1 Einleitung

Implizite Theorien oder Mindsets, d. h. subjektive Überzeugungen über die Veränderbarkeit von Eigenschaften, spielen eine entscheidende Rolle im Unterrichtsgeschehen. Die bisherige Forschung zeigt, dass sich die impliziten Theorien von Lernenden, über die potenzielle Veränderbarkeit oder Stabilität eigener Eigenschaften und Fähigkeiten, auf deren Motivation und Leistung sowie deren Wohlbefinden auswirkt (z. B. Aronson et al. 2002; Blackwell et al. 2007). Insbesondere implizite Theorien über die Veränderbarkeit von Intelligenz und Fähigkeiten standen im Fokus der bisherigen Forschung (vgl. Dweck und Yeager 2019). Wenig Beachtung fanden bislang hingegen implizite Theorien über emotionales Erleben wie Gefühle sozialer Eingebundenheit (siehe z. B. Smith et al. 2018). In zahlreichen Studien konnte jedoch die Bedeutung von sozialem Eingebundenheitserleben von Lernenden für deren Leistung, Motivation und Wohlbefinden nachgewiesen werden (z. B. Marksteiner et al. 2019; Walton und Cohen 2011; Walton et al. 2012).

Aufgrund dieser Forschungsbefunde und der Bedeutung von impliziten Theorien und sozialer Eingebundenheit im Bildungsbereich untersuchen wir in der vorliegenden Studie erstmals die Beziehung von impliziten Theorien von Lehramtsstudierenden über soziale Eingebundenheit zu deren sozialem Eingebundenheitserleben. Ausgehend von den bisherigen Forschungsbefunden (z. B. Walton und Cohen 2011) und weiteren Erkenntnissen aus dem Bereich der sozial-kognitiven Informationsverarbeitung (z. B. Bless et al. 1990; Schwarz und Bless 1991; Schwarz et al. 1991) nehmen wir an, dass implizite Theorien, über die Möglichkeit die Akzeptanz und Wertschätzung durch Dritte mittels eigener Denk- und Handlungsmuster beeinflussen zu können das soziale Eingebundenheitserleben steigern. Gleichzeitig gehen wir aber auch davon aus, dass das soziale Eingebundenheitserleben auch die Qualität der impliziten Theorien beeinflussen kann, es also eine reziproke Beeinflussung von Eingebundenheitserleben und impliziten Theorien gibt.

Da gerade die Struktur des Lehramtsstudiums (Cramer et al. 2020) Studierende bezüglich ihrer sozialen Eingebundenheit vor große Herausforderungen stellt, sind Untersuchungen in diesem Bereich besonders dringlich. Im Vergleich z. B. zu Studierenden der Psychologie wählen Lehramtsstudierende unterschiedliche Fächer (z. B. Mathematik und Germanistik) als Schwerpunkte. Dadurch treffen sie zwar innerhalb ihres Fachs immer wieder auf die gleichen Kommiliton:innen und können sich dort eingebunden fühlen; ein stark ausgeprägtes „Einheits-Gefühl“ wie dies bei Psychologie-Studierenden der Fall ist, die kohortenweise fast alle die gleichen Kurse belegen, kann im Lehramtsstudium aber nur schwer entstehen. Des Weiteren sind aufgrund der Effekte impliziter Theorien von Lehrkräften auf die Lernergebnisse ihrer Schüler:innen Studien zu Entstehung und Auswirkungen von impliziten Theorien besonders bedeutsam. So zeigt die bisherige Forschung, dass die Vorstellungen von Lehrkräften darüber, ob die Eigenschaften oder Fähigkeiten ihrer Schüler:innen veränderbar oder stabil sind, sich auf deren Motivation und Lernerfolg sowie deren Wohlbefinden auswirken (z. B. Jones et al. 2012; Rattan et al. 2012; siehe auch Haimovitz und Dweck 2016).

2 Theoretischer Hintergrund

2.1 Implizite Theorien über Intelligenz

Implizite Theorien oder Mindsets sind grundlegende Überzeugungen eines Menschen darüber, ob eine bestimmte Eigenschaft oder Fähigkeit einer Person grundsätzlich veränderbar ist (Veränderbarkeits-Mindset) oder stabil und nicht veränderbar ist (Stabilitäts-Mindset; siehe Dweck und Yeager 2019, zur Genese der Mindset-Forschung). Die bisherigen empirischen Befunde machen deutlich, dass sich bei Lernenden, die davon überzeugt sind, dass Intelligenz veränderbar und nicht stabil ist (Veränderbarkeits-Mindset bezüglich Intelligenz), ihre Leistungsmotivation sowie ihre Leistung über die Zeit deutlich verbessern (z. B. Aronson et al. 2002; Blackwell et al. 2007, Studie 1). Verändert werden kann das Mindset z. B. durch eine psychologische Intervention: Hierbei wird Lernenden z. B. beigebracht, dass das Gehirn sich entwickeln kann und somit auch Fähigkeiten und Potenziale gesteigert werden können. Die zentrale Aussage dabei ist, dass Lernen das Gehirn verändert, indem neue Verbindungen geschaffen werden, und dass die Lernenden selbst verantwortlich für diesen Prozess sind (siehe Blackwell et al. 2007, Studie 2).

Ein Veränderbarkeits-Mindset in Bezug auf Intelligenz wirkt sich aber nicht nur auf Motivation und Leistung positiv aus: Eigene Vorarbeiten zeigen, dass durch eine digitale Kurzzeit-Mindset-Intervention auch Stresserleben reduziert werden kann (Montagna et al. 2021). So haben wir Lehramtsstudierenden die Aufgabe gegeben, Unterrichtsmaterial zu sichten. Dieses befasste sich mit dem Gehirn und der Steigerung der Gehirnleistung durch Lernen. Durch das Bearbeiten dieser Aufgabe wurde bei den Lehramtsstudierenden nachweislich ein Veränderbarkeits-Mindset induziert. Dieses Veränderbarkeits-Mindset reduzierte dann das Stresserleben in Bezug auf eine wichtige Prüfung, die sie in den kommenden Wochen schreiben sollten.

2.2 Erweiterung des Mindset-Paradigmas um implizite Theorien über emotionales Erleben

Neben einer impliziten Theorie oder einem Mindset über Intelligenz wurde in den letzten Jahren das Mindset-Paradigma erweitert – u. a. auf Persönlichkeit (Chiu et al. 1997a), auf Moral (Chiu et al. 1997b) sowie auf emotionales Erleben (z. B. Smith et al. 2018; Tamir et al. 2007). Da das Erleben von Zugehörigkeit am ehesten zu impliziten Emotionstheorien zugeordnet werden kann und dieses für die vorliegende Arbeit von Interesse ist, werden im folgenden Forschungsbefunde hierzu detaillierter dargestellt.

So untersuchten Tamir et al. (2007) in einer längsschnittlichen Studie den Einfluss impliziter Emotionstheorien – also die subjektive Überzeugung, die eigenen Emotionen und Gefühle kontrollieren zu können oder nicht – auf das Erleben und Empfinden von Studienanfänger:innen vor deren Studienbeginn. Der Wechsel von der Oberstufe an die Universität kann dabei als besonders sensitive Übergangsperiode angesehen werden, in der man gefühlsmäßig vulnerabler ist als gewöhnlich und das Wohlbefinden leicht beeinträchtigt werden kann. Zu Beginn des ersten Semesters zeigte sich, dass Studienanfänger:innen mit einer impliziten Emotions-Stabilitätstheorie signifikant weniger positive Erlebnisse berichteten und signifikant mehr negative Emotionen erlebten als Studienanfänger:innen mit einer Emotions-Veränderbarkeitstheorie. Zudem zeigte sich zum Ende des ersten Studienjahres, dass Studienanfänger:innen mit einer Emotions-Veränderbarkeitstheorie signifikant mehr positive und weniger negative Emotionen berichteten, ein höheres Wohlbefinden angaben, niedrigere Depressionswerte aufwiesen, besser sozial eingebunden und weniger einsam waren. Diese Selbstberichte deckten sich zudem mit Bewertungen durch Peers zum Ende des ersten Studienjahres (Tamir et al. 2007).

Weitere Befunde von Smith et al. (2018) verdeutlichen den Zusammenhang eines Veränderbarkeit-Mindsets und des Emotionserlebens. In ihrer Studie untersuchten sie die kausalen Effekte von impliziten Emotionstheorien auf Wohlbefinden anhand einer Stichprobe von N = 1654 Schüler:innen. Dafür teilten sie die Schüler:innen per Zufall einer Experimentalgruppe und einer Kontrollgruppe zu. In der Experimentalgruppe lernten sie, dass sie ihre Emotionen modifizieren bzw. ändern können und dass sie durch Übung besser werden im Verändern ihrer Emotionen. Einen Monat nach der Intervention schätzten die Schüler:innen der Experimentalgruppe – unabhängig von Ethnie, Geschlecht oder Klassenstufe – ihr Wohlbefinden relativ höher ein als die Schüler:innen der Kontrollgruppe.

Die dargestellten Befunde verdeutlichen, dass auch in Bezug auf Emotionen ein Veränderbarkeits-Mindset sich positiv auf das Erleben und Verhalten auswirkt.

2.3 Soziale Eingebundenheit und implizite Theorien

2.3.1 Entstehung und Veränderung sozialer Eingebundenheit

Um die Entstehung und Veränderung sozialer Eingebundenheit und Erleben sozialer Eingebundenheit erklären zu können, können unterschiedliche Modelle als Stütze dienen. Das Modell der Entstehung sozialer Kompetenzen und sozialer Kompetenzprobleme von Hinsch und Pfingsten (2015) erklärt anschaulich, wie soziales Eingebundenheitserleben entsteht und wie es verändert werden kann (Abb. 1). Zudem verdeutlicht das Modell, wo Interventionen Veränderungen initiieren können, um die Entstehung sozialer Kompetenzprobleme zu verhindern und um negativem Eingebundenheitserleben entgegenzuwirken. Darüber hinaus wird in dem Modell deutlich dargestellt, dass Kognitionen und Emotionen reziprok zusammenhängen und sich wechselseitig bedingen.

Abb. 1
figure 1

Das Modell der Entstehung sozialer Kompetenzen und sozialer Kompetenzprobleme von Hinsch und Pfingsten (2015)

Das Erleben sozialer Eingebundenheit ist in erster Linie abhängig von der Situation, in der sich eine Person befindet wie z. B. ein Gespräch einer Lehramtsstudentin mit einem Kommilitonen oder einem Dozenten. Die verbalen und nonverbalen Verhaltenskomponenten des Gegenübers werden von der Person zunächst kognitiv verarbeitet, d. h. sie werden wahrgenommen und interpretiert (Kognitives Verhalten). So kann ein Verhalten, das mehr oder weniger eindeutig ist, wie z. B. ein etwas unfreundlicher Tonfall oder eine verbale Zurückweisung, als feindseliges Verhalten wahrgenommen werden und für die Person als Hinweis dienen, dass sie vom Gegenüber wenig wertgeschätzt und akzeptiert wird. Für die Interpretation des Verhaltens spielen verschiedene Faktoren wie z. B. die Vorerfahrung oder gewisse Erwartungen an das Verhalten des Gegenübers eine wichtige Rolle. Forschungsbefunde zu sozialen Kognitionen (z. B. Kunda 1990) zeigen, dass Menschen Informationen in einer Art und Weise verarbeiten, die ihre selbst aufgestellten Hypothesen bestätigen (Bestätigungs-Verzerrung; siehe z. B. Nickerson 1998 für einen Überblick). Die Formung dieser Hypothesen wiederum werden z. B. durch Vorerfahrung oder implizite Theorien beeinflusst. Hat besagte Lehramtsstudentin z. B. die Vorstellung, dass sie nicht in ein akademisches Umfeld passt, weil sie aus einem bildungsfernen Haushalt stammt, so wird sie einen unfreundlichen Tonfall ihres Gegenübers eher als Hinweis oder Bestätigung ihrer Hypothese deuten, dass ihre Präsenz an einer Universität unerwünscht ist und sie nicht an eine Universität gehört. Ist sie zudem der subjektiven Überzeugung, dass sich dieses Gefühl der Nicht-Passung nie ändern wird (Stabilitäts-Mindset), so wird sie vermutlich auch zukünftige Situationen entsprechend ihrer Hypothese „Ich gehöre nicht an eine Universität“ deuten.

Auf das kognitive Verhalten der Person folgt ein emotionales Erleben, d. h. sie nimmt die eigenen Gefühle und Emotionen wahr. Die Studentin in unserem Beispiel könnte sich in Folge ihres Gefühls der Nicht-Passung unsicher fühlen und negative Emotionen wie Angst oder Wut erleben. Die erlebten Emotionen selbst können dann wieder rückwirken auf die Wahrnehmung und Interpretation der Situation – also das kognitive Verhalten beeinflussen (z. B. Bless et al. 1990; Schwarz und Bless 1991; Schwarz et al. 1991). Ein verändertes kognitives Verhalten kann wiederrum den Fokus der eigenen Emotionswahrnehmung bestimmen und das emotionale Erleben in die eine oder andere Richtung verstärken. So könnte z. B. die erlebte Unsicherheit der Studentin mit einem erhöhten Herzschlag einhergehen, den sie dann wiederum als Hinweis für die eigene Überforderung im Umgang mit Stress interpretiert, gefolgt von dem Rückschluss, dass sie derartigen sozialen Situationen mit anderen Studierenden oder Lehrenden nicht gewachsen ist. Dieser interpretative Prozess beeinflusst dann wiederum Wahrnehmungs- und Interpretationsentscheidungen der beobachteten verbalen und nonverbalen Verhaltenskomponenten des Gegenübers selektiv.

Dem emotionalen Erleben folgt ein entsprechend motorisches Verhalten: Z. B. kann die Studentin mit Rückzug reagieren, den Gegenüber verbal anfeinden und die Situation verlassen. Auf das Verhalten der Person folgt schließlich eine Reaktion: Z. B. könnte der Gegenüber ebenfalls feindselig antworten oder sogar aggressiv werden (Verhaltenskonsequenz). Auch diese Verhaltenskonsequenz hat Rückwirkungen auf das kognitive Verhalten der Person. Ausgehend von dem oben beschriebenen Zusammenspiel von kognitivem Verhalten, emotionalem Erleben und motorischem Verhalten wird deutlich, weshalb gerade Interventionen, die auf der kognitiven Ebene ansetzen wie z. B. die Soziale-Zugehörigkeits-Intervention von Walton und Kollegen (z. B. Walton und Cohen 2011), das kognitive Verhalten und in der Folge auch das emotionale sowie motorische Verhalten günstig beeinflussen können.

2.3.2 Implizite Theorien über soziale Eingebundenheit

Der Prozess der Entstehung und Veränderung des Erlebens sozialer Eingebundenheit macht deutlich, dass das kognitive Verhalten eine entscheidende Rolle spielt. Auf der kognitiven Ebene werden Informationen wahrgenommen und interpretiert, wobei die Wahrnehmung und Interpretation durch die eigenen Vorstellungen und Erwartungen bedingt sind. Eine wichtige Determinante der Vorstellungen und Erwartungen sind implizite Theorien. Auf Basis der bisherigen Forschungsbefunden kann davon ausgegangen werden, dass es auch implizite Theorien über soziale Eingebundenheit gibt (z. B. Walton und Cohen 2011; Walton und Brady 2017). So zeigen Walton und Cohen in einer Tagebuchstudie mit Studienanfänger:innen, wie die Vermittlung der Botschaft, dass sich die meisten zu Studienbeginn unsicher über ihre Zugehörigkeit zur Universität sind und dass sich diese Unsicherheit im Laufe der Zeit aber legt, das eigene Zugehörigkeitserleben verstärkt. Proband:innen wurden gebeten über einen kurzen Zeitraum täglich aufzuschreiben, welche sozialen Interaktionen sie auf dem Campus hatten und ob sie diese als positiv oder negativ erlebten. Die Ergebnisse zeigen, dass zunehmend weniger negative und zunehmend mehr positive Interaktionen berichtet wurden, wenn diese der Meinung waren, dass Unsicherheitsgefühle über die soziale Zugehörigkeit mit der Zeit abnehmen.

Ausgehend von diesen Befunden und den theoretischen Überlegungen von Walton und Brady (2017) stellen wir erstmals die Annahme auf, dass es auch implizite Theorien über die soziale Eingebundenheit gibt.

3 Forschungsfragen und Hypothesen

Welcher Zusammenhang besteht zwischen impliziten Theorien über soziale Eingebundenheit und dem eigenen Eingebundenheitserleben? Ausgehend von vorherigen Forschungsbefunden (z. B. Walton und Cohen 2011) sowie theoretischen Überlegungen (z. B. Walton und Brady 2017) wird in der vorliegenden Untersuchung erstmals die Hypothese getestet, dass implizite Theorien über soziale Eingebundenheit das Erleben sozialer Eingebundenheit bei Lehramtsstudierenden beeinflusst (Hypothese 1). Da – wie in Abb. 1 dargestellt – emotionales Erleben in sozialen Informationsverarbeitungsprozessen auch als Informationen dienen können (z. B. Bless et al. 1990; Schwarz und Bless 1991; Schwarz et al. 1991), gehen wir weiterhin davon aus, dass das emotionale Erleben der eigenen sozialen Eingebundenheit reziprok auch die eigenen Vorstellungen und subjektiven Überzeugungen und somit die impliziten Theorien über soziale Eingebundenheit beeinflussen (Hypothese 2).

4 Methode

4.1 Stichprobe

Die Stichprobe umfasst N = 68 Lehramtsstudierende einer staatlichen Universität im ersten Studienjahr (72 % weiblich). Somit sind 35,79 % der Studierendenkohorte, die im Herbstsemester 2017 ihr Lehramtsstudium begonnen haben (N = 190; 66,84 % weiblich), in der Stichprobe vertreten. Das Durchschnittsalter liegt bei M = 20,01 (SD = 2,19) Jahren. Im Hinblick auf die eigene Migrationsgeschichte machen vier Personen keine Angaben zu ihrem Geburtsland sowie dem Geburtsland ihrer Eltern (5,86 %). 81,9 % der Teilnehmenden erklärte in Deutschland geboren worden zu sein und 41 % der Teilnehmenden hat einen Migrationshintergrund, d. h. mindestens ein Elternteil wurde im Ausland geboren. Im Durchschnitt migrierten diejenigen, die nicht in Deutschland geboren wurden, in einem Alter von M = 3,60 (SD = 1,95) Jahren nach Deutschland.

4.2 Studiendesign und Erhebungsinstrumente

Zu vier Messzeitpunkten machten die Proband:innen Angaben zu impliziten Theorien, ihrem Zugehörigkeitserleben sowie Wohlbefinden. Darüber hinaus wurden Daten zu weiteren Themenkomplexen erhoben, die aber nicht im Fokus der vorliegenden Untersuchung stehen (i.e. das Gemeinschaftserleben, Self-Compassion, Erschöpfungsempfinden sowie anhand von Vignetten der Attributionsstil).

4.2.1 Erfassung Impliziter Theorien über soziale Eingebundenheit

Zur Erfassung impliziter Theorien über soziale Eingebundenheit wurden 18 Items eingesetzt (Anhang, Tab. 2; Marksteiner und Bressler 2017). Die Items sind eine deutsche Übersetzung und Adaptation der Skala zur Messung impliziter Emotionstheorien (Tamir et al. 2007), die folgenden acht Items eine deutsche Übersetzung und Adaptation der Skala zur Messung impliziter Intelligenz (De Castella und Byrne 2015) und die letzten sechs Items eine deutsche Übersetzung und Adaptation der Items der Skala zur Erfassung von Zugehörigkeit als Prozess (siehe Walton et al. 2017). Ein adaptiertes Beispielitem für eine Veränderbarkeitstheorie über soziale Eingebundenheit ist: „Jeder kann lernen seine Zugehörigkeit selbst zu kontrollieren.“ Ein adaptiertes Beispielitem für eine Stabilitätstheorie über soziale Eingebundenheit ist: „Die Wahrheit ist, dass Menschen nur wenig Kontrolle über ihre Zugehörigkeit besitzen.“ Alle Items wurden auf einer 7‑stufigen Skala mit den Antwortalternativen 1 „stimme gar nicht zu“, 2 „stimme nicht zu“, 3 „stimme eher nicht zu“, 4 „teils/teils“, 5 „stimme eher zu“, 6 „stimme zu“ und 7 „stimme voll und ganz zu“. Die inversen Items wurden rekodiert; anschließend wurden alle Items zu einem Mittelwertindex zusammengefasst. Zu allen Messzeitpunkten weist die Skala eine gute bis sehr gute Reliabilität auf (Cronbachs αt0 = 0,86, αt1 = 0,91, αt2 = 0,94, αt3 = 0,93).

4.2.2 Erfassung des Zugehörigkeitserlebens

Das Zugehörigkeitserleben wurde anhand von sechs Items erfasst, die eine Adaptation der „School Belonging“-SkalaFootnote 1 für den universitären Kontext darstellt. Alle Items wurden auf einer 4‑stufigen Skala mit den Antwortalternativen 1 „stimme gar nicht zu“, 2 „stimme nicht zu“, 3 „stimme zu“ und 4 „stimme voll und ganz zu“. Ein Item, welches ein hohes Zugehörigkeitserleben ausdrückt, ist beispielsweise „Ich finde leicht Freunde in der Universität“, wohingegen ein Item, welches ein vermindertes Zugehörigkeitserleben erfasste beispielsweise folgendes ist: „Ich fühle mich einsam in der Universität“. Zu allen Messzeitpunkten weist die Skala eine gute Reliabilität auf (Cronbachs αt0 = 0,83, αt1 = 0,86, αt2 = 0,81, αt3 = 0,84).

Deskriptive Befunde der eingesetzten Skalen sind in Tab. 1 dargestellt.

Tab. 1 Zero-order Korrelationen, Mittelwerte und Standardabweichungen der relevanten Konstrukte zu allen vier Messzeitpunkten

4.2.3 Analysen

Um die Hypothesen und vorherige Befunde zu testen, wurden zwei manifeste autoregressive Modelle mit Hilfe der Statistiksoftware Mplus Version 8 (Geiser 2010; Muthén und Muthén 2017) spezifiziert. Nach Kline ist die vorliegende Stichprobengröße ausreichend für die Schätzung eines manifesten (aber nicht latenten) autoregressiven Models (siehe Kline 2016, S. 16, für weitere Informationen). Um für Messfehler der Einzelindikator-Variablen zu korrigieren, wurde der von Wang und Wang (2019; siehe auch Sagan und Pawelek 2014) beschriebene Ansatz verfolgt.

5 Ergebnisse

5.1 Dropout und fehlende Werte

Zum ersten Messzeitpunkt nahmen N = 68 Studierende teil. Zum zweiten Messzeitpunkt sind Angaben von N = 49 Personen verfügbar, zum dritten Messzeitpunkt N = 47 Personen und zum letzten Messzeitpunkt N = 44 Personen. Insgesamt nahmen 64,71 % zu allen Messzeitpunkten teil. Um zu überprüfen, ob der Dropout systematisch war, wurde zunächst eine Dummy Variable gebildet (1 „Dropout“, 0 „kein Dropout“). Eine multivariate Varianzanalyse (MANOVA) mit anfänglichem Zugehörigkeitserleben, anfänglicher Depressivität und anfänglicher Angaben zu impliziten Theorien als abhängige Variablen deutet auf einen nicht signifikanten multivariaten Effekt der Dummy Variable hin, p = 0,551. Ebenso gab es keine signifikanten univariaten Effekte der Dummy Variable, alle ps > 0,16. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Dropout nicht systematisch war.

Die Menge an fehlenden Daten reichte von 4,2 bis 38,0 % (z. B. für Items die das Zugehörigkeitserleben zum vierten Messzeitpunkt erfassten). Wie von Schlomer et al. (2010) vorgeschlagen, berechneten wir Littles (1988) MCAR (Missing completely at random)-Test: Die Ergebnisse zeigen einen nicht signifikanten Chi2-Test, χ2(57) = 64,11, p = 0,241. Dies deutet darauf hin, dass die Werte rein zufällig fehlen.

5.2 Auswertung des wechselseitigen Effekts Impliziter Theorien und Eingebundenheitserleben

Das ModellFootnote 2 (siehe Abb. 2) zeigte einen sehr guten Modellfit, χ2(8) = 9,309, p = 0,32; RMSEA = 0,048; CFI = 0,991; TLI = 0,968; SRMR = 0,046; AIC = 678,383; adjusted BIC = 645.933. Dabei deuten Werte über 0,95 (TLI und CFI) und Werte unter 0,05 (RMSEA und SRMR) typischerweise auf einen guten Modellfit hin (Hu und Bentler 1999; für eine detaillierte Diskussion über Cut-off-Werte unter verschiedenen Bedingungen siehe Sivo et al. 2006).

Abb. 2
figure 2

Manifestes autoregressives Modell für zwei Indikatoren mit den beiden Konstrukten Eingebundenheitserleben (Belong; j = 1) und Implizite Theorien (IMPLTH; j = 2) zu vier Messzeitpunkten (k = 1, 2, 3, 4). β1–6: standardisierte Pfadkoeffizienten, die autoregressive Effekte repräsentieren. β7–12: standardisierte Pfadkoeffizienten, die kreuzverzögerte Effekte repräsentieren. β13–16: standardisierte Pfadkoeffizienten, die autoregressive Effekte zweiter Ordnung repräsentieren. εjk: Residualvariablen. Signifikante Effekte sind durch eine durchgehende Linie gekennzeichnet, nicht signifikante Effekte durch eine gestrichelte Linie. *** p < 0,001, ** p < 0,01, * p < 0,05

Wie erwartet zeigt sich, dass der autoregressive Effekt des Zugehörigkeitserlebens (erster Ordnung) vom ersten zum zweiten Messzeitpunkt (β1 = 0,595, p < 0,001) und vom zweiten zum dritten Messzeitpunkt (β2 = 0,385, p = 0,030) sowie des autoregressiven Effekts zweiter Ordnung vom ersten zum dritten Messzeitpunkt (β13 = 0,396, p = 0,028) und vom zweiten zum vierten Messzeitpunkt (β14 = 0,451, p = 0,030) statistisch signifikant ist. Somit liegt ein statistisch bedeutsames Ausmaß an Stabilität interindividueller Unterschiede hinsichtlich Zugehörigkeitserleben vor. Ebenfalls wie erwartet zeigt sich, dass der autoregressive Effekt impliziter Theorien vom ersten zum zweiten Messzeitpunkt (β4 = 0,666, p < 0,001) sowie vom dritten zum vierten Messzeitpunkt (β6 = 0,604, p < 0,001) sowie der autoregressive Effekt zweiter Ordnung vom ersten zum dritten Messzeitpunkt (β15 = 0,469, p = 0,011) statistisch signifikant ist. Dies deutet ebenfalls auf ein gewisses statistisch bedeutsames Ausmaß an Stabilität interindividueller Unterschiede hinsichtlich impliziter Theorien hin. Alle übrigen autoregressiven Effekte sind statistisch nicht signifikant, alle ps > 0,07.

Die interindividuellen Unterschiede hinsichtlich dem Zugehörigkeitserleben und impliziter Theorien sind allerdings über die Zeit nicht perfekt stabil. Es gibt interindividuelle Unterschiede in intraindividuellen Veränderungen. Diese können durch zeitlich vorgeordnete individuelle Unterschiede des jeweils anderen Konstrukts erklärt werden, was durch signifikant kreuzverzögerte Effekte erkennbar wird. Entsprechend der Erwartungen sind die kreuzverzögerten Effekte des Zugehörigkeitserlebens auf implizite Theorien vom zweiten zum dritten Messzeitpunkt (β9 = −0,260, p = 0,046) sowie vom dritten zum vierten Messzeitpunkt (β11 = 0,266, p = 0,033) statistisch signifikant. Der kreuzverzögerte Effekt vom zweiten zum dritten Messzeitpunkt weist darauf hin, dass Individuen mit einem stärkeren Zugehörigkeitserleben tendenziell weniger ein Veränderbarkeits-Mindset haben und umgekehrt Individuen mit einem schwächeren Zugehörigkeitserleben tendenziell eher ein Veränderbarkeits-Mindset haben. Der kreuzverzögerte Effekt vom dritten zum vierten Messzeitpunkt deutet jedoch auf einen gegenteiligen Effekt hin: Individuen mit einem stärkeren Zugehörigkeitserleben haben tendenziell eher ein Veränderbarkeits-Mindset und umgekehrt Individuen mit einem schwächeren Zugehörigkeitserleben haben tendenziell weniger ein Veränderbarkeits-Mindset. Die relativ kleinen standardisierten Pfadkoeffizienten weisen darauf hin, dass die kreuzverzögerten Effekte im Vergleich zu den autoregressiven Pfaden nur wenig zusätzliche Varianz aufklären. Alle anderen kreuzverzögerten Effekte sind nicht signifikant, alle ps > 0,14.

Die Korrelationen der Residualvariablen zum ersten und vierten Messzeitpunkt (r = 0,270, p = 0,047; r = 0,588, p = 0,001) sind statistisch bedeutsam und von der Größe her – insbesondere zum letzten Messzeitpunkt – substantiell. Dies deutet darauf hin, dass es zusätzliche gemeinsame Ursachen (z. B. situationsspezifische Einflüsse) von Impliziten Theorien und Zugehörigkeitserleben zum selben Messzeitpunkt gibt, welche weder durch autoregressive noch kreuzverzögerte Effekte erklärt werden können. Insgesamt kann zwischen 36,3 und 70,8 % der Varianz der Impliziten Theorien und des Zugehörigkeitserlebens zu zweiten, dritten bzw. vierten Messzeitpunkten durch das Modell erklärt werden (Belong2: R2 = 36,6 %; Belong3: R2 = 61,5 %; Belong4: R2 = 60,7 %; Implicit2: R2 = 48,5 %; Implicit3: R2 = 49,4 %; Implicit4: R2 = 70,8 %).

6 Diskussion

In der vorliegenden Studie wurde der Frage nachgegangen, inwieweit implizite Theorien über soziale Eingebundenheit das emotionale Erleben der sozialen Eingebundenheit bei Lehramtsstudierenden beeinflussen. Auf Basis bisheriger Forschung (z. B. Walton und Cohen 2011) sowie aufgrund theoretischer Überlegungen (z. B. Walton und Brady 2017) wurde angenommen, dass in erster Linie die subjektiven Überzeugungen das emotionale Erleben beeinflussen. Gleichzeitig wurden Befunde aus der sozialen Kognitionsforschung (z. B. Bless et al. 1990; Schwarz und Bless 1991; Schwarz et al. 1991) berücksichtigt, die auf reziproke Effekte hinweisen.

Die Ergebnisse der Analysen deuten darauf hin, dass nicht die subjektiven Überzeugungen das emotionale Erleben der Eingebundenheit beeinflussen (Hypothese 1); vielmehr deuten die Ergebnisse an, dass es nur einen Effekt des emotionalen Erlebens auf implizite Theorien über soziale Eingebundenheit gibt (Hypothese 2) – allerdings mit unterschiedlicher Wirkrichtung: So ist die Wirkrichtung des emotionalen Erlebens auf die impliziten Theorien vom dritten zum vierten Messzeitpunkt erwartungsgemäß positiv. Das heißt, dass zum späteren Zeitpunkt das stärkere Eingebundenheitserleben zu einem stärkeren Veränderbarkeits-Mindset führt und somit Individuen eher der Überzeugung sind, dass man selbst in der Hand hat, wie stark man sozial eingebunden ist, je stärker sie sich selbst eingebunden fühlen. Umgekehrt tendieren Individuen eher dazu zu glauben, dass soziale Eingebundenheit durch externe Faktoren bedingt ist und sich nicht ändern kann – also eher ein Stabilitäts-Mindset haben, je weniger sie sich selbst eingebunden fühlen. Im Hinblick auf die Wirkung des emotionalen Erlebens auf die impliziten Theorien zeigt sich vom zweiten zum dritten Messzeitpunkt ein anderes Bild. Die Wirkrichtung ist hier nicht wie erwartet positiv, sondern negativ. Das heißt, dass der kreuzverzögerte Effekt vom zweiten zum dritten Messzeitpunkt darauf hinweist, dass Individuen mit einem stärkeren Eingebundenheitserleben tendenziell eher ein Stabilitäts-Mindset und weniger ein Veränderbarkeits-Mindset haben und umgekehrt Individuen mit einem schwächeren Eingebundenheitserleben tendenziell eher ein Veränderbarkeits-Mindset und weniger ein Stabilitäts-Mindset haben.

Diese Umkehrung der Wirkrichtung kann durch die Situation erklärt werden, in der sich die Teilnehmenden zum Zeitpunkt der Erhebungen befanden: Im Zeitraum zwischen dem zweiten und dritten Messzeitpunkt befanden sich die Proband:innen in der Prüfungsvorbereitungsphase, die mit einem erhöhten Stresserleben auf Seiten der Studierenden verbunden ist. Studierende werden in einer solchen Situation auf bewährte Strategien der Stressbewältigung und Selbstwerterhaltung zurückgreifen, um die anstehenden Herausforderungen in Form von Prüfungen bestmöglich bewältigen zu können. Zweifelsohne kann zu den Strategien von Studierenden eine gemeinsame Prüfungsvorbereitung in Lerngruppen mit anderen Studierenden gehören. Auf Basis von Forschung aus der Gesundheitspsychologie kann angenommen werden, dass die Teilnahme an regelmäßigen Lerngruppen ein Gefühl der sozialen Eingebundenheit verstärken kann und Stresserleben aufgrund von Social-Support-Möglichkeiten verringern kann (für eine Überblick siehe z. B. Faltermaier 2017). Durch die besondere Organisation des Lehramtsstudiums gibt es jedoch nur sehr wenige Studierende, die im Verlauf des Studiums mehrere Lehrveranstaltungen miteinander teilen. Dieser Umstand kann sich negativ auf die Beständigkeit von Lerngruppen auswirken, womit ein möglicher positiver Effekt durch die Zugehörigkeit zu einer Lerngruppe auf das soziale Eingebundenheitserleben nicht zu erwarten ist.

Die Fokussierung auf die anstehende Prüfungssituation dürfte auch einhergehen mit einer temporär stärkeren kognitiven Belastung, die hinderlich für die Reflexion über für die aktuelle Bewältigung der Prüfungssituation weniger relevante Themen und Inhalte ist. Wie bisherige Forschung weiterhin zeigt, wirkt sich kognitive Belastung auf die soziale Informationsverarbeitung aus (z. B. Chen und Chaiken 1999): Dabei werden Informationen schnell und ressourcensparend verarbeitet, wobei Heuristiken (wie „Unfreundliche Reaktionen einer Person bedeuten, dass sie mich nicht wertschätzen.“) und Stereotypen (wie „Arbeiterkinder gehören nicht an eine Universität.“) häufig eingesetzt werden. Diese ressourcensparende Informationsverarbeitung kann bei Personen, die z. B. durch ihren Bildungshintergrund, ihren Migrationshintergrund oder ihres Geschlechts zu bildungsbenachteiligten Gruppen zählen, zu einem geringen Eingebundenheitserleben führen. Um das fundamental menschliche Bedürfnis, den eigenen Selbstwert aufrecht zur erhalten, jedoch befriedigen zu können, müssen Individuen die subjektive Überzeugung vertreten, dass sich das Eingebundenheitserleben verändern kann und von Situation zu Situation unterschiedlich stark ausgeprägt ist – sie sollten also ein Veränderbarkeits-Mindset verfolgen. Vorausgesetzt wird hierbei, dass das Eingebundenheitserleben den Selbstwert steigert. Umgekehrt sollten sich Personen, die sich (auch) in stressigen Phasen wie der Prüfungsvorbereitung sozial eingebunden fühlen – um ihren Selbstwert zu erhalten – die subjektive Überzeugung vertreten, dass das Eingebundenheitserleben situationsunabhängig und nicht veränderbar ist. Abschließend gilt es in weiteren Studien zu untersuchen, inwiefern eine Kombination aus Ausmaß des Eingebundenheitserleben und Ausmaß der Selbstwertbedrohung in einer Situation das Aktivieren eines Veränderbarkeit- oder Stabilität-Mindsets bedingt.

6.1 Limitation der vorliegenden Studie

In der vorliegenden Untersuchung wurde die wechselseitige Wirkung von impliziten Theorien über soziale Eingebundenheit und dem Eingebundenheitserleben von Lehramtsstudierenden in ihre Hochschule untersucht. Dabei wurde keine Differenzierung nach Fächerkombination vorgenommen. Dies sollte aus den folgenden Gründen in zukünftigen Untersuchungen berücksichtigt werden. Zum einen könnte es sein – dies gilt es weiter zu untersuchen –, dass die Studierenden der verschiedenen Fächer unterschiedlich stark organisiert sind z. B. in Fachschaften. Diese Möglichkeit zur Eingebundenheit kann eine moderierende Wirkung auf den Zusammenhang haben. Zum anderen können weitere Variablen einen Einfluss auf die Wirkmechanismen haben wie z. B. das Geschlecht oder die Ethnizität. So kann von einer Wechselwirkung zwischen Studienfach und Geschlecht ausgegangen werden: Beispielsweise ist das Eingebundenheitserleben von weiblichen Studierenden in MINT-Fächern eher negativ beeinträchtigt (siehe hierzu z. B. Rattan et al. 2012) im Vergleich zum Eingebundenheitserleben von weiblichen Studierenden in Germanistik.

Weiterhin sollte die Erklärung dafür, dass das Stresserleben der Proband:innen zu einer Umkehr der Wirkrichtung vom zweiten zum dritten Messzeitpunkt beigetragen hat, in zukünftigen Studien näher untersucht werden. Erste Hinweise darauf, dass die emotionale Belastung sich vom zweiten zum dritten Messzeitpunkt signifikant verstärkt, geben explorative Analysen: So zeigt sich ein signifikanter Mittelwertsunterschied in der berichteten Depressivität der Studierenden zwischen dem zweiten und dritten Messzeitpunkt (Mt2 = 1,57, SD = 0,49; Mt3 = 1,72, SD = 0,54), t(43) = −2,98, p = 0,005. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass während des Studienverlaufs keine Ereignisse als Störvariable (hier: Prüfungsstress) zu einer möglichen Beeinflussung der Wirkrichtung beitragen könnten. Eine weitere Möglichkeit wäre eine experimentelle Herangehensweise, bei der gezielt das Stresserleben manipuliert wird. Der Vorteil einer Untersuchung im Labor ist, dass weitere Störvariablen maximal kontrolliert werden können. Des Weiteren wäre denkbar, soziale oder emotionale Erfahrungen, die Studierenden während der Erhebung machen, zu erfassen.

6.2 Implikationen für Praxis sowie Forschung und Schlussfolgerung

Die Mindsets, mit denen Lehramtsstudierende ihren Alltag bewältigen, sind aus mehreren Perspektiven für die Praxis der Lehrkräfteaus- und Fortbildung von Bedeutung. Ein stärker veränderungsoffenes Mindset dürfte sich in einer entsprechenden pädagogischen Praxis des Ermutigens und Empowerns von späteren Schüler:innen widerspiegeln. Entsprechende Selbsterfahrungen und Wissen über die Entwicklungspotenziale des Gehirns, aber auch der Bedeutung von Mindsets für die Motivation und das Leistungserleben von Schüler:innen sollte eine wichtige Rolle in der Ausbildung und Weiterqualifizierung von Lehrkräften spielen. So führen eine Förderung und Ausbildung eines Veränderbarkeit-Mindsets nicht nur zu mehr Motivation, Wohlbefinden und Leistung bei Lehrkräften selbst. Das Mindset der Lehrkraft hat indirekt – z. B. über Feedback der Lehrkraft – Einfluss auf das Erleben und Verhalten von Lernenden. Durch ein veränderungsoffenes Mindset lernen Lehrkräfte wie Lernende, dass ihr Handeln in erster Linie eigenverantwortlich ist. Dieses Gefühl der Eigenverantwortung setzt positive Prozesse in Gang (wie mehr Engagement beim Vorbereiten auf den Unterricht). Mehr Eigenverantwortung kann aber auch eine Überforderung mit sich bringen und schnell auch negative Prozesse in Gang setzen (wie Vermeidungsverhalten). Ein denkbares Szenario wären z.B. starke Ausgrenzungs- und Diskriminierungserfahrungen von Lernenden verbunden mit einem stabilen Mindset in Form von Ohnmachtsvorstellungen die eigene soziale Eingebundenheit selbst verändern zu können. In diesem Fall könnten Interventionen der Lehrkräfte, die ein veränderungsoffenes Mindset intendieren, ihre Wirkung verfehlen. Dies könnte durch die fehlende Passung von Veränderungspotentialen, die von der Intervention ausgehen, und dem fehlenden Selbstwirksamkeitserleben der Lernenden selbst, etwas an ihrer sozialen Eingebundenheit verändern zu können, angesichts wirkmächtigerer realer Erfahrungen von Ausgrenzungen und Diskriminierung erklärt werden.

Auf Basis der vorliegenden Forschungsbefunde scheint das emotionale Erleben das kognitive Verhalten zu beeinflussen. Im Speziellen deuten die Befunde auf keine Wechselwirkung hin, sondern auf einen unidirektionalen Einfluss des Eingebundenheitserlebens auf implizite Theorien über Eingebundenheit. Hierbei stellt sich auch die Frage, inwiefern ein starkes soziales Eingebundenheitserleben der Lehrkräfte in das Lehrerkollegium förderlich für die Entwicklung eines veränderungsoffenes Mindsets bei den Lehrkräften ist und wie ein solcher Effekt für die Schulentwicklung genutzt werden könnte.

Weitere Forschung sollte diese Wirkrichtung und die Effekte der kollegialen sozialen Eingebundenheit auf die impliziten Theorien der Lehrkräfte systematisch untersuchen. Dementsprechend sollten Interventionen, die eine Veränderung von impliziten Theorien anstreben, die emotionale Komponente stärker in den Blick nehmen.

Zusammenfassend deckt die vorliegende Studie auf, dass das Mindset-Paradigma um implizite Theorien über Eingebundenheitserleben erweitert werden kann. Bezüglich der Wirkmechanismen bei der Veränderung von impliziten Theorien und des Eingebundenheitserleben machen die Befunde deutlich, dass emotionale wie kognitive Komponenten in Zukunft differenzierter betrachtet werden sollten, um mehr Hinweise für eine effektive Gestaltung von Trainings und Interventionen bekommen zu können.