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Hinter dem Begriff „Stammzelltherapie“ – dem die aktuelle Ausgabe des Knie Journal gewidmet ist – verbergen sich schon seit der Erstbeschreibung von Stammzellen große Hoffnungen für die Lösung unterschiedlichster medizinischer Erkrankungen. Die Idee, durch eine Therapie mit einer Stammzelle den natürlichen Alterungsprozess aufhalten zu können, zerstörtes oder degeneriertes Gewebe wieder aufzubauen und somit eine Vielzahl von Erkrankungen und Verletzungen zu einer Ausheilung zu bringen, vereint hier Ärzte, Wissenschaftler und Patienten und bietet Ansatzpunkte für diverse angeborene und erworbene Erkrankungen. Der Fantasie sind hier im Grundsatz keine Grenzen gesetzt.

Trotz intensiver Forschung werden Stammzellen bisher in nur wenigen Bereichen der Medizin genutzt

Interessanterweise ist trotz intensiver Forschung in nur wenigen Bereichen der Medizin die Nutzung von Stammzellen zu therapeutischen Zwecken bisher etabliert worden. Ein Beispiel zeigt sich in der Onkologie, bei der die Transplantation CD-34-positiver hämatopoetischer Stammzellen in Zusammenhang mit der Hochdosischemotherapie sicherlich die Therapie vieler maligner Erkrankungen weitergebracht hat. In anderen Fachdisziplinen existieren zwar viele interessante Angriffspunkte und präklinische Arbeiten, die eine Stammzelltherapie als interessante Option darstellen, aber der Durchbruch in anderen Bereichen, wie z. B. in der Orthopädie und Unfallchirurgie, steht noch aus. Hier stellt häufig der Verschleiß von Gewebe eine Vielzahl von Erkrankungen dar, allen voran die Arthrose, und schafft einen besonders attraktiven potenziellen Einsatzbereich dieser Therapien. Die Anwendung mesenchymaler Stammzellen bei Arthrose hat in den letzten Jahren großes Interesse in der medizinischen Forschung und klinischen Praxis geweckt. Obwohl erste Studien vielversprechende Ergebnisse gezeigt haben, gibt es noch keine eindeutigen Beweise für die langfristige Effektivität der Anwendung mesenchymaler Stammzellen bei Arthrose. Die Wirksamkeit kann von verschiedenen Faktoren, wie dem Stadium der Arthrose und der Art der verwendeten Stammzellen abhängen. Gerade letztgenannter Aspekt scheint essenziell, da sich die Arten möglicher Stammzelltherapien erheblich unterscheiden. Während die beste wissenschaftliche Evidenz für die Anwendung expandierter und im Labor angezüchteter Zellen vorhanden ist, spielen diese wegen fehlender Verfügbarkeit in Europa quasi überhaupt keine Rolle. Die Evidenz wird jedoch in der Argumentation gerne auf Zellaufbereitungen aus Knochenmark und Fettgewebe übertragen, die sich aber erheblich von einer eigentlichen Therapie mit expandierten Stammzellen unterscheiden und somit getrennt zu betrachten sind.

Spannend ist das Thema der „Stammzelltherapie“ aber auch aus einem ganz anderen Blickwinkel. Die hohe Attraktivität von Patientenseite und das Attribut des „Modernen“ und „Innovativen“, mit denen sich ein Anwender auch in der Außendarstellung präsentieren kann, bietet ein hohes Marketingpotenzial. Natürlich besteht hier die Gefahr „Hoffnung“ und „Visionen“ zu verkaufen, was in gewisser Weise auch im Konflikt zu evidenzbasierter Medizin stehen kann. Diesen Konflikt gilt es gerade beim Thema der „Stammzelltherapie“ auch deshalb genau im Auge zu halten.

Alles in allem stellt das Thema einen äußerst komplexen Bereich der regenerativen Medizin dar, den es in Zukunft zu ordnen gilt und bei dem auch die Themen „Regulation“ und „Zulassung“ eine gewichtige Rolle spielen. Letzteres erscheint vor allem deshalb von großer Relevanz, da die unsachgemäße Anwendung von Zell- oder Gewebeaufbereitungen auch einen Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz darstellen kann. Nicht nur aus diesem Grund, sondern auch aus Sicht des Wissenschaftlers gilt es hier unterschiedliche Zellaufbereitungen, unterschiedliche Ursprungsgewebe und unterschiedliche Applikationsarten sowie Indikationen zu trennen, um in Zukunft mehr Klarheit bei der Anwendung solcher Therapieverfahren zu haben.

Die vorliegende Ausgabe des Knie Journal soll dazu beitragen, das Verständnis für den Bereich der Stammzelltherapie zu verbessern und unterschiedliche Aspekte aus dem relevanten Bereich der Kniechirurgie, die Behandlung der Kniegelenksarthrose, aufzugreifen.

Wir wünschen in diesem Sinne viel Spaß beim Lesen.