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Interview mit Professor Thomas Busse Alle zwei Jahre führt das Zentrum für Gesundheitswirtschaft und -recht (ZGWR) an der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS) eine bundesweite Befragung unter OP-Abteilungen durch: das OP-Barometer. Wir sprachen mit dem geschäftsführenden Direktor des ZGWR.
Herr Professor Busse, vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie ist eine umfassende Befragung zur Arbeitssituation in der OP-Pflege besonders spannend. Welche Auswirkungen hatte COVID-19 auf die Befragung?
Busse: Obwohl von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, hat die Corona-Pandemie natürlich auch die Pflegekräfte in den OP-Bereichen besonders und in unterschiedlichster Weise betroffen. In vielen Krankenhäusern musste die Anzahl der Operationen runtergefahren werden, was OP-Pflegekräfte eher entlastet hat. Anästhesie-Pflegekräfte wiederum wurden in großen Teilen zur Verstärkung der Intensiv-Stationen herangezogen, so dass für diese beiden Berufsgruppen durchaus unterschiedliche Herausforderungen bestanden. Eine "homogene" Befragung über das gesamte OP-Pflegepersonal wie in den sonstigen OP-Barometern war somit eher weniger sinnvoll.
In das diesjährige OP-Barometer wurden 140 OP-Abteilungen einbezogen. Anders als in den Vorjahren, richtete sich die Befragung ausschließlich an Führungskräfte. Was waren die Gründe, und gibt es Unterschiede oder auch Übereinstimmungen in den Ergebnissen im Vergleich zu den Vorjahren?
Busse: Primärer Grund 2021, nur die Führungskräfte zu befragen, waren zum einen die doch sehr stark gestiegenen Anforderungen an die Führungskräfte, die Mitarbeiter*innen pandemieadäquat zu organisieren und zu motivieren. Zum anderen sind Basis-Befragungen - wie das OP-Barometer - in Krisenzeiten schwerer umzusetzen. Die Ergebnisse und Aussagen der Führungskräfte stimmen im Wesentlichen mit den Aussagen aus den letzten OP-Barometern überein, wobei die Themen "Personalknappheit" oder "Krankenstand" als eher noch gravierender angesehen werden. Die Themen "Zusammenhalt" oder "Motivation" werden positiver bewertet. Deutlich wird übereinstimmend konstatiert, dass die Corona-Krise die Einstellung der Pflegenden zu ihrem Beruf, aber auch zu ihren Arbeitgebern verändert hat - in welche Richtung scheint aber eher schwer zu deuten.
Obwohl durch die Pandemie der Krankenstand in der OP-Pflege deutlich gestiegen ist, gaben die Befragten an, dass sie - und ihre Mitarbeiter - die Krise weitestgehend gut überstanden hätten. Wie ist das einzuordnen?
Busse: Pflegekräfte aus der OP-Pflege hatten auf Grund massiver Ausfälle von elektiven Operationen sicherlich einen geringeren Arbeitsanfall und konnten etwas durchatmen. Viele Anästhesie-Pflegekräfte, die in coronarelevanten Bereichen (z.B. Intensivstationen) eingesetzt wurden, haben in der Krise vermutlich einfach nur funktionieren müssen - die Folgen hieraus werden sich wohl eher langfristig zeigen. Der erhöhte Krankenstand hat viele Facetten, eine ist sicherlich die Sorge um die eigene Gesundheit, aber auch die um die Familie bei kleinsten coronarelevanten Symptomen.
Gibt das OP-Barometer Aufschluss darüber, wie sich das Andauern bzw. die Entwicklung der Pandemie auf die Motivation oder den Krankenstand der OP-Kräfte auswirkt?
Busse: Eine Kernaussage über alle Befragten hinweg ist, dass in Krisenzeiten auf OP- und Anästhesie-Pflegekräfte Verlass ist - diese Aussage gilt natürlich für alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die ein Krankenhaus am Laufen halten. Ansonsten sind spezifische Aussagen schwer möglich, da - und dies ist zumindest mein Gefühl auch aus anderen Zusammenhängen - die Krankenhäuser die Krise sehr unterschiedlich angegangen sind und gemeistert haben. Dies betrifft nicht nur die Aktivitäten während der verschiedenen Wellen (z.B. Stopp aller elektiven Eingriffe versus Aufrechterhaltung des Programms planbarer Operationen), sondern auch die Einschätzung des jeweiligen Status quo der Krise oder die Einschätzung der weiteren Entwicklung und Ausprägung der Pandemie. Zudem spielen regionale Einflüsse eine große Rolle. Aber auch die Größe der OP-Abteilung bzw. die unterschiedlichen Fachgebiete sind in diese Betrachtung einzubeziehen.
Gibt es mit Blick auf die Situation der Beschäftigten im OP positive Aspekte zu berichten, die auf die Pandemie zurückzuführen sind?
Busse: Auf den wichtigen Aspekt des internen Zusammenhalts habe ich bereits hingewiesen. Das Pflegepersonal aus dem OP-Bereich ist wohl in der Krise näher zusammengerückt und dies wirkt sich durchaus positiv auf die gemeinsame Arbeitsmotivation aus. Ob dadurch auch die Bindung an das eigene Unternehmen Krankenhaus gestärkt wurde, wage ich eher zu bezweifeln. Den Pflegekräften im OP-Bereich wurde aber sicherlich im Rahmen der Pandemie deutlich, auf welche Führungskräfte innerhalb der Pflege, aber auch des Krankenhaus-Managements Verlass war bzw. welche Führungsstrukturen sich bewährt oder nicht bewährt haben. Dies beginnt mit der gemeinsamen Erarbeitung von Bewältigungsstrategien und endet mit dem Umgang mit individuellen Problemstellungen einzelner Pflegekräfte. Hier gab es aus meiner Sicht große Unterschiede - schwache Führungen wurden eher als demotivierend wahrgenommen, starke Führungskräfte konnten ihr Ansehen stärken. Dies wird sicherlich auch einen großen Einfluss darauf haben, wie bzw. wie gut die einzelnen OP-Abteilungen die Krise hinter sich lassen werden.
Wie gut sind die Kliniken und speziell die OPs auf den weiteren Verlauf des Pandemie-Geschehens vorbereitet?
Busse: Aus meiner Sicht sind die OP-Bereiche - mit Ausnahme der schwierigen Personalsituation - relativ gut vorbereitet. Natürlich spielt hierbei die Schwere der Krise eine entscheidende Rolle, denn ab einem gewissen Grad der Belastung kollabiert unser Gesundheitssystem und in Folge auch die OP-Bereiche. Dieser Zustand ist nach allgemeiner Erkenntnis aber bei weitem noch nicht erreicht und wird wohl innerhalb der aktuellen Corona-Krise nicht mehr erreicht werden. Interessant ist jedoch, dass die meisten Krankenhäuser - und somit auch OP-Bereiche - in den letzten Monaten viel gelernt haben: beispielsweise die Vorhaltung von Schutzmaterialien, was bekanntermaßen zu Beginn der Corona-Krise gerade für die in den OP- oder Intensivbereichen Tätigen ein großes Problem war. Aber auch im Aufbau von Krisenstrukturen, der Einsatzplanung von Personal und im Umgang mit Patienten und Patientinnen wurden wertvolle Erfahrungen gesammelt, die hoffentlich für die Bewältigung eventueller zukünftiger Krisen sinnvoll genutzt werden können. Generell würde ich behaupten, das System Krankenhaus und das System OP-Bereich sind in der Krise flexibler und eventuell auch innovativer geworden, was natürlich positiv zu bewerten wäre.
Was glauben Sie, wann wir wieder zu einer "Normalität" im Klinikalltag kommen, und wie wird diese aussehen?
Busse: Diese Frage ordne ich gerne unter der Rubrik "Kaffeesatz-Fragen" ein, weil eine substanzielle Antwort hierauf kaum möglich ist. Für mich steht aber fest, dass es gerade in Bezug auf die Pflege und hier natürlich im speziellen auf die OP- und Anästhesie-Pflege eine bisher gekannte "Normalität" im Klinikalltag nicht mehr geben kann, sollte und auch wird. Die Corona-Krise hat zu viele Problemstellungen dieser Berufsgruppe nach oben gespült, die einer ernsthaft und fundierten Bearbeitung bedürfen und dann natürlich auch den Krankenhaus-Alltag und die Prozesse dort beeinflussen werden. Was wir benötigen, ist eine Reformierung der Abläufe in den Krankenhäusern und hierzu gehört insbesondere: weniger Hierarchien, eine Kommunikation zwischen Ärzten und Pflegekräften auf Augenhöhe, eine Rückführung der Tätigkeiten der Pflege auf explizit pflegerelevante Aktivitäten, die Unterstützung der Pflegetätigkeiten durch digitale Anwendungen sowie eine verbesserte (akademische) Aus- und Weiterbildung der Pflegekräfte im Hinblick auf den medizinischen und pflegerischen Fortschritt. Natürlich geht es auch um starke Führungskräfte der Pflege in den Krankenhäusern, die in der Lage sind (analog dem ärztlichen Dienst), die Interessen der Pflege im System Krankenhaus einzubringen und bei Bedarf auch durchzusetzen. Dies wird aber nicht im Sprint zu erledigen sein, sondern ein Marathon-Lauf werden. Wenn wir hierzu nicht bereit sind, werden zwar Krankenhäuser weiter existieren, aber die Quantität und Qualität nicht nur der pflegerischen Versorgung wird deutlich und sehr schnell sichtbar abnehmen.
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Was spiegelt das OP-Barometer?. Pflegez 74, 14–15 (2021). https://doi.org/10.1007/s41906-021-1170-z
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