Die endoskopische retrograde Cholangiopankreatikographie (ERCP) ist eine der invasivsten endoskopischen Untersuchungen in der Gastroenterologie. Neben den Standardrisiken eines endoskopischen Eingriffs, wie Blutung und Perforation, kommt bei der ERCP noch die sog. Post-ERCP-Pankreatitis (PEP) als untersuchungsimmanentes Risiko hinzu. Diese ist gleichzeitig auch die häufigste Komplikation des Eingriffs mit Inzidenzraten zwischen 1,6 und 15,1 %. Verursacht durch eine mechanische oder hydrostatische Schädigung des Pankreas variiert der Schweregrad zwischen milden Enzymauslenkungen bis hin zu schweren Verlaufsformen wie der akuten nekrotisierenden Pankreatitis mit hoher Morbidität und auch Mortalität. Aus diesem Grund hat die Vermeidung der Post-ERCP-Pankreatitis eine große Bedeutung. Im Folgenden werden verschiedene prophylaktische Ansätze vorgestellt und hinsichtlich ihrer Evidenz analysiert.

Schweregrade der Post-ERCP-Pankreatitis

Eine alleinige Auslenkung der Pankreasenzyme ohne entsprechendes klinisches Bild wird nach bis zu 75 % der ERCP-Untersuchungen beschrieben. Dies allein ist noch nicht als PEP zu werten und hat auch keine klinische Relevanz. Eine PEP liegt dann vor, wenn entsprechende klinische Symptome (Oberbauchschmerz!) und eine Enzymauslenkung größer als das 3‑Fache des oberen Normwerts 24 h nach dem Eingriff vorliegen und eine neue Hospitalisierung oder die Verlängerung einer bestehenden Hospitalisierung notwendig machen. Eine mögliche Klassifizierung des Schweregrads der PEP richtet sich nach der Dauer der zusätzlichen Hospitalisierung. Besteht diese für 2–3 Tage, ist von einer milden Form auszugehen, bei 4–10 Tagen spricht man von einem moderaten Schweregrad, bei darüber hinaus gehender Hospitalisierung sowie bei notwendigen Interventionen zur Behandlung lokaler Komplikationen, wie Pseudozysten- oder Abszessdrainagen, wird die PEP als schwer kategorisiert.

Risikofaktoren für das Auftreten einer Post-ERCP-Pankreatitis

Unterschiedliche Risikofaktoren für das Auftreten einer PEP wurden identifiziert. Dazu gehören patientenabhängige Risikofaktoren, wie ein weibliches Geschlecht, ein junges Patientenalter, eine vorangegangene PEP, eine vermutete Sphinkter-Oddi-Dysfunktion oder ein Bilirubin im Normbereich. Weitere Risikofaktoren beziehen sich auf den Untersucher beziehungsweise auf die Untersuchung an sich. Dazu gehören die Erfahrung des Untersuchers, mehr als 10 Kanülierungsversuche an der Papille, die Kontrastmittelfüllung oder Kanülierung des Pankreasgangs sowie Hochrisikointerventionen an der Papille wie beispielsweise eine Papillektomie.

Auch die Pre-cut-Papillotomie wurde in mehreren Studien als Risikofaktor für das Auftreten einer PEP identifiziert. Allerdings dürfte es sich dabei um einen indirekten Risikofaktor handeln, da in ihm die schwierige Kanülierung mit konventionellen Methoden mitabgebildet ist. Wenn die Pre-cut-Papillotomie frühzeitig erfolgt, bevor allzu großer Schaden an der Papille angerichtet wurde, dann stellt sie per se kein erhöhtes Risiko für das Auftreten einer PEP dar. Dies konnte in einer Metaanalyse mehrerer Studien gezeigt werden, die die frühzeitige Pre-cut-Papillotomie gegen das Fortsetzen der Standardkanülierungstechnik verglich.

Kanülierungstechnik als Risikofaktor

Hitzig diskutiert gibt es mittlerweile ausreichende Evidenz, dass die Drahtsondierung der Kontrastmittelapplikation als primäre Sondierungstechnik vorzuziehen ist, auch in Bezug auf das Risiko der PEP. Aus diesem Grund empfiehlt die European Society of Gastrointestinal Endoscopy (ESGE) die primäre Führungsdrahtkanülierung mittels Standardpapillotom.

Pharmakoprävention

Rektal applizierte nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) hatten in einer Vielzahl prospektiver Studien eine Reduktion des PEP-Risikos zur Folge. Während der Wirkmechanismus bis dato nicht vollständig geklärt ist, wurde das optimale Vorgehen hinsichtlich Form und Zeitpunkt der Verabreichung durch zahlreiche Daten gestützt: So wird eine rektale Applikation von 100 mg Diclofenac oder Indometacin etwa 30 min vor Beginn jeder (sic!) ERCP empfohlen, vorausgesetzt, dass keine Kontraindikationen gegen die Verabreichung bestehen. Dieses Vorgehen ist mit keinem erhöhten periinterventionellen Blutungsrisiko verbunden.

Prophylaktischer Pankreasstent

Auch die Platzierung eines sog. Pankreasschutzstents kann dazu beitragen, das Auftreten einer PEP weniger wahrscheinlich zu machen. Dies gilt vor allem bei Vorliegen einer der folgenden Konstellationen, die mit einem besonders hohen PEP-Risiko einhergehen: Hochrisikointerventionen wie beispielsweise eine Papillektomie, Double-wire-Sondierungstechnik, mehr als 3‑malige Pankreasgangsondierung oder eine Kontrastierung des Pankreas. Bezüglich des empfohlenen Stentdesigns hat sich ein 5 Fr-Monopigtailstent ohne Flaps als besonders günstig herausgestellt. Eine Spontanmigration nach distal ist in den ersten Tagen nach der Intervention sehr wahrscheinlich und kann bei Verwendung einer röntgendichten Markierung ohne Notwendigkeit eines invasiven Eingriffs verifiziert werden.

Intravenöse Flüssigkeitszufuhr

Rezente Studien legen auch einen positiven Effekt der Verwendung einer forcierten i.v.-Flüssigkeitszufuhr zur Reduktion des PEP-Risikos nahe. Dabei wird gewissermaßen die Standardtherapie der akuten Pankreatitis noch vor ihrem Auftreten vorweggenommen. Die Applikation soll periinterventionell, also vor, während und nach der ERCP, erfolgen. Hinsichtlich der Flüssigkeitsart zeigte sich Ringer-Laktat der Verwendung von physiologischer Kochsalzlösung überlegen, vor allem in Kombination mit rektalem Indometacin.

Vermeidung einer unnötigen ERCP

Über alle hier vorgestellten Methoden zur Reduktion des PEP-Risikos ist die strenge Indikationsstellung zur ERCP als vielleicht wichtigste Maßnahme zu nennen. Da das PEP-Risiko auch in spezialisierten Zentren unter Einbeziehung sämtlicher prophylaktischer Schritte immer noch im einstelligen Prozentbereich liegt, ist das Vermeiden einer unnötigen ERCP-Untersuchung in jedem Fall anzustreben.