Zusammenfassung
Die Forschung der letzten Jahre bestätigte: Ähnlich wie der Knochen ist der Muskel durch den physiologischen Alterungsprozess von einem Abbau betroffen, der rund 1/3 der initialen Muskelmasse ausmacht. Hat der damit verbundene Kraftabbau funktionelle Konsequenzen auf den Alltag (z. B. stark eingeschränkte Gehgeschwindigkeit: ≤ 0,8 m/s), spricht man von Sarkopenie. Der Erhalt der Muskelgesundheit im Alter ist möglich durch regelmässiges Krafttraining und proteinreiche Ernährung. Neueste Leitlinien empfehlen deutlich höhere tägliche Proteinmengen für Senioren (1,0–1,5 g/kg Körpergewicht) als bei jüngeren Erwachsenen (0,8 g). Neueste klinische Studien ergaben, dass mit Leucin angereicherte Molkenproteine in der Lage sind, Muskelmasse und Muskelfunktion im Alter zu steigern, auch wenn kein begleitendes Krafttraining durchgeführt werden kann. Dies hat insbesondere für die Prävention von Muskelabbau bei Bettlägerigkeit und Sedentarismus grosses Potenzial. Neben den Proteinen sind im Alter Vitamin D3, Kreatin und Omega-3-Fettsäuren massgeblich an der Unterstützung einer guten Muskelfunktion beteiligt.
Résumé
La recherche des dernières années l’a confirmé: de façon similaire aux os, les muscles sont soumis à un processus physiologique de vieillissement qui entraîne la perte d’environ 1/3 de la masse musculaire initiale. Si la perte de force qui en résulte a des conséquences fonctionnelles dans la vie de tous les jours (p. ex. vitesse de marche fortement réduite: ≤ 0,8 m/s), on parle d’une sarcopénie. Il est possible de préserver la santé musculaire au grand âge par des exercices réguliers de musculation et une alimentation riche en protéines. Les toutes dernières directives recommandent un apport protéique nettement plus élevé chez les personnes âgées (1,0 à 1,5 g par kg de poids corporel) que chez les jeunes adultes (0,8 g). Les dernières études cliniques ont montré que des protéines de petit-lait enrichies de leucine sont en mesure d’accroître la masse et la fonction musculaires chez les sujets âgés, même s’elles ne peuvent pas être accompagnées des exercices de musculation. Cela présente un grand potentiel pour la prévention de la dégradation musculaire, notamment en cas dʼalitement et de sédentarisme.. À côté des protéines, la vitamine D3, la créatine et les acides gras oméga 3 jouent un rôle important dans le soutien dʼune bonne fonction musculaire au grand âge.
Avoid common mistakes on your manuscript.
Erhöhter Proteinbedarf im Alter
Obwohl der tägliche Gesamtkalorienbedarf im Alter ab 65 J. um rund 25 % kleiner ist als in jüngeren Lebensjahren (am besten durch eine verminderte Kohlenhydratzufuhr zu erreichen), ist zum Erhalt der Muskelgesundheit, aber auch zur Bekämpfung der im Alter häufigen inflammatorischen und katabolen Prozesse im Rahmen chronischer Erkrankungen, eine deutlich höhere tägliche Proteinzufuhr notwendig (Tab. 1). Die europäische Geriatriegesellschaft EUGMS (European Union Geriatric Medicine Society) beauftragte deshalb eine internationale Spezialistengruppe (PROT-AGE Study Group), evidenzbasierte Empfehlungen für die optimale tägliche Proteinzufuhr bei Senioren ≥ 65 J. zu machen [1]. Die PROT-AGE Study Group empfiehlt eine tägliche durchschnittliche Proteinzufuhr von mindestens 1,0–1,2 g Protein pro kg Körpergewicht (KG). Für körperlich aktive und/oder trainierende Senioren wird eine höhere tägliche Proteinzufuhr ≥ 1,2 g/kgKG empfohlen. Die Synergie von Proteinen, aber auch anderen Nährstoffen und Training ist in Abb. 1 aufgezeigt.
Eine Mehrheit älterer Menschen mit akuten oder chronischen Erkrankungen braucht sogar noch mehr Proteine mit einem Tagesbedarf von 1,2–1,5 g/kgKG. Die Empfehlungen der europäischen Gesellschaft für Stoffwechsel und Ernährung (ESPEN) liegen ebenfalls in einem Bereich von 1,0–1,5 g/kgKG pro Tag [2]. Die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (SGE) empfiehlt im Moment für Erwachsene generell noch 0,8 g/kgKG pro Tag, eine altersspezifische Empfehlung für Senioren ist im Moment bei der Eidgenössischen Ernährungskommission in Bearbeitung.
Übersetzt man die aktuellen Empfehlungen für einen gesunden, 75 kg schweren Senior in den Ernährungsalltag, bedeutet dies, dass die tägliche Proteinzufuhr rund 90 g (1,2 g/kgKG) betragen sollte, was z. B. einem Äquivalent von knapp 500 g magerem rotem Fleisch pro Tag entspricht. Diese im Alltag eher unrealistische Empfehlung kann ohne weiteres auch mittels anderen gleich- oder sogar höherwertigen Proteinquellen umgesetzt werden. Im Vergleich zu Fleisch- und Fischproteinen sind z. B. die Proteine aus Milchprodukten und Eiern im Körper bis zu 20 % besser verwertbar. Vor allem beim Frühstück lohnt es sich deshalb für Senioren, Eier, Käse und Joghurt/Milch auf dem Speiseplan zu haben. Bei einem Proteingehalt von rund 5 g pro mittelgrosses Ei kann z. B. fast die Hälfte des Frühstückproteinbedarfs mit 2–3 Eiern (z. B. in Form einer Omelette oder eines Rühreis) abgedeckt werden. Dass Eier den Cholesterinspiegel in keiner Weise beeinflussen, muss in diesem Kontext immer wieder betont werden, da diese Assoziation in den 1980er-Jahren fälschlicherweise sehr weit verbreitet wurde und z. T. immer noch in den Köpfen gewisser Senioren steckt.
Optimale Proteinmenge pro Hauptmahlzeit
Im Vergleich zu jüngeren Erwachsenen brauchen Erwachsene über 65 J. zur Stimulation der eigenen Muskelproteinsynthese deutlich mehr Proteine pro Einzelportion. Seit 5 Jahren wird deshalb empfohlen, den täglichen Proteinbedarf gleichmässig auf die 3 Hauptmahlzeiten zu verteilen [3], wobei pro Einzelportion ein minimaler Proteingehalt von 25 g nicht unterschritten werden soll (Abb. 1). Neuere Daten zeigen, dass die optimale, aufs Mal verabreichte Proteinmenge wohl noch etwas höher liegt. Zur maximalen Steigerung der myofibrillären Proteinsyntheserate benötigen ältere Menschen mind. 40 g schnellverdauliches, L‑Leucin-reiches Protein (Molkenprotein, [4]). Alternativ sind dabei auch kleinere Mengen an Molkenprotein möglich, die allerdings mit L‑Leucin angereichert werden müssen [5]. Dass eine Supplementierung von L‑Leucin angereicherter Molke zusammen mit Vitamin D3 bei Pflegeheimbewohnern einen signifikanten Benefit für Muskelkraft und Funktion der unteren Extremität bewirkt, wurde eindrücklich in der randomisierten placebokontrollierten PROVIDE-Multizentrumsstudie in Deutschland gezeigt. Beeindruckend war hier insbesondere, dass die muskulären Verbesserungen ohne zusätzliches Training erreicht wurden [6].
Optimale Proteinzusammensetzung und -menge nach dem Training
Zur Steigerung der myofibrillären Proteinsyntheserate benötigen ältere Menschen mindestens 40 g schnellverdauliches, L‑Leucin-reiches Protein (Molkenprotein, [5]). Auch bei älteren Menschen existiert eine Obergrenze (Steigerung der Proteinoxidation). Diese liegt allerdings bei mindestens 40 g pro Portion. Alternativ und anstelle von 40 g Molkenprotein können auch kleinere Mengen an Molkenprotein verwendet werden, allerdings müssen diese mit L‑Leucin angereichert (sog. Molkeäquivalente) werden. Generell wird die Leucinschwelle durch den Alterungsprozess und körperliche Aktivität erhöht. Um die leucinspezifische Schwelle für Muskelneusynthese im Alter zu erreichen, braucht es entweder 42 g Molkenprotein oder 6,25 g Molkenprotein mit 5 g Leucin ([7]; Abb. 2).
Die Zufuhr von Kohlenhydraten zur Aktivierung der muskelanabolen Insulinproduktion (Abb. 3) ist für jüngere Erwachsene nach dem Training kalorisch kein Problem. Für ältere Menschen mit einem um 25 % reduzierten kalorischen Tagesbedarf (bedingt durch die altersassoziiert verminderte Muskelmasse) sind Kohlenhydrate nach Krafttraining kalorisch eher unerwünscht. Hier gibt es Daten, dass bei genügend Proteingabe (mindestens 25 g) – selbst bei leeren Glykogenspeichern und minimalem Insulinspiegel – optimale Muskelneusyntheseraten erreicht werden und auf die Einnahme von zusätzlichen Kohlenhydraten verzichtet werden kann [8]. Die für ältere Menschen optimale Proteinsupplementierung nach Muskeltraining sollte deshalb idealerweise zuckerarm sein und aus L‑Leucin angereicherten Molkenproteinen bestehen, die mengenmässig die in Abb. 2 fürs höhere Alter angegebene kritische Leucinschwelle überschreiten.
Omega-3-Fettsäuren, Kreatin, Vitamin D3 und Muskelmetabolismus im Alter
Omega-3-Fettsäuren (3,9 g n-3-PUFA pro Tag) haben eine stimulierende Wirkung auf den Muskelproteinmetabolismus und die mitochondriale Bioenergetik im Alter und erhöhen die anabole Muskelantwort auf Training ([9]; Abb. 3). Auch bei Kreatin gibt es Evidenz für positive Wirkungen auf die Muskelgesundheit im Alter, insbesondere zur schnelleren Heilung von Muskelverletzungen, aber auch für eine bessere Muskelrobustheit bei starker Beanspruchung. Hier verwendete Dosierung gehen bis zu 30 g/Tag über 5 Jahre, was auch im Alter bzgl. Sicherheit kein Problem darstellt [10]. Die Wirkungen von Vitamin D3 auf den Muskelstoffwechsel sind multipel und reichen von anabolen, metabolen bis zu antiinflammatorischen Effekten (Abb. 4; [11]). Die internationale Dosissubstitutionsempfehlung von Vitamin D3 im Alter liegt bei 800 IE/Tag. Dies wird grundsätzlich durch eine neuere Studie bei älteren Menschen mit Sturz im Vorjahr (Durchschnittsalter 78 Jahre) bestätigt, welche die Wirksamkeit und Sicherheit der monatlichen Referenzdosierung von 24.000 IE Vitamin D bezüglich Korrektur des Vitamin-D-Mangels, Verbesserung der Beinfunktion und Senkung des Sturzrisikos zeigte [12] Höhere monatliche Vitamin-D-Gaben verglichen zur Referenzdosis von 24.000 IE/Monat brachten keinen Vorteil bezüglich Beinfunktion und trugen zu einem erhöhten Sturzrisiko bei.
Literatur
Bauer J, Biolo G, Cederholm T, Cesari M, Cruz-Jentoft AJ, Morley JE, Phillips S, Sieber C, Stehle P, Teta D, Visvanathan R, Volpi E, Boirie Y (2013) Evidence-based recommendations for optimal dietary protein intake in older people: a position paper from the PROT-AGE Study Group. J Am Med Dir Assoc 14(8):542–559. https://doi.org/10.1016/j.jamda.2013.05.021
Deutz NE, Bauer JM, Barazzoni R, Biolo G, Boirie Y, Bosy-Westphal A, Cederholm T, Cruz-Jentoft A, Krznariç Z, Nair KS, Singer P, Teta D, Tipton K, Calder PC (2014) Protein intake and exercise for optimal muscle function with aging: recommendations from the ESPEN Expert Group. Clin Nutr 33(6):929–936. https://doi.org/10.1016/j.clnu.2014.04.007
Paddon-Jones D, Campbell WW, Jacques PF, Kritchevsky SB, Moore LL, Rodriguez NR, van Loon LJ (2015) Protein and healthy aging. Am J Clin Nutr 101(6):1339S–1345S. https://doi.org/10.3945/ajcn.114.084061
Witard OC, Jackman SR, Breen L, Smith K, Selby A, Tipton KD (2014) Myofibrillar muscle protein synthesis rates subsequent to a meal in response to increasing doses of whey protein at rest and after resistance exercise. Am J Clin Nutr 99(1):86–95. https://doi.org/10.3945/ajcn.112.055517
Churchward-Venne TA, Holwerda AM, Phillips SM, van Loon LJ (2016) What is the optimal amount of protein to support post-exercise skeletal muscle reconditioning in the older adult? Sports Med 46(9):1205–1212. https://doi.org/10.1007/s40279-016-0504-2
Bauer JM, Verlaan S, Bautmans I, Brandt K, Donini LM, Maggio M, McMurdo ME, Mets T, Seal C, Wijers SL, Ceda GP, De Vito G, Donders G, Drey M, Greig C, Holmbäck U, Narici M, McPhee J, Poggiogalle E, Power D, Scafoglieri A, Schultz R, Sieber CC, Cederholm T (2015) Effects of a vitamin D and leucine-enriched whey protein nutritional supplement on measures of sarcopenia in older adults, the PROVIDE study: a randomized, double-blind, placebo-controlled trial. J Am Med Dir Assoc 16(9):740–747. https://doi.org/10.1016/j.jamda.2015.05.021
Devries MC, Phillips SM (2015) Supplemental protein in support of muscle mass and health: advantage whey. J Food Sci 80(Suppl 1):A8–A15. https://doi.org/10.1111/1750-3841.12802
Morton RW, McGlory C, Phillips SM (2015) Nutritional interventions to augment resistance training-induced skeletal muscle hypertrophy. Front Physiol 6:245. https://doi.org/10.3389/fphys.2015.00245
Lalia AZ, Dasari S, Robinson MM, Abid H, Morse DM, Klaus KA, Lanza IR (2017) Influence of omega‑3 fatty acids on skeletal muscle protein metabolism and mitochondrial bioenergetics in older adults. Aging 9(4):1096–1129. https://doi.org/10.18632/aging.101210
Kreider RB, Kalman DS, Antonio J, Ziegenfuss TN, Wildman R, Collins R, Candow DG, Kleiner SM, Almada AL, Lopez HL (2017) International Society of Sports Nutrition position stand: safety and efficacy of creatine supplementation in exercise, sport, and medicine. J Int Soc Sports Nutr 14:18. https://doi.org/10.1186/s12970-017-0173-z
Barillaro C, Liperoti R, Martone AM, Onder G, Landi F (2013) The new metabolic treatments for sarcopenia. Aging Clin Exp Res 25(2):119–127. https://doi.org/10.1007/s40520-013-0030-0
Bischoff-Ferrari HA, Dawson-Hughes B, Orav EJ, Staehelin HB, Meyer OW, Theiler R, Dick W, Willett WC, Egli A (2016) Monthly High-Dose Vitamin D Treatment for the Prevention of Functional Decline: A Randomized Clinical Trial. JAMA Intern Med 176(2):175–183. https://doi.org/10.1001/jamainternmed.2015.7148
Funding
Open access funding provided by University of Basel
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Ethics declarations
Interessenkonflikt
R.W. Kressig gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden vom Autor keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Additional information
Hinweis des Verlags
Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
QR-Code scannen & Beitrag online lesen
Rights and permissions
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.
Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformation auf http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de.
About this article
Cite this article
Kressig, R.W. Muskelgesundheit und Ernährung im Alter. Urol. Prax. 25, 103–106 (2023). https://doi.org/10.1007/s41973-023-00228-y
Accepted:
Published:
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/s41973-023-00228-y