Size matters - so lautete der Slogan für Godzilla und es galt, je größer, desto besser. Nun, der Trend in der Medizin geht aktuell entgegengesetzt: je kleiner, desto besser. Seit einigen Jahrzehnten haben die Nanos, griechisch Zwerge, in der Medizin Einzug gehalten.

Bereits seit längerem bekannt ist die Mikrochirurgie. Dabei wird die Schnittführung unter dem Mikroskop ausgeführt und besonders in der Handchirurgie zur Replantation abgetrennter Finger sowie bei Eingriffen an Blutgefäß- und Nervensystem eingesetzt.

Doch die Nanotechnologie geht weiter. Sie setzt Strukturen ein, die selbst mit einem Lichtmikroskop nicht mehr sichtbar sind. Forscher sehen Nanopartikel als Stein der Weisen und als mindestens so revolutionär wie die Entdeckung von Viskose Ende des 19. Jahrhunderts. Dabei handelt es sich nicht um eine einheitliche Stoffgruppe. Als Nanopartikel gelten alle Stoffe, deren Durchmesser kleiner als 100 Nanometer sind (das sind 1 Millionstel Millimeter). Oder bildlich ausgedrückt: 70.000 Nanopartikel zusammen würden der Dicke eines Haares entsprechen. In unserer Umwelt gibt es viele natürliche Nanos. Dazu gehören Vulkanasche und Kerzenruß. Aber auch die Flagellen bestimmter Bakterien (z.B. Syphiliserreger) sind kleine Nanomotoren, die die Bakterien beweglich machen. Die Farben von Schmetterlingen beruhen auf Nanostrukturen der Flügel, und Geckos können an senkrechten Wänden haften, weil sie Nanohärchen an ihren Füßen tragen.

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© Grafik: Eva Künzel

Nanopartikel - Megaeffekt

Bereits seit langem wird die Nanotechnologie in der Lebensmittel-, Kosmetik-, Pharma- und Medizinindustrie eingesetzt. Wer kennt nicht Mizellen-Gesichtswasser für besonders reine und gepflegte Haut? Auch bei den Lebensmitteln ist die Nano-Liste lang: Salz und Instantsuppen, die nicht verklumpen, Zuckermoleküle oder Fettkügelchen an Nano- partikel gekoppelt für mehr Geschmackserlebnis, Zahnpasta, die Mikrorisse in Zähnen glättet. Strenggenommen müssen "technisch hergestellte Nanomaterialien" in Lebensmitteln gekennzeichnet werden, da jedoch viele Nanostoffe Zufallsprodukte sind, werden sie nicht deklariert.

Die Verwendung von Nanosilber in der Wundversorgung ist mittlerweile Standard. Häufig werden Bedenken zu Risiken durch Nanopartikel geäußert. So gilt momentan vor allem das Einatmen von Nanostäuben als Risikofaktor für Lungenerkrankungen. Auch von Nanosilber in Lebensmitteln wird abgeraten, während es in der Wundversorgung üblich ist. Aufgrund der Diversität der Partikel kann jedoch keine einheitliche Aussage getroffen werden.

Blut-Hirnschranke überwinden

Ein Problem der Neurologie war bisher, die Blut-Hirnschranke zu überwinden. Durch den Einsatz von Nanodiamanten kann diese umgangen werden. Diamanten gelten als gut verträglich und werden vom Körper nicht abgebaut. Dazu werden winzige Diamantensplitter mit dem Bluteiweiß Albumin überzogen. Also erkennt das Gehirn den Diamanten als körpereigen und er kann die Blut-Hirnschranke passieren. Gleichzeitig eignet sich Albumin sehr gut zur Kupplung von Arzneistoffen, die damit in das Gehirn transportiert werden können. Doch nicht genug: Diamanten bilden ein Atomgitter, durch das das Licht bei lupenreinen Diamanten ungebrochen durchfallen kann. Die Forscher modifizierten das Atomgitter, sodass es zu Unregelmäßigkeiten kommt und die Nanodiamanten im MRT oder mit Laserlicht nachgewiesen werden können, was ganz neue Möglichkeiten der Diagnostik eröffnet. Auf einem ähnlichen Prinzip beruhen Nanodetektoren, bei denen Antikörper an Nano-Goldpartikel gekoppelt und zum Aufspüren von Tumorzellen in Blut und Gewebe verwendet werden. Ebenfalls bereits in einigen Kliniken praktiziert wird die Tumorzerstörung mithilfe von Nano-Eisen. Dazu werden 15 nm große Eisenpartikel direkt in das Tumorgewebe eingebracht und durch ein Magnetfeld erhitzt, was das Tumorgewebe zerstört, nicht jedoch das gesunde Gewebe.

Mediziner haben übrigens für die vielfältigen Zwerge in Therapie und Diagnostik auch einen passenden Namen geschaffen: Nanotheranostics …

Dr. Andrea Jessen