Zusammenfassung
Der Beitrag fokussiert auf Reflexionen zu Aufgaben aus Lernmaterialien in Unterrichtsnachbesprechungen. Über einen praxistheoretischen Zugang wird gefragt, welche Wissensordnungen über Aufgaben und welche Subjektivierungen der unterrichtenden Studierenden hinsichtlich des Einsatzes von Aufgaben im Schulpraktikum der Lehrerbildung hervorgebracht werden. Die Rekonstruktion zweier Eckfälle unter der Orientierung am Konzept der Adressierung zeigt, dass sowohl Aufgabenstrukturen hinsichtlich ihrer Ermöglichung von Lernprozessen als auch die Etablierung von Aufgaben in der Unterrichtsinteraktion thematisch werden. Die unterrichtenden Studierenden avancieren dabei zum einen von naiven zu reflektierten Nutzerinnen von Aufgaben aus Arbeitsmaterialien, zum anderen von resignierten zu selbstreflexiven Antizipierenden von Rezeptionsproblemen schriftlicher Aufgabenstellungen.
Abstract
This article focuses on reflections of tasks from learning materials in post lesson conferences. According to practice theory, it will be asked which knowledge about tasks and which subjectivations of student teachers were produced in teacher education. The reconstruction of two cases orientated on the concept of addressing shows, tasks become relevant in their structure and function to facilitate learning as well as in their placement in lesson interaction. From this analysis the student teachers advance from naive to reflective users of tasks and from reserved to self-reflective prognosticators of difficulties with the reception of written tasks.
Notes
Eine ausführliche Diskussion zum kulturtheoretischen Professionalisierungsverständnis findet sich in Brack (2019).
In die Rede über Aufgabenstellungen in den Unterrichtsnachbesprechungen ist gleichsam eine Wissensordnung zum – wie sich hier andeutet defizitären bis degradierenden – Blick auf Kinder hinterlegt. Wissensordnung über in Rede stehende Kinder in Unterrichtsnachbesprechungen zu rekonstruieren, wäre ein weiterführendes Forschungsanliegen, das im Rahmen der hier fokussierten Fragestellung nur aufgezeigt werden kann.
Gleichsam könnte sich der Widerspruch auch auf das aufgerufene, defizitäre Bild vom Kind richten, evoziert durch den Rahmenwechsel der Adressatengruppe von Aufgabenstellungen.
Der Einwand ließe sich interaktionsbezogen auch als Unterstützungshandlung für die Rückmeldung der Kommilitonin 3 interpretieren. Der Dozent würde in dieser Hinsicht mit seinem Beitrag die Rückmeldungen von S3 sowie die Erwiderungen von S2 im Rahmen derer Professionalisierungsprozesse rahmen und differente Legitimationen zusprechen.
Vermutlich konnte sie aus der Hospitationsperspektive im hinteren Teil des Klassenzimmers keinen konkreten Einblick auf die Aufgabe bekommen. Möglicherweise war dieser bis zur Thematisierung in der Unterrichtsnachbesprechung auch nicht von Interesse. Folglich könnten differente Aufgabenverständnisse in der Unterrichtssituation und der Nachbesprechung derselben angenommen werden: Ginge es bei ersterem um einen Operator, der die Kinder in eine bestimmte, schulisch legitime Arbeitsweise – hier Einzel- oder Partnerarbeit – versetzte, wird nun in der Nachbesprechung die fachliche und fachdidaktische Gestaltung der Aufgabe relevant.
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Brack, L. Aufgaben aus Lernmaterialien im Unterricht als Fälle der Grundschullehrerbildung. ZfG 12, 67–82 (2019). https://doi.org/10.1007/s42278-018-00032-5
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