Reinigung, Aufbruch und Neubeginn - Wasser hat eine besondere Bedeutung für Körper und Seele. Küsten und Meer geben uns das Gefühl der Freiheit. Und das Rauschen der Wellen beruhigt und entspannt die Seele.
Unser Körper besteht zu 70% aus Wasser und fast alle Lebensabläufe könnten ohne Wasser nicht stattfinden. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Wasser in der Medizin seit jeher eine besondere Rolle spielt.
Wasser ist nicht gleich Wasser
In ihrem Naturbuch "Physica" schrieb Hildegard von Bingen über die verschiedenen Flüsse und ihr Wasser. Über das Wasser des Rheins fällte sie ein hartes Urteil: es sei scharf wie Lauge und weder zum Trinken, Kochen, Waschen oder Baden geeignet. Aber sie lehrte auch, dass reines Quellwasser durch die Zugabe von Edelsteinen zur Arznei würde. So soll Rosenquarzwasser bei Alpträumen und Angstzuständen wirken und das Herzchakra öffnen, während Bergkristallwasser quasi als Universalarznei bei fast allen Störungen die Selbstheilungskräfte aktiviert.
In Arznei- und Kräuterbüchern der Renaissance findet der Leser weitere unzählige Arten verschiedener Kräuter- und Blumen-Wasser. Etwas kurios ist das "Blutwasser", das aus dem Aderlassblut eines jungen Mannes hergestellt werden sollte. Aber Vorsicht - diese Wässer bestanden nicht aus einem guten Quellwasser, sondern waren "gebrannte Wässer", d.h. hochprozentige Branntweine mit verschiedenen Zusätzen. Aber auch Salzwasser war unter dem Namen "Muria" über viele Jahrhunderte ein ebenso beliebtes wie kurioses Arzneimittel. Dazu wurde reines Wasser mit Meersalz oder Fischen gekocht. Muria sollte bei Hüftschmerzen helfen, ebenso wie es eitrige Wunden oder Geschwüre reinigen und Verstopfungen in Form von Klistieren öffnen sollte.
Arznei per Gesetz
Außerdem spielt der natürliche Salz- und Mineralgehalt von Wasser eine Rolle. Denn auch wenn das aktuelle europäische Arzneimittelbuch vier Arten von reinem "H2O" unterscheidet, mit denen wir im pflegerischen Alltag arbeiten (z.B. Gereinigtes Wasser oder Wasser für Injektionszwecke), so kommt Wasser in der Natur fast nie in reiner Form vor.
Quellwasser mit einem besonders hohen oder ungewöhnlichen Mineralgehalt kann als Heilwasser zugelassen werden, wenn seine gesundheitliche Wirkung wissenschaftlich bewiesen wurde. Heilwässer sind Arzneimittel und fallen damit unter das Arzneimittelgesetz (AMG). Die Wirkung beruht in der Regel auf den gelösten Mineralien. Heilwässer werden daher bei Verdauungsbeschwerden, Harnwegsinfekten, zur Regulierung des Säure-Basenhaushaltes, Anregung des Stoffwechsels und Vorbeugung von Osteoporose eingesetzt. Allerdings sollte man beachten, dass sie nicht zum Durstlöschen geeignet sind und als Arzneimittel auch Nebenwirkungen (z.B. Durchfälle) zeigen können. Insbesondere Menschen mit Herzinsuffizienz oder Nierenerkrankungen sollten wegen des hohen Mineralgehaltes der Heilwasser sehr vorsichtig sein, die tägliche Maximalmenge beachten und nur in Absprache mit einem Arzt eine Trinkkur durchführen.
Heiß und kalt
Neben den innerlichen Anwendungen wurde die äußerliche Wirkung von Wasser als Gesundheitsmittel im 19. Jahrhundert durch Pfarrer Kneipp bekannt. Er führte die Hydrotherapie ein und entwickelte über 100 verschiedene Anwendungsformen ("Kneippgüsse"), deren Wirkung im Wesentlichen auf Temperaturreizen beruht. Kneippanwendungen sind anerkannte Therapieverfahren bei Krampfadern und zur Stärkung des Immunsystems, insbesondere auch bei Patienten mit chronischer Bronchitis (COPD). Allerdings beruht die Kneipp-Medizin auf fünf Säulen: Wasseranwendungen, Bewegung, Ernährung, Phytotherapie und "geordnete" Lebensweise sind die Grundlagen der Gesundheit.
Pfarrer Kneipp hatte auch einen Tipp für kalte Tage: Morgens einen kalten Wasserstrahl gleichmäßig über das Gesicht laufen lassen, auf der Stirn beginnend, von rechts nach links - und wer es nicht so kalt mag, dem empfiehlt Pfarrer Kneipp ein wärmendes Fußbad mit Orangenblüten am Abend… Dr. Andrea Jessen