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Der Metaethische Konativismus: Versuch einer Neubelebung

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Zeitschrift für Ethik und Moralphilosophie Aims and scope Submit manuscript

Zusammenfassung

Im Fokus dieser Arbeit steht die Vorstellung einer neuen Normativitätstheorie. Ich nenne sie metaethischen Konativismus. Der Konativismus ist der Theorienfamilie des Humeanismus zuzuordnen – er stellt konative Einstellungen in den Mittelpunkt – und ähnelt in seinen Grundzügen den Theorien von Bernard Williams, Mark Schroeder, David Sobel oder Peter Stemmer. Da er sich jedoch, wie ich zeigen werde, in einigen Kernelementen stark von bereits bestehenden Positionen unterscheidet, darf er als eigenständige Theorie gelten.

Mein Hauptziel besteht darin, zu zeigen, dass der Konativismus vier zentrale und historisch einflussreiche Einwände gegen humeanische Theorien zurückweisen kann. Diese betreffen (1) die Phänomenologie praktischer Überlegungen, (2) die rationale Kritik konativer Einstellungen, (3) die Verwechslung von motivationaler Kraft und normativem Gewicht, sowie (4) die Frage nach der moralischen Adäquatheit. Mein Ergebnis ist, erstens, dass der Konativismus der Phänomenologie praktischer Überlegungen gerecht wird. Außerdem ergibt sich, zweitens, aus dem Konativismus ganz natürlich die Idee, dass es Gründe „hinter“ unseren konativen Einstellungen gibt, die als Grundlage für eine rationale Kritik selbiger dienen können. Darüber hinaus unterscheidet er, drittens, klar zwischen normativem Gewicht und motivationaler Kraft. Und schließlich, viertens, liefert er eine gute Grundlage dafür, robuste und gewichtige moralische Gründe zu generieren. Es zeigt sich also, dass vier der wichtigsten und einflussreichsten Einwände gegen Humeanische Positionen, die von zahlreichen namhaften AutorInnen immer wieder vorgebracht wurden, das theoretische Potential selbiger stark unterschätzt haben. Der Konativismus stellt eine neue, konkret ausgearbeitete Humeanische Position dar, die sich dieses Potential zunutze macht und damit ihren Hut als attraktive und ernstzunehmende Normativitätstheorie in den Ring wirft.

Abstract

The purpose of this paper is to present a new theory of normativity. I call it metaethical conativism. Conativism puts our conative attitudes center stage, which renders it a Humean position similar to the ones represented by Bernard Williams, Mark Schroeder, David Sobel, or Peter Stemmer. Despite its similarities to existing views, conativism does a few core things differently and, thereby, turns out to be a new and distinctive theory.

My main goal is to show that conativism is able to reject four important and historically influential objections against Humean views. These objections concern (1) the phenomenology of practical deliberation, (2) the rational criticism of conative attitudes, (3) the confusion of normative weight and motivational force, and (4) the question of moral adequacy. My result will be, firstly, that conativism is able to account for the phenomenology of practical deliberation. Secondly, it is a natural consequence of conativism that there are reasons “beyond” our conative states which serve as a rational standard for critizicing these states. Thirdly, conativism draws a clear distinction between normative weight and motivational force. And, finally, conativism provides a good basis for generating robust and weighty moral reasons. All in all, it becomes apparent that four of the most important objections to Humean views, brought forth repeatedly by notable philosophers, strongly underestimate their theoretical potential. Conativism is a new, worked out Humean view that makes use of this potential, thereby throwing its hat in the ring as a serious and attractive theory of normativity.

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Notes

  1. Ich habe den metaethischen Konativismus in Fischer (2018) ausführlich entwickelt. Man könnte die Position alternativ auch als metanormativen bzw. normativitätstheoretischen Konativismus bezeichnen. Ich bleibe jedoch bei der Bezeichnung metaethisch, da Normativitätsdebatten üblicherweise dem Felde der Metaethik zugeodnet werden, obgleich es hier nicht spezifisch um ethische oder moralische Normativität geht.

  2. Kiesewetter (2017, 13) unterscheidet drei verschiedene Perspektiven des praktischen Überlegens. Deren Unterschiede sind für unsere Zwecke jedoch nicht weiter wichtig. Die Metapher der Bühne des Überlegens übernehme ich von Stemmer (2016).

  3. Der Begriff „Umstand“ trifft gut das im Englischen an dieser Stelle übliche „consideration“. Der Ausdruck ist mit der Absicht ausgewählt, dass zunächst einmal offen bleibt, welche metaphysischen Entitäten Gründe sind. Hierzu später mehr.

  4. Danke an Christian Wendelborn, der mir dabei geholfen hat, diesen Punkt klarer zu machen.

  5. Aber siehe Kiesewetter (2017) für eine Verteidigung der These, dass Normativität evidenz-abhängig ist, also von den Informationen abhängt, die einem Handelnden zur Verfügung stehen. Hier nur eine knappe Anmerkung: Natürlich hängt die Rationalität einer Handlung von der epistemischen Situation der Handelnden ab. Aber mir geht es nicht darum, was eine Handlung rational macht. Es geht mir um das Phänomen der praktischen Relevanz. Wie das Beispiel des Aussichtsturms zeigt, kann eine Handlung praktisch relevant sein ohne dass es in einem evidenz-relativen Sinn rational wäre, sie zu vollführen.

  6. Es gibt natürlich Theorien, laut derer es keine Quellen von oughtness gibt (Parfit, 2011b; Scanlon, 2014). Aber auch diese Theorien sind Theorien über die Natur von oughtness. Sie meinen dann eben, oughtness sei ein Phänomen sui generis; also fundamental und durch nichts konstituiert.

  7. Siehe etwa Scanlon (1998), Schroeder (2007), Halbig (2007), Stemmer (2008), Parfit (2011b) oder Scanlon (2014).

  8. Auf Englisch: „counts in favor of“, „speaks in favor of“, oder einfach „favors“.

  9. Zumindest, wenn der Hotelgast praktisch rational ist.

  10. Mehr zur Natur normativer Gründe in Abschnitt 5.1.

  11. Ich übernehme hier die Definition von Wallace: „The sort of goal-directed, non cognitive state that puts people to action“ (Wallace, 2014).

  12. Manchmal werden konative Einstellungen auch dadurch von kognitiven Einstellungen wie etwa Überzeugungen unterschieden, dass gesagt wird, beide hätten unterschiedliche directions of fit (Anscombe, 1979; Smith, 1995). (Im Deutschen könnten wir von Passensrichtungen sprechen.) Überzeugungen haben, so wird gesagt, eine mind-to-world direction of fit, was in etwa bedeutet, dass Überzeugungen „darauf aus sind“, die Welt zu treffen. Es gilt: Das Geglaubte sollte zur Welt passen. Im Gegensatz dazu sind konative Einstellungen nicht „darauf aus“, die Welt zu treffen. Sie haben eine world-to-mind direction of fit. Es gilt: Die Welt sollte zum Gewünschten passen. Die Rede von Passensrichtungen scheint mir im besten Falle eine hilfreiche Charakterisierung–, jedoch keine gelungene Analyse konativer Einstellungen zu sein. Siehe Fehige (2001); Copp und Sobel (2001).

  13. Für eine Einführung, siehe Rosen (2010), Audi (2012) oder Fine (2012). Parfit (2017) spricht ebenfalls ganz explizit von „non-causal determination“, vermeidet jedoch den Begriff „grounding“.

  14. Beispielsweise existiert oughtness für Wertrealisten wie Christoph Halbig (2007) aufgrund von [in virtue of] Werten. Eine Ausnahme bilden die sogenannten „reasons fundamentalists“ (Scanlon, 2014). Sie benötigen kein „weil“, da sie oughtness nicht erklären möchten. Für sie ist oughtness eine primitive Eigenschaft, die nicht weiter erklärt werden kann.

  15. Siehe hierzu auch die ausführlichen Überlegungen in Fischer, forthcoming.

  16. Ähnliche Bemerkungen finden sich in Tiberius, 2000; Street, 2008. Grundsätzlich können auch nicht-humeanische Normativitätstheorien hierfür eine Erklärung liefern. Wertrealisten etwa könnten sagen, bestimmte Dinge seien objektiv wertvoll für mich, und dies erkläre meine Gründe. Ich kann an dieser Stelle nicht ausführlich darlegen, warum ich die humeanische Erklärung für besser halte. Es sei nur soviel gesagt: Ich halte den Werteobjektivismus für unplausibel, da es ihm letztlich nicht gelingt, zu erläutern, was objektive Werte, die qua definition ganz unabhängig vom Inhalt meiner subjektiven Einstellungen sind, eigentlich mit mir zu tun haben. Es bleibt letztlich unklar, warum diese Werte für mich eine praktische Relevanz generieren. Ich habe diesen Punkt in Fischer (forthcoming) ausführlicher entwickelt.

  17. Gottfried Seebaß hat in diesem Zusammenhang von der „normativen Jungfrauengeburt“ oder auch einem „logischen Wunder“ gesprochen (der erste Begriff fiel mit einem Augenzwinkern in einer Sitzung des Konstanz-Zürich Kolloquiums, der zweite in persönlicher Konversation). Dass es sich bei kern jedoch nicht um ein logisches Wunder halten kann, ist daran ersichtlich, dass es hier gar nicht um einen logisch-begrifflichen Schluss geht. Seebaß’ Kritik ist ursprünglich an Stemmer (2008) adressiert, der, laut Seebaß, das normative Müssen logisch aus einem naturgesetzlichen Müssen und einer Notwendigkeitsrelation ableiten möchte. Ich stimme Seebaß zu, dass eine solche logisch-begriffliche Herleitung nicht möglich ist.

  18. Siehe hierzu die äußerst hilfreiche Unterscheidung verschiedener Normativitätsbegriffe in Parfit (2011b, 267–9). Das Thema des vorliegenden Artikels ist Normativität in Parfits reason-implying sense, während Seebaß Parfits imperatival sense im Sinne zu haben scheint. Im persönlichen Gespräch stimmt Seebaß zu, dass es sich hier um unterschiedliche Normativitätsbegriffe handelt.

  19. Seebaß hat dies natürlich gesehen. Manchmal, so sagt er, haben wir es mit „bloßen Forderungen“ bzw. „gescheiterten Sollensansprüchen“ zu tun, bei denen derjenige, der den Anspruch erhebt, „nichts in der Hand“ hat (Seebaß, 2006, 103). Wir können hinzufügen: Ein gescheiterter Sollensanspruch „scheitert“ dadurch, dass die geforderte Handlung keine praktische Relevanz, oder oughtness, für den Addressaten besitzt.

  20. Zum quasi-sprichwörtlichen „is-ought fallacy“ sei hier nur soviel angemerkt: In Humes entsprechender Passage im Treatise (Hume, 1978, 469f.) wird betont, dass wir ohne Erklärung nicht einfach von dem, was ist, auf das, was sein sollte, logisch schließen können. An keiner Stelle verwehrt Hume sich grundsätzlich gegen einen Übergang vom Deskriptivem zum Normativen. Er fordert lediglich, dass dieser Übergang erklärt wird. Und genau dies leistet der Konativismus, indem er dafür argumentiert, dass eine bestimmte Konstellation an deskriptiven Tatsachen normative Tatsachen konstituiert.

  21. Ein konkretes Beispiel für die Vermischung der Phänomene scheint mir Freitags jüngste Kritik an Stemmers Normativitätstheorie zu sein (Freitag, 2017). Freitag kritisiert, dass laut Stemmers Theorie eine Norm für eine Person S nur dann existiere, wenn sie mit Sanktionen für S verbunden ist. Dies aber, so Freitag, sei unplausibel. Die Norm existiere vielmehr bereits dadurch, dass andere etwas von S fordern. Ob die Norm dann auch wirksam sei – ob sie normative Gründe liefere – das sei, so Freitag (2017, 454), eine ganz andere Frage. Entscheidend ist für Freitag also, dass die Existenz der Norm ganz unabhängig von ihrer Wirksamkeit ist, während Stemmer, so der Vorwurf, unplausiblerweise die Existenz an die Wirksamkeit binde. Freitags Kritik verkennt hier, so meine ich, dass Stemmers Hauptanliegen die Frage nach der Konstitution von oughtness ist; es geht ihm darum, wodurch Normen (im Sinne von Sollensansprüchen) praktisch relevant werden (vgl. Stemmer, 2008, aber auch bereits Stemmer, 2000). Stemmer will erst dann von der Existenz von Normen sprechen, wenn sie auch normativ in Parfits reason-implying sense sind. (Normen, so meint Stemmer, bedeuten, dass man etwas tun muss – und dieses Müssen ist für Stemmer das normative Müssen.) Freitag möchte schon früher von der Existenz von Normen sprechen – nämlich bereits dann, wenn Sollensansprüche im Spiel sind (Freitag, 2018). Beide Redeweisen sind, denke ich, zunächst einmal legitim. Es ist nur wichtig, dass wir uns klar darüber sind, was wir unter der „Existenz“ einer Norm verstehen möchten. Stemmer und Freitag beziehen sich auf unterschiedliche Dinge, wenn sie von Normativität sprechen. Mein Eindruck ist, dass in der Diskussion zwischen Freitags und Stemmer aus diesem Grunde etwas schief geht.

  22. In dieser Sache liege ich ganz bei Gibbard (2017), Parfit (2017) und Railton (2017). Damit geht einher, dass wir für die Wahrheit des Konativismus nicht rein begrifflich argumentieren können. Für eine rein begriffliche Argumentation zugunsten einer analytischen, humeanischen Normativitätstheorie, siehe Finlay (2014).

  23. Es ist wichtig, zwei Fragen deutlich zu unterscheiden: (1) Welche Gründe haben wir, gegeben unser Wollen? Und: (2) Was sollten wir wollen? Im aktuellen Beispiel ist es für Anne klarerweise rational – gegeben ihr Wollen – die Anzeige anzuschauen. Gleichwohl wäre es in einem bestimmten Sinne besser, sie würde nicht Entwicklungshelferin werden wollen. Wir könnten auch sagen: Sie sollte das nicht wollen. In Abschnitt 5.2. werden wir uns diesem Punkt widmen.

  24. Zur Erinnerung: Wie bereits erwähnt kann eine konative Einstellung auch dann tatsächlich vorliegen, wenn sie gerade keine aktive, motivierende Rolle in der Psyche des Handelnden spielt. In unserem obigen Beispiel des einsturzgefährdeten Turmes liegt ein Gesund-Bleiben-Wollen des Turmbesuchers tatsächlich vor (so dürfen wir annehmen) – und diese Einstellung konstituiert den Grund, hinabzusteigen.

  25. Etwaige Probleme im Kontext der Natur von Wahrscheinlichkeiten bestehen also nicht nur für die Konativistin.

  26. Siehe auch die Überlegungen Schroeders zum so genannten „deliberative constraint“ (Schroeder, 2007, 26f.).

  27. Zwei weitere Beispiele sind Scanlons und Halbigs anti-humeanische Argumente im Kontext von silencing reasons (Scanlon, 1998, 50-55; Halbig, 2007, 108-113). Einen Grund „zum Schweigen zu bringen“ bedeutet, seiner normativen Kraft den Zugang zu einer praktischen Überlegung zu verwehren. Er wird also einfach ausgeklammert. Dies sei ein essentieller Bestandteil von praktischen Überlegungen und, so die Behauptung, mit dem Humeanismus unvereinbar. Auch diesen Einwand halte ich zunächst einmal für wenig bedrohlich, da er nicht gegen eine Konstitutionsthese gerichtet ist. Eine ausführlichere Diskussion dieses Punktes findet sich in Fischer (forthcoming).

  28. Genau genommen bringt der Satz „Ich muss ψ‑en, um nicht zu frieren“ eine Notwendigkeitsrelation zum Ausdruck. Notwendigkeitsrelationen stehen jedoch in einem offensichtlichen Zusammenhang zu Beförderungsrelationen. Denn das Erfüllen einer notwendigen Bedingung für ein Ereignis macht das Ereignis wahrscheinlicher (zumindest, wenn das Ereignis prinzipiell möglich ist).

  29. Historisch betrachtet geht die Idee, Gründe als Kombinationen von Tatsachen anzusehen, wohl auf Davidson (1963) und dessen handlungstheoretische Überlegungen zurück. Sein belief-desire model motivierender Gründe ist äußerst einflussreich und so liegt es vielleicht nahe, auch im Kontexte normativer Gründe an eine Kombination von Tatsachen zu denken. Ich halte dies jedoch, aus den genannten Gründen, für unnötig.

  30. Damit geht einher, dass Kearn und Star’s „reasons as evidence“-Position falsch ist. Ich stimme hier mit Schmidt (2017) überein. Wir müssen unterscheiden zwischen praktischen Gründen einerseits, und theoretischen Gründen (Evidenzen) für das Vorliegen praktischer Gründe andererseits.

  31. Versionen dieses äußerst einflussreichen Einwands finden sich u.a. in Raz (1986), Quinn (1993), Scanlon (1998), und Halbig (2007). Auch Parfits viel diskutierter agony-Einwand basiert auf dieser Idee (vgl. Parfit, 2011a, 78).

  32. Ich muss hinzufügen, dass es sich hier um ein anderes Phänomen handelt als praktische oughtness. Dass etwas für eine Handlung spricht, ist etwas anderes, als dass etwas für ein Wollen spricht. Aber dieser Unterschied ist nicht entscheidend. Normativität wird oft auch ganz allgemein so charakterisiert, dass man sagt, etwas spreche für eine Einstellung [attitude]. Wir haben uns hier auf praktische oughtness konzentriert, wobei die entsprechende Einstellung dann eine Handlungsabsicht ist. Ich halte es nicht für entscheidend, ob man sagt, eine Handlungsabsicht- oder die Handlung selbst besitze oughtness. Ich folge mit dieser Einschätzung Scanlon (1998, 21).

  33. Eine andere Reaktion, nämlich die Leugnung der Existenz von normativen Gründen „hinter“ dem Wollen, hat Stemmer (2013, 145) im Sinn.

  34. Ein Vorwurf, den Parfit gegenüber Bernard Williams (Parfit, 2011b, Kap. 107) und auch Stemmer (Hoesch, Muders and Rüther, 2017, 346–6) äußert.

  35. Überlegungen dieser Art führen häufig zur Forderung, das konstitutive Wollen zu idealisieren. Wir haben oben dargelegt, warum dies keine empfehlenswerte Strategie ist.

  36. Soweit ich sehe, geht dieser Begriff auf John McDowells Kritik an der humeanischen Motivationstheorie zurück (McDowell, 1981, 155).

  37. Diese Strategie wählt Schroeder (2007, 100-101) mit, so meine ich, deutlich erkennbaren Problemen (siehe Sobel, 2009a; Lenman, 2013).

  38. Außerdem: Da wir konative Einstellungen dispositional charakterisiert haben, ist es nicht der Fall, dass jede konative Einstellung einer Person aktiv in ihrer Psyche „wirkt“.

  39. Ich übernehme hier eine Idee von Kate Manne (2015), die von „depth“ spricht, wo ich von „Verankerung“ spreche.

  40. Obgleich ich aus den oben genannten Gründen nicht Frankfurts Ansicht teile, dass nur unsere identitätskonstitutiven Einstellungen Gründe generieren (Frankfurt, 2006, 12–3), stimme ich ihm voll und ganz zu, wenn er sagt: „What a person really needs to know, in order to know how to live, is what to care about and how to measure the relative importance to him of the various things about which he cares. These are the deepest, as well as the most immediate, normative concerns of our active lives“ (Frankfurt, 2006, 28). Die zentrale „normative Herausforderung“ des menschlichen Lebens besteht darin, zu überlegen, welche Dinge uns am meisten am Herzen liegen – oder: am tiefsten verankert sind – und deren Verfolgung bzw. Realisierung dann mit all den übrigen Dingen, die ähnlich oder auch weniger wichtig sind, in Einklang zu bringen.

  41. Ein anonymer Begutachter fragt an dieser Stelle, was denn geschehe, wenn der Wunsch, die Droge zu nehmen, sehr fest verankert sei – ergebe sich dann nicht doch ein gewichtiger Grund? In diesen sauren Apfel, so scheint mir, muss der Konativist beißen. Das scheint mir jedoch kein großes Problem zu sein. Dieses Szenario ist logisch möglich, aber äußerst unwahrscheinlich. Sehr fest verankert sind üblicher Weise unsere konativen Einstellungen bezüglich der eigenen Gesundheit, dem Wohlergehen unserer Liebsten, sozialer Anerkennung, etc. Der Drogenkonsum steht diesen „deepest concerns“ entgegen. Es ist daher, so meine ich, davon auszugehen, dass das Drogen-Nehmen-Wollen durch die von rationalen Überlegungen (vgl. Abschnitt 5.2) angestoßene innere Dynamik des konativen Netzes „nach außen“ gedrängt wird – und damit also, relativ gesprochen, weniger fest verankert ist als die tiefsten konativen Einstellungen. Aber, so könnte man nun fragen, was, wenn dem einmal nicht so sein sollte? Nun, dann würde ich sagen: Wir haben es mit einem Wesen zu tun, das sehr untypisch und andersartig ist. Und Wesen, die ihrer Natur nach so anders sind als wir, haben vielleicht auch andere bzw. anders gewichtete Gründe als wir – ich wüsste jedenfalls nicht, warum wir von Gegenteiligem ausgehen sollten (vgl. hierzu auch Abschnitt 5.4).

  42. Es gibt viele Beispiele für Normativitätstheorien, in denen das Einfangen unserer intuitiv bestehenden moralische Gründe eine sehr große Rolle spielt. Siehe etwa Shafer-Landau (2003), Halbig (2007) oder auch Parfit (2011a).

  43. Eine kleine Auswahl: Schroeder (2007), Stemmer (2008), Cuneo and Shafer-Landau (2014), Sobel (2016). Vor allem Sobels Überlegungen zum „Amoralismus“-Einwand scheinen mir äußerst wichtig zu sein.

  44. Es gibt eine Unmenge an empirisch-psychologischer Literatur und Forschung, die sich mit der angeborenen sowie mit der kulturell erworbenen Sozialität des Menschen beschäftigt. Ein Autor, für den die angeborene Sozialität des Menschen eine große Rolle für den Unterschied zwischen Menschen und unseren nahesten Verwandten spielt, ist etwa Thomas Suddendorf. Siehe Suddendorf (2013, 187f.), Tomasello (2016) oder auch Sobel (2016).

  45. Natürlich geht es nicht nur um die Bedrohung sozialer Anerkennung, sondern auch um deren Erhöhung. Wenn Marc das Kind rettete, würde er eventuell ein hohes Maß an zusätzlicher sozialer Anerkennung erfahren.

  46. Auf den vielfach diskutierten Fall einer Lüge, die niemals entlarvt wird, kommen wir gleich noch einmal zu sprechen.

  47. Obgleich ich hier keine Moraltheorie vertreten möchte: Diese logisch kontingente Robustheit unserer konativen Einstellungen könnte vielleicht als hinreichende Basis für die Erzeugung „objektiver“ moralischer Pflichten dienen. Dementsprechende Versuche finden sich beispielsweise in Stemmer (2000) oder auch Kühler (2006).

  48. Der availability bias – also die intuitive Bewertung uns unvertrauter Situationen auf Grundlage von vertrauten Situationen – ist ein fester Bestandteil menschlicher Denkstrukturen (Kahneman 2012). Dies könnte erklären, warum wir intutiv meinen, dass auch radikale Soziopathen dieselben Gründe haben wie Menschen, die wir kennen. Siehe hierzu auch Sobel (2016).

  49. Zur Diskussion um die overridingness der Moral, siehe etwa Copp (2007).

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Danksagung

Für äußerst hilfreiche Gespräche im Vorfeld dieser Publikation möchte ich mich herzlich bedanken bei: Christoph Halbig, Gottfried Seebaß, Peter Stemmer, Felix Timmermann, Christian Wendelborn, den TeilnehmerInnen des Doktorandenkolloquiums von Peter Stemmer im Wintersemester 2017/18, sowie den beiden anonymen und konstruktiven BegutachterInnen der Zeitschrift für Ethik und Moralphilosophie.

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Fischer, S. Der Metaethische Konativismus: Versuch einer Neubelebung. ZEMO 1, 27–56 (2018). https://doi.org/10.1007/s42048-018-0004-1

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