Hannah Cross beschäftigt sich in ihrem Buch „Migration Beyond Capitalism“ mit der Interaktion zwischen Migration und Kapitalismus. Dabei stellt sie aus einem marxistischen Blickwinkel die Arbeiter_innenklasse in den Mittelpunkt ihrer Studie und behandelt historische sowie zeitgenössische Aspekte der politischen Ökonomie der Migration. Migration versteht Cross als Folge kapitalistischer Gesellschaftsorganisation und neoliberaler Politik. Im Zentrum ihrer Analyse steht das Argument cheap labour in Bezug auf zugewanderte Arbeiter_innen und der damit verbundene Antagonismus zwischen zugewanderten und nicht-zugewanderten Arbeitskräften auf dem Arbeitsmarkt. Zudem thematisiert sie den politischen und ideologischen Kampf um Migration als Vorstoß für eine alternative Gesellschaftsordnung. Das Buch ist in acht Kapitel unterteilt, sein Inhalt wird im Folgenden zusammengefasst.

Auf das erste, einleitende Kapitel folgt ein Abschnitt zu „Sozialismus, Marxismus und Migration“. Hier behandelt Cross die Ideen von Karl Marx zur ‚irischen Frage‘ sowie zur Migration und erläutert die Unterschiede zwischen Nationalismen in imperialistischen und in unterdrückten Ländern. Außerdem gibt sie einen Überblick über die Entwicklung der sozialdemokratischen Programmatik, in welcher – so die Autorin – bisher Opportunismus und ein imperialistischer Nationalismus vorherrschen. Kapitel 3 „Imperalism and Migrant Labour in the Capitalist World Economy“ konzentriert sich auf die historische Beziehung zwischen Migration und Kapitalismus. Insbesondere zeigt es, wie Imperialismus und Militarismus Menschen zur Migration zwingen. Anhand von Beispielen aus verschiedenen Weltregionen (zum Beispiel anhand der Migrationsbewegung zwischen Mexiko und den USA) werden die vielfältigen Abhängigkeitsverhältnisse zwischen Herkunfts- und Zielländern der Arbeitsmigrant_innen angeführt. Im vierten Kapitel „Borders, Militarism and Inequality“ setzt sich Cross damit auseinander, wie sich die Situation an den Grenzen aufgrund der Zunahme der Migration in den letzten Jahren (‚langer Sommer der Migration‘ 2015) entwickelt hat und inwieweit der Kapitalismus auch nach dem Verlust des staatlichen Monopols und der Privatisierung in der Grenzsicherung immer noch eine wichtige Rolle spielt. Im Fokus dieses Kapitels stehen auch die umgesetzten Politiken zur Verhinderung von Einwanderung (‚fortress Europe‘) und deren Auswirkungen auf die Zunahme von rechtspopulistischen Positionen und Xenophobie.

In Kapitel 5 „Wages, Organized Labour and Post-Work Utopianism“ geht es um ein zentrales Anliegen des Buches. Es wird gezeigt, „how migration is a deliberate device used by governments and global institutions to keep labour costs down as a precondition for economic growth“ (S. 88). In diesem Rahmen werden auch die Arbeitsbedingungen thematisiert. Insbesondere geht die Autorin auf die Prekarisierung der Arbeitnehmer_innen in Zeiten des Neoliberalismus und die Benachteiligung von zugewanderten Arbeitskräften ein. Im nächsten Kapitel „The Production of Class Antagonism in Capitalism“ behandelt sie die Entstehung von Antagonismen zwischen zugewanderten und nicht-zugewanderten Arbeitnehmer_innen auf dem Arbeitsmarkt. Dabei macht Cross deutlich, dass dieser Antagonismus zu Rassismus führt und nationalistischen Parteien Anlass zu fremdenfeindlichen Äußerungen gibt. Sie zeigt auf, dass sowohl der seit der Kolonialzeit bestehende Rassismus als auch der Antagonismus auf dem Arbeitsmarkt in der neoliberalen Ära zugenommen haben. Im Anschluss daran befasst sich das siebte Kapitel „Strikes, Internationalism and Solidarity“ damit, wie der beschriebene Antagonismus und der Rassismus auf dem Arbeitsmarkt verhindert werden können. Die Beteiligung der Arbeiter_innenklasse an antirassistischen und progressiven Bewegungen erachtet Cross als notwendig, was sich sowohl an älteren Beispielen (wie der Arbeiter_innenbewegung gegen Oswald Mosley in den 1930er Jahren in London) als auch an jüngeren Beispielen („Black Lives Matter“-Bewegung nach der Ermordung von George Floyd im Jahr 2020 in Minneapolis) demonstrieren lässt.

Das Buch schließt mit dem achten Kapitel, das einen „sozialistischen Ansatz für die Migration“, so der Titel, behandelt. In diesem Kontext wird die internationale Solidarität zwischen den Arbeiter_innen des Globalen Nordens und des Globalen Südens thematisiert. Ausgehend von marxistischen Ideen und dem „Bamako Appeal“ von 2006 stellt die Autorin (vor allem anhand von Zitaten von Rosa Luxemburg und Samir Amin) politische Reformen und Politiken zur Transformation des kapitalistischen Systems vor. Cross sieht die Arbeiter_innenbewegung als ein wichtiges Instrument zur Transformation des kapitalistischen Systems an.

Das Buch erfüllt sein Ziel, die Interaktionen zwischen Kapitalismus und Migration anschaulich zu vermitteln, und zeigt den Beitrag der marxistischen Analyseperspektive zum Verständnis dieser Interaktionen auf. Die Autorin verwendet aussagekräftige Beispiele aus der Vergangenheit und der Gegenwart, um ihre Argumentation nachvollziehbar zu machen. Die große Herausforderung der Fragestellung des Buches bestand jedoch darin, die Migration beyond Kapitalismus, wie es der Titel vorgibt, darzustellen. Cross argumentiert anhand der aktuellen Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt im Zusammenhang mit der Migration in klassisch-marxistischer Logik und stellt die Arbeiter_innenbewegung, das Klassenbewusstsein und die internationale Solidarität für die Transformation des Kapitalismus in den Mittelpunkt. Es bleibt jedoch offen, welche weiteren jüngeren und innovativen Argumentationen aus einer marxistischen Perspektive genannt werden können.

Insgesamt ist der Band für Dozierende und Studierende in Politik‑, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, die sich mit den Themen Migration und Arbeitsmarkt beschäftigen, sehr empfehlenswert. Angesichts der Zunahme rechtspopulistischer Auffassungen in Deutschland sind die zentralen Thesen des Buches besonders aktuell. Eine Übersetzung ins Deutsche wäre daher wünschenswert.