Den Möglichkeiten scheinen fast keine Grenzen gesetzt zu sein: Steaks, Schuhe, Häuser, Spielzeug, Autoteile und sogar Militärgeräte innerhalb von 24 Stunden herzustellen. Der 3D-Drucker kann fast alles, warum also nicht auch Arzneien, Hilfsmittel und Organe aus dem Drucker?

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© Grafik: Eva Künzel

Erste Versuche im 3D-Druck begannen Anfang der 1980er Jahre, als der Zauberwürfel Deutschland eroberte und Tonbandkassetten noch im Walkman spielten. Bereits 1984 wurde das erste Verfahren patentiert und der rasante Aufstieg des 3D-Drucks in der Medizinbranche begann. Insbesondere in Bereichen, in denen eine genaue, individuelle Passform wichtig ist, wie bei Knieendoprothesen oder Ohrstücken von Hörgeräten, finden 3D-Drucker heute ihre Anwendung.

Rapid Prototyping ...

… oder: der schnelle Prototyp. Dies ist die große Domäne der 3D-Drucker. Die überwiegende Anzahl der Medizinprodukte und chirurgischen Instrumente wird bereits im 3D-Verfahren hergestellt. Insbesondere Prototypen und Einzelanfertigungen können kostengünstig und schnell produziert werden. Während bis vor wenigen Jahren bei Patienten nach Extremitätenverlust vorgefertigte Prothesen angepasst werden mussten, werden jetzt individuelle bionische Prothesen gedruckt. Diese können mittels künstlicher Intelligenz im Gegensatz zu mechanischen Prothesen über verbleibende Muskelfasern gesteuert und bewegt werden. Ein kleiner Wermutstropfen: Momentan kostet eine bionische Armprothese zwischen 80.000 und 90.000 Euro.

Zahnheilkunde und Chirurgie

In der Zahnheilkunde gehören 3D-Drucker ebenfalls seit Jahren zur Standardausstattung großer Labore. Leistungsfähige 3D-Drucker können bis zu 400 Zahnkronen pro Tag individuell und passgenau herstellen. Da zunehmend günstige Drucker auf den Markt kommen, könnten Zahnärzte künftig auch selbst Implantate für ihre Patienten in der Praxis drucken und sofort anpassen - ohne Zahntechniklabore.

Ebenso etabliert ist das Verfahren in der Chirurgie. Neben der Herstellung chirurgischer Instrumente werden auch immer häufiger patientenspezifische anatomische Modelle im Vorfeld schwieriger Operationen gedruckt, zum Beispiel für OPs am offenen Herzen, an denen die Chirurgen die individuellen anatomischen Verhältnisse üben können. Auch dort, wo die Form besonders wichtig ist, wird außerordentlich intensiv an der 3D-Technik gearbeitet. So gibt es zahlreiche Optionen in der Wiederherstellungschirurgie, wie die filigrane Rekonstruktion einer individuellen und passgenauen Ohrmuschel.

Zukunft Bioprinting

Mittlerweile wurden unterschiedliche 3D-Druckverfahren zugelassen, die jedoch alle nach einem ähnlichen Prinzip funktionieren: Dabei werden als "Druckerpatronen" verschiedene Substanzen zugefügt, die unter UV-Licht oder anderen Hilfsmitteln aushärten und im Dünnschichtverfahren nach einer Blaupause aufgetragen werden.

Doch die Forschung für den 3D-Drucker geht weiter: Besonders intensiv wird daran geforscht, die Stammzelltechnologie mit dem 3D-Druck zu verbinden. So könnten komplette Organe, beispielsweise Nieren eines Patienten, durch genetisch modifizierte Stammzellen nachgezüchtet werden. Aus den Stammzellen können sich aufgrund der Erbinformationen des Patienten neue, "körpereigene" Zellen des gewünschten Organs bilden. Dadurch entsteht zunächst jedoch nur ein Zellkonglomerat, das dann später mit dem Drucker in die entsprechende Form gebracht werden könnte. Da die neue Niere aus patienteneigenem Genmaterial gezüchtet würde, würden Abstoßungsreaktionen vermieden und die damit verbundene Immunsuppression entfallen. Gegenwärtig liegen die Hürden vor allem in der technischen Reproduktion der komplexen Nierenstruktur, der Auswahl der einzelnen Zelltypen sowie den geeigneten Biomaterialien.

Ob Elysium für eine alternde Gesellschaft oder Schaffung von dystopischen Cyborgs - die Möglichkeiten des 3D-Drucks erscheinen fantastisch und schier grenzenlos. Und werden am Ende ganze Menschen gedruckt werden können?

Dr. Andrea Jessen