Anna Catharina Hofmann widmet ihre Dissertationsschrift der Franco-Diktatur in der Periode der Technokratie zwischen 1956 und 1973. Nachdem die Spanienforschung lange Zeit ausschließlich auf den repressiven Charakter des Regimes fokussierte, konzentriert sie sich in der letzten Zeit vermehrt auf die Prozesse der Demokratisierung der spanischen Gesellschaft und der Herauskristallisierung zivilgesellschaftlicher Strukturen, die den Übergang in die Demokratie begünstigten. Somit rückt vor allem die politische Opposition in den Blick und die Diktatur wird von ihrem Zusammenbruch her betrachtet. Hofmann bietet dagegen einen völlig neuen und interessanten Ansatz, indem sie das Franco-Regime und dessen Legitimationsversuche als westliche Entwicklungsdiktatur in den Mittelpunkt stellt, um der Frage nach der Persistenz durch gleichzeitige außen- und innenpolitische Stabilität dieser Rechtsdiktatur im Europa des 20. Jahrhunderts nachzugehen.

Bereits in den 1940er Jahren, spätestens aber nach dem Stabilisierungsplan 1959, den die spanische Regierung mit Experten des Internationalen Währungsfonds und der Organisation for European Economic Co-operation zusammen ausarbeitete, gab es in den franquistischen Herrschaftseliten Bemühungen, die spanische Wirtschaftspolitik neu zu gestalten und dadurch das Land in die Reihe der ‚entwickelten‘ Länder Westeuropas zu stellen. Im Mittelpunkt dieser politischen Strategie stand die Wirtschaftsplanung der 1960er und 1970er Jahre. Hofmann stellt sich nun die Aufgabe, die Entstehung, die Umsetzung und die Hauptakteure dieser Modernisierungsstrategie der 1960er Jahre zu untersuchen. Dabei stellt sie den Regimepolitiker Laureano López Rodó in den Mittelpunt, der die Diktatur über administrative Effizienz, wirtschaftlichen Erfolg und Einbindung in den Westen zu stabilisieren versuchte. Interessierte an dessen Biografie finden hier Einblicke in eine erstaunliche politische Karriere und persönliche Beziehungen auf politischer Ebene. Eine Biografie sensu stricto ist das allerdings nicht. Vielmehr geht es in der Studie um eine Verschränkung der Wirtschafts‑, Politik- und Wissensgeschichte. Insbesondere steht die Geschichte von ‚Entwicklung‘ und ‚Modernisierung‘ im 20. Jahrhundert im Vordergrund, was sich in der Anwendung angloamerikanischer Wirtschafts‑, Politik- und sozialwissenschaftlicher Modernisierungstheorien zeigt. Auf anspruchsvolle Weise versucht die Autorin zu erläutern, wie die „Unterentwicklung“ und „Rückständigkeit“ Spaniens von den Regimepolitikern „entdeckt“ und politisch diskutiert wurde, und wie der Prozess der „Entwicklung“ dann von nationalen und internationalen Akteuren geprägt und somit zu einem globalen Politik- und Handlungsfeld wurde.

Durch ihre empirische Analyse, die auf umfangreichen und – wenn man die nicht immer leichten Umstände in den spanischen Archiven bedenkt – anspruchsvollen Archivquellen sowie zeitgenössischer Presse basiert, zeigt Hofmann überzeugend, dass die franquistische Wirtschaftsentwicklungspolitik nicht, wie bisher angenommen, auf dem Einfluss der orthodox-katholischen Organisation des Opus Dei basierte. Vielmehr zeichnet sich eine stark westliche Orientierung, die López Rodó als junger Jurist durch seine Auslandsreisen kennenlernte, in den wirtschaftspolitischen Reformen ab. Seine Neulegitimation des Regimes basierte auf einer reibungslos funktionierenden und über die Wirtschaftsplanung für wachsenden Wohlstand sorgenden Staatsverwaltung und wurde unter anderem von staatsphilosophischen Überlegungen des deutschen Verwaltungsjuristen Ernst Forsthoff inspiriert. Demnach entwarf López Rodó das Ideal einer entideologisierten und entpolitisierten Gesellschaft der „Verwalteten“, die sich an den staatlichen Dienstleistungen und Konsummöglichkeiten erfreute und sich arbeitend in den Dienst der ‚nationalen Aufgabe‘ der wirtschaftlichen Entwicklung stellte. Dadurch sollte das Regime nicht mehr über politische Mobilisierung für das System, dagegen alleine durch Schaffung von Wohlstand und einer Konsumgesellschaft stabilisiert werden und so den Tod Francisco Francos überleben.

Die Autorin zeigt hervorragend, dass die schnelle Karriere des jungen Ministers nicht nur durch relevante Beziehungen in den Herrschaftseliten (etwa mit Luis Carrero Blanco) möglich war, sondern auch aus dem Legitimationsproblem der Diktatur der 1950er Jahre resultierte. In den Ansprachen zum ersten Entwicklungsplan zeichnete López Rodó eine positive und gemeinschaftsstiftende Zukunftsvision, die auf einer arbeitenden und konsumierenden Bevölkerung basieren sollte, in der es keine Sieger und Besiegte mehr gab. Weiter wurde die Führerschaft Francos nicht mehr durch dessen Sieg im Bürgerkrieg legitimiert, vielmehr wurde Franco als Urheber der spanischen Entwicklung definiert. Damit verschwand das zentrale Element der bisherigen franquistischen Legitimitätskonstruktion. Die neue „Entwicklungsmentalität“ wurde zusätzlich dadurch gekrönt, dass López Rodó sich stets auf ausländische Ökonomen und Wirtschaftspolitiker bezog, um die wissenschaftliche Fundierung und internationale Ausrichtung zu betonen. Er selbst als junger, international orientierter Universitätsprofessor, der nicht im Bürgerkrieg gekämpft hatte, verstand es, sich bei der Öffnung des Landes für ausländische Investitionen als technisch und wissenschaftlich informierter, international gut vernetzter Partner der spanischen Verhandlungsseite zu präsentieren, der nichts mit dem alten Regime zu tun zu haben schien. Dieses neue Image und die Werbekampagne für den spanischen Entwicklungsplan im Ausland wurden von der Öffentlichkeit gut angenommen und sorgten für positive Presse im Sinne der Europäisierung Spaniens.

In Spanien wurde dieser Kurs zunächst ebenfalls positiv bewertet, zumal auch die Steigerung des Lebensstandards nach 1967 infolge des Wirtschaftsbooms eine positive Wahrnehmung Francos unterstützte. Es zeigte sich zudem – so Hofmanns Befunde –, dass López Rodós’ Idealvorstellung einer entpolitisierten Gesellschaft aus „Verwalteten“ laut Umfragen in großen Teilen der Gesellschaft Zustimmung fand und das Desinteresse an politischen Fragen scheinbar sehr ausgeprägt war.

Allerdings zeichnet die Autorin durch die Person des Planungskommissars ebenso wunderbar die inneren Verhältnisse, Spannungen und Konflikte in den Herrschaftseliten nach. Sie zeigt, dass diese Neulegitimation des Regimes auch Gegner unter den Mitgliedern der Staatspartei Movimiento Nacional hatte. Diese Kritik an der neuen Entwicklungsplanung verwandelte sich ab Mitte der 1960er Jahre durch die Lockerung des Pressegesetztes 1966 in einen Kampf in der Öffentlichkeit. Dabei ging es vor allem um Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Fraktionen der politischen Elite und deren Differenzen und Machtkämpfe. Hofmann zeigt, wie sich in den 1960er Jahren ein Kommunikationsraum bildete, in dem erstmalig und erstaunlich offen über politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Probleme debattiert wurde, und dass diese Diskurse keinesfalls nur von oppositionellen Pressemedien, sondern von verschiedenen politischen Akteuren geführt wurden. Kritisiert wurde dabei nicht nur die wirtschaftliche Strategie der Planung und die mangelnde wissenschaftliche Fundierung, sondern ebenfalls das autoritäre Regime selbst.

Insgesamt geling es der Autorin hervorragend, in die franquistischen Herrschaftseliten zu blicken und somit neue Ansätze für die Diktaturforschung zu schaffen. Durch ihre Studie interpretiert sie die Diktatur neu und wehrt sich zu Recht gegen das bisherige Bild einer traditionalistischen und von der Welt weitgehend abgetrennten Diktatur. Sie zeigt, wie durch die neue Wirtschaftsplanung die Vernetzung Spaniens mit den westlichen Ländern zustande kam, und dass im westlichen Ausland auch gerne mit Spanien verhandelt wurde. Gerade die Erläuterung dieser Wechselbeziehungen zwischen den nationalen und internationalen Akteuren gibt dieser Arbeit einen besonderen Wert. Im Weiteren geht es überdies um neue Legitimationsversuche, die der Franco-Diktatur durch Konsum und Wirtschaft eine langfristige Stabilität verleihen sollten. Dadurch steht Spanien in einer Reihe mit anderen langlebigen Diktaturen in Europa. Gerade diese Einbettung der spanischen Diktaturgeschichte in die globale Geschichte ist ein relevanter Ansatz für das Verständnis der europäischen Zeitgeschichte.