Festlegungen wie Überschreitungen von Grenzen sind bereits seit Langem ein Thema der Geschichtsschreibung. Ihre Fragilität oder Festigkeit sind ein deutlicher Ausdruck für den Zustand von politischen Räumen. Eine solche Grenze, nämlich die entlang der Pyrenäen, wirkt als Dreh- und Angelpunkt für die Darstellung von Fernando Hernández Sánchez, Historiker an der Autonomen Universität Madrid und Spezialist für die Geschichte der spanischen Kommunistischen Partei (KP), der Partido Comunista de España (PCE). Sein vorausgegangenes Buch war eine Darstellung dieser Partei nach dem Sieg Francisco Francos im Jahre 1939 in der ersten, besonders repressiven Phase der Diktatur bis Mitte der fünfziger Jahre („Los años de plomo. La reconstrucción del PCE bajo el primer franquismo“, Barcelona 2015). Es gab einen Gesamtüberblick über die Parteiorganisation mit Schwerpunkten auf den immer wieder scheiternden Bemühungen im Inland, insbesondere in Form des Guerillakampfs, und auf der die Fortexistenz der Partei garantierenden Exilstruktur.

Hier nun liegt in der Ergänzung dazu eine Beschreibung des spanischen kommunistischen Exils im breiteren Sinne im Süden Frankreichs in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg vor. Die mehr als 300.000 Flüchtlinge nach der Bürgerkriegsniederlage der Spanischen Republik Anfang 1939 hatten einen großen Anteil an der Résistance vor allem in Südfrankreich gestellt. Die PCE war zwar keineswegs die einzige Kraft darunter, wohl aber die bestorganisierte, die zudem auf die Unterstützung durch ihre französischen Genossen zählen konnte. Mit der Befreiung Frankreichs ab Sommer 1944 schien es nur noch eine Frage der Zeit, bis von dort aus – mit Toulouse als Hauptstadt des spanischen Exils – die Rückkehr erkämpft werden könnte, womöglich mit alliierter Hilfe. Somit stand man entlang der Pyrenäen einer „wilden Grenze“ – so die Übersetzung des Haupttitels – gegenüber, die den Rahmen für die „düstere Front des Kampfs gegen Franco“ vorgab – so der Untertitel.

Hernández schildert nun detailliert die verschiedenen Etappen der Entwicklung bis zum Scheitern der Erwartungen, die grob in zwei Phasen, zunächst von 1944 bis 1947 und dann von 1947 bis 1950, einzuteilen ist. Zunächst traten mit der Libération die französischen Kommunisten in die Regierung ein. Daraus schien sich eine Hilfestellung im Kampf gegen Franco zu ergeben. Nach ersten Anstrengungen, Guerillakämpfer nach Spanien zu schicken, war der französische Staat allerdings vor allem an Stabilität an der Grenze interessiert. Schritt für Schritt wurde der Spielraum der spanischen Kommunisten eingeschränkt, ohne sie jedoch direkt auszuschalten. Hingegen begann nun eine Art ‚Sicherheitspartnerschaft‘ Frankreichs mit dem franquistischen Staat.

Im Mai 1947 gab es mit dem Ausscheiden der französischen KP aus der Regierung einen qualitativen Sprung. Unter dem Zeichen des nun voll einsetzenden Kalten Kriegs wurde die PCE zur Gefahr erklärt. Angesichts ihrer Rolle im bewaffneten Kampf der Résistance erschien sie nun als bestens vorbereitete ‚fünfte Kolonne‘ der Sowjetunion. Die verschiedensten Maßnahmen gegen sie steigerten sich schließlich zum Verbot im September 1950. Die Parteiführung wich zunächst in die Illegalität und dann nach Osteuropa aus. Die Organisation der Partei mit ihrem ganzen Geflecht von ‚Massenorganisationen‘ erlitt einen schweren Rückschlag, wobei auch die französischen Kommunisten nicht weiterhelfen konnten, die ja selbst in einem harten Kampf gegen die Regierung standen. Auf jeden Fall war die Hoffnung beendet, man könne Südfrankreich als Startblock für eine Offensive in Richtung Spanien benutzen.

In diesen groben Rahmen hat Hernández zahlreiche bemerkenswerte und überraschende Details gepackt: Sie zeigen das Wirken des franquistischen Polizei- und Spitzelapparats in seinen verschiedenen, durch Abwehr und Gestapo des NS-Staats bestens geschulten Gliederungen zwischen den spanischen Grenzgebieten und den in Frankreich vor allem die Konsulate umgebenden Stützpunkten. Aber auch die französischen ‚Dienste‘ waren eifrig bei der Überwachung dabei, denn Frankreich, ungeachtet einiger ‚antifaschistischer‘ Momente, war nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen an guten nachbarschaftlichen Beziehungen interessiert. Mit der Entfaltung des Kalten Krieges zeigte der Antikommunismus immer stärker seine deutlich hysterischen Züge. Den spanischen Kommunisten wurde eine weit überzogene Stärke unterstellt. Von vielen geheimen Waffendepots war die Rede. Man befürchtete sogar, die kriegserfahrenen spanischen Kommunisten in Südfrankreich würden in einer Art ‚Zwischenkampf‘ den Einsatz neuer Internationaler Brigaden, diesmal zugunsten der griechischen Kommunisten im dortigen Bürgerkrieg, vorbereiten.

Demgegenüber standen, gleichsam komplementär, die üblichen Wendungen der Partei im Zeichen des Hochstalinismus mit der im September 1947 gegründeten Kominform: die Proklamation des Kampfes zweier Lager, Imperialismus einerseits und ‚Weltfriedenslager‘ andererseits – also eine auf Krieg hindrängende Situation. Dagegen müssten die Kommunistischen Parteien besondere Wachsamkeit an den Tag legen. 1948 wurde schließlich Titos Jugoslawien als Agentur des Imperialismus ‚entlarvt‘ und auch die spanische KP machte ihre fortlaufenden Disziplinkampagnen und ‚Säuberungen‘ durch. Trotz ständigen Rückgangs gelang es der Partei dennoch, eine Organisationsstruktur aufrechtzuerhalten, auch indem sie starken materiellen Rückhalt erfuhr. Das sollte dann zu ihrem Wiederaufschwung führen, als Mitte der fünfziger Jahre eine grundlegend veränderte Situation eintrat.

Die Arbeit Hernández’ ist ganz auf die PCE fokussiert, was die politischen Rivalen, etwa die Anarchisten, einflussloser erscheinen lässt, als sie tatsächlich waren. So werden hier die gewaltsamen, teils blutigen Auseinandersetzungen der Partei mit ihnen und anderen Konkurrenten auf der Linken nur am Rande gestreift.

Die sehr dichte und faktenreiche Darstellung ist im Wesentlichen aus den Quellen erarbeitet, das heißt vor allem aus den verschiedenen Polizei- und Geheimdienstberichten der beiden Staaten, aber auch der CIA und ihrer Vorgängerorganisation, des Offic of Strategic Services (OSS). Anstatt jedoch deren Perspektive einzunehmen, arbeitet Hernández immer wieder, nicht ohne einen gewissen Humor, die in solchen Institutionen grassierende Weltsicht von überall existierenden Verschwörungen heraus. Die vorhandene, allerdings oftmals nicht auf Spanisch vorliegende Forschungsliteratur – zum Beispiel die seinerzeitige Pionierarbeit von David Wingeate Pike „Jours de gloire, jours de honte. Le Parti communiste d’Espagne en France depuis son arrivée en 1939 jusqu’à son départ en 1950“ aus dem Jahr 1984, die 1993 als erweiterte Ausgabe auf Englisch erschien: „In the Service of Stalin. The Spanish Communists in Exile, 1939–1945“ (ein zweiter darin angekündigter Band über die Jahre 1945 bis 1950 wurde nicht veröffentlicht) – ist dagegen kaum herangezogen: Das hätte allerdings etwa für das Verständnis der Entwicklung der ‚Generallinie‘ der Partei und ihrer Führungskämpfe durchaus eine gute Ergänzung liefern können.