In den Sozialwissenschaften gilt der Begriff des Neoliberalismus bisweilen als leerer Signifikant, der mal für eine Politik der Privatisierung und mal als Beispiel für Konzernlobbyismus dient. Entgegen dieser verkürzten Lesart richtet Quinn Slobodian, Historiker am Wellesley College, die vorliegende Studie, die auf der Auswertung von Quellenmaterial aus acht Archiven und einer breiten Basis an Sekundärliteratur gründet. Als „Globalisten“ versteht der Autor eine Gruppe von Intellektuellen, die nach Ende des Ersten Weltkrieges Überlegungen zur Sicherung des Privateigentums vor demokratischer Mitbestimmung anstellten. Mit seiner Arbeit legt Slobodian ein notwendiges Korrektiv der Forschung zum Neoliberalismus vor und verknüpft bisher nebeneinanderliegende Forschungsstränge aus Politischer Soziologie und Geschichte. Das Buch richtet sich aufgrund seiner Anlage an Interessierte aus den Feldern der Wissenssoziologie, der Internationalen Beziehungen, aber auch der Demokratieforschung. Sein eleganter Schreibstil, die Erschließung des Bandes durch ein umfassendes Register und der vergleichsweise erschwingliche Preis dürften die Rezeption befördern.

Die Handlung setzt mit der Auflösung der Habsburger Monarchie und der Gründung des Völkerbundes ein. Für Slobodians Protagonisten handelte es sich hierbei um ein Schlüsselereignis, da die neu entstandene Staatenvielfalt als Bedrohung der hergebrachten Wirtschaftsordnung wahrgenommen wurde. Angeleitet wurde die Skepsis von Ludwig von Mises und Friedrich August von Hayek, die aus der neoliberalen Theoriegeschichte vertraute Namen darstellen. In ihrer Vision eines vor Redistributionsforderungen geschützten Kapitalismus spielte die Unterscheidung von „Imperium“ und „Dominum“ eine bedeutsame Rolle. Während das Imperium die Rechtsverhältnisse autonomer Nationalstaaten untereinander umschreibe, so Slobodian, sei mit dem Dominium die transnationale Vorherrschaft des Eigentums abgebildet. Letztere galt es aus Sicht der Neoliberalen zu bewahren. Kaum berücksichtigt in der Forschung ist das Wirken Mises und Hayeks im „roten Wien“ der 1920er Jahre und die Verbindungen, die sie mit anderen Ökonomen und Intellektuellen unterhielten. Beide begründeten Mitte der 1920er Jahre und in enger Zusammenarbeit mit der Internationalen Handelskammer das erste Institut zur Konjunkturforschung unter Rückgriff auf volkswirtschaftliche Kennzahlen. Die Neoliberalen verwarfen die Idee der Planung durch Statistik allerdings just in dem Moment, als sie von sozialdemokratischen Reformern aufgegriffen und damit zur potenziellen Gefährdung ihrer Absichten wurde.

Neuen Diskussionsraum bot die Stadt Genf, die zum Sitz des Völkerbundes geworden war. Ab Ende der 1920er Jahre und organisiert durch den Schweizer Diplomaten William Rappard kamen am dortigen Institut für Internationale Studien neben Mises der Journalist Walter Lippmann und Ökonomen wie Michael Heilperin und Wilhelm Röpke zusammen. Slobodian prägt für diese Gruppe den Namen „Genfer Schule“. Eine instruktive Abbildung des Autors zeigt deren institutionelle Überlappung (S. 78). Röpke wurde nach dem Zweiten Weltkrieg als Vertreter des Ordoliberalismus bekannt. Weniger bekannt sind seine im Exil ausgearbeiteten Forschungen zur Krise der Weltwirtschaft in der Zwischenkriegszeit und die daraus abgeleiteten Forderungen nach einer Neuorientierung des Liberalismus, eben der Schaffung eines Neo-Liberalismus durch transnationale Verrechtlichung. Ebenso unbekannt dürfte seine Verteidigung des Apartheid-Regimes sein, was Röpke später auf Distanz zum Hayek-Kreis brachte. Slobodian widmet Röpkes absonderlicher Beziehung zu Südafrika und Rhodesien ein eigenständiges Kapitel, das wichtige Variationen des neoliberalen Denkens in der Rechtfertigung von sozialer Ungleichheit aufzeigt.

Aufgrund des Zweiten Weltkrieges kam es nicht zu der gewünschten Umsetzung transnationaler Verrechtlichung. Erst mit der Aushandlung der Nachkriegsordnung und hierbei vor allem der Schaffung des General Agreement on Tariffs and Trade (GATT) 1947 und der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) weitere zehn Jahre später boten sich neue Gelegenheiten, freilich um den Preis der Spaltung der neoliberalen Bewegung (S. 183). Eine jüngere Generation von Schülern Hayeks rezipierte dessen evolutionsökonomische Überlegungen und transponierte sie auf die internationale Ebene durch das, was später als „multilevel governance“ diskutiert werden sollte. Maßgeblich waren hierbei Ernst-Joachim Mestmäcker, der in den 1960er Jahren als EWG-Sonderbeauftragter für Wettbewerbspolitik fungierte, und Hans von der Groeben, erstes Kommissionsmitglied für Wettbewerb. Von Haus aus Juristen verlagerten sie mit Hayek das Erkenntnisinteresse weg von der Ökonomie hin zur Konstitutionalisierung des Wettbewerbsrechts. Hierdurch sollten Vetopunkte gegen eine nationalstaatliche Steuerung der Volkswirtschaften geschaffen werden. Das heutige Beihilferecht der Europäischen Union ist dafür getreues Beispiel; die Umwandlung des GATT in die Welthandelsorganisation (WTO) im Jahr 1995 deren folgerichtige organisatorische Vollendung gewesen.

Im Schlusskapitel resümiert Slobodian mit rhetorischer Frage, ob die aktuelle Kritik am Freihandel, das Erstarken von Populismus und Protektionismus als Widergänger der neoliberalen Utopie betrachtet werden müssen. Offenbar, so Slobodian, sei die Allmacht neoliberaler Ideen keineswegs so unangefochten, wie sie mit der vorgeblichen Herrschaft von ökonomischen Zwängen angenommen werde. Deren Brüche in der intellektuellen Geschichte aufgezeigt zu haben, ist das Verdienst dieses Buches.