erlebtes und Erlittenes", das er 2018 fertigstellte, blieb ein Unikat.

Walter Künzel war eine Persönlichkeit von außerordentlichem Fleiß, Disziplin, Weitsicht und Wissen, ausgestattet mit einem brillanten Gedächtnis, ein Mensch, für den Moral, Anstand und Pflichtgefühl noch etwas galten.

Wir, seine ehemaligen Schüler, Doktoranden, Habilitanden und Kollegen, verabschieden uns in großer Dankbarkeit von Walter Künzel und werden sein Andenken in Ehren bewahren.

Unsere besondere Anteilnahme gilt seiner Ehefrau, engsten Verwandten und Freunden. Annerose Borutta

Roswitha Heinrich-Weltzien

Susanne Kneist

Mit freundlicher Nachdruckgenehmigung der Landeszahnärztekammer Thüringen. Erstveröffentlicht in: Thüringer Zahnärzteblatt, Ausgabe 5/2021