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Dass auch die Väter unter postnatalen Depression leiden können, ist gesellschaftlich noch relativ unbekannt. Um das zu ändern, untersucht die stellvertretende Klinikdirektorin des Universitätskinikums Würzburg dieses Phänomen und setzt sich für eine umfassende Aufklärung ein.
Frau Professor Kittel-Schneider, wie viele Väter sind vom "Baby Blues" betroffen und wie sehen die Symptome aus?
Kittel-Schneider: Die Angaben zur Prävalenz von postnatalen Depressionen bei Vätern schwanken in den verschiedenen Studien relativ stark, zwischen 4 und bis zu 25% werden angegeben. In einer eigenen kleinen Pilot-Studie mit 86 Vätern bzw. Paaren, die momentan zur Veröffentlichung vorbereitet wird, haben wir bereits bei 3,7% der Väter relevante depressive Symptome in der Schwangerschaft und bei 5,6% der Väter eine relevante Symptomatik drei Monate nach der Geburt des Kindes gefunden. Nach sechs Monaten reduzierte sich der Anteil depressiver Väter wieder auf 3,6%, um nach einem Jahr post partum wieder auf 12% anzusteigen.
Die Kernsymptome einer Depression bei Männern sind wie bei Frauen: Gedrückte Stimmung, reduzierter Antrieb und Interessenlosigkeit. Allerdings sind Männer häufig gereizt oder gar aggressiv. Männer neigen auch eher dazu, zum Beispiel Alkohol als Selbstmedika-tion einzusetzen, um die depressiven Symptome zu betäuben. Ähnlich werden aber bei beiden Elternteilen Selbstzweifel und Selbstvorwürfe berichtet. Also, keine gute Mutter oder Vater zu sein oder sich nicht gut genug um das Kind kümmern zu können, und häufig auch eine reduzierte Freudfähigkeit über das Kind.
Wer ist besonders gefährdet und kann die Depression verhindert werden?
Kittel-Schneider: Sowohl unsere Daten als auch die von vorherigen Studien konnten bisher folgende Risikofaktoren für eine postnatale Depression bei Vätern identifizieren: Depressive Episoden in der Vergangenheit, erste depressive Symptome bereits in der Schwangerschaft der Partnerin, Eheprobleme, Arbeitslosigkeit bzw. finanzielle Schwierigkeiten, eine ungeplante Schwangerschaft, Frühgeburt oder Krankheit des Kindes, schlechte soziale Unterstützung aber auch eigene traumatische Erfahrungen in der Kindheit. Ein sehr starker Risikofaktor für die Väter ist zudem eine postnatale Depression bei der Partnerin. Zur Prävention einer postnatalen Depression bei den Vätern wäre es wichtig, sowohl die werdenden Väter als auch die Mütter über das Krankheitsbild und die Frühwarnsymptome aufzuklären. Zudem sollte es auch für Väter niederschwellige Möglichkeiten der Kontaktaufnahme zu Beratungsstellen oder Therapeuten geben, damit frühzeitig interveniert werden kann. Studien bei Müttern zeigen, dass körperliche Aktivität, Entspannungsverfahren und Achtsamkeitsbasierte Verfahren präventiv wirksam sein könnten, bei den Vätern fehlen solche Daten.
Und was unterscheidet eine postnatale Depression von einer Erschöpfung?
Kittel-Schneider: Eine dauerhaft gedrückte Stimmung, viele negative Gedanken, die auch von außen nicht völlig nachvollziehbar sind, Freud- und Interessenlosigkeit, ständige Selbstzweifel und auch länger andauernde verminderte Gefühle gegenüber dem Kind und dem Partner deuten auf eine depressive Verstimmung hin. Eine übermäßige Erschöpfung kann allerdings ein Frühwarnzeichen oder auch ein Risikofaktor für die Entwicklung einer Depression sein. Daher sollte hier rechtzeitig gemeinsam mit dem Paar überlegt werden, wie Entlastung geschaffen werden kann.
Sollte die Hebamme mit Eltern offen über die mögliche Erkrankung sprechen?
Kittel-Schneider: Ja, da postnatale Depressionen sowohl bei Müttern als auch bei Vätern relativ häufige Erkrankungen sind und jeden treffen können, sollte darüber allgemein aufgeklärt werden - auch wenn keine Risiko- faktoren erkennbar sind. Obwohl es Hinweise gibt, dass es Väter erst später treffen kann, beginnt die postnatale Depression auch bei ihnen schon in den ersten drei Monaten nach Entbindung. Hilfreich wäre hier beispielsweise ein vierteljährliches Screening beider Eltern-teile (z.B. Edinburgh Postnatal Depression Scale, EPDS), von der Schwangerschaft an. Und von den Kinderärzten würden wir uns wünschen, dass diese auch die Eltern auf psychische Erkrankungen screenen würden, da sich eine postnatale Depression auch auf die Entwicklung der Kinder negativ auswirken kann. Aber das wird bislang leider nur in Ausnahmefällen und nicht flächendeckend durchgeführt.
Das Interview führte Josefine Baldauf
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Nachgefragt ... ... bei Prof. Dr. Sarah Kittel-Schneider. Heb Wiss 2, 15 (2021). https://doi.org/10.1007/s43877-020-0077-z
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