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Während eines psychiatrischen Fortbildungskurses 1971/72 an der Psychiatrischen und Nervenklinik der Universität Kiel äußerten die Teilnehmenden ihre Ansichten zu Fragen der psychiatrischen Pflege. Das Gespräch wurde von PD Dr. Michaelis geführt und die Antworten wurden so spontan niedergeschrieben, wie sie kamen. Einst in der Deutschen Krankenpflegezeitschrift 1971 (7) 327-328 veröffentlicht, präsentieren wir folgend einige lesenswerte Aussagen.
Warum haben Sie sich für die Fortbildung in der psychiatrischen Krankenpflege entschlossen?
Schwester Gisela D.: Erwarten Sie bitte nicht, dass ich mich wegen irgendwelcher Ideale zur Psychiatrie gemeldet habe. Ich war auf Stellensuche und ging ganz einfach dahin, wo ich die ausführlichste Antwort auf meine Anfrage bekam. Dass mir außerdem eine Fortbildung angeboten wurde, habe ich gern angenommen.
Krankenpfleger Volker M.: Früher hatte ich einen Beruf, der mich nicht befriedigte. Ich war Maurer, wollte aber lieber mit Menschen zu tun haben. Durch meinen kranken Bruder zu Hause kam ich auf die Idee, Krankenpfleger zu werden. Ich hatte das Glück, meine Ausbildung in der Psychiatrie zu beginnen, durchlief dann aber auch alle anderen vorgeschriebenen Disziplinen. Dabei ist es mir auf einer Abteilung aufgefallen, dass ich stets zur Ordnung gemahnt wurde, wenn ich mich mit einem Patienten unterhielt: "Herr M.", rief die Stationsschwester über den Flur "haben Sie nichts Besseres zu tun? Im Dienstzimmer ist noch ein Schrank auszuseifen!". Vielleicht hatte die Stationsschwester recht, auch an Ordnung und Sauberkeit zu denken. War das Gespräch mit dem Kranken nicht aber wichtiger? Sollten wir in diesem Punkt nicht viel intensiver geschult werden? Nach bestandenem Krankenpflegeexamen ging ich in die Psychiatrie zurück und nehme nun am Jahreskursus teil, denn ich möchte für die Arbeit, die ich mir gewählt habe, gut ausgerüstet sein.
Sie sind seit 8 Wochen hier. Können Sie überblicken, ob Sie von der praktischen Seite Ihrer Fortbildung Gewinn haben?
Schwester Marion B.: Ja, ich habe meine Einstellung gegenüber den Alkoholikern geändert. Der Alkoholismus erschien mir früher immer als ein Laster. Jetzt beginne ich einzusehen, dass die Trunksucht eine Angelegenheit ist, die sehr verschiedene und oft krankheitsbedingte Ursachen haben kann.
An dieser Stelle entspann sich eine kurze, lebhafte Diskussion über die Frage, ob die Schwester nicht weitgehend selbst ihre Stellung dem Arzt gegenüber bestimme. Es wurden u.a. recht alltägliche Dinge angeführt, z.B. dass der Stationsarzt sich seinen Kaffee allein kochen und auch seine Tasse selbst ausspülen dürfe. Es wurde aber auch zugegeben, dass die erfahreneren Stationsärzte die Schwestern und Krankenpfleger voll respektieren, weil sie wissen, dass sie auf die Zusammenarbeit mit ihnen und ihre Einsatzbereitschaft angewiesen sind.
Haben Sie in der Zeit Ihres Hierseins auch schon Vorurteile revidieren können?
Schwester Marion B.: Ja, durchaus! Der lebendige Kontakt mit dem psychisch Gestörten bildet ja gerade die notwendige Ergänzung zum theoretischen Unterricht. Ich habe mich auf der Wachstation gut eingelebt, finde jedoch, dass auch in der Psychiatrie die Schwester noch zu wenig als Mitarbeiterin des Arztes, sondern manchmal nur als Befehlsempfängerin für Verordnungen gewertet wird.
Arbeiten Sie gerne in der Psychiatrie?
Krankenpfleger Rolf P.: Ja, ich habe - ebenso wie Krankenpfleger Volker M. - meine Ausbildung in der Psychiatrie begonnen und immer den Wunsch gehabt, dorthin zurückzukehren.
Schwester Gudrun M.: Mich hat in meinem Beruf die Frage nach den Lebensumständen, den sozialen Hintergründen eines Menschen bewegt. Wie wirken sich diese Faktoren auf seelische Krankheit und Gesundung aus? Was kann man als Schwester tun, um zum Beispiel der Selbstzerstörung prophylaktisch entgegenzuwirken oder um dem genesenden Menschen die Rückkehr in die Gesellschaft zu erleichtern? Ich hoffe, dass ich während des Fortbildungsjahres Einsichten gewinne, die mich befähigen, zur Lösung dieser Probleme etwas beizutragen.
Schwester Johanna B.: Als ich mich für das psychiatrische Fortbildungsjahr entschloss, hatte ich verschiedene Motive. Mein Hauptmotiv möchte ich mit ,Neugier' bezeichnen. Es drängte mich zu erfahren, was eigentlich unter ,seelischer Norm' verstanden wird und wie demgegenüber psychische Krankheit aussieht. Wie entsteht eine akut oder schleichend auftretende Wesensänderung, deretwegen ein Mensch von den Laien seiner Umgebung als ,ver-rückt' abgelehnt, von den Psychiatern aber als endogen krank erklärt wird? Wie geht man mit einem Kranken um, der sich verfolgt glaubt, Stimmen hört und dabei organisch ganz gesund zu sein scheint?
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Arbeiten Sie gern in der Psychiatrie?. Pflegez 76, 28–29 (2023). https://doi.org/10.1007/s41906-023-2089-3
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