Was sind die wichtigsten Begriffe für einen jungen Assistenzarzt in einem amerikanischen Krankenhaus? Für Roy Basch sind dies "turfen" und "Gomer". Das erstere wird zum Hauptziel und das letztere sollte man unter allen Umständen meiden.

Stephen J. Bergman schreibt unter dem Pseudonym Samuel Shem in seinem Debütroman "House of God" (1978) über die Erfahrungen junger Assistenzärzte nach ihrem Studium in Boston. Dr. Bergman lehrt heute als Professor für Psychiatrie an der Harvard Medical School in Boston. Geprägt ist sein Roman durch die 60er und 70er Jahre, als die USA im Vietnamkrieg waren, die Erfindung der Pille die Sexualität veränderte, PCs, Internet und Smartphones noch nicht erfunden waren, Watergate die Medien beherrschte und Experimente mit LSD fast zum guten Ton gehörten. Der Roman mutet daher schon fast historisch an und sollte so auch verstanden werden. Was aber zeitlos bleibt, ist Bergmans Kritik an der Entmenschlichung des Gesundheitssystems, an Arbeitszeiten und Überstunden sowie der emotionalen Belastung im Beruf. Mit schwarzem Humor, Sarkasmus und Bitterkeit erzählt Bergman von der harten Realität des Klinikalltags. Einige scheitern, er selbst in der autobiografischen Figur des Roy Basch "überlebt" das House of God, verabschiedet sich aber von der Allgemeinmedizin und entscheidet sich für die Psychiatrie.

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© Grafik: Eva Künzel

Der Praxisschock

Dr. Roy Basch ist jung, motiviert zu heilen und zu helfen, überzeugt vom Fortschritt und Segen der Medizin und sich seines Status als angehender "Halbgott in Weiß" durchaus bewusst. Nach Abschluss des Studiums an der Uni soll er nun mit zehn weiteren Absolventen praktische Erfahrungen sammeln. Die Realität entpuppt sich jedoch für die angehenden Retter als wahrer Praxisschock. Ein Kommilitone ist diesem nicht gewachsen und nimmt sich das Leben, andere betäuben ihre Gefühle mit Drogen. Sie werden eingeführt in die zwölf goldenen Regeln des House of God von Dr. Dickie Jung, einem Assistenzarzt. Die Regeln sind satirisch-makaber, z.B.

  • Bei Herzstillstand immer erst den eigenen Puls tasten.

  • Nicht vergessen: Der Patient ist derjenige, der krank ist.

  • Immer zuerst ans turfen (verlegen) denken.

  • Wenn Du keine Temperatur misst, stellst Du auch kein Fieber fest.

  • Wenn ein Radiologe, der sich in der Facharztausbildung befindet und ein PJler auf einer Thoraxaufnahme etwas Auffälliges sehen, kann nichts Auffälliges sein.

  • Die beste ärztliche Betreuung besteht darin, so wenig wie möglich zu tun, davon aber reichlich.

  • Gomer sterben nicht, sie gehen zu Boden.

Gomer sind die am meisten gefürchtete Patientengruppe im House of God. Kurz für "Get out of my emergency room" (Verlass meine Notaufnahme). Es beschreibt meist ältere, multimorbide Menschen, die sich in einem fragilen Gesundheitszustand befinden, der durch zu viel Apparatemedizin in der Regel nicht verbessert wird. Nicht zu verwechseln mit einer "LAD in GAZ": Liebe Alte Dame in Gutem Allgemeinzustand! Zum Hauptziel aller ärztlichen Aktivität wird das "turfen" - das Verlegen des Patienten.

Und achja, Pferde sind häufiger als Zebras: Im House of God sind Zebras sehr seltene Diagnosen, die theoretisch vorliegen könnten, aber unwahrscheinlich sind. Der leitende Assistenzarzt Dickie Jung plädiert jedoch dafür, dass die jungen Absolventen zunächst häufig vorkommende Diagnosen abklären: "Wenn du Hufgetrampel hörst, sind es wahrscheinlich Pferde, keine Zebras".

Die Trilogie

House of God entwickelte sich nicht zuletzt wegen seines bitteren und sehr, sehr schwarzen Humors zum (teilweise umstrittenen) Kultbuch. Bergman überzeichnet seine Charaktere und Ereignisse und macht damit auf das Abstumpfen vieler Gesundheitsmitarbeiter aufmerksam.

Für alle, die "mehr Basch" wollen: Dr. Basch erlebt in "Misery Mountain" (1997), dass auch die Psychiatrie ihre Schattenseiten hat. Letztendlich bekommt er ein Angebot seines ehemaligen Mentors Dickie Jung, an das House of God zurückzukehren und jetzt selbst die nächste Generation junger Ärzte auszubilden - wie gewohnt mit (sehr) schwarzem Humor und für eine menschlichere Medizin, allerdings diesmal auf dem neuesten Stand der Technik. Nachzulesen ist dies in Bergmans / Shems aktuellen Roman "Man's 4th best hospital".