1 Einleitung

Im Kontext des schulischen Lern- und Leistungshandelns nehmen die subjektiven Einschätzungen der eigenen Fähigkeiten, auch Fähigkeitstheorien genannt, eine wichtige Funktion ein, da sie mit unterschiedlichen Verhaltensweisen beim Lernen, mit verschiedenen Reaktionsmustern bei Herausforderungen und mit besseren oder schlechteren Leistungen einhergehen (Arens et al. 2020; Bostwick et al. 2019; Burnette et al. 2013; Karlen et al. 2019; Yeager und Dweck 2020). Zu diesen Fähigkeitstheorien gehören einerseits die impliziten Theorien zur Veränderbarkeit von Fähigkeiten (auch Mindsets genannt) und andererseits die Fähigkeitstheorien zur Höhe der Ausprägung der eigenen akademischen Fähigkeiten, das Fähigkeitsselbstkonzept (Schöne und Dickhäuser 2019; Yeager und Dweck 2020). Individuen können über unterschiedliche Fähigkeitstheorien zu verschiedenen akademischen Bereichen und Fähigkeiten verfügen (Schroder et al. 2016). Bisher kaum untersucht sind die Fähigkeitstheorien der Schüler*innen zur Regulation des Lernens (Hertel und Karlen 2021), die in dieser Studie fokussiert werden. Diese sind bedeutsam, da die Fähigkeit im selbstregulierten Lernen (SRL) maßgeblich für das erfolgreiche Lernen in der Schule und darüber hinaus relevant ist (Dent und Koenka 2016). Das SRL umfasst die Fähigkeit von Lernenden, den Lernprozess, die Informationsverarbeitung und ihr Lernverhalten in Bezug auf ihre Lernziele und unter Berücksichtigung der sozialen und kontextuellen Lernbedingungen zu überwachen und zu regulieren (Schiefele und Pekrun 1996). Selbstregulierte Lernende verfügen über verschiedene Strategien, die sie auf der Basis ihres metakognitiven Strategiewissens, d. h. dem Wissen darüber, wann, wie und weshalb Strategien einzusetzen sind, gezielt und effektiv nutzen (Karlen 2015). Das SRL betont folglich die proaktive Rolle der Lernenden, die motiviert, reflektiert und strategisch handeln und insbesondere zuversichtlich sind, dass sie durch ihre strategische Vorgehensweise ihr Lernen und ihre Leistungen positiv beeinflussen können (Pressley et al. 1989). Entsprechend spielen subjektive Fähigkeitstheorien nicht nur für das Lernen im Allgemeinen und die Überwindung von Herausforderungen eine zentrale Rolle, sondern sind im Spezifischen auch für das SRL bedeutsam (Chen et al. 2020; Hertel und Karlen 2021).

Ausganglage dieser Studie stellt das sozial-kognitive Wirkungsmodell der Fähigkeitstheorien von Dweck und Leggett (1988) dar. In diesem wird postuliert, dass die impliziten Theorien wichtige Antezedenzien des Fähigkeitsselbstkonzeptes sind. Gemeinsam bilden die impliziten Theorien und das Fähigkeitsselbstkonzept ein Bedeutungssystem, welches als erwartungsbezogene Komponente des Lernens das Verhalten, den Umgang mit Herausforderungen und die Leistung beeinflusst (Eccles und Wigfield 2020). In diesem Beitrag wird untersucht, welche Erklärungskraft den fähigkeitsspezifischen impliziten Theorien zum SRL und dem Fähigkeitsselbstkonzept im SRL für das selbstregulierte Verhalten, das wahrgenommene Ausmaß an schulischen Herausforderungen und für die akademische Leistung beizumessen ist.

2 Theoretischer Hintergrund

2.1 Implizite Theorien und ihre Bedeutung für das Lernen und die akademische Leistung

Individuen können über unterschiedliche implizite Theorien (Mindsets) über ihre eigenen Fähigkeiten oder Eigenschaften verfügen (Yeager und Dweck 2020). Implizite Theorien umfassen subjektive Fähigkeitseinschätzungen, die sich auf einem Kontinuum von einer Sichtweise auf Fähigkeiten als unveränderbare Eigenschaften (Entitätstheorie; fixed mindset) bis hin zu einer Sichtweise auf Fähigkeiten als veränderbare Eigenschaften (Veränderbarkeitstheorie; growth mindset) einordnen lassen (Dweck und Leggett 1988). Individuen mit einer Entitätstheorie sind davon überzeugt, dass es sich bei Fähigkeiten um angeborene Eigenschaften oder Talente handelt, die durch Lernen oder Anstrengung nicht verändert werden können und somit über die Zeit stabil bleiben. Darauf basiert die Überzeugung, die eigenen Fähigkeiten und Eigenschaften nicht in nennenswertem Ausmaß beeinflussen zu können. Im Gegensatz dazu gehen Individuen mit einer Veränderbarkeitstheorie davon aus, dass sich Fähigkeiten und Eigenschaften erwerben, steigern und durch Anstrengung und Übung verbessern lassen. Die impliziten Theorien bilden demzufolge ein kognitives Bedeutungssystem, das beeinflusst, wie Individuen in Lern- und Leistungskontexten an herausfordernde Lernaufgaben herangehen, wie sie ihr Wissen und ihre Fähigkeiten innerhalb dieser Situationen wahrnehmen und wie sie auf Rückschläge und schulischen Herausforderungen reagieren (Haimovitz und Dweck 2017).

Eine bisher kaum untersuchte implizite Theorie ist diejenige zum SRL. Die implizite Theorie zur Veränderbarkeit oder Nicht-Veränderbarkeit von SRL beschreibt, inwieweit Personen das SRL als eine durch Übung und Anstrengung veränderbare Fähigkeit oder als ein unveränderbares Talent verstehen (Hertel und Karlen 2021). Folglich ist anzunehmen, dass Lernende mit einer Veränderbarkeitstheorie zum SRL höhere Anstrengungen und eine höhere Motivation in der Anwendung von Strategien im SRL zeigen als Lernende mit einer Entitätstheorie. Einerseits, weil sie sich von Rückschlägen bei der Strategienutzung nicht oder weniger negativ beeinflussen lassen und andererseits, weil sie eher als Lernende mit einer Entitätstheorie davon überzeugt sind, dass sie sich im SRL verbessern können und das SRL für erfolgreiches Lernen wichtig ist. Diese motivationale Kraft ist für das SRL relevant, da sowohl das Erwerben als auch das Ausüben von SRL ein anstrengender und ressourcenintensiver Prozess sein kann, der Ausdauer und einen adaptiven Strategieeinsatz verlangt (Wirth et al. 2020). So kann es beispielswiese beim Erlenen einer neuen Strategie erforderlich sein, ihren qualitätsvollen Einsatz durch mehrmaliges Üben zu automatisieren, bevor diese einen positiven Nutzen für das Lernen entfaltet (Parkinson und Dinsmore 2018). Beharrlichkeit, und damit verbunden der adaptive Umgang mit Rückschlägen, spielt somit für die Entwicklung des SRL eine wichtige Rolle (Karlen et al. 2018). Wer zu schnell aufgibt, verpasst allenfalls die Chance, eine Strategie ins Repertoire aufnehmen und deren Wirksamkeit zu erleben. So erfordert erfolgreiches SRL nicht nur ein breites Strategierepertoire und Wissen über diese Strategien, sondern auch Selbstvertrauen, Motivation und insbesondere die Überzeugung, dass SRL mit Zeit, Übung und Anstrengung die Leistung positiv beeinflussen wird (Chen et al. 2020; Efklides 2011).

Bisherige Studien zu impliziten Theorien zum SRL fanden positive Zusammenhänge zwischen einer Veränderbarkeitstheorie zum SRL und der Nutzung von Strategien, der Beharrlichkeit, dem Strategiewissen, einer Lernzielorientierung und der intrinsischen Motivation (Hertel und Karlen 2021; Karlen et al. 2019). Diese Ergebnisse gehen mit ähnlichen Befunden zu impliziten Intelligenztheorien oder fachbezogenen Theorien und dem SRL einher (Bai und Wang 2020; Burnette et al. 2013; Ommundsen et al. 2005). Hertel und Karlen (2021) konnten jedoch aufzeigen, dass die impliziten Theorien zum SRL eine teils größere Vorhersagkraft für das SRL aufweisen als die impliziten Intelligenztheorien und betonen die Relevanz einer fähigkeits- oder gegenstandsspezifischen Erfassung von Fähigkeitstheorien. Chen et al. (2020) haben in ihrer Studie die Bedeutung des „strategic mindset“ untersucht, welches die Denkweise zu strategiebezogenen Fragen bei Herausforderungen abbildet. Personen, die eine höhere Punktzahl bei dieser strategischen Denkweise erreichten, setzten metakognitive Strategien häufiger ein, berichteten über größere Lernfortschritte und erzielten wiederum einen höheren Notendurchschnitt an der Universität. In einer Studie mit Lernenden der Sekundarstufe I fanden Karlen et al. (2021) einen positiven Zusammenhang zwischen den impliziten Theorien zum SRL und der Lernfreude sowie einen negativen Zusammenhang zur Langeweile beim Lernen. Diese Ergebnisse könnten darauf hindeuten, dass implizite Theorien zum SRL zum Wohlbefinden in der Schule beitragen, was sich bisher erst für die Intelligenztheorien bestätigen ließ (Ortiz Alvarado et al. 2019). Bislang wurde noch nicht untersucht, inwiefern implizite Theorien zum SRL einen Einfluss auf den Umgang mit schulischen Herausforderungen (Überforderung beim Lernen, Leistungsdruck und Belastung) ausüben.

Die Relevanz von impliziten Intelligenztheorien für schulische Leistungen wurde wiederholt hervorgehoben (Yeager und Dweck 2020). Die OECD hat 2018 im Programme for International Student Assessment (PISA) die impliziten Intelligenztheorien (growth Mindset) erfasst und fand bei einer Mehrheit der teilnehmenden Länder positive Zusammenhänge zur Leistung beim Lesen, in der Mathematik und in den Naturwissenschaften (OECD 2021). In zwei Meta-Studien wurden zwar ebenfalls positive Zusammenhänge zwischen den impliziten Intelligenztheorien und der Leistung berichtet, aber diese waren eher schwach (Costa und Faria 2018; Sisk et al. 2018). Für die impliziten Theorien zum SRL fanden sich bisher vergleichbare Ergebnisse. Implizite Theorien zum SRL zeigten, vermittelt über das SRL oder die Motivation, positive Zusammenhänge zur Leistung beim Verfassen einer anspruchsvollen schriftlichen Arbeit und dem Notendurchschnitt auf (Karlen et al. 2019, 2021).

2.2 Das Fähigkeitsselbstkonzept und seine Bedeutung für das Lernen und die akademische Leistung

Die subjektiven Einschätzungen über die Höhe der eigenen Fähigkeitsausprägungen werden durch Erfahrungen und Vergleiche geformt und durch wertende Rückschlüsse kontinuierlich verstärkt; dadurch spielen sie eine bedeutsame Rolle in Lern- und Leistungskontexten (Schöne und Dickhäuser 2019). In einer spezifischen Lernsituation setzen die Lernenden die wahrgenommene Schwierigkeit einer Aufgabe in Relation zu ihrem entsprechenden Fähigkeitsselbstkonzept, wodurch die situative Erfolgserwartung gebildet wird, die darüber mitentscheidet, ob und wie eine Aufgabe in Angriff genommen wird (Eccles und Wigfield 2020). Dies kann dazu führen, dass das Fähigkeitsselbstkonzept die Intensität und die Ausdauer des Lernverhaltens beeinflusst (Bakadorova et al. 2020). Bereits gut untersucht sind diese Wirkungen für das schulische Fähigkeitsselbstkonzept oder für schulfachspezifische Fähigkeitsselbstkonzepte und beispielsweise deren Zusammenhänge mit der Anstrengung, dem Stress- und Angsterleben im Unterricht, dem Wohlbefinden in der Schule und der Leistung (Arens et al. 2020; Marsh et al. 2006; Schroeders und Jansen 2020).

Beim Fähigkeitsselbstkonzept im SRL steht die Selbstwahrnehmung eines Individuums als strategisch handelnde Person im Zentrum, die durch die Aktivierung von kognitiven, metakognitiven und motivationalen Kompetenzen das eigene Lernen erfolgreich beeinflussen kann und somit die Kontrolle über ihr Lernen und dessen Ausgang hat (Karlen et al. 2020, 2021). Das Fähigkeitsselbstkonzept im SRL beschreibt die subjektive Einschätzung über die Höhe der eigenen Fähigkeitsausprägungen im SRL. Im Gegensatz zu Lernenden mit einem niedrigeren Fähigkeitsselbstkonzept im SRL, sind Lernende mit einem höheren Fähigkeitsselbstkonzept im SRL eher davon überzeugt, dass sie ihr Lernen erfolgreich regulieren können und ihre gewünschten Lernziele durch strategisches Lernen erreichen. Da SRL ein anstrengender und herausfordernder Prozess sein kann, nimmt die Überzeugung, Strategien im SRL zielführend einsetzen oder Lernsituationen mit viel Autonomie, die hohe Anforderungen an das SRL stellen, meistern zu können, eine wichtige Rolle ein. Efklides (2011) beschreibt das Fähigkeitsselbstkonzept als Merkmal mit motivationaler Kraft auf der Personenebene, das mit anderen motivationalen, affektiven, volitionalen und metakognitiven Aspekten des SRL interagiert und dadurch zielgerichtete Top-Down-SRL-Prozesse auf der Aufgabenebene in Gang setzt (z. B. Nutzung von Strategien). Es ist anzunehmen, dass das Fähigkeitsselbstkonzept im SRL in allen Phasen eines SRL-Prozesses Einfluss auf das strategische Handeln der Lernenden nimmt, da über das Fähigkeitsselbstkonzept im SRL die situative Erfolgserwartung gebildet wird, die darüber mitentscheidet, ob und wie strategisches Verhalten erfolgt. Es lenkt die Initiierung des strategischen Handelns bei der Einschätzung der geplanten Herangehensweise, die Intensität und Ausdauer des strategischen Handelns beim Bearbeiten einer anspruchsvollen Aufgabe, die SRL erfordert, und beeinflusst schließlich, je nach Erfolg oder Misserfolg, die Schlussfolgerungen, die für die eigenen strategischen Fähigkeiten gezogen werden.

In einer der wenigen Studien zum Fähigkeitsselbstkonzept im SRL von Schüler*innen fanden Karlen et al. (2021) direkte positive Zusammenhänge zwischen dem Fähigkeitsselbstkonzept im SRL und der Lernfreude sowie der Leistung und einen indirekten, positiven Zusammenhang vermittelt über die Lernfreude mit dem Strategiewissen. In der Literatur finden sich weiter positive Beziehungen zwischen dem (allgemeinen) Fähigkeitsselbstkonzept und dem SRL. Bereits bei Kindergartenkindern entdeckten Compagnoni und Losenno (2020) positive Zusammenhänge zwischen dem Fähigkeitsselbstkonzept und der Selbstregulation des Verhaltens (Inhibitionskontrolle). Roebers et al. (2012) untersuchten Kinder der ersten Grundschulklassen und berichteten einen schwachen positiven Zusammenhang zwischen den Fähigkeitsselbstkonzepten in den Fächern Mathematik und Deutsch und der Überwachung des Lernens. Auch bei Jugendlichen und Erwachsenen lassen sich positive, aber meist schwache bis moderate Zusammenhänge zwischen schulischen Fähigkeitsselbstkonzepten und der Metakognition sowie der Nutzung von Strategien aufzeigen (Karlen 2016; Kleitman und Stankov 2007; Thomas und Gadbois 2007). Die Bedeutung des spezifischen Fähigkeitsselbstkonzeptes im SRL für die Nutzung von Strategien und für den Umgang mit Leistungsdruck, Überforderung und Belastung, wurde bisher jedoch noch nicht umfassend untersucht und stellt somit eine Forschungslücke dar.

2.3 Das Zusammenspiel von impliziten Theorien und Fähigkeitsselbstkonzept

Dweck und Leggett (1988) postulieren, dass die impliziten Theorien wichtige Antezedenzien des Fähigkeitsselbstkonzeptes und des Verhaltens sind. In ihrer theoretischen Arbeit argumentieren sie einerseits, dass die Lernenden mit einer Veränderbarkeitstheorie, unabhängig von ihrem Fähigkeitsselbstkonzept, eine größere Ausdauer bei Schwierigkeiten, einen adaptiveren Strategieeinsatz und schließlich bessere Leistungsergebnisse aufweisen. Andererseits treten hilflose Reaktionsmuster bei Herausforderungen speziell dann auf, wenn eine Person ihre Fähigkeiten als eher gering einschätzt (tiefes Fähigkeitsselbstkonzept) und davon überzeugt ist, dass diese stabil und somit unveränderbar sind (Yeager und Dweck 2020). Das Fähigkeitsselbstkonzept kann somit als Bindeglied zwischen impliziten Theorien und Verhalten sowie Leistung dienen, denn die selbstbezogenen Kompetenzeinschätzungen geben Aufschluss darüber, ob Lernende überzeugt sind, über die persönlichen Fähigkeiten zu verfügen, um erfolgreich zu handeln. Gemeinsam bilden sie ein wichtiges Bedeutungssystem, welches die Erfolgserwartungen und folglich das Verhalten von Lernenden in Lern- und Leistungssituationen beeinflusst (Eccles und Wigfield 2020).

Obwohl davon auszugehen ist, dass implizite Theorien und Fähigkeitsselbstkonzepte zusammenhängen (Karlen et al. 2021; Ommundsen et al. 2005; Schloz und Dresel 2011), handelt es sich um eigenständige Dimension interindividueller Fähigkeitseinschätzungen (Kornilova et al. 2009). Implizite Theorien und das Fähigkeitsselbstkonzept sollten dementsprechend auch unabhängige Beiträge zur Erklärung adaptiver und maladaptiver Verhaltensweisen und Reaktionsmuster bei Herausforderungen leisten, auch nach gegenseitiger Kontrolle (Ommundsen et al. 2005). Im Vergleich zu den impliziten Theorien wurden für das Fähigkeitsselbstkonzept etwas stärkere Zusammenhänge mit dem Lernverhalten, affektiven und motivationalen Variablen und der Leistung von Lernenden gefunden (Karlen et al. 2021; Kornilova et al. 2009; Priess-Groben und Hyde 2017). Gesamthaft erweist sich die Befundlage zur Bedeutung von impliziten Theorien für das Fähigkeitsselbstkonzept noch immer als sehr dünn. Kaum untersucht ist insbesondere der indirekte Beitrag der impliziten Theorien, vermittelt über das Fähigkeitsselbstkonzept im SRL, zur Erklärung des Lernverhaltens, des Umgangs mit schulischen Herausforderungen und zur Erklärung der akademischen Leistung.

3 Ziele der Studie

Auf Grundlage der bisherigen Erkenntnisse zu Fähigkeitstheorien, die bisweilen vor allem auf impliziten Intelligenztheorien und auf dem akademischen Fähigkeitsselbstkonzept beruhen (Arens et al. 2020; Yeager und Dweck 2020), soll überprüft werden, ob sich ähnliche Befunde für die fähigkeitsspezifischen impliziten Theorien zum SRL und für das Fähigkeitsselbstkonzept im SRL finden. Ausgangslage bildet die theoretische Arbeit von Dweck und Leggett (1988), in welcher die Bedeutung der impliziten Theorien für das Fähigkeitsselbstkonzept, das schulischen Lernen und den Lernerfolg hervorgehoben wird. In dieser Studie wird untersucht, welche Beiträge die impliziten Theorien zum SRL und das Fähigkeitsselbstkonzept im SRL zur Erklärung des SRL (Selbstmotivierung, metakognitives Bewusstsein und Strategiewissen), des wahrgenommenen Ausmaßes an schulischen Herausforderungen (Überforderung, Leistungsdruck und Belastung) und der akademischen Leistung leisten.

Auch wenn die vorliegende Studie aufgrund der bislang sehr begrenzten Befundlage zu Fähigkeitstheorien im SRL (Hertel und Karlen 2021; Karlen et al. 2021) einen eher explorativen Charakter aufweist, ist anzunehmen, dass die beiden Fähigkeitstheorien zum SRL schwach, aber positiv miteinander korrelieren. Zusätzlich ist davon auszugehen, dass die beiden Fähigkeitstheorien zum SRL positiv mit den Variablen des SRL (Selbstmotivierung, metakognitives Bewusstsein und Strategiewissen) sowie negativ mit den schulischen Herausforderungen (Überforderung, Leistungsdruck und Belastung) zusammenhängen. Schließlich wird geprüft, ob sich, analog der theoretischen Annahme von Dweck und Leggett (1988), indirekte Effekte der impliziten Theorien zum SRL, vermittelt über das Fähigkeitsselbstkonzept im SRL, auf die abhängigen Variablen zeigen.

4 Methode

4.1 Stichprobe und Durchführung

An dieser Studie nahmen N = 244 Schüler*innen aus 13 verschiedenen Klassen der Sekundarstufe I der deutschsprachigen Schweiz teil. Das Alter der Schüler*innen betrug durchschnittlich M = 14,57 Jahre (SD = 0,94). Der Anteil der Mädchen lag bei 46,3 %. Die Mehrheit der Schüler*innen (85,1 %) gab an, die Unterrichtssprache auch zu Hause zu sprechen (Schweizerdeutsch oder Deutsch). Der Anteil an Schüler*innen mit Migrationshintergrund (mindestens ein Elternteil nicht in der Schweiz geboren) lag bei 33,2 %. Die meisten der teilnehmenden Schüler*innen (71,3 %) besuchten gemischte Klassen mit Niveauunterricht in einzelnen Fächern (tieferes und mittleres Anforderungsniveau in einer Klasse). Die restlichen Schüler*innen (28,7 %) besuchten diejenige Niveaustufe mit den höchsten akademischen Ansprüchen (Gymnasium).

Vor der Durchführung der Studie wurden die Schüler*innen und deren Eltern über die Durchführung und die Absichten der Befragung informiert. Das Einverständnis der Eltern wurde im Vorfeld eingeholt. Die Erhebung in den Klassen erfolgte durch die Lehrkräfte im Unterricht mittels Online-Fragebogen. Alle Lehrkräfte wurden vorab hinsichtlich der Durchführung instruiert. Für die Erhebung wurde eine Unterrichtsstunde eingeplant. Die durchschnittliche Ausfüllzeit lag innerhalb des Zeitrahmens einer Lektion (M = 26,37 min, SD = 6,68). Den Schüler*innen war es möglich, ihre Teilnahme jederzeit zu widerrufen.

4.2 Instrumente

Nachfolgend werden die in dieser Untersuchung eingesetzten Instrumente vorgestellt. Zuerst werden die Instrumente zur Erfassung der beiden Fähigkeitstheorien (implizite Theorien zum SRL, Fähigkeitsselbstkonzept im SRL) erläutert. Anschließend werden Instrumente zur Erfassung der Variablen des SRL (Selbstmotivierung, metakognitives Bewusstsein, Strategiewissen) beschrieben. Es folgt die Erläuterung der Instrumente zur Erfassung schulischer Herausforderungen (Überforderung, Leistungsdruck, Belastung) sowie jenes zur Erhebung der akademischen Leistung. Die deskriptiven Statistiken und Reliabilitätswerte sind in Tab. 1 dargestellt.

4.2.1 Skalen zu den Fähigkeitstheorien

Für die Erfassung der impliziten Theorien zum SRL wurde eine validierte Skala von Hertel und Karlen (2021) verwendet. Die Skala umfasst drei Items mit einem fünfstufigen Antwortformat (Beispiel-Item: „Jeder besitzt eine bestimmte Fähigkeit, sein Lernen selbst zu regulieren und diese … (1) kann nicht verändert werden bis (5) kann verändert werden.“). Höhere Werte stehen für eine stärkere Befürwortung der Veränderbarkeit von Fähigkeiten im SRL.

Das Fähigkeitsselbstkonzept im SRL wurde mittels einer Skala von Karlen et al. (2020) erfasst. Diese besteht aus drei Items (Beispiel-Item: „Ich bin gut darin, mein Lernen selbst zu regulieren.“), die auf einer sechsstufigen Skala eingeschätzt werden. Höhere Werte in dieser Skala gehen mit einem höheren Fähigkeitsselbstkonzept im SRL einher.

4.2.2 Skalen zum selbstregulierten Lernen

Die Selbstmotivierung beschreibt die Kompetenz, die eigene Motivation auch bei Herausforderungen lernförderlich regulieren zu können. Diese wurde anhand der Selbstmotivierungsskala von Kuhl und Fuhrmann (2004) erfasst. Die Skala besteht aus vier Items (Beispiel-Item: „Wenn eine Sache langweilig wird, weiß ich, wie ich wieder Spaß daran finden kann.“), die auf einer sechsstufigen Skala eingeschätzt werden. Je höher der Wert, desto höher die eingeschätzte Kompetenzausprägung in der Selbstmotivierung.

Das metakognitive Bewusstsein wurde anhand einer sprachlich adaptierten Skala zum prozeduralen Wissen aus dem „Metacognitive-Awareness-Inventar“ (MAI) von Schraw und Dennison (1994) erfasst. Die Skala umfasst vier Items (Beispiel-Item: „Ich wende beim Lernen automatisch nützliche Strategien an.“) und erfasst die metakognitive Überzeugung, Strategien effektiv umsetzen zu können. Die Items wurden auf einer sechsstufigen Skala eingeschätzt. Ein höherer Wert geht mit einem höheren metakognitiven Bewusstsein zur qualitätsvollen Strategieanwendung einher.

Das Strategiewissen wurde anhand einer neu entwickelten Wissenstest-Vignette mit offenem Antwortformat erhoben. Diese skizziert eine fiktive Lernsituation, in der die Schüler*innen ihre beabsichtigten strategischen Vorgehensweisen zur erfolgreichen Bearbeitung einer vorgegebenen Aufgabe beschreiben müssen. Die fiktive Situation bezieht sich auf eine typische schulische Lernsituation: „Stell’ dir vor, eine Schulklasse schreibt bald eine größere Prüfung. Die Lehrperson gibt der Klasse deshalb für die nächsten zwei Wochen viele Inhalte zum Lernen. Was könnten die Schüler*innen tun, damit das Lernen für die Prüfung gut gelingt? Nenne alle deine „Tricks“/Ratschläge, um erfolgreich zu lernen.“

Die Nennungen der Schüler*innen wurden anhand eines entwickelten Kodierleitfadens analysiert, der auf der von Weinstein und Mayer (1986) entwickelten Kategorisierung von Lernstrategien und der von Wild und Schiefele (1994) entwickelten Differenzierung dieser Kategorisierung basiert. Dabei wurden kognitive Strategien, metakognitive Strategien und Strategien des Ressourcenmanagements unterschieden und berücksichtigt. Die Antworten der Schüler*innen wurden zum einen entlang der Nennung von Strategien kodiert und zum anderen nach den spezifischen Anweisungen, die sie für den praktischen Einsatz dieser Strategien gaben. Nannten die Schüler*innen z. B. eine kognitive Strategie, die einen Bezug zur Lernsituation hatte (z. B. „Ich schlage vor, eine Textmarkierungsstrategie zu verwenden.“), erhielten sie einen Punkt. Wenn sie darüber hinaus einen Vorschlag machten, der sich auf die Ausführung der Strategieanwendung bezog, wurde ein weiterer Punkt vergeben (z. B. „Ich schlage die Textmarkierungsstrategie vor: Die Schüler sollten zuerst den Absatz lesen, eine Frage stellen und dann die Antwort markieren.“). Die maximal erreichbaren Punkte variierten in Abhängigkeit der Anzahl der Strategienennungen und deren Erläuterungen, so dass es kein Punktelimit gab.

Zwei unabhängige Rater codierten eine Teilstichprobe der Antworten (N = 25). Anschließend wurde mittels Cohens Kappa die Beobachterübereinstimmung ermittelt. Die Interrater-Reliabilität erwies sich mit Cohens 𝜅 = 0,87 als gut.

4.2.3 Skalen zu den wahrgenommenen schulischen Herausforderungen

Die Überforderung im Unterricht wurde mit einer Skala von Kunter et al. (2002) erfasst. Es wurden vier Items eingesetzt (Beispiel-Item: „Im Unterricht ist für mich die Zeit zu kurz, um mit der Arbeit fertig zu werden.“), die auf einer sechsstufigen Skala eingeschätzt werden. Höhere Werte gehen mit einer höheren wahrgenommenen Überforderung der Schüler*innen im Unterricht einher.

Der Leistungsdruck wurde mit einer Skala von Leutwyler und Merki (2004) erfasst. Die Skala besteht aus drei Items (Beispiel-Item: „Ich komme kaum mit meinen Hausaufgaben nach.“), die auf einer sechsstufigen Skala eingeschätzt werden. Höhere Werte gehen mit einem höheren wahrgenommenen Leistungsdruck in der Schule einher.

Die Belastung wurde mit einer Skala von Kuhl und Fuhrmann (2004) erfasst. Die Items wurden von den ursprünglich erfassten belastenden Lebensumständen auf den schulischen Kontext adaptiert und messen damit die wahrgenommene Stressbelastung in der Schule. Die Skala umfasst vier Items (Beispiel-Item: „Die Schule ist sehr belastend für mich.“), die auf einer sechsstufigen Skala eingeschätzt werden. Höhere Werte gehen mit einer höheren wahrgenommenen Belastung in der Schule einher.

4.2.4 Akademische Leistung

Die akademische Leistung der Schüler*innen wurde anhand ihres Notendurchschnitts, der auf ihren fachspezifischen Zeugnisnoten ihres Zeugnisses basiert, ermittelt. Die offiziellen Zeugnisnoten wurden dem Untersuchungsteam zur Verfügung gestellt. Der Notendurchschnitt stellt einen Indikator für die akademische Gesamtleistung der Schüler*innen in der Schule dar. In der Schweiz reichen die Noten von „eins“ bis „sechs“, wobei „sechs“ für hervorragende Leistungen und „eins“ für schlechte Leistungen steht. Ein höherer Wert geht folglich mit einer höheren akademischen Leistung einher.

4.3 Statistische Analysen

Um die Fragestellungen zu beantworten, wurden die Daten mittels deskriptiver Analysen in SPSS 27 und latenter Mediationsmodellen in Mplus 8.1 (Muthén und Muthén 2017) untersucht. Bei allen Modellen wurde der Maximum Likelihood Schätzer (MLR) verwendet, um mit robusten Standardfehlerschätzungen der Verletzung von Verteilungsvoraussetzungen gerecht zu werden. In Modellen mit ML-Schätzung wurde zusätzlich die statistische Signifikanz der direkten und indirekten Effekte mit Hilfe von Bootstrapping-Konfidenzintervallen (10.000 Bootstrapping-Stichproben) abgesichert (MacKinnon et al. 2004). Der Datensatz weist über alle Variablen hinweg durchschnittlich 2,85 % fehlende Werte (Range: 0,4–7,8 %) auf. Das Full-Information-Maximum-Likelihood-Schätzverfahren (FIML) wurde verwendet, um auch Fälle mit unvollständigen Daten einzubeziehen. In eigenen Voranalysen zeigten sich signifikante schwache Korrelationen zwischen den impliziten Theorien im SRL und der Niveaustufe (r = −0,15, p = 0,021; Schüler*innen in einer tieferen Niveaustufe verfügen eher über eine Entitätstheorie als Schüler*innen in einer höheren Niveaustufe) und zwischen dem Fähigkeitsselbstkonzept im SRL und dem Geschlecht (r = −0,21, p < 0,001; Jungen gaben an über ein tieferes Fähigkeitsselbstkonzept im SRL zur verfügen als Mädchen). In allen Modellen wurden deshalb das Geschlecht und die Niveaustufe als manifeste Kovariaten aufgenommen, um für Effekte dieser Variablen zu kontrollieren. In den Modellen wurden die Korrelationen zwischen den jeweils abhängigen Variablen (Kriterien) zugelassen.

Die Modellgüte wurde entlang den Empfehlungen von Hu und Bentler (1999) eingeschätzt. Ein exzellentes Modell weist χ2 Werte im Verhältnis zu den Freiheitsgraden von kleiner als drei, Comparative-Fit-Index (CFI) Werte grösser als 0,95, Root-Mean-Square-Error-of-Approximation (RMSEA) Werte kleiner als 0,06 und Standardized-Root-Mean-Square-Residual (SRMR) Werte kleiner als 0,08 auf.

5 Ergebnisse

5.1 Deskriptive Ergebnisse und Korrelationen

In Tab. 1 sind die deskriptiven Kennwerte und Korrelationen der untersuchten Variablen aufgeführt. Wie angenommen, korrelierten die impliziten Theorien zum SRL signifikant positiv mit dem Fähigkeitsselbstkonzept im SRL. Die impliziten Theorien zum SRL korrelierten ferner signifikant positiv mit allen Variablen zum SRL und der akademischen Leistung. Es fanden sich jedoch nahezu keine signifikanten Korrelationen mit den schulischen Herausforderungen, mit Ausnahme der Überforderung. Das Fähigkeitsselbstkonzept im SRL korrelierte ebenfalls positiv mit allen Variablen zum SRL und der akademischen Leistung. Außerdem korrelierte das Fähigkeitsselbstkonzept im SRL negativ mit allen Variablen wahrgenommener schulischer Herausforderungen.

Tab. 1 Deskriptive Kennwerte der erfassten Konstrukte und deren Interkorrelationen

5.2 Wechselwirkungen von impliziten Theorien zum SRL und dem Fähigkeitsselbstkonzept im SRL

Im Folgenden werden die Ergebnisse der drei latenter Mediationsmodelle präsentiert. Im ersten Modell wird der Effekt der beiden Fähigkeitstheorien auf Variablen des SRL untersucht. Im zweiten Modell wird die Bedeutung der beiden Fähigkeitstheorien für das wahrgenommene Ausmaß an schulischen Herausforderungen überprüft. Im dritten Modell wird der Effekt der beiden Fähigkeitstheorien auf die akademische Leistung untersucht.

5.2.1 Modell 1 – Selbstmotivierung, metakognitives Bewusstsein und Strategiewissen

Das Mediationsmodell wies einen adäquaten Modell-Fit auf: χ2(122) = 218,212, χ2/df = 1,79, CFI = 0,934, RMSEA = 0,057, SRMR = 0,083. Die Ergebnisse der Mediationsanalyse inklusive der Bootstrapping Intervalle sind in Tab. 2 dargestellt. Wie angenommen, korrelieren die impliziten Theorien signifikant positiv mit dem Fähigkeitsselbstkonzept. Zudem zeigt sich ein direkter positiver Zusammenhang zwischen den impliziten Theorien und dem Strategiewissen, jedoch nicht zu den beiden anderen SRL-Variablen. Wie erwartet, finden sich für das Fähigkeitsselbstkonzept direkte positive Zusammenhänge mit der Selbstmotivierung und dem metakognitiven Bewusstsein, wider Erwarten jedoch nicht mit dem Strategiewissen. Zudem ergaben die Analysen indirekte Effekte der impliziten Theorien via dem Fähigkeitsselbstkonzept auf die Selbstmotivierung und das metakognitive Bewusstsein. Signifikante Korrelationen ergaben sich zudem zwischen den beiden Kontrollvariablen und den Kriterien. Das Geschlecht korrelierte negativ mit der Selbstmotivierung (β = −0,16, p = 0,003) und dem Strategiewissen (β = −0,39, p < 0,001). Jungen verfügen teilweise über geringere SRL-Fähigkeiten als Mädchen. Außerdem korrelierte die Niveaustufe negativ mit dem Strategiewissen (β = −0,21, p < 0,001) und legt dar, dass Schüler*innen aus Klassen einer tieferen Niveaustufe über geringeres Strategiewissen verfügen als Schüler*innen in einer gymnasialen Klasse (höhere Niveaustufe). Die erklärten Varianzanteile im Modell lagen bei 10 % für das Fähigkeitsselbstkonzept, 29 % für das Strategiewissen, 32 % für die Selbstmotivierung und 45 % für das metakognitive Bewusstsein.

Tab. 2 Direkte und indirekte Effekte der Fähigkeitstheorien auf das selbstregulierte Lernen

5.2.2 Modell 2 – Leistungsdruck, Überforderung und Belastung

Das Mediationsmodell wies einen guten Modell-Fit auf: χ2(123) = 204.728, χ2/df = 1,66, CFI = 0,923, RMSEA = 0,052, SRMR = 0,052. Die Ergebnisse der Mediationsanalyse inklusive der Bootstrapping Intervalle sind in Tab. 3 dargestellt. Es zeigen sich keine direkten negativen Zusammenhänge zwischen den impliziten Theorien und den schulischen Herausforderungen. Wie erwartet, finden sich jedoch für das Fähigkeitsselbstkonzept direkte negative Zusammenhänge mit dem Leistungsdruck, der Überforderung und der Belastung. Die Analysen decken zudem einen indirekten Effekt der impliziten Theorien via dem Fähigkeitsselbstkonzept auf die Überforderung auf. Für die Kontrollvariablen (Geschlecht, Niveaustufe) zeigte sich eine signifikante negative Korrelation zwischen dem Geschlecht und dem Leistungsdruck (β = −0,10, p = 0,049). Jungen nehmen einen geringeren Leistungsdruck als Mädchen wahr. Die erklärten Varianzanteile im Modell lagen bei 6 % für die Belastung, bei 7 % für den Leistungsdruck und bei 12 % für die ÜberforderungFootnote 1.

Tab. 3 Direkte und indirekte Effekte der Fähigkeitstheorien auf die wahrgenommenen Herausforderungen

5.2.3 Modell 3 – Leistung

Das Mediationsmodell wies einen sehr guten Modell-Fit auf: χ2(22) = 24.682, χ2/df = 1,21, CFI = 0,994, RMSEA = 0,022, SRMR = 0,034. Die impliziten Theorien zeigen, wie erwartet, keinen direkten signifikanten Zusammenhang zur Leistung auf (B = 0,08, 95 % CI [−0,05, 0,21], SE B = 0,06, β = 0,11). Hingegen findet sich ein positiver direkter Zusammenhang zwischen den Fähigkeitstheorien und der Leistung (B = 0,12, 95 % CI [0,05, 0,18], SE B = 0,03, β = 0,26). Der indirekte Effekt der impliziten Theorien via Fähigkeitsselbstkonzept auf die Leistung ist ebenfalls signifikant (B = 0,05, 95 % CI [0,01, 0,10], SE B = 0,02, β = 0,07). Schließlich zeigte sich, dass die Jungen schlechtere akademische Leistungen erzielen als die Mädchen (B = −0,53, 95 % CI [−0,33, −0,13], SE B = 0,12, β = −0,23) Das Modell klärt gesamthaft 20 % der Varianz in der Leistung aufFootnote 2.

6 Diskussion

Im Kontext des schulischen Lern- und Leistungshandelns nehmen die Fähigkeitstheorien eine wichtige Funktion ein, da sie ein Bedeutungssystem bilden, welches beim Lernen und bei Herausforderungen zu unterschiedlichen Herangehensweisen, Reaktionsmustern und Leistungen führt. Bisherige Forschungsbefunde basieren insbesondere auf Arbeiten zu impliziten Intelligenztheorien und dem schulischen oder fachspezifischen Fähigkeitsselbstkonzept. Die vorliegende Arbeit rückte Fähigkeitstheorien zum SRL ins Zentrum. Basierend auf dem sozial-kognitiven Modell zur Motivation von Dweck und Leggett (1988) wurde sowohl die Bedeutung der impliziten Theorien zum SRL für das Fähigkeitsselbstkonzept im SRL als auch die Zusammenhänge der beiden Fähigkeitstheorien im SRL für das SRL, für das wahrgenommene Ausmaß an schulischen Herausforderungen und der Leistung untersucht.

Wie angenommen, korrelierten die impliziten Theorien zum SRL schwach, aber positiv mit dem Fähigkeitsselbstkonzept im SRL. Dies bestätigt bisherige Befunde, die implizite Fähigkeitstheorien und das Fähigkeitsselbstkonzept als korrelierte jedoch eigenständige Fähigkeitstheorien verstehen (u. a. Haimovitz und Dweck 2017; Schloz und Dresel 2011). Diese Korrelation geht auch mit den theoretischen Annahmen von Dweck und Leggett (1988) einher, die eine positive Beziehung zwischen den beiden Fähigkeitstheorien postulierten. Eine Erklärung für diesen positiven Zusammenhang besteht möglicherweise darin, dass Schüler*innen mit einer Veränderbarkeitstheorie Misserfolge und Fehler, die sie beim Erlernen und Nutzen von Strategien im SRL erfahren, eher als Feedback für ihre Entwicklung im SRL begreifen und weniger als eine Bedrohung für ihre Fähigkeiten im SRL wahrnehmen. Somit könnten, wie von Dweck und Leggett (1988) angenommen, die impliziten Theorien zum SRL eine schützende Funktion für das Fähigkeitsselbstkonzept im SRL einnehmen. Diese Annahme müsste jedoch in weiteren Untersuchungen spezifisch überprüft werden.

In dieser Studie wurden die Zusammenhänge zwischen den beiden Fähigkeitstheorien im SRL und den Strategien zur Selbstmotivierung, dem metakognitiven Bewusstsein zur effektiven Strategienutzung und dem Strategiewissen untersucht. Die Ergebnisse ergaben einen direkten Zusammenhang zwischen den impliziten Theorien zum SRL und dem Strategiewissen und indirekte Zusammenhänge, vermittelt über das Fähigkeitsselbstkonzept, zur Selbstmotivierung und zum metakognitiven Bewusstsein. Damit gehen diese Resultate größtenteils mit früheren Befunden einher, die ebenfalls positive Zusammenhänge zwischen impliziten Intelligenztheorien und SRL (Bai und Wang 2020; Ommundsen et al. 2005) sowie impliziten Theorien zum SRL und SRL berichteten (Chen et al. 2020; Hertel und Karlen 2021; Karlen et al. 2021). Implizite Theorien weisen folglich das Potenzial auf, Unterschiede im SRL der Schüler*innen zu erklären. Dies ist auch vor dem Hintergrund der in der Literatur berichteten positiven Zusammenhänge zwischen SRL und Leistung wichtig (Chen et al. 2020; Dent und Koenka 2016; Karlen et al. 2019). Erwartungsgemäß zeigten sich direkte Zusammenhänge zwischen dem Fähigkeitsselbstkonzept im SRL und der Selbstmotivierung sowie dem metakognitiven Bewusstsein. Kein direkter Zusammenhang fand sich zum Strategiewissen. Folglich ergänzen diese fähigkeitsspezifischen Ergebnisse mehrheitlich bisherige Befunde zu den positiven Zusammenhängen zwischen dem allgemeinen akademischen Fähigkeitskonzept und dem SRL (u. a. Thomas und Gadbois 2007).

Gesamthaft deuten die Ergebnisse zwischen den Fähigkeitstheorien im SRL und Variablen des SRL darauf hin, dass dem Fähigkeitsselbstkonzept im SRL, zumindest für die selbstberichteten SRL-Variablen, eine größere Bedeutung zukommt als den impliziten Theorien im SRL. Dies stimmt mit der bisherigen spärlichen Befundlage überein, die ebenfalls leicht stärkere Zusammenhänge zwischen dem Fähigkeitsselbstkonzept und dem SRL berichteten (Priess-Groben und Hyde 2017). Ein möglicher Erklärungsansatz für deren unterschiedliche Bedeutung für das SRL könnte sein, dass die Wahrnehmung über die Höhe der Fähigkeitsausprägungen im SRL (gemessen mit dem Fähigkeitsselbstkonzept) im Vergleich zum Potenzial, diese zu entwickeln (gemessen mit den impliziten Theorien) für die Annahme, diese Fähigkeiten unmittelbar zu besitzen (wie oftmals mit Selbstberichten erfasst), von größerer Relevanz ist. Demgegenüber ist anzunehmen, dass die impliziten Theorien ihre Wirkung dann stärker entfalten, wenn etwa die Entwicklung von Fähigkeiten im SRL über einen längeren Zeitraum betrachtet wird, die Schüler*innen Herausforderungen beim SRL überwinden müssen oder das Wissen über SRL (z. B. das Strategiewissen) erfasst wird. Ein weiterer Erklärungsansatz, um die nicht signifikante Beziehung zwischen dem Fähigkeitsselbstkonzept und dem Strategiewissen zu erklären, könnte darin bestehen, dass die Schüler*innen im Schulalltag kaum Informationen zum SRL erhalten, sie deshalb vermutlich nicht genau einschätzen können, wie viel sie über Strategien wissen und allenfalls andere Indikatoren (z. B. schulische Leistungen) heranziehen, um einschätzen zu können, wie gut oder schlecht sie im SRL sind. In weiteren Studien wäre deshalb zu überprüfen, inwiefern sich der zu erwartende Zusammenhang zwischen dem Fähigkeitsselbstkonzept und dem Strategiewissen zeigt, wenn Lehrpersonen den Schüler*innen diagnostische Rückmeldungen zum SRL geben und sie dadurch ihre Fähigkeiten präziser einschätzen können.

In diesem Beitrag wurden des Weiteren die Zusammenhänge zwischen den Fähigkeitstheorien im SRL und dem Leistungsdruck, der Überforderung und der Belastung untersucht. Die korrelativen Analysen ergaben lediglich einen indirekten Zusammenhang zwischen den impliziten Theorien zum SRL via dem Fähigkeitsselbstkonzept im SRL zur schulischen Überforderung. Hingegen zeigten sich direkte Zusammenhänge zwischen dem Fähigkeitsselbstkonzept im SRL und dem Empfinden von Leistungsdruck, Überforderung und Belastung. Je höher die selbstbezogenen Kompetenzeinschätzungen im SRL sind, desto geringer fällt das wahrgenommene Ausmaß an schulischen Herausforderungen aus. Aus theoretischer Sicht sind diese Zusammenhänge plausibel, da eine höhere Kontrolleinschätzung mit einer größeren Zuversicht, Herausforderungen erfolgreich meistern zu können, einhergeht (Eccles und Wigfield 2020). Das Fähigkeitsselbstkonzept im SRL könnte allenfalls zu positiveren Lernemotionen und einem größeren Wohlbefinden in der Schule beitragen (Karlen et al. 2021; Marsh et al. 2006). Es ist jedoch festzuhalten, dass die Varianzaufklärungen für den Leistungsdruck, die Überforderung und die Belastung sehr gering ausfielen, wodurch die gefundenen Zusammenhänge zu relativieren sind. Eine mögliche Erklärung für die vorliegenden Befunde könnte darin liegen, dass die „Spezifizität“ oder „Ebene“ der erfassten Fähigkeitstheorien von Bedeutung ist. Der Effekt von Fähigkeitstheorien auf das Erleben und Verhalten sollte umso höher ausfallen, je spezifischer diese auf das Verhalten und die Lernsituation bezogen sind (Schöne und Dickhäuser 2019). So besitzen beispielsweise implizite Theorien zum SRL eine größere Vorhersagekraft bezüglich dem SRL als implizite Intelligenztheorien (Hertel und Karlen 2021). Da es sich beim Leistungsdruck, der Überforderung und der Belastung jedoch um eher allgemeine schulische Herausforderungen handelt, die zwar theoretisch durch Erfolgserwartungen im SRL abgemildert werden können (Efklides 2011), verfügen vermutlich bereichsübergreifende implizite Intelligenztheorien und das allgemeine schulische Fähigkeitsselbstkonzept über eine größere Aufklärungskraft.

Abschließend wurden die Zusammenhänge zwischen den beiden Fähigkeitstheorien im SRL und der akademischen Leistung untersucht. Analog zu bisherigen Befunden ergab sich ein positiver, jedoch schwacher indirekter Zusammenhang zwischen den impliziten Theorien zum SRL und der akademischen Leistung (Costa und Faria 2018; Karlen et al. 2021; Sisk et al. 2018). Für das Fähigkeitsselbstkonzept im SRL zeigte sich ebenfalls ein positiver, jedoch direkter, Zusammenhang zur akademischen Leistung. Dieser Befund bestätigt bisherige Ergebnisse, die Zusammenhänge zwischen allgemeinem und fachspezifischem akademischen Fähigkeitsselbstkonzept und der (fachspezifischen) Leistung fanden (Möller et al. 2020). Vor dem Hintergrund, dass sowohl implizite Theorien als auch das Fähigkeitsselbstkonzept mit einer positiven schulischen Entwicklung einhergehen (Arens et al. 2020; Bostwick et al. 2019), könnten Schüler*innen mit einer stärkeren Entitätstheorie und einem tieferen Fähigkeitsselbstkonzept in ihrer schulischen Entwicklung gefährdet sein. Auch wenn die Zusammenhänge zwischen den Fähigkeitstheorien im SRL und der akademischen Leistung als klein bis mittel zu bezeichnen sind, so sind diese dennoch bedeutsam, weil sich Fähigkeitstheorien gezielt verändern lassen und sich dadurch kleine, aber lernförderliche Veränderungen für Schüler*innen ergeben (O’Mara et al. 2006; Yeager und Dweck 2020).

6.1 Praktische Implikationen

Die Ergebnisse ermuntern dazu, bei zukünftigen Trainings und Interventionen im SRL nicht nur Strategien und Strategiewissen zu vermitteln, sondern auch darauf zu achten, dass eine Veränderbarkeitstheorie im SRL unterstützt und das Fähigkeitsselbstkonzept im SRL beispielsweise durch Erfolgserlebnisse bei der Anwendung von Strategien gestärkt wird. Kombinierte Fördermaßnahmen könnten sich folglich als besonders wirksam erweisen und die Schüler*innen darin bestärken, bei Herausforderungen im SRL nicht aufzugeben, sondern die Strategienutzung zu adaptieren, persistent zu bleiben und weiterhin strategisch an Problemlösungen heranzugehen. Bisherige Trainings- und Interventionsstudien haben aufgezeigt, dass sich sowohl implizite Theorien als auch das Fähigkeitsselbstkonzept bei Schüler*innen erfolgreich verändern lassen (O’Mara et al. 2006; Yeager und Dweck 2020), sodass eine Adaption für den Bereich des SRL als realistisch erscheint. Im Gegensatz zu Interventionen zu impliziten Intelligenztheorien, die generell die Veränderung der Fähigkeitstheorie fokussieren, ist für Interventionen zu impliziten Theorien im SRL eine Koppelung an den Gegenstandsbereich des SRL unabdingbar, sodass die Schüler*innen dann über ein entsprechendes Repertoire an Strategien verfügen, auf welches sie zugreifen können. Bisherige Untersuchungsergebnisse im Rahmen von Interventionsstudien zu den Fähigkeitstheorien im SRL fehlen allerdings bislang.

6.2 Limitationen der Studie

Mit Blick auf die Limitationen sind verschiedene Aspekte hervorzuheben. Es handelt sich um eine Querschnittstudie und die Ergebnisse lassen folglich keine Kausalschlüsse zu. Die Modelle wurden auf der Basis von empirischen und theoretischen Annahmen über die Beziehungen zwischen allen untersuchten Variablen entwickelt. Es ist jedoch anzumerken, dass sich die aufgezeigten Zusammenhänge auch in entgegengesetzter Richtung interpretieren lassen würden. Zudem wäre es gewinnbringend, wenn in zukünftigen Analysen die wechselseitige Beziehung zwischen Fähigkeitsselbstkonzept und schulischer Leistung berücksichtig werden könnte. Dies konnte in dieser Studie nicht geleistet werden, da die Vorleistungen nicht erhoben wurden. Die Bedeutung der Fähigkeitstheorien im SRL für das Lernen und die Leistung sollte in Längsschnittstudien unter Berücksichtigung möglicher reziproker Beziehungen genauer untersucht werden. Spannend wäre deshalb zu überprüfen, inwiefern Erfolge und Misserfolge im SRL mit den Fähigkeitstheorien verknüpft sind und ob sich allenfalls reziproke Effekte finden lassen. Die Ergebnisse könnten helfen Erkenntnisse zur Entstehung der Fähigkeitstheorien im SRL zu gewinnen. Damit einher geht außerdem der Bedarf an einer Integration weiterer Variablen zum SRL und der umfassenderen und allenfalls auch aufgabenspezifischeren Erfassung des SRL. Eine weitere Limitation diese Untersuchung umfasst die eher kleine Stichprobengröße, wodurch die Aussagekraft limitiert ist. Die Ergebnisse haben auf Grund der genannten Limitationen in erster Linie einen explorativen Charakter und sollten deshalb mit weiteren Untersuchungen, die u. a. auf umfangreicheren Stichproben basieren, überprüft werden. Des Weiteren enthält die vorliegende Stichprobe ausschließlich Schüler*innen der Sekundarstufe I, wodurch sich die Ergebnisse nicht uneingeschränkt auf andere Altersgruppen übertragen lassen. Auf der Grundlage der Bedeutsamkeit einer frühen Förderung der Fähigkeiten im SRL wären insbesondere auch Schüler*innen der Grundschule oder bereits Kindergartenkinder (Compagnoni und Losenno 2020; Roebers et al. 2012) spannende Untersuchungsgruppen.

6.3 Fazit

Insgesamt zeigen die Ergebnisse dieser Studie auf, dass implizite Theorien zum SRL und das Fähigkeitsselbstkonzept im SRL das Potenzial aufweisen, Erklärungsansätze über das Aktivieren oder Unterlassen von SRL-Verhalten zu liefern. Das Fähigkeitsselbstkonzept im SRL zeigte im Gegensatz zu den impliziten Theorien im SRL, zumindest für die selbstberichteten Variablen des SRL, leicht stärkere Zusammenhänge auf, wohingegen die impliziten Theorien zum SRL stärker mit dem Strategiewissen korrelierten (gemessen anhand eines Wissenstests). Die beiden Fähigkeitstheorien trugen hingegen kaum zur Varianzaufklärung bei den schulischen Herausforderungen bei. Dies deutet darauf hin, dass der Gegenstandsbezug oder die Erfassungsebene von Fähigkeitstheorien bei zukünftigen Studien zu berücksichtigen resp. abzustimmen ist. Schließlich ist festzuhalten, dass die impliziten Theorien zum SRL und das Fähigkeitsselbstkonzept im SRL für die Erklärung von Leistungsunterschieden bedeutsam sind. Die beiden Fähigkeitstheorien zum SRL sollten in zukünftigen Studien, insbesondere zur Bedeutung des SRL für die schulische Leistung, vermehrt Beachtung finden.