Zusammenfassung
Frauen mit entzündlichen rheumatischen Erkrankungen bekommen im Vergleich zu Frauen in der Normalbevölkerung weniger Kinder. Obwohl sich die Rate der Lebendgeburten in dieser Patientengruppe in den letzten Jahrzehnten vervielfacht hat, zählen Schwangerschaften von Patientinnen mit rheumatischen Erkrankungen aufgrund der Häufung von fetalen und maternalen Komplikationen, wie z. B. Präeklampsie, thromboembolischen Geschehen, Frühgeburtlichkeit und kindlicher Wachstumsretardierung, immer noch als Risikoschwangerschaften. Zur Optimierung des Schwangerschaftsausgangs ist für diese Frauen eine rechtzeitige interdisziplinäre präkonzeptionelle Beratung essenziell.
Abstract
Women with inflammatory rheumatic diseases have fewer children than women in the general population. Although the rate of live births in this patient group has increased in recent decades, pregnancies in patients with rheumatic diseases still count as risk pregnancies due to the increased fetal and maternal complications, such as, pre-eclampsia, thromboembolic events, preterm/premature birth, and fetal growth retardation. To optimize the outcome of pregnancy, timely interdisciplinary preconceptional counseling is essential for these women.
Präkonzeptionelle Beratung
Entzündlich-rheumatische Erkrankungen (Tab. 1) kommen in allen sozialen Schichten, Regionen und Altersgruppen vor, somit typischerweise auch im gebärfähigen Alter.
Patientinnen mit entzündlichen Gelenkerkrankungen, wie zum Beispiel rheumatoider Arthritis (RA), Psoriasisarthritis (PsoA) oder axialer Spondyloarthritis (SpA), haben prinzipiell keine Einschränkung der Fertilität. Die Zeitspanne bis zum Eintreten einer Schwangerschaft ist jedoch oft länger. 25 % der Patientinnen mit RA benötigen länger als zwölf Monate, um schwanger zu werden. Zum Vergleich: In der gesunden Kontrollgruppe liegt diese Subfertilitätsrate bei 15,6 % [1]. Bei Frauen mit systemischem Lupus erythematodes (SLE) ist die Fertilität nicht beeinträchtigt [2].
Schwangere oder Kinderwunschpatientinnen würden meist lieber starke Schmerzen oder eine höhere Krankheitsaktivität in Kauf nehmen, als ihr Kind durch die Einnahme von Medikamenten potenziell zu gefährden. Dabei ist es sowohl für die Fertilität als auch für die Komplikationsrate rund um die Schwangerschaft entscheidend, dass die Krankheitsaktivität der Mutter mittels rheumatologischer Basistherapie und supportiver Maßnahmen gut kontrolliert wird [3]. Es ist daher wichtig, in einer präkonzeptionellen Beratung das Bewusstsein dafür zu schaffen, dass eine hohe Krankheitsaktivität vor oder während der Schwangerschaft ein Risiko für Mutter und Kind darstellt und gegen das zumeist gefürchtete Risiko der einzunehmenden Medikamente abzuwägen ist. Eine gut funktionierende Schnittstelle zwischen Rheumatologie und Gynäkologie hat dabei einen besonders hohen Stellenwert (Tab. 2). Ein wichtiger Punkt in der präkonzeptionellen Beratung ist daher die medikamentöse Therapie rund um die Schwangerschaft. Zu diesem Thema wurde von der Österreichischen Gesellschaft für Rheumatologie und Rehabilitation und Österreichischen Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie rezent ein Konsensus veröffentlicht.
Kontrazeption
Eine sichere Kontrazeption ist vor allem bei jenen Frauen essenziell, die unter einer hohen Krankheitsaktivität leiden oder potenziell teratogene Immunsuppressiva erhalten. In Kombination mit Spermiziden beträgt der Pearl-Index von Kondomen 2,5 %. Deutlich besser schneidet hier die Kupferspirale ab, die allen Patientinnen angeboten werden kann, sofern keine gynäkologische Kontraindikation vorliegt. Ebenso gehören levonorgestrelhaltige Spiralen zu den sicheren Optionen bei Patientinnen mit SLE und Antiphospholipidantikörpersyndrom (APLAS), weil sie ein geringes Thromboserisiko aufweisen, aber zugleich eine gute Blutungskontrolle im Falle einer Hypermenorrhö gewährleisten. Auch vor einer hormonellen Kontrazeption (orale Pille, Vaginalring, transdermales Pflaster) muss bei Patientinnen mit stabiler Krankheit ohne Vorliegen eines APLAS und bei geringem Thromboserisiko nicht Abstand genommen werden. Die Sicherheit der kombinierten Pille (Östrogen plus Gestagen) und Progestin-only-Pille bei SLE-Patientinnen mit stabiler Erkrankung und negativem Antiphospholipidantikörperstatus wurde in randomisierten, kontrollierten Studien (RCT) nachgewiesen [4, 5]. Zu beachten ist hierbei allerdings, dass das Thromboserisiko steigt, wenn weitere Risikofaktoren (Alter >40, Adipositas, Rauchen, positive Familienanamnese für Thrombosen, Rauchen) hinzukommen [6]. Bei Frauen mit positiven Antiphospholipidantikörpern, unabhängig von einem thrombotischen Ereignis in der Eigenanamnese, ist der Einsatz von hormonellen Kontrazeptiva aufgrund des erhöhten Thromboserisikos kontraindiziert [7]. Depotgestagenpräparate sind aufgrund des erhöhten Osteoporoserisikos bei Patientinnen mit rheumatischen Erkrankungen zu vermeiden [8].
Management in der Schwangerschaft
Bis dato liegt kein Konsensus von geburtshilflicher Seite über die geburtshilfliche Betreuung von Patientinnen mit rheumatischen Erkrankungen (i. e. Diagnostik, Verlaufskontrolle, Therapie) vor. Im Jahr 2016 wurden erstmals von der Europäischen Rheumatologischen Gesellschaft (EULAR – European League Against Rheumatism) Empfehlungen zu diesem Thema veröffentlicht [9].
Zu den frühen Schwangerschaftskomplikationen zählen Frühaborte oder rezidivierende Frühaborte. Ca. 20 % aller habituellen Aborte sind mit aPL assoziiert. Beim Abortus habitualis erzielt man mit LMWH/LDA bei bekannten APS oder aPL-AK eine effektive Risikoprophylaxe und Therapie [10].
Bei rheumatischen Erkrankungen konnte eine gestörte Plazentation nachgewiesen werden, die dem Pathomechanismus und der Ätiologie der Präeklampsie ähnelt. Das Risiko für eine fetale Wachstumsretardierung ist bei Müttern mit jeglichen rheumatischen Erkrankungen erhöht. Die inadäquate Umwandlung der uterinen Spiralarterien führt zu einer Plazentaischämie und einer inflammatorischen Immunantwort und endothelialen Dysfunktion. Die Plazentationsstörung bei rheumatischen Erkrankungen (vor allem bei SLE) kann zu einer erhöhten Abortrate, Präeklampsie, HELLP-Syndrom, IUFT und IUGR führen. Eine Risikostratifizierung für Präeklampsie oder Plazentainsuffizienz sollte zwischen der elften und dreizehnten SSW erfolgen. Bei erhöhtem Risiko für Präeklampsie oder Plazentainsuffizienz ist eine Prophylaxe mit niedrig dosiertem Aspirin (100–150 mg) sinnvoll [11].
Eine besondere Herausforderung besteht darin, zwischen einer Präeklampsie und einer aktiven Lupusnephritis zu unterscheiden. Neben den Lupusaktivitätsmarkern C3, C4 sowie Anti-dsDNA sollte auf erhöhte Leberwerte, das Ausmaß der Proteinurie und den Blutdruck geachtet werden. In der klinischen Routine wird außerdem der sflt1/plgf-Quotient genutzt, um eine drohende oder eminente Präeklampsie zu bestätigen [12].
Bei aktiver schwerer Erkrankung mit SLE ist die Frühgeburtlichkeit mit 58 % (vs. 8 % in der Kontrollgruppe) deutlich erhöht. Bei pulmonaler, neurologischer und renaler Beteiligung ist von einer Schwangerschaft prinzipiell abzuraten, da in diesem Fall die Mortalität der Schwangeren 20-fach erhöht ist [13]. Bei milden Verlaufsformen besteht a priori keine Kontraindikation für eine Schwangerschaft, jedoch sollte vor Beendigung der kontrazeptiven Maßnahmen eine klinische Remission für sechs Monate angestrebt werden [13].
Bei Schwangeren mit SSA/SSB-Antikörpern im Rahmen eines Sjögren-Syndroms oder SLE besteht ein Risiko von 2 % für das Auftreten eines fetalen AV-Blocks. In der Folgeschwangerschaft liegt das Risiko für ein neuerliches Auftreten sogar bei 20 % und steigt damit drastisch an. Die kardialen Veränderungen im Rahmen des neonatalen Lupus führen zu erhöhter kindlicher Morbidität und Mortalität. Kinder mit totalem AV-Block benötigen in der Regel einen Herzschrittmacher. Damit liegt das Langzeitüberleben zwischen 87 und 95 %. Zusätzlich zur Quensyl-Therapie sind ein wöchentliches Bradykardiescreening und eine fetale Echokardiographie zur Risikoreduzierung im Zeitraum zwischen der 16. und 28. SSW empfohlen. Postpartal sollte eine EKG-Untersuchung des neugeborenen Kindes durchgeführt werden [14, 15].
Zusätzlich zum empfohlenen Ersttrimesterscreening und Organscreening sind sonographische Kontrollen in monatlichen Abständen bis zur Geburt empfehlenswert, um eine potenzielle Minderversorgung (Dopplersonographie) oder Wachstumsretardierung (Biometrie) so früh wie möglich zu erkennen. Letztendlich hilft uns eine intensivierte Überwachung der fetoplazentaren Einheit, den optimalen Zeitpunkt und den adäquaten Modus für die Entbindung zu finden.
Die Geburt
Grundsätzlich beeinflussen rheumatische Erkrankungen den Geburtsprozess nicht. Auch eine vaginale Geburt sollte bei Patientinnen mit rheumatischen Erkrankungen möglich sein, sofern keine geburtshilflichen Kontraindikationen vorhanden sind. Lediglich bei Vorliegen einer eingeschränkten Hüftgelenksbeweglichkeit oder einer akuten Sakroiliitis muss eine individuelle Evaluierung des geplanten Geburtsmodus erfolgen. Die Planung des geburtshilflichen Managements sollte fetale Faktoren wie zum Beispiel Zeichen eines intrauterinen Wachstumsstillstands, einer Zentralisierung des fetalen Kreislaufs oder einer drohenden intrauterinen Asphyxie miteinbeziehen. Das Geburtsmanagement sollte frühzeitig und interdisziplinär festgelegt werden: vor allem bei speziellen Faktoren wie laufender Antikoagulation oder vorliegender Thrombozytopenie. Um die Voraussetzungen für eine problemlose Geburt bei einer Risikopatientin zu schaffen, kann die Planung einer Sectio oder einer terminierten Geburtseinleitung vorteilhaft sein.
Wochenbett
Grundsätzlich sind die Medikamente, die während der Schwangerschaft erlaubt sind, auch im Wochenbett und beim Stillen zulässig. Für TNF-α-Blocker, vor allem für Certolizumab, wurde gezeigt (CRADLE-Studie), dass die Substanz in der Muttermilch kaum nachgewiesen werden kann [16]. Postpartal ist bei Patientinnen mit RA und SpA das Risiko für einen Krankheitsschub erhöht. Dies ist auf die hormonellen und immunologischen Veränderungen nach der Entbindung zurückzuführen. Daher sollten eine frühzeitige Kontrolle der Krankheitsaktivität und ggf. eine Therapieanpassung erfolgen. Die Aktivität des SLE sollte postpartal nach sechs, zwölf und 24 Wochen überprüft werden. Aufgrund der erhöhten Thromboseneigung im Wochenbett muss bei Patientinnen mit APLAS an die Weiterverordnung der Antikoagulation gedacht werden.
RHEPRO-Register
In 2017 haben wir an der Medizinischen Universität Wien ein österreichisches Register für Kinderwunsch und Schwangerschaft bei Patienten mit entzündlichen rheumatischen Erkrankungen gegründet (RHEumatic Diseases & RePROduction [RHEPRO]). Dieses Projekt soll künftig für mehr Informationen und Sicherheitsdaten für Ärzte sorgen, um Patienten präkonzeptionell, während geplanten und ungeplanten Schwangerschaften, während des Stillens sowie über die Verwendung und Wirkung antirheumatischer Medikamente besser zu informieren.
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Funding
Open access funding provided by Medical University of Vienna.
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Rosta, K., Holzer, I., Hütter, L. et al. Rheumatische Erkrankungen bei Kinderwunsch und Schwangerschaft. J. Gynäkol. Endokrinol. AT 29, 2–5 (2019). https://doi.org/10.1007/s41974-019-0084-x
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