Fehlerkultur und Risikomanagement in einer Hebammengeleiteten Einrichtung Hebammen haben in ihrem Beruf viel Gestaltungsfreiheit und Eigenverantwortlichkeit aber oft wenig Möglichkeit zur Reflexion. Fehler oder Beschwerden von Eltern sollten daher willkommen sein und wie Positionslichter den Weg in den sicheren Hafen weisen.

Auch in Ihrer Tätigkeit als Hebamme und Leiterin einer Hebammengeleiteten Einrichtung (HGE) erreichen Sie Ihre Ziele Schritt für Schritt nur mit beharrlichem Selbstvertrauen und Vertrauen auf Ihre Visionen und Ziele. Mit einem geburtshilflichen Qualitätsmanagementsystem bilden Sie Ihre Arbeitsorganisation logisch ab und formulieren erreich- und messbare Ziele. Je nach Ausprägung Ihres Angebots beziehen Sie die Schwangerenvorsorge, Kurse, Hebammen-Sprechstunden, Schwangerenambulanzleistungen, Wochenstation oder ambulante Wochenbettbetreuung ein. Überlegen Sie auch, welche Dienstleistungen Sie auslagern sollten beispielsweise, weil es Ihnen an Zeit oder Erfahrung in dem jeweiligen Bereich mangelt.

Die Risiken minimieren und Qualität gewinnen

Gestaltungsfreiheit und Eigenverantwortlichkeit bergen auch Risiken, zumal wenn man sich und seine Tätigkeit nicht kontinuierlich reflektiert. Durch Reflexion wird das eigene Handeln überprüft und bei Bedarf optimiert. Die von vornherein risikobehafteten Abläufe und Konstellationen spielen eine entscheidende Rolle. Sie gilt es im Vorfeld zu erkennen, aus Fehlern zu lernen und die Angebote kontinuierlich sicherer zu machen. Das Team entscheidet über den fachlichen Bedarf und die notwendigen, zu regelnden Bereiche und erstellt die wichtigsten Prozessstandards. Die Erstellung eines sogenannten Risikoportfolios bringt eine realistische Einschätzung des Regelungsbedarfs.

Fehler und unerwünschte Vorfälle werden sich immer ereignen: Es gibt jedoch die Erkenntnis, dass ein Fehlerbewusstsein mit gut entwickelter Diskussionsbereitschaft die Wahrscheinlichkeit des Auftretens reduziert. Wichtige Bausteine sind ein gutes Vorbild, die direkte Unterstützung und die Solidarität der Kolleginnen sowie ein Risikobewusstsein und die Bereitschaft, über erkannte oder erlebte Risiken offen zu berichten. Mit der systematischen Sammlung einer größeren Zahl von Fällen lernen Hebammen mit der entsprechenden Bereitschaft ohne Beschränkungen viel voneinander.

Schwere Zwischenfälle und Komplikationen sind selten: Grundlage für eine Sensibilisierung ist die Auseinandersetzung mit den häufigeren "banalen" Ereignissen, den Vorstufen, die sich unter bestimmten Bedingungen verhängnisvoll entwickeln können. Diese Vorfälle oder "Beinahevorfälle" zu erfassen und zu klassifizieren, ist der Kern der Hebammen-Fehlerkultur. Die kleinen und großen Sicherheitslücken im System werden geschlossen, die Zahl künftiger Fehler in der Schwangerenvorsorge, Geburtshilfe und Wochenbettbetreuung verringert, die Konzeption wird konkreter.

Schnittstellen bergen ein hohes Fehlerpotential: Machen Sie einen Abgleich mit Ihren bislang getroffenen Regelungen und definieren Sie diese gegebenenfalls neu. Ein Abgleich der für die Hebammen geltenden Gesetze und Verordnungen und dem Umsetzungsgrad in der Praxis bringt neue Erkenntnisse und Sie weiter. Sie werden in den kommenden Jahren Schritt für Schritt daran weiterarbeiten, ganz so, wie es dem Bedarf der wachsenden HgE entspricht. Und nur so nebenbei, der Haftpflichtversicherer und die Kostenträger werden begeistert sein!

Aufklärung: Sprechen Sie mit den Frauen

Bestehen Sie auf einer Kultur der Fehlerfreundlichkeit, es darf niemals um individuelle Schuldzuweisungen gehen. Wenn dem Team klar wird, dass fehlende Strukturen und Regelungen zum Versagen führen, ist viel gewonnen. Denn immer wieder ist es die Kommunikation, ob schriftlich, telefonisch, in Besprechungen oder zwischenmenschlich, die für Informationsverlust und den Verlust von Sicherheit führt. Beschwerden von Frauen, Kolleginnen und Kooperationspartnern zeigen uns dann unmissverständlich den Weg.

Sprechen Sie mit den Frauen und dokumentieren Sie. Bei der Aufklärung, werden die meisten Fehler gemacht. Auch eine vaginale Untersuchung ist ein Eingriff, über den die Frau aufgeklärt werden muss. Hebammen haben eine eigene Aufklärungspflicht vor jedem Eingriff wie Dammschnitt, Akupunktur, Homöopathie, Braunüle, Oxytropf, geburtshilfliche Manöver, Massagen und Schmerzlinderung, Spasmolytika, der Weiterleitung in ärztliche Behandlung oder der Betreuung eines ikterischen Kindes. Daher ist es eine gute Idee, mit vorbereiteten Aufklärungschecklisten zu arbeiten. Diese sind mit Datum, Uhrzeit, Namen der Beteiligten gekennzeichnet, eindeutig zugeordnet und enthalten einen Vermerk über die Information zu Wirkung und Nebenwirkung, Alternativen und Konsequenzen.

Fallbesprechung: Sprechen Sie mit den Kolleginnen

Besprechen Sie sich, wo immer es möglich ist, investieren Sie dafür Zeit, führen Sie ein verbindliches Besprechungswesen ein und achten Sie auf eine sorgsame Einarbeitung neuer Kolleginnen. Hebammen haben viel Gestaltungsfreiheit und Eigenverantwortlichkeit in ihrem Beruf - oft aber wenig Möglichkeit zum Austausch. Für individuelle, praxisbezogene Lern- und Entwicklungsprozesse ist Feedback wichtig. Ganz besonders wertvoll ist die Unterstützung durch Kolleginnen aus dem eigenen Arbeitsbereich. Planen Sie für ihre neue Hebammengeleitete Einrichtung von Beginn an Zeit für die Kollegiale Beratung ein.

Nur durch ständige Reflexion werden das eigene Handeln in diesem beziehungs- und kommunikationsbezogenen Beruf überprüft und Lernerfahrungen gemacht. Mit der Einführung der Kollegialen Fallbesprechungsmethode stützen und stärken Sie sich gegenseitig und reflektieren kritische Fälle systematisch. Sie lernen aus Fehlern und verhindern individuelle Schuldzuweisungen. Die wertschätzende Methode (z.B. Roddewig M (2018) Kollegiale Beratung für Gesundheitsberufe, ein Anleitungsprogramm. Mabuse Frankfurt) ist leicht zu erlernen, es fallen keine Kosten für die Supervision an und sie ist unkompliziert zu organisieren.

Der Grundgedanke liegt auf der Hand: Das Hebammenteam muss Fehler nicht erst selbst machen, um aus ihnen zu lernen. Kollegiale Beratung ist ein systematisches Beratungsgespräch, in dem Hebammen sich nach einer vorgegebenen Gesprächsstruktur wechselseitig zu beruflichen Fragen und Schlüsselthemen beraten und gemeinsam Lösungen entwickeln. Kollegiale Beratung findet in Gruppen von sechs bis neun Mitgliedern statt, die im regelmäßigen Abstand zusammenkommen. Die Teilnehmerinnen tragen dabei ihre Praxisfragen, Probleme und "Fälle" vor. Nach einem festen leitet eine Moderatorin die Gruppe durch das Beratungsgespräch und aktiviert dabei die Erfahrungen und Ideen der übrigen Teilnehmerinnen. Diese suchen nach Anregungen und Lösungsideen, die die Fallerzählerin weiterbringt. Ein Durchgang dauert etwa 45 Minuten bis eine Stunde, sodass in drei Stunden zwei bis drei Fälle bearbeitet werden können. Es gibt keine festen Rollenverteilungen, alle wechseln je Fallberatung. Nun gibt es keine Beraterin oder Expertin mehr von außen, das Hebammenteam funktioniert.