"Im Koth und Urin liegt Gott und die Natur" - mit dieser bizarren Aussage versprach der Universalgelehrte Christian Franz Paullini in seinem Buch vor mehr als 300 Jahren seinen Lesern Abhilfe bei Krankheiten und Wehwehchen mit Speichel, Schweiß, Sperma ebenso wie Ohrenschmalz oder Spinnweben. Sein Buch wurde für über 150 Jahre zu einem wahren Bestseller, verkauft in unzähligen Nachdrucken und Neuauflagen.

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© Grafik: Eva Künzel

Dr. Paullini war aber nicht nur Arzt und Theologe, er hatte auch eine Apothekerausbildung und einen offiziellen Universitätsabschluss als Poet, außerdem war er Mitglied der Wissenschaftsakademie Leopoldina. Nachdem er mehrere Jahre als Leibarzt des Herzogs von Wolfenbüttel gearbeitet hatte, kehrte er als Stadtphysikus in seine Heimatstadt Eisenach zurück. Dort veröffentlichte er sein Buch "Die Heylsame Dreck-Apotheke" erstmals im Jahre 1696. Im Laufe seines Lebens schrieb er noch fast 50 weitere Bücher, darunter zu Themen wie "Bauernphysik" und ein Buch über das Wesen und die Natur der Hunde. Daher richtet sich seine "Drecksapotheke" auch explizit an die arme Landbevölkerung wie Hirten, Knechte, Mägde, Tagelöhner oder Leibeigene.

Für uns mögen die Empfehlungen kurios klingen, aber Arzneien aus Ausscheidungen und Sekreten waren bereits seit dem Alten Ägypten überliefert und fest in den Arzneibüchern des Mittelalters verankert und in ganz Europa verbreitet. Auch der Reformator Martin Luther war ein großer Verteidiger der "Drecksarzneien".

Spucke und ihre heilsame Wirkung

Die Auswahl der Arzneien beruhte zum einen auf den Prinzipien der Humoralpathologie, auf dem Glauben an magische und versteckte zauberhafte Kräfte, aber auch auf alltäglichen Beobachtungen. Schon früh beobachteten die Menschen, dass sich beispielsweise Tiere ihre Wunden leckten und schlussfolgerten, dass der Speichel heilsame Wirkung haben müsse. Heute weiß man, dass Speichel eine große Rolle in der unspezifischen Immunabwehr spielt und viele heilungsfördernde Stoffe enthält:

  • verschiedene Immunglobuline und Zytokine mit anti-entzündlichen Eigenschaften,

  • Enzyme wie Lysozym und Peroxidase, die direkte antibakterielle und antivirale Eigenschaften besitzen,

  • Elektrolyte,

  • Vitamine, wie Folsäure und Vitamin C und

  • schmerzstillende morphinähnliche Substanzen in geringem Maße.

Auch heute noch wird in der Volksmedizin "Spucke" und "Erde" vermischt und auf frische Insektenstiche zum Lindern von Schwellung und Juckreiz aufgetragen. Im russischen Volksglauben sollte Spucke auch gegen Gerstenkörner am Auge helfen. Allerdings musste dafür jemand treffsicher dem Kranken ins Auge spucken, am besten, wenn dieser nicht damit rechnete.

Von Schafdung bis Taubenmist

Aber auch für Verletzungen, die oft zu schweren Wundinfektionen, Sepsis oder zum Tod führten, gab es Abhilfe. Die "heylsame Drecksapotheke" empfiehlt daher bei infizierten Unterschenkelverletzungen und -geschwüren eine Mischung aus Schafdung, Käseschimmel und Honig für mindestens 20 Tage auf die Wunde aufzutragen. Seit Alexander Fleming das Penicillin entdeckte, wissen wir, dass Schimmelpilze antibiotisch wirken. Ammoniak, Harnsäure und Harnstoff werden auch heute noch vielfach in der Dermatologie eingesetzt. Auch die Anwendungsdauer von fast drei Wochen ist mit heutigen Erkenntnissen vereinbar: Dadurch wird die Bildung von Antibiotikaresistenzen unterbunden.

Neben Urin war jedoch auch Kot von Tieren und von Menschen sehr populär, wenn auch vorwiegend in eingelegter oder verbrannter Form als Asche. So sollte Taubenmist insbesondere gegen Schuppen und Haarausfall wirken, während Ofenruß ein bewährtes Mittel gegen graue Haare war. Dagegen sollte Ziegenmist in Wein eingelegt Dornen und Pfeile aus offenen Wunden ziehen. Bei einfachen Wunden ohne Fremdkörper halfen auch Ochsen-, Kuh- oder Schafsmist. Die Anwendungsgebiete und Wirkungen von Exkrementen schienen unbegrenzt.

Aber damit nicht genug: Die Wirkung von Kot, der in Feuerrauch gehängt wurde, soll so stark gewesen sein, dass es gegen alle bösen, angezauberten Krankheiten wirken und sogar den Teufel selbst vertreiben sollte. Wen wundert's ...

Dr. Andrea Jessen