Nicht nur Patienten mit einer chronischen venösen Insuffizienz, sondern nahezu alle Patienten mit Ulcus cruris und Ödemen profitieren von einer Kompressionstherapie, sofern strikte Kontraindikationen wie die fortgeschrittene pAVK/kritische Ischämie (ABPI < 0,5) ausgeschlossen wurden, erklärte Prof. Joachim Dissemond, Universitätsklinikum Essen im Rahmen der 49. DDG-Tagung in Berlin. „Die Rate derer, die eine Kompressionstherapie dringend benötigen würden – sie in der Regel aber dann nicht bekommen –, liegt sicherlich bei 80%“. Trotz der sehr langen Tradition und der recht guten Evidenz der Kompressionstherapie zeigten aktuelle wissenschaftliche Ergebnisse, dass die Versorgungsrealität in Deutschland unbefriedigend sei.

Auch Patienten mit Ulcus cruris mixtum könnten meist von der Kompressionstherapie profitieren, wie eine Untersuchung mit 25 Patienten zeigte, so Dissemond. Die Probanden hatten einen Knöchel-Arm-Druck-Index (ABPI) > 0,5, absolute Druckwerte von mindestens 60 mmHG und erhielten eine Kompression mit 20–50 mmHG – alle gemessenen Parameter besserten sich bis 40 mmHg.

Adaptive Bandagen für die Entstauung

Die Kompressionstherapie kann heute mit sehr unterschiedlichen Materialien und Systemen durchgeführt werden. In Deutschland kommen meist Verbände mit Kurzzugbandagen zum Einsatz. Die Qualität dieser Verbände ist aber sehr stark von der jeweils anlegenden Person abhängig. „Niemals sollte sich der Patient selbst wickeln“, betonte Dissemond, dies sei fast immer ineffektiv. Auch Wundexperten könnten oftmals keinen „guten“ Kompressionsverband anlegen, viele wickelten zu locker.

Noch wenig genutzte Alternativen sind Mehrkomponentensysteme und adaptive Bandagen, die insbesondere in der Entstauungsphase eingesetzt werden können. Bei den Mehrkomponentensystemen sollte man mit der „light“-Version beginnen (z.B. 20 mmHg). Marker auf den Kompressionsbinden, die bei korrekter Dehnung ein Symbol zeigen (z.B. Oval wird zum Kreis), können das Anlegen eines effektiven Verbandes erleichtern. Bei adaptiven Systemen seien die Patienten in der Lage, den Druck meist selbst gut zu justieren – auch diese sollten anfangs auf 20 mmHg eingestellt werden, riet Dissemond.

Für die Erhaltungstherapie sind es dann die Ulcus-Strumpfsysteme, die den Goldstandard der Kompressionstherapie des Ulcus cruris darstellen. Hier können auch zwei Strumpfsysteme kombiniert werden (Drücke addieren sich). Zur Rezidiv-Prophylaxe können medizinische Kompressionsstrümpfe eingesetzt werden. Evidenz gemäß der Cochrane Collaboration besteht für:

  • Kompressionstherapie beschleunigt die Ulcus-Heilungsrate und reduziert die Rezidivrate bei Patienten mit Ulcus cruris venosum

  • Kompression mit Vierlagenverbandsystemen ist effektiver als andere Verbandsysteme mit Kurzzugbandagen

  • Zweilagenstrumpfsysteme sind effektiver als Kurzzugbandagen

  • Systeme mit mehreren Lagen sind effektiver als Systeme mit einem Verband

  • Vierlagenverbandsysteme sind kosteneffektiver als Verbandsysteme mit Kurzzugbandagen

„Durch diese verschiedenen Behandlungsoptionen ist es heute möglich, für nahezu alle Patienten mit Ulcus cruris das passende System zu finden“, so Dissemond. Die individualisierte Kompressionstherapie sollte gemeinsam mit dem Patienten geplant und durchgeführt werden.