Zusammenfassung
Rezidivierende Harnwegsinfektionen sind ein häufiges Problem in der urologischen Praxis. Befürchtungen über hohe Resistenzen gegenüber Antibiotika und teilweise beträchtliche Nebenwirkungen werfen die Frage nach Behandlungsmethoden ohne Antibiotika auf. Die Vielzahl der möglichen Alternativen zu Antibiotika zeigt aber, dass ein „magic bullet“ wohl noch nicht gefunden wurde. Zudem sind kontrollierte randomisierte Studien noch selten und weisen oft auch widersprüchliche Ergebnisse auf. Ein rationaler Einsatz von Antibiotika unter Hilfestellung der mikrobiologischen Harndiagnostik ist deshalb meistens die Vorgangsweise der Wahl, zumal die Resistenzlage bei einigen Antibiotika noch günstig ist und damit schwere Komplikationen vermeidbar sind.
Abstract
Recurrent urinary tract infections are a common problem in urological practice. Increasing antimicrobial resistance and sometimes severe side effects have stimulated interest in non-antibiotic prophylaxis. The large number of alternative substances shows that a so-called magic bullet has not yet been found. Randomised controlled studies are rare with often conflicting results. Therefore, the rational use of antibiotics based on urine culture seems to be the procedure of choice for avoiding severe complications.
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Einleitung
Rezidivierende Harnwegsinfektionen stellen ein häufiges Problem in der Praxis dar, eine hohe Belastung sowohl für den behandelnden Arzt als auch für die betroffenen PatientInnen. Treten innerhalb eines Jahres bei einer Person mehr als 2 Harnwegsinfekte auf, so spricht man von rezidivierenden Infekten [1]. Aufgrund der kürzeren Harnröhre sind Frauen häufiger betroffen: Die Bakterien können leichter in die Blase eindringen, sich dort mit Hilfe von Fimbrien am Urothel festsetzen und eine Entzündungsreaktion hervorrufen. Etwa 80 % der Menschen erleiden mindestens 1‑mal in ihrem Leben einen Harnwegsinfekt (HWI), bei 4–10 % kommt es zu Rezidiven, wobei in 80 % der Fälle das Bakterium E. coli nachgewiesen werden kann [2]. Verbleiben die Bakterien längere Zeit im Harntrakt, können sie sog. Biofilme (Bakterienrasen) bilden, welche dann sehr schwierig zu entfernen sind. Bei den seltener betroffenen Männern liegt als Ursache häufig eine Vergrößerung der Prostata vor.
Therapiemöglichkeiten
Als Therapie der Wahl eines HWI ist nach wie vor die gezielte antibiotische Behandlung anzusehen. Die mikrobiologische Untersuchung (Mikroskopie, Harnkultur) des Urins mit Identifizierung des verursachenden Erregers und das Erstellen eines Resistogramms sind unverzichtbare Pfeiler einer kalkulierten Antibiose. Eine antibiogrammgerechte Therapie führt zu einer raschen Elimination der Erreger und beugt Komplikationen wie Pyelonephritis und Urosepsis vor. Demgegenüber können beträchtliche Nebenwirkungen, wie Kolitis durch C. difficile (eine Ursache von antibiotikainduzierter Diarrhö), vaginale und intestinale Kandidose (Besiedelung mit Hefepilzen) sowie Resistenzprobleme auftreten.
Seit Beginn der 2000er Jahre beobachtet man weltweit das vermehrte Auftreten von Keimen mit Resistenzen auch gegen unterschiedliche Substanzklassen von Antibiotika, welche üblicherweise zur HWI-Therapie eingesetzt werden. Dazu gehören z. B. ESBL-E. coli-Bakterien (ESBL: Extended-Spektrum-Betalaktamasen bildend), welche häufig zusätzlich gegen Fluorchinolone resistent sind [3]. Die Gruppe der Fluorchinolone war bisher eine wichtige Substanzklasse zur Prävention von rezidivierenden Infektionen der unteren Harnwege. Wegen hartnäckigen und fallweise irreversiblen Nebenwirkungen auf Bewegungsapparat und Nervensystem ist diese Medikation allerdings in Verruf gekommen und wird für diese Indikation nicht mehr empfohlen [4]. Anstelle der Fluorchinolone können durchaus andere, oral zu verabreichende, Antibiotika mit günstiger Resistenzlage eingesetzt werden (Tab. 1). Voraussetzung für diese Alternativen ist natürlich deren strikte Anwendung entsprechend dem Antibiogramm. Wie aus Tab. 1 ersichtlich, ist die Resistenzlage für diverse oral verfügbare Antibiotika noch günstig.
Wenngleich also gegenwärtig durchaus effektive Antibiotika existieren, werden zahlreiche Alternativen zu dieser herkömmlichen Therapie angeboten, wozu neben natürlichen Substanzen u. a. letztlich auch hygienische Verhaltensmaßnahmen gehören. Manche der nichtantibiotischen Präparate sind allerdings noch Gegenstand intensiver Forschungen, und größere klinische Studien stehen zumeist noch aus.
Phytotherapie
Es gelangt eine Vielzahl unterschiedlicher pflanzlicher Präparate zur Anwendung, so z. B. Bärentraubenblätter mit Löwenzahn, Kapuzinerkresse mit Meerrettich, Goldrutenkraut mit Birkenblättern. Wiewohl diese allesamt erste gute Ergebnisse zeigen, erscheint ein Langzeiteinsatz bei manchen Substanzen problematisch – dies wegen der Gefahr von toxischen Nebenwirkungen. Insgesamt ist für Phytotherapeutika nicht mehr als eine sog. Kann-Empfehlung gerechtfertigt [6].
Immuntherapie/Prophylaxe
Bakterielle Oberflächenantigene induzieren eine systemische Immunantwort. Da uropathogene Erreger wie E. coli, Klebsiella, Proteus teilweise ähnliche Antigenstrukturen haben, erscheint ein breiter protektiver Effekt möglich: Es werden orale (Uro-Vaxom®), lokale (Urovac®), i.m. verabreichte (ExPEC4V, GlycoVaxyn®) und sublinguale (Uromune®) Immunprophylaktika eingesetzt. Die Heterogenität der bisher publizierten Studien bezüglich Immunprophylaxe macht eine Empfehlung für den routinemäßigen Einsatz in der urologischen Praxis schwierig; auch fehlen v. a. Daten über Langzeiteffektivität und Sicherheit [7].
Bakteriotherapie
Oral aufgenommene Probiotika (z. B. Lactobacillus rhamnosus GR‑1, L .reuteri RC-14, L. crispatus) können, ähnlich wie Antibiotika, die Häufigkeit von Rezidiven vermindern und haben zudem weniger Nebenwirkungen. Auch die intravaginale Applikation von Laktobazillen wird als erfolgreich beschrieben [8].
Adhärenzverminderung
Proanthozyanidine, Substanzen, welche in Preiselbeeren (Cranberry) enthalten sind, senken, zumindest in vitro, die Adhärenz (Bindungsfähigkeit) von Kolibakterien an Urothelzellen. Der Vergleich mit einer antibiotischen Langzeitprophylaxe zeigt widersprüchliche Ergebnisse [9]. Hingegen erscheint eine Prophylaxe mit D‑Mannose Erfolg versprechend [10].
Östrogentherapie
Diese wird bei postmenopausalen Frauen, vaginal appliziert, mit Erfolg angewandt [11].
Verhaltensänderung
Empfehlungen, betreffend Miktions-und Sexualhygiene, können naturgemäß beitragen, Rezidive von Harnwegsinfekten weitgehend zu verhindern [12]. Sie sollten alle einschlägigen Therapien und Verschreibungen auf jeden Fall begleiten.
Schlussfolgerung
Ungeachtet aller Fortschritte der Medizin zählen rezidivierende Harnwegsinfekte in der klinischen Praxis öfter als gedacht zu den therapeutischen Herausforderungen. Misserfolge belasten die Ärzte und frustrieren die betroffenen Patienten. Aus Sicht des Bakteriologen ist als erster Schritt die mikrobiologische Harnuntersuchung unumgänglich. Ausschließlich durch diese ist die Art des für die Infektion verantwortlichen Keims (Bakterien, Hefepilz?) zu finden, um in der Folge gezielt nach Antibiogramm behandeln zu können. Dies geschieht immer noch am sichersten mittels Antibiotika. Allerdings lässt das vielfältige Angebot von Alternativen neben den Antibiotika hoffen, dass wir in Zukunft unser Armamentarium diesbezüglich erweitern können. Leider fehlen bislang noch Daten von größeren Studien, um andere Substanzen als Antibiotika breiter einsetzen zu können.
Fazit für die Praxis
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Für die Behandlung von rezidivierenden Harnwegsinfekten steht eine Zahl von Antibiotika zur Verfügung.
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Unabdingliche Voraussetzung für die Gabe von Antibiotika ist in jedem Fall ein Antibiogramm.
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Alternative, nichtantibiotische Therapien könnten durchaus effektiv sein, bedürfen aber vorerst noch der Prüfung durch randomisierte kontrollierte Studien.
Literatur
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Fille, M. Rezidivierende Harnwegsinfektionen – nur Antibiotika?. J. Urol. Urogynäkol. AT 27, 8–11 (2020). https://doi.org/10.1007/s41972-020-00092-9
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